Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 422/2003
Stuttgart,
06/26/2003



Städtische Notübernachtung in der Hauptstätter Straße 150



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozialausschuß
Sozialausschuß
Verwaltungsausschuß
Einbringung
Beschlußfassung
Beschlußfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
30.06.2003
21.07.2003
23.07.2003



Beschlußantrag:
  1. Die Städtische Notübernachtung in der Hauptstätter Straße 150 wird nicht in eine ganzjährige Notübernachtung umgewandelt, sondern wie bisher gemäß § 1 der "Satzung über die Benutzung der Notaufnahmeräume" im Winterhalbjahr vorgehalten.
  2. Alle Leistungen (Sozialdienst, Zivildienst, Wachdienst, Reinigung und Hausmeistertätigkeiten) zum Betrieb der Städtischen Notübernachtung werden zukünftig im Turnus von 3 Jahren ausgeschrieben und vergeben. Für die Wintermonate 2003/2004 erfolgt die Ausschreibung im Juli 2003.
  3. Die externe Vergabe sowie die Mehraufwendungen für den erweiterten Wachdienst und durch die Hygienevorschriften des Gesundheitsamtes erfordern im Doppelhaushalt 2004/2005 die zusätzliche Bereitstellung von Sachmitteln in Höhe von jährlich 70.000 EURO. Gleichzeitig entfallen Personalkosten in Höhe von 20.000 EURO.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

1. Weiterführung der Winternotübernachtung

Die von den Beteiligten des Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfesystems gemachten Erfahrungen im letzten Winter haben zu dem Entschluss geführt, die Notübernachtung nicht wie geplant auf das ganze Jahr auszuweiten, weil der Stuttgarter Wohnungsmarkt nach wie vor sehr angespannt ist. Bezahlbarer Wohnraum steht für einkommensschwache Haushalte kaum zur Verfügung. Die Angebote der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe sind hoch frequentiert. Im Bereich der Aufnahmehäuser gibt es Wartelisten.

Zu Beginn eines jeden Winters werden die 55 freien Plätze in der Städtischen Notübernachtung dringend benötigt. Eine ganzjährige Notübernachtung kann dies nicht gewährleisten, weil die Plätze im Gebäude Hauptstätter Straße 150 dauerhaft blockiert wären. Die "Satzung über die Benutzung der Notaufnahmeräume" vom 03.12.1992, § 1 Abs. 1 bleibt somit in Kraft, die besagt, dass "...die Notaufnahmeräume eine öffentliche Einrichtung der Landeshauptstadt Stuttgart sind. In dieser Einrichtung wird obdachlosen Personen mindestens während des Zeitraums vom 01. November bis zum 31. März für die Nacht eine Schlafgelegenheit zur Verfügung gestellt".

Zudem ist die, wie in der GRDrs 799/2002 "Bericht über die Städtische Notübernachtung im Winterhalbjahr 2001/2002" dargestellt, geplante ganzjährige Öffnung der Notübernachtung aus Kostengründen nicht zu realisieren. Diese würde sich bei einem Betrieb von 12 Monaten auf 458.000 EURO belaufen (Kosten für 6 Monate ca. 210.000 EURO).


2. Vergabe

In den vergangenen Jahren wurde der Sozialdienst (1 Stelle bezogen auf ein halbes Jahr) und die Stelle des Zivildienstleistenden durch das Sozialamt vorgehalten. Der Eigenbetrieb Leben und Wohnen - Wohnheim Nordbahnhofstr. 21 - hatte in den letzten beiden Wintermonaten jeweils den Wachdienst, die Reinigung, die Vertretung des Sozialdienstes und Hausmeistertätigkeiten bereitgestellt.

Mit dem Ziel, in Zukunft alle vorgenannten Leistungen aus einer Hand sicherzustellen, werden diese im Turnus von 3 Jahren ausgeschrieben und vergeben.


3. Mehrkosten im Jahr 2003 und fortfolgende

Wegen des immer schwieriger werdenden Personenkreises musste im Gebäude Hauptstätter Straße 150 der Wachdienst nachts und an Wochenenden verstärkt werden, um das Konfliktpotential zu begrenzen. Außerdem wurden Mehraufwendungen notwendig für die Bauunterhaltung, Reinigung und für die Einhaltung der Hygienevorschriften, die vom Gesundheitsamt auferlegt wurden.

Finanzielle Auswirkungen
Die jährlichen Mehrausgaben (Personal- und Sachkosten) beim UA 4350 Soziale Einrichtungen für Wohnungslose belaufen sich auf 70.000 EURO.

