Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 868/2003
Stuttgart,
11/12/2003


Fachberatung zur Verbesserung der Lebenssituation von kranken und behinderten Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften der Landeshauptstadt Stuttgart



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
SozialausschußKenntnisnahmeöffentlich27.10.2003

Kurzfassung des Berichts:
Ausführlicher Bericht siehe Anlage 1

Bei der Behandlung des Flüchtlingsberichts Nr. 21 wurde sowohl vom Sozialausschuss am 25. November 2002 als auch vom Gesundheitsausschuss am 29. November 2002 die Verbesserung der Situation kranker und behinderter Flüchtlinge für notwendig erachtet.

Deshalb haben Sozialverwaltung und Freie Träger gemeinsam eine entsprechende Konzeption (Anlage 1) erarbeitet. Sie stellt angesichts der begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel eine Minimallösung dar.

Der Sozialausschuss hatte am 16. September 1996 die Einrichtung einer Rückkehrberatung für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und dem ehemaligen Jugoslawien beschlossen (GRDrs 418/1996) und die Mittel jeweils im Haushaltsplan bereitgestellt. Den vier beteiligten Freien Trägern wurden jeweils die Kosten einer 0,5-Stelle (entspricht insgesamt zwei Stellen) erstattet. Die Arbeit dieser Beratungsstelle endet zum 31. Dezember 2003. In Fortführung dieser Bezuschussung sollen für die Fachberatung zur Verbesserung der Lebenssituation von kranken und behinderten Flüchtlingen den in der Anlage aufgeführten Trägern Finanzmittel in Höhe von insgesamt einer Stelle zugewiesen werden.

Zwar wurden auf der AHSt. 1.4360.6771 für die Rückkehrberatung (den seinerzeitigen Kenntnissen entsprechend) für den Entwurf des Haushaltsplans 2004/2005 64.000 EUR (2004) bzw. 65.000 EUR (2005) kalkulatorisch errechnet. Diese Beträge entsprechen etwa einer Stelle. Durch die Vorgaben der Finanzverwaltung zur Aufstellung des Haushaltsplanes 2004/2005 mussten die Mittel auf der AHSt. 1.4360.6771 insgesamt jedoch in einem Umfang gekürzt werden, dass letztlich keine Reserve vorhanden ist, auch wenn die Arbeit der Rückkehrberatungsstelle mit Ablauf des Jahres 2003 endet. Deshalb müssen Mittel im o. g. Umfang zusätzlich bereit gestellt werden, soll das Konzept für die Fachberatung zur Verbesserung der Situation von kranken und behinderten Flüchtlingen umgesetzt werden.


Beteiligte Stellen

Im Hinblick auf die angespannte Finnazlage kann das Referat WFB der Bereitstellung von zusätzlichen Haushaltsmittel nicht zustimmen. Sofern die Fachberatung dennoch für erforderlich gehalten wird, wäre die Maßnahme im Rahmen des derzeitigen Betreuungsschlüssels für die Flüchtlingsbetreuung und der hierfür veranschlagten Haushaltsmittel umzusetzen bzw. über die bestehenden allgemeinen Beratungsdienste abzudecken.






Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin





Konzeption
Anlage 1 zur GRDrs 868/2003


Fachberatung zur Verbesserung der Lebenssituation von kranken und behinderten Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften der Landeshauptstadt Stuttgart


1. Ausgangslage

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat zur Zeit rd. 3.300 Flüchtlinge und Spätaussiedler untergebracht. In den staatlichen Heimen leben ca. 1.550 Personen, in den kommunalen Unterkünften ca. 1.750 Personen. Etwa 80 Flüchtlinge sind aufgrund ihrer schweren seelischen und körperlichen Gebrechen nicht in der Lage, ihren Alltag ohne fremde Hilfe zu meistern. Die Sozialverwaltung hat mehrfach, zuletzt im Flüchtlingsbericht Nr. 21, die Situation beschrieben und auch über konkrete Schicksale berichtet.

Bei der Behandlung des o.g. Flüchtlingsberichts wurde sowohl vom Sozialausschuss am 25. November 2002 als auch vom Gesundheitsausschuss am 29. November 2002 die Verbesserung der Situation kranker und behinderter Flüchtlinge für notwendig erachtet.

Deshalb haben Sozialverwaltung und Freie Träger gemeinsam die nachfolgend beschriebene Konzeption erarbeitet. Sie stellt angesichts der begrenzten Mittel eine Minimallösung dar.


2. Problembeschreibung

Allein die Flucht in ein fremdes Land stellt für Flüchtlinge eine starke psychische und körperliche Belastung dar. Zu dieser Belastung kommen noch die Folgen von Folter, von Misshandlungen, von erlittenen oder miterlebten Kriegshandlungen. Sie führen oft zu Traumatisierungen, die ohne psychologische Hilfen die gesamte Persönlichkeit der Menschen häufig auf Dauer krankhaft verändern.

