Antrag vom 09/28/2009
Nr. 339/2009

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Betreff

Sofortmaßnahmen und mittelfristige Maßnahmen gegen Feinstaub

Nachdem das Problem Feinstaub nachweislich nicht durch Aussitzen gelöst werden konnte, und nachdem das Regierungspräsidium Stuttgart auch nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart nicht den Eindruck macht, ernsthafte Schritte zur Feinstaubbekämpfung zu unternehmen, ist es an der Zeit, dass die Stadt Stuttgart selbst handelt.

Vorbemerkung

Für die Lösung der vielfältigen Probleme mit den Luftschadstoffen, die zum größten Teil vom motorisierten Verkehr verursacht werden, gibt es im Wesentlichen nur einen Lösungsweg, nämlich den motorisierten Verkehr zu verlangsamen und damit zu reduzieren. Dies ist der einzig zielführende Weg zur Verminderung nicht nur der Feinstaubbelastung, sondern auch aller anderen Verkehrsemissionen (Stikoxide, Lärm, etc.) und damit zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren für die Bevölkerung. Das Regierungspräsidium setzte stattdessen zu sehr auf technische Lösungen, die meist nur mit hohem Aufwand zu verwirklichen sind und - wenn überhaupt - oft nur für Teilaspekte der Luftproblematik geringe Verbesserungen bringen können. Wir vermissen zum Beispiel völlig eine Analyse der Ursachen der hohen Verkehrsbelastung, sowohl hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Straßenbau und Verkehr (induzierter Verkehr), als auch der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ursachen der Umweltverschmutzung durch die Übermotorisierung unser Stadt. Wer allerdings überhaupt keine Ahnung vom Verkehr hinsichtlich seiner Entstehung hat, wer nach Jahrzehnten permanenter Verkehrszunahme trotz dem ständigen Bau neuer Straßen nach wie vor Straßenbau predigt und dabei gleichzeitig zentrale Funktionen (Arbeiten,Einkaufen, etc) der Innenstadt permanent Ausbaut (S21, Da Vinci, Quartier S, Galeria Ventuno etc) der kann auch nichts zur Lösung beitragen und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung.

Allein der Ausbau des Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) löst das Problem nicht.

Durch eine Attraktivitätssteigerung beim ÖV, z.B. durch ein hoch subventioniertes "Umweltticket", kommt es nicht automatisch zu einer Abnahme der Fahrten beim motorisierten Individualverkehr. Allein eine Zunahme der Fahrgäste des ÖV ist noch keine Maßnahme zur Entlastung der Umwelt und bedeutet nicht automatisch eine Abnahme beim motorisierten Individualverkehr. Der meiste Gewinn an Fahrgästen kommt in diesen Fällen oft durch die unter Umweltgesichtspunkten nicht erwünschte Verlagerungen vom Fußgänger- und Fahrradverkehr auf den Öffentlicher Personennahvekehr zustande. Es ist daher grundsätzlich notwendig, parallel zu Verbesserungen im ÖV spürbare Beschränkungen beim motorisierten Individalverkehr durchzuführen. Nur unter dieser Voraussetzung ist es denkbar, dass Autofahrer auf den ÖV umsteigen.

Allerdings sind die Tarife des VVS entschieden zu teuer. Generell sind die VVS-Tarife nach unten zu korrigieren, insbesondere die Preise für die Einzelfahrscheine.

All dies bedeutet aber, dass Finanzmittel anders erhoben und anders zur Verfügung gestellt werden. Die Subventionierung für den motorisierten Individualverkehr muss zu Gunsten des Öffentlichen Personennahverkehrs beendet werden. Derzeit subventioniert die Stadt Stuttgart den motorisierten Individualverkehr mit 81,2 Prozent seiner Kosten, das sind pro Kopf, also vom Säugling bis zur Ur-Oma, 144.50 Euro (EU-Untersuchung SIPTRAM – Sustainability in the Public Urban Transport Market). Der ÖV dagegen wird nur mit ca. 20 Pozent seiner Kosten subventioniert.

