Antrag vom 05/12/2009
Nr. 224/2009

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Küstler Ulrike (DIE LINKE.), DIE LINKE. im Stuttgarter Gemeinderat
Betreff

Das "Hotel Silber" erhalten und ausbauen als NS-Dokumentationszentrum

Das "Hotel Silber" erhalten und ausbauen als NS-Dokumentationszentrum

Das „Hotel Silber“ war der zentrale Ort des NS-Terrors in Stuttgart. Hier war die Stuttgarter Gestapozentrale, in deren Keller politische Gefangene und andere Opfer des NS-Regimes gefoltert wurden. Von hieraus wurde die Deportation der Stuttgarter Juden organisiert. Die Dorotheenstraße 10 ist der zentrale Ort des NS-Terrors in Stuttgart, mit dem alle Opfergruppen konfrontiert waren und der in ihrer Erinnerung bedeutungsvoll ist. In unmittelbarer Nachbarschaft, im damaligen Württembergischen Innenministerium, wurde der Mord an Behinderten und Kranken geplant und organisiert.


In einer geschichtsbewussten Stadt sollte es selbstverständlich sein, dass ein solcher Ort zentrale Bedeutung in der lokalen Erinnerungskultur bekommt. Nur eine geschichtsbewusste Stadt kann auch in der Gegenwart wirksam der rassistischen Diskriminierung von Minderheiten entgegentreten. Doch nicht einmal der einstimmige Beschluss des Gemeinderats, am Gebäude eine öffentlich sichtbare Gedenktafel anzubringen, wurde bisher umgesetzt. Und Stuttgart wartet im Unterschied zu Köln, Berlin, Nürnberg und München immer noch auf ein Dokumentationszentrum, in dem die lokale Geschichte des NS-Terrors professionell aufgearbeitet wird. Stattdessen wird die Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte ehrenamtlich arbeitenden Bürgerinitiativen überlassen. Stattdessen scheinen Stadt und Land bereit zu sein, diesen historischen Ort den Interessen eines Investors zu opfern.

Dem stellt sich jetzt die Initiative Gedenkort Hotel Silber in den Weg, eine Vereinigung von zwölf Initiativen und Vereinigungen, darunter die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs, der Verband Deutscher Sinti und Roma, die VVN-BdA, die Stolperstein-Initiativen, der Verein "Zeichen der Erinnerung", die AnStifter, die Weissenburg e.V. - schwul-lesbisches Zentrum Stuttgarts und die Initiative Deserteurdenkmal für Stuttgart. Sie haben eine hervorragende Broschüre herausgegeben, in der sie die Authentizität des Ortes belegen. Sie fordern, dass das Hotel Silber als historischer Ort für diese Erinnerungskultur erhalten bleibt und dass hier im Zusammenwirken von Stadt und Initiativen ein Stuttgarter NS-Dokumentationszentrum aufgebaut wird.

Ich beantrage:
  1. Das ehemalige Hotel Silber muss erhalten werden. Hier soll das längst überfällige Stuttgarter NS-Dokumentationszentrum eingerichtet werden.
  2. Um dies zu ermöglichen, verhandelt die Stadt mit dem Land über den Erwerb oder die langfristige Anmietung des Gebäudes.
  3. Die Stadt macht – im Rahmen ihrer Planungshoheit – die Erhaltung des Hotel Silber zur Vorgabe für die Gestaltung des DaVinci-Komplexes. Das Gebäude darf und soll als sperriges und anstößiges Element in dem modernen Komplex erscheinen und so die Aufmerksamkeit erregen.
  4. Die in der Initiative für die Erhaltung des Hotels Silber zusammengeschlossenen Gruppen und Vereinigungen werden an der Entwicklung der Konzeption für das NS-Dokumentationstentrum beteiligt. Die Erfahrungen insbesondere der Stadt Köln, aber auch Berlins, Nürnbergs und Münchens sollen einbezogen werrden.
  5. Vorgabe für die Konzeption soll es sein,

    - dass sich das dort zu gründende NS-Dokumentationszentrum auf
    alle Opfergruppen bezieht, insbesondere auch auf die Gruppen, für die es bisher keinen Ort der Erinnerung gibt wie etwa die Homosexuellen,

    - dass dort die NS-Geschichte zahlreicher Stuttgarter Institutionen erforscht werden soll,

    - dass die Bezüge hergestellt werden zu den anderen Orten der Topographie des Terrors in der Stuttgarter Innenstadt, wie dem Innenministerium, dem Landgericht, dem Deutschen Auslandsinstitut und dem Polizeigefängnis in der Büchsenstraße.


Ulrike Küstler