Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 530/2008
Stuttgart,
07/10/2008



Stuttgarter Netze für alle Kinder
Strategien und Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Lebenssituation benachteiligter Kinder in Stuttgart




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
16.07.2008
17.07.2008



Beschlußantrag:


Begründung:


1. Arbeitsprogramm „Kinderfreundliches Stuttgart“

Ziel des im Jahr 2004 aufgelegten Arbeitsprogramms „Kinderfreundliches Stuttgart“ ist, dass alle Kinder und Familien gern in Stuttgart leben sollen und dafür entsprechende Angebote und Möglichkeiten für Bildung, Kultur und zur Befriedigung ihrer sozialen Bedürfnisse benötigen. Seitdem haben sowohl der Gemeinderat, die Stadtverwaltung, alle mit Kindern und Familien betrauten Träger, Institutionen und Einrichtungen als auch die Stuttgarter Bürgerschaft sehr engagiert und in vielfältiger Weise dazu beigetragen, dass vielen Kindern ein Aufwachsen in Wohlergehen ermöglicht und ihnen positive Zukunftschancen eröffnet werden.

Mit dem vorliegenden Strategiekonzept soll die besondere Situation benachteiligter Kinder in Stuttgart stärker in den Blick genommen und dem Arbeitsprogramm „Kinderfreundliches Stuttgart“ damit eine neue Akzentuierung gegeben werden.

Die für das Arbeitsprogramm „kinderfreundliches Stuttgart“ konstitutiven Zielsetzungen

· Jedem Kind soll die Förderung und Bildung zuteil werden, die ihm faire Zukunftschancen eröffnen. Dies gilt insbesondere auch für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

· Für jedes Kind soll es ausreichend Platz zum Wohnen und zum Spielen im Freien geben.

· Jedes Kind soll die Chance haben, gesund und sicher aufzuwachsen.

· Familie und Beruf sollen sich für Mütter und Väter leicht vereinbaren lassen.

· Das Miteinander der Generationen soll durch einen „Generationenvertrag vor Ort“ besonders gefördert werden

stellen die Grundlage für das weitere Vorgehen dar und sind in Bezug auf die spezifische Situation benachteiligter Kinder konkret zu formulieren.


2. Verbesserung der Lebenssituation benachteiligter Kinder in Stuttgart

Damit die oben genannten Zielsetzungen für alle Stuttgarter Kinder und ihre Familien erreicht werden können, sind besondere Anstrengungen für Kinder und Familien benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu unternehmen. Allen Stuttgarter Kindern – unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft – sollen erfolgreiche Bildungswege eröffnet und positive Zukunftschancen ermöglicht werden. Jedes Stuttgarter Kind soll am gesellschaftlichen Leben, an den Bildungs- und Kulturangeboten dieser Stadt teilhaben können sowie konkret darin unterstützt werden, seine Fähigkeiten zu entwickeln und Chancen zu nutzen.

Dafür ist es von zentraler Bedeutung, über ein qualitativ hochwertiges und gut aufeinander abgestimmtes System zu verfügen, in dem alle relevanten Akteure – in enger Zusammenarbeit mit den Eltern – das Fundament für den gesamten Lebens- und Bildungsweg eines Kindes legen.

Diesem Ziel näher zu kommen, erfordert ein Vorgehen auf drei Ebenen:

1. Konkrete Maßnahmen und Angebote zur Linderung sozialer Benachteiligung

Kinder und ihre Familien sollen konkret unterstützt werden, damit negativen Auswirkungen eines Heranwachsens in prekären Lebenslagen abgefedert und Teilhabe ermöglicht wird.

2. Gangbare Wege aus der sozialen Benachteiligung

Vorhandene und neue Maßnahmen müssen dazu beitragen, die Startchancen von Kindern aus vielschichtig benachteiligten Familien zu verbessern und der Bildungsarmut, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, entgegenzuwirken.

3. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung sozialer Benachteiligung

Präventive Maßnahmen – auch in Form der Bereitstellung einer ausdifferenzierten und den spezifischen Bedarfen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen angepassten sozialen Infrastruktur – sind notwendig, um der Entstehung und Verfestigung von prekären Lebenslagen entgegenzuwirken. Betroffene Eltern brauchen Unterstützung, um ihrer Erziehungsverantwortung gerecht zu werden.

Diese Maßnahmen müssen vor dem Hintergrund bereits bestehender Angebote und Initiativen aufeinander abgestimmt werden. Darüber hinaus gilt es, die Maßnahmen an den konkreten Bedingungen vor Ort auszurichten und belastete Stadtteile bzw. Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern in prekären Lebenslagen besonders zu unterstützen.

2.1 Bestehende und aktuell angestoßene Maßnahmen

Eine vorläufige Übersicht über bereits bestehende Angebote und Maßnahmen, welche auch der Unterstützung und Integration von benachteiligten Kindern und Jugendlichen dienen, findet sich im Anhang (siehe Anlage 1).