Durch die Vergabe des Betriebes der Notübernachtung fallen beim Sozialamt - Städtische Wohnungsnotfallhilfe - jährliche Wenigerausgaben (Personalkosten für eine halbe Stelle) in Höhe von 20.000 EURO beim UA 4000 Verwaltung der sozialen Angelegenheiten an.


Beteiligte Stellen

Das Finanz- und Beteiligungsreferat hat die Vorlage mitgezeichnet.




Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin


Anlagen

Ausführliche Begründung
Anlage 1 zur GRDrs 422/2003


Ausführliche Begründung:

Bericht über die Winternotübernachtung 2002/2003

Die Städtische Notübernachtung der Landeshauptstadt Stuttgart in der Hauptstätter Straße 150 war vom 11. November 2002 bis 15. April 2003 geöffnet. Sie ist ein niederschwelliges Angebot der Wohnungsnotfallhilfe und wurde von den wohnungslosen Menschen auch im vergangenen Winter wieder sehr gut angenommen.

Es standen wiederum 55 Plätze zur Verfügung, davon 8 Plätze für Frauen und 4 Zimmer für Paare. Die Plätze reichten allerdings an 16 Tagen nicht aus, so dass zusätzliche Schlafmöglichkeiten im Haus geschaffen wurden.

Die Sozialarbeit in der Städtischen Notübernachtung wurde im Winterhalbjahr 2002/2003 von einem Sozialarbeiter wahrgenommen. Er wurde in seinen Aufgaben von einem Zivildienstleistenden unterstützt. In der Gemeinderatsdrucksache “Bericht über die Städtische Notübernachtung 2001/2002” (GRDrs 799/2002) wurde das Aufgabengebiet der Sozialarbeit beschrieben. Krisenintervention, Beratung und Begleitung für die Menschen in der Unterkunft kennzeichneten hauptsächlich die sozialarbeiterische Tätigkeit.

Die Bewohnerinnen und Bewohner haben Alkohol- und Drogenprobleme, sind psychisch auffällig, ihr Gesundheitszustand ist vielfach sehr schlecht. Die Menschen sind verwahrlost und bringen eine hohe Gewaltbereitschaft mit. Die Zusammenarbeit ist aufgrund des ständigen Alkoholkonsums schwierig. Die Beschaffungskriminalität ist ein fast nicht zu steuerndes Problem, Drogenkonsum wird jedoch mit Hausverbot sanktioniert.

Zur Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner wurde eine Wachfirma nachts und an den Wochenenden eingesetzt. Werktags waren von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr 2 Wachleute im Haus, an Wochenenden und Feiertagen war der Wachdienst ebenfalls mit 2 Mitarbeitern besetzt. Aufgrund der multiplen Probleme der Bewohnerinnen und Bewohner und dem daraus resultierenden Konfliktpotential hat sich diese Regelung sehr bewährt, so dass keine größeren Konflikte in der Notübernachtung zu verzeichnen waren. Bis zum 4. April 2003 haben 308 Menschen die Städtische Notübernachtung in Anspruch genommen, 243 Männer (79 %) und 65 Frauen (21 %). Die durchschnittliche Belegung lag im Winter 2002/2003 bei 46 Personen gegenüber 49 Personen im Jahr 2001/2002. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 21,6 Tage, im Jahr 2001/2002 waren es noch 26 Tage.

Ca. 16 % aller Nutzerinnen und Nutzer der Städtischen Notübernachtung waren Drogenkonsumenten, dies entspricht 49 Personen. Gegenüber dem Vorjahr musste somit ein Anstieg um 2,5 % bei diesem Personenkreis verzeichnet werden.


Fortführung der Winternotübernachtung

In Stuttgart besteht ein eklatanter Wohnraummangel, bezahlbarer Wohnraum für einkommensschwache Haushalte steht kaum zur Verfügung. Die Wohnplätze der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe sind bis auf den letzten Platz genutzt, in den Aufnahmehäusern gibt es Wartelisten. Eine Entspannung bei den weiterführenden Angeboten wie dem Betreuten Wohnen, bei teil- und stationären Hilfen ist nicht festzustellen, da für diese Bereiche keine Anschlussversorgung mit Individualwohnraum mehr erfolgen kann. Aufgrund dieser Entwicklung werden niederschwellige Einrichtungen wie die Städtische Notübernachtung sehr stark nachgefragt und als zusätzliches Angebot im Winter benötigt.

