Antrag vom 04/30/2004
Nr. 159/2004

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Gentechnikfreies Stuttgart – das Markenzeichen der Stadt

Der europäischen Richtlinie zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG) zufolge dürfen Landwirte wahrscheinlich ab Herbst auch hierzulande gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen. Dies schürt bei den Verbrauchern, aber auch bei vielen Landwirten, Ängste, die unserer Einschätzung nach nicht unberechtigt sind:

Die sogenannte “grüne” Gentechnik (Produktion von genmanipulierten Lebensmitteln) greift in natürliche Zusammenhänge ein. Werden Gene künstlich in das Erbgut von Lebewesen eingefügt, muss mit ungewollten Effekten gerechnet werden. So können z.B. fremde Gene in Lebensmitteln die Gefahr von Allergien erhöhen. Bei manchen Genzüchtungen werden sogenannte Antibiotika-Restistenzgene verwendet. Hier wird befürchtet, dass sich die Resistenzen bei Krankheitserregern stärker ausbreiten können. Langzeitstudien gibt es dazu noch nicht. Kritik gibt es auch an den, durch überteuertes Saatgut und darauf genau abgestimmten Spritzmitteln, entstehenden Abhängigkeiten – wer das eine kauft, muss auch das andere erwerben. Derzeit beherrschen fünf Konzerne den weltweiten Markt.

Eine Koexistenz von Gentechnik und konventioneller oder gar ökologischer Landwirtschaft ist schlechterdings nicht möglich. Das Saatgut von gen-verändertem Raps beispielsweise, hält sich bis zu 12 Jahren im Boden keimfähig. Auch machen Bienen nicht Halt vor den im Gesetz vorgesehenen Abstandsregeln und Pollenbarrieren.
Die weit überwiegende Mehrheit der deutschen und europäischen VerbraucherInnen sieht in den Gentechnik-Pflanzen keinen Nutzen der es rechtfertigt, die menschliche Gesundheit und die Vielfalt in der Natur den Risiken dieser Technologie auszusetzen: Vier von fünf BürgerInnen lehnen den Einsatz der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ab. Da gleichzeitig kein Verbraucher fordert, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel angeboten zu bekommen, wollen auch der überwiegende Teil der Lebensmittelverarbeiter und –händler gentechnikfreie Rohstoffe haben.

Inzwischen vergeht keine Woche, in der sich nicht in Deutschland ein neuer Kreis, eine weitere Region, für “gentechnikfrei” erklärt. In vielen Kreisen in Baden-Württemberg sind bislang freiwillige Vereinbarungen zwischen Landwirten und Verwaltungen getroffen worden. Wir sehen auch hier in Stuttgart kommunalen Handlungsbedarf.

Wir beantragen:

- Die Verwaltung lädt alle in Stuttgart wirtschaftenden Landwirte sowie die entsprechenden Vertreter der Universität Hohenheim zu einem Konsensgespräch ein mit dem Ziel, dass auf Stuttgarter Gemarkung freiwillig auf den Einsatz von gentechnisch manipuliertem Pflanz- und Saatgut verzichtet wird.

Für den Fall, dass auf dieser Basis kein Konsens hergestellt werden kann, beantragen wir:

- Die Stadt Stuttgart erlässt eine Verordnung, nach der auf städtischen Pachtflächen kein gentechnisch verändertes Pflanz- oder Saatgutmaterial zum Einsatz kommen darf.

Da die Freisetzungsrichtlinien wahrscheinlich ab Spätsommer greifen und zu dem Zeitpunkt z.B. die Rapseinsaat beginnt, muss schnell gehandelt werden.
Falls die Verwaltung nicht von sich aus unserem Antrag entspricht, wird dieser den gemeinderätlichen Gremien noch vor den Pfingstferien zur Beschlussfassung vorgelegt.



Ursula Marx Doris Peppler-Kelka