Gesundheitliche Erkrankungen und Symptome der Traumatisierungen können auch erst Jahre nach der Ankunft im Zufluchtsland auftreten. Die Spätfolgen sind die häufigste Form von Erkrankungen, die bei den Flüchtlingen in den Unterkünften auftreten und mit denen die Sozialarbeiter/-innen konfrontiert sind.

Ebenfalls kommen in den Stuttgarter Unterkünften

- Mehrfachbehinderungen
- Schwere Erkrankungen wie Krebs, Aids oder Niereninsuffizienz
- Psychische Erkrankungen
- Suchterkrankungen (Tabletten, Drogen, Alkohol)

häufig vor.

Unabhängig von der Art der Krankheit bzw. Behinderung zeigt sich, dass für jeden Einzelfall ein erheblicher zusätzlicher Beratungs-, Vermittlungs- und Betreuungsbedarf besteht. Dabei muß in die Beratung bzw. Hilfeplanung nicht nur die kranke Person, sondern die gesamte Familie einbezogen werden.

Aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt verbleiben die betroffenen Flüchtlinge oft sehr lange in Gemeinschaftsunterkünften, die für den Erfolg therapeutischer Maßnahmen oder Behandlungen eher ungeeignet sind. Besonders bei Spätfolgen von Traumatisierungen wirken sich die beengten Wohnverhältnisse in der Gemeinschaftsunterkunft (4,5 m²/Person) verschlechternd auf den Gesundheitszustand der Betroffenen aus. Diese Situation ist auch für Familienangehörige und Mitbewohner sehr belastend.

Sozialarbeiter/-innen in den Unterkünften können wegen der Aufgabendichte den Bedürfnissen von kranken und behinderten Flüchtlingen oft nur unzureichend gerecht werden und sind bei der Betreuung dieses besonderen Klientels fachlich überfordert. So muss z. B. der individuelle Hilfebedarf des Flüchtlings genau ermittelt werden und meist gehen zeitaufwändige Recherchen voraus, bis ein angemessenes therapeutisches Angebot oder ein Platz in einer adäquaten Einrichtung gefunden ist.

Die Konsequenz dieser Erfahrungen ist, einen Schwerpunktmitarbeiter/eine Schwerpunktmitarbeiterin pro Verband einzusetzen, der/die sich den betroffenen Personen intensiv widmen und somit nachhaltiger helfen und unterstützen kann.


3. Zielsetzung und Aufgabenstellung der Schwerpunktmitarbeiter/-innen

Aus der dargestellten Problemsituation ergibt sich, dass zusätzliche Personalkapazitäten eingesetzt werden müssen, damit die Verbesserung der Situation kranker und behinderter Flüchtlinge angegangen werden kann.

Aus der Erfahrung und nach der Einschätzung der Träger der freien Wohlfahrtspflege, die seit 1986 in der Flüchtlingssozialarbeit tätig sind, ist ein Personalbedarf von mindestens 0,5 Stellen pro Verband - insgesamt 2 Stellen - notwendig und angemessen. In Abwägung der schwierigen Haushaltslage der Stadt einerseits und dem dringenden Bedarf andererseits wird der zwingend erforderliche Stellenumfang auf insgesamt 1 Planstelle festgelegt. Pro Verband soll demnach zusätzlich eine Personalkapazität von knapp 10 Std./Woche für diese Aufgabe eingesetzt werden, was einer 25 %-Stelle für einen/eine “Schwerpunktmitarbeiter/-in Kranke und Behinderte” (siehe Ziff. 4) entspricht.

Hauptaufgabe des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin ist die Fachberatung der Sozialarbeiter/-innen vor Ort in den Unterkünften, in denen kranke oder behinderte Flüchtlinge leben. Zielsetzung ist es sicherzustellen, dass Synergien für die soziale Arbeit vor Ort gewonnen und die Bewohner/-innen effektiver beraten und versorgt werden können. Die Fallverantwortung bleibt dennoch beim zuständigen Mitarbeiter/bei der zuständigen Mitarbeiterin in der Unterkunft. Mit der Einführung des Schwerpunktmitarbeiters/der Schwerpunktmitarbeiterin werden Arbeitsabläufe verkürzt und die Fachkräfte in den Flüchtlingsunterkünften entlastet.

Der/die Schwerpunktmitarbeiter/-in hat, außer der Durchführung der Fachberatung, folgende Aufgaben:
Das Sozialamt koordiniert in Abstimmung mit den Verbänden die bedarfsorientierten regelmäßigen Besprechungen und ist somit ständig über den aktuellen Stand in diesem Arbeitsgebiet informiert. Die Berichterstattung über die Arbeit der Fachberatung wird in den jährlichen Flüchtlingsbericht aufgenommen.


4. Personalbedarf

AG Dritte Welt
0,25
Arbeiterwohlfahrt
0,25
Evang. Gesellschaft
0,25
Caritasverband
0,25
Gesamt:
1,00

Die Tätigkeit der Schwerpunktmitarbeiter/-innen für kranke und behinderte Flüchtlinge kann - vorbehaltlich der Bereitstellung der Mittel im Haushaltsplan - ab 1. Januar 2004 beginnen.