Antrag vom 10/05/2001
Nr. 418/2001

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

SPD-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Städtischen Einfluss bewahren - Die Wasserversorgung muss kommunal bleiben

Die kritische Öffentlichkeit, Umweltexperten, der Deutsche Städtetag und nicht zuletzt die Zweckverbände der Wasserversorgung warnen vor einer Privatisierung der Wasserversorgung.

Nicht ohne Grund: So sind laut Bericht der Stuttgarter Zeitung z.B. in Großbritannien die Wasserpreise seit der Privatisierung vor zehn Jahren um 50 % gestiegen, während die Qualität deutlich gesunken ist.

Auf bundespolitischer Ebene wird derzeit erbittert über die Liberalisierung der Wasserversorgung gestritten, denn auch auf diesem Gebiet der kommunalen Daseinsvorsorge stehen große wirtschaftliche Interessen im Hintergrund. Allein in
Baden-Württemberg ergeben Trink- und Abwasser ein Umsatzvolumen von über fünf Milliarden Mark. Die Eigenkapitalrendite liegt zwischen fünf und zehn Prozent.


Im Bereich der Landeswasser- und der Bodenseewasserversorgung befinden sich Wasserreserven, die etwa doppelt so groß sind, wie der Verbrauch in den Versorgungsgebieten der beiden kommunalen Zweckverbände, in denen die Stadt Stuttgart über die NWS ca. 30 % der Anteile hält.

Im Falle einer Liberalisierung des Wassermarktes stellen diese Reserven ein riesiges Kapital dar, von dem wir gegenwärtig nicht wissen, ob es in der Bewertung des Unternehmens vor dem Beschluss über den Verkauf von städtischen Anteilen an der NWS berücksichtigt wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, hätten wir bei unserem völligen Ausstieg möglicherweise auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ein schlechtes Geschäft gemacht.

Wasser ist ein knappes Gut. Es gilt Vielen als das Öl des 21. Jahrhunderts. Die Kommunalpolitik handelt deshalb mit höchstem Risiko, wenn sie dieses Lebensmitel ohne Not aus den Händen gibt.

Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart und der Neckar-Elektrizitätsverband haben mit ihren Entscheidungen zum Verkauf von Anteilen an der NWS den Weg frei gemacht, der EnBW eine Mehrheit an der NWS einzuräumen. Die Beschlüsse besagen u.a., dass die Stadt ihre bisher 42,5 % - Anteile durch Verkauf von 17,5% auf 25% reduziert.

Eine weitere Option besteht darin, auch die restlichen 25% innerhalb von fünf Jahren, zu den gleichen Konditionen veräußern zu können. Entsprechende Entscheidungen sind vom Gemeinderat zum gegebenen Zeitpunkt noch zu treffen.

Dem Vernehmen nach möchte der Oberbürgermeister dem Gemeinderat genau diesen Entscheidungsvorschlag in absehbarer Zeit unterbreiten. Der Hinweis in der Beschlussvorlage 864/2001 vom 4.9.2001 zur Finanzierung der stillen Beteiligung an der Landesbank spricht Bände.

Sollte sich für einen vollständigen Verkauf der NWS-Anteile eine Mehrheit im Gemeinderat finden, wird der letzte Rest an Einfluss auf die Geschäftspolitik der NWS der Vergangenheit angehören.

Bezogen auf den liberalisierten Strombereich mag dies vertretbar sein, wenngleich die Vorhersagen, die der Entscheidung des Gemeinderats zugrunde lagen (nachhaltiger Wertverlust der NWS wegen sinkender Strompreise und Kundenverluste durch den Wettbewerb, sinkende Renditeerwartungen für den Kommunalen Haushalt usw.) bisher glücklicherweise, dank dem Engagement der beteiligten Vorstände und der Arbeitnehmer/innen, aber auch wegen der Entwicklung des Marktes nicht eingetreten sind.

Der Blick auf viele Stadtwerke in der Republik zeigt, dass ein hektischer Ausverkauf kommunalen Vermögens nicht erforderlich ist. Wie Bürgerentscheide in Düsseldorf und Hagen zeigen, wird diese Auffassung auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern geteilt, wenn sie nach ihrer Meinung gefragt werden.

Mindestens bezogen auf den Wasserbereich muss aus unserer Sicht der städtische Einfluss erhalten bleiben.

Herr Oberbürgermeister Schuster teilt in der Antwort auf unseren Antrag "Kommt das Wasser künftig aus Paris" mit, dass er mit NWS/EnBW dahingehend verhandeln will, dass auch künftig Sitze in den Organen der Zweckverbände städtischen Vertretern überlassen werden.
Diese Absicht ist lobenswert, aber nicht ausreichend. Ohne eigene Kapitalbasis sind solche Mandate u.E. nicht viel wert. Die entsprechenden Mandatsträger wären nicht mehr Vertreter der Bürgerschaft Stuttgarts, sondern - vereinfacht gesagt - Funktionäre der Electricité de France (EdF), bzw von Herrn Goll, dem Vorstandschef der EnBW.

Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass der noch vorhandene Gestaltungsspielraum im o.g. Sinne ausgeschöpft werden muss.

Wir gehen dabei davon aus, dass es nach dem Verkauf von städtischen NWS - Anteilen und einer dann vorhanden Mehrheit der EnBW, zu einer Umstrukturierung des EnBW - Konzerns kommt. Vorhandene Strukturen der EnBW werden dabei sicherlich eine entscheidende Vorgabe bilden. In den dabei entstehenden Tochtergesellschaften wird die Stadt - unterstellt man, dass es bei der 25%-Beteiligung bleibt - dann mehr oder weniger große Anteile, ohne einen wirklichen Einfluss besitzen.

Sinnvoller und im wohlverstandenen Interesse der Kommunalpolitik wäre es, die verbleibenden Anteile der Stadt Stuttgart in jener Gesellschaft innerhalb des EnBW-Konzerns zu bündeln, die für das Wassergeschäft zuständig sein wird. Ggf. könnte dieses auch in einer gesonderten Wasser-GmbH in der gesellschaftsrechtlichen Form eines Gemeinschaftunternehmens (50/50% mit Konsortialvertrag) geschehen. Nach unserer Vorstellung würde die unternehmerische Führung durchaus bei der EnBW liegen. Der kommunale Einfluss könnte über den Aufsichtsrat und die Gremien der Wasserzweckverbände ausgeübt werden.

Wir sind im Übrigen auch davon überzeugt, dass eine solche, weiterhin bestehende Verbundenheit der NWS mit der Stadt Stuttgart und evtl. auch mit dem NEV in deren ureigensten Geschäftsinteressen als Dienstleister und Partner von Stadtwerken liegt.


Wir beantagen deshalb:
  1. Der Oberbürgermeister nimmt entsprechende Verhandlungen auf.
  2. Über Ergebnisse wird spätestens Mitte Februar 2002 im Verwaltungsausschuss berichtet.
  3. Erst danach wird über die endgültige Positionierung der Stadt beim Verkauf von Energieaktien entschieden.








Dr. Rainer Kußmaul Edeltraud Hollay Manfred Kanzleiter
Fraktionsvorsitzender Stellv. Fraktionsvors. Stellv. Fraktionsvors.