Im Rahmen der Stuttgarter Bildungspartnerschaft wurden in den letzten Haushaltsplanberatungen zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung in Stuttgarter Kindertageseinrichtungen und Grundschulen auf den Weg gebracht. In der Umsetzung dieser Maßnahmen ist die spezifische Situation benachteiligter Kinder und ihrer Eltern besonders zu berücksichtigen.

Die Teilnahme an einem bundesweiten Projekt „Regionales Übergangsmanagement“ (vgl. GRDrs 283/2008) ermöglicht zahlreiche neue Möglichkeiten, insbesondere benachteiligte junge Menschen frühzeitig auf den Übergang von der Schule in den Beruf vorzubereiten und sie kontinuierlich in der Übergangsphase zu begleiten und zu unterstützen.

2.2 Neue Maßnahmen

2.2.1 Vernetzungsstrukturen „Stuttgarter Netze für alle Kinder“

Um alle Maßnahmen auf den genannten drei Ebenen abgestimmt und zielgerichtet umsetzen zu können, ist ein koordiniertes Vorgehen und eine entsprechende Zusammenarbeit aller relevanter Akteure erforderlich. Diese Zusammenarbeit ist zentral ebenso wie dezentral zu organisieren und trägt die Bezeichnung:
„Stuttgarter Netze für alle Kinder“.

Die dezentralen Netze bauen auf die bestehenden Strukturen der ehrenamtlichen Kinderbeauftragten auf, sind auf Stadtbezirksebene angesiedelt und arbeiten dem zentralen Netz zu.

Zentral wird ein „Stuttgarter Netz für alle Kinder“ gegründet, in dem alle relevanten Akteure (Stadtverwaltung, Kirchen und Wohlfahrtsverbände) zusammen arbeiten. Das zentrale Netz soll gesamtstädtische Ziele und daraus resultierende Handlungsstrategien entwickeln und geeignete Maßnahmen vorschlagen, die jeweils mit dem Gemeinderat kommuniziert werden.

Ein erster Auftrag für das zentrale Netz ist die Auswertung der Empfehlungen der Strategiekonferenz Kinderarmut in Stuttgart. Die Verwaltung legt hierzu nach der Sommerpause einen Bericht vor, der die Empfehlungen entlang der Lebenslaufperspektive und der Zielsetzungen für ein kinderfreundliches Stuttgart strukturiert (siehe Anlage 2).

Der Aufbau und die Begleitung der „Stuttgarter Netze für alle Kinder“ erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen den relevanten Referaten und den Ämtern sowie der hauptamtlichen Kinderbeauftragten. Die Federführung für den Prozess liegt beim Jugendamt.

2.2.2 Monitoring

Als zentrale empirische Grundlage für alle Maßnahmen wird zukünftig zwischen den beteiligten Ämtern (Stat. Amt, Sozialamt, Jugendamt, Gesundheitsamt) ein abgestimmter gesamtstädtischer Sozialbericht erstellt werden.

Für die dezentralen Netze werden ergänzend in den Stadtbezirken kleinräumige Sozialraumanalysen durchgeführt.

Stadtteilbezogener Entwicklungsbedarf wird in offener Bürgerbeteiligung, insbesondere in Form von Kinder- und Familienkonferenzen, ermittelt. Bei der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger werden neue sprachunabhängige Methoden berücksichtigt.


3. Initiative auf Bundesebene

Das Heranwachsen unter äußerst eingeschränkten materiellen Bedingungen kann auf der kommunalen Ebene allein nicht hinreichend kompensiert oder abgefedert werden. Daher wird eine neue Regelsatzermittlung bzw. ein eigenständiges Bedarfsbemessungssystem für Kinder und Jugendliche durch den Bund von vielen Fachleuten seit langem gefordert. Die Umsetzung wird aber vermutlich noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb hat die Stadt Stuttgart eine Initiative bei der Bundesfamilienministerin und dem Bundesminister für Arbeit und Soziales unternommen, um im Zuge der geplanten Kindergelderhöhung eine Übergangslösung auf den Weg zu bringen. Diese sieht vor, die Hälfte des Kindergeldes von der Anrechnung auf das Sozialgeld bzw. die Hilfe zum Lebensunterhalt freizustellen (siehe Anlage 3).


Finanzielle Auswirkungen

Die Verwaltung wird hierzu im Herbst 2008 entsprechende Vorschläge vorlegen. Dabei werden auch die von den Anträgen des Gemeinderats geforderten Vergünstigungen und ihren finanziellen Auswirkungen berechnet.


Beteiligte Stellen

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Vorliegende Anträge/Anfragen

231/2008 der CDU-Gemeinderatsfraktion, Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion, FDP-Gemeinderatsfraktion
248/2008 der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN
36/2008 der SPD-Gemeinderatsfraktion, CDU-Gemeinderatsfraktion





Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen

Anlage 1: Übersicht "Städtische Aufwendungen im Zusammenhang mit Kinderarmut"
Anlage 2: Beispiel: Leitziel kinderfreundliches Stuttgart
Anlage 3: Brief an Frau Dr. Ursula von der Leyen, BMFSFJ





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