Deshalb beantragen wir:

1. Flächendeckende Geschwindigkeitsreduzierung im gesamten Stadtgebiet und in der Umgebung von Stuttgart und deren Kontrolle. (sofort)

- Tempo 100 auf der Autobahn um Stuttgart

- Tempo 80 auf allen Bundes- und Landstraßen um Stuttgart

- Tempo 30 auf den Bundesstraßen in Stuttgart

- Tempo 30 im restlichen Stadtgebiet

- Schritttempo und shared Space in Wohngebieten

Dadurch würde sich die Verkehrsmenge verringern, der Verkehrsfluss verstetigen, Abrieb und Aufwirbelung vermindern. Die Feinstaubhintergrundbelastung würde großflächig gesenkt werden. Als positive Nebeneffekte würden auch die Emissionen der anderen Schadstoffe verringert. Es entstünde weniger Lärm, die Verkehrssicherheit würde erhöht (weniger Unfälle mit Personenschaden, höhere Lebensqualität im Talkessel). Außerdem würde das zu Fußgehen und Fahrradfahren attraktiver, was wiederum zu einem besseren Gesundheitszustand in der Bevölkerung führte.

2. Bevorzugung der umweltverträglichen Verkehrsarten. (sofort)

- Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer im Straßenraum (Shared Space);

- Ersatz von Fußgängerampeln durch Zebrastreifen;

- längere Grünzeiten bei den verbleibenden Fußgängerampeln;

- bei allen Planungen und Straßenreparaturen müssen alle Verkehrsteilnehmer Gleichberechtigung erfahren.

3. Bei der Raum- und Stadtplanung muss auf verkehrsvermeidende Strukturen geachtet werden. (sofort)

Großverbrauchermärkte mit großem Parkplatzangebot dürfen nicht mehr genehmigt werden.

Die Stadt muss den kleinteiligen und fußläufig zu erreichenden Einzelhandel fordern

und fördern. Monofunktionen des Konsums und Komerzes zu Gunsten der Stadt der kurzen Wege umbauen. Sofortiger stopp des Ausbaus der zentralen Funktionen in der Innenstadt. (Kein Stuttgat21,kein Da Vinci, Quartier S, Galeria Ventuno)

4. Einführung einer Citymaut sowie einer ÖPNV-Abgabe für Kfz-Eigner und Erhöhung der Parkgebühren um damit eine kostenlosen Nahverkehr für alle zu finanzieren (mittelfristig)

Wie bereits von StR Rockenbauch während der Haushaltberatungen vorgeschlagen, regen wir auch heute wieder an, sowohl eine Citymaut, als auch eine ÖPNV-Abgabe zu prüfen, die eine Nutzung des Öffentlichen Personennahvekehrs in Stuttgart kostenlos ermöglicht. Nicht nur der/die Kfz-Halterin hätte dann die Möglichkeit einer kostenlosen Nutzung; auch Schüler und Schülerinnen, auch diejenigen Teile der Bevölkerung, die immer mehr verarmen, hätten das Recht auf kostenlose Beförderung. Mit einer sozialverträglichen Kombination von City-Maut, ÖPNV-Abgabe und höheren Parkgebühren (auch beim Anwohnerparken) könnten genug Mittel für die Finanzierung eines kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehrs eingenommen werden.

5. Parkplätze müssen räumlich von den Wohn- und Arbeitsplätzen getrennt werden. (mittelfristig)

Dies sollte künftig die generelle Linie der Stadtplanung sein: Es muss immer ein Fußweg zwischen Parkplatz und Start/Zielort liegen, der mindestens solange ist, wie der Weg zur nächsten Haltestelle des ÖVs. Ein Schritt hierzu wäre die Einrichtung von Quartiersgaragen.

6. Rückbau von Straßen (mittelfristig)

Aufhebung von Fahrstreifen, um die Straßenfläche der verringerten Verkehrsmenge anzupassen (z.B. Konrad-Adenauer-Straße).

Verengung der Fahrstreifen für den motorisierten Individualverkehr auf das bei niedrigen Geschwindigkeiten notwendige Mindestmaß. Die freiwerdende Fläche kann renaturiert oder anderen Verkehrsteilnehmern bzw. anderen Nutzungen zur Verfügung gestellt werden.

Hannes Rockenbauch Gangolf Stocker