Die im letzen Jahr vorgenommene Bedarfsanalyse hat gezeigt, dass eine Winternotübernachtung als spezielles und zusätzliches Angebot zu betreiben ist. Vor allem zu Beginn eines Winterhalbjahres müssen dem Wohnungsnotfallhilfesystem ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. Dies wäre bei einer ganzjährigen Öffnung der Notübernachtung nicht möglich, weil die Einrichtung aufgrund der sehr angespannten Lage auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt und wegen mangelnder Anschlusshilfen dann auch ganzjährig belegt wäre. Es müsste ein ergänzender Erfrierungsschutz mit gleich hoher Platzzahl eingerichtet werden.

Hinzu kommt, dass aus Kostengründen eine ganzjährige Notübernachtung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu realisieren ist, da ca. 458.000 EURO bei einem Betrieb von 12 Monaten aufgewendet werden müssten. Die Kosten für Personal, Wachdienst, Reinigung und Gebäudeunterhaltung betrugen im letzten Öffnungszeitraum ca. 210.000 EURO.


Zukünftiger Betrieb der Notübernachtung

Die Städtische Notübernachtung wurde in den vergangenen Jahren in enger Kooperation zwischen dem Wohnheim Nordbahnhofstr. 21 und der Sozialverwaltung betrieben. Das Wohnheim Nordbahnhofstr. 21 war für die Bereiche Wachdienst, Reinigung, Vertretung des Sozialdienstes und in geringem Umfang für Hausmeistertätigkeiten verantwortlich. Der Sozialdienst, 100 % Stellenanteile je befristet auf 6 Monate, war beim Sozialamt angesiedelt.

Die Sozialverwaltung hat in Zukunft eine weitestgehend steuernde Funktion in der Stuttgarter Wohnungsnotfallhilfe. Deshalb ist es angezeigt, die oben beschriebenen Bereiche zum Betrieb der Notübernachtung komplett und nicht nur in Teilen, wie in den vergangenen Jahren, zu vergeben.

Bei dem schon im letzten Jahr vorgenommenen Ausschreibungsverfahren konnten sich alle Träger der Wohnungsnotfallhilfe beteiligen. Der Eigenbetrieb Leben und Wohnen - Wohnheim Nordbahnhofstr. 21 - hat als wirtschaftlichster Anbieter den Zuschlag zum Teilbetrieb erhalten.

Die Ausschreibung erfolgt in Zukunft im Turnus von 3 Jahren, für die Wintermonate 2003/2004 im Juli diesen Jahres.


Erfrierungsschutz

Grundsätzlich sind die 55 Plätze der Notübernachtung ausreichend. In jedem Winter gibt es jedoch Zeiten mit höherem Bedarf. Im Winterhalbjahr 2002/2003 war dies an 16 Tagen der Fall.

Deshalb wurde aufgrund der sehr kalten Witterung im Februar kurzfristig in der Haldenstraße 48 ein Erfrierungsschutz eingerichtet. Dieser wurde vom 21. Februar 2003 – 15. März 2003 betrieben und hatte täglich von 18:00 Uhr bis 8:00 Uhr geöffnet. Die Sicherheit der Bewohner wurde über einen Wachdienst gewährleistet. 12 Personen haben den Erfrierungsschutz genutzt. Die Hilfe wurde vorrangig von Personen wahrgenommen, die in der Hauptstätter Straße 150 keine Unterkunft mehr fanden.

Aufgrund fehlender Haushaltsmittel der Landeshauptstadt Stuttgart ist die Installierung eines Erfrierungsschutzes in den folgenden Jahren nicht mehr möglich.


Mehrkosten

Das Gebäude Hauptstätter Straße 150 ist seit mehreren Jahren in Betrieb. Durch die starke Nutzung und wegen bisher geringen Renovierungsmaßnahmen sind vor allem in den letzten 2 Jahren erhebliche Mängel sichtbar geworden. Die vom Gesundheitsamt erlassenen Hygienevorschriften haben zu einem erhöhten Reinigungsaufwand geführt, dieser war mit nicht eingeplanten Kosten verbunden.

Ausserdem leben Menschen mit immer größeren persönlichen Schwierigkeiten und multiplen Problemen in der Unterkunft. Zur Gefahrenabwehr und Streitminimierung wurde nachts und an Wochenenden der Wachdienst doppelt besetzt.

Mindeststandards bezüglich Sicherheit und Hygiene müssen bei einer Einrichtung, die eine durchschnittliche Belegung von 46 Personen nachweist, dringend eingehalten werden.