Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz:
GRDrs 904/2009
Stuttgart,
10/23/2009


125 Jahre Automobil
Der Beitrag der Landeshauptstadt zum Jubiläumsjahr 2011: Stand der Überlegungen




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich04.11.2009

Bericht:


1. Ausgangspunkt und Themenstellung

Vor 125 Jahren, im Jahr 1886 gelang – fast zeitgleich – in zwei Städten in Baden und Württemberg der entscheidende Durchbruch zur nachfolgenden Entwicklung des Automobils. In Mannheim meldete Dr. Carl Benz ein dreirädriges „Fahrzeug mit Gasmotorbetrieb“ zum Patent an. In Cannstatt entwickelte Gottlieb Daimler eine vierrädrige Motorkutsche. Dieses Jubiläum soll 2011 landesweit gefeiert werden.

In keiner anderen Stadt besitzt das Thema „Automobil“ einen höheren Stellenwert als in Stuttgart. Dass hier das Automobil erfunden wurde, ist ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Die Landeshauptstadt sollte sich aber nicht mit historischem Erinnern begnügen, sich nicht allein auf das Automobil konzentrieren oder innovative Technik präsentieren, sondern – neben diesen auch notwendigen Elementen – die Mobilität des Menschen ins Zentrum ihrer Betrachtung rücken.

Es geht um die Vielfalt der Mobilität des Menschen, gestern, heute, morgen und dabei insbesondere – wollen wir nicht in Retrospektive und Gegenwartsbetrachtung verharren – um die Mobilität des Menschen in der Zukunft. Auch Daimlers Leistung war nicht allein eine technologisch, sondern gleichzeitig gesellschaftlich zukunftsweisende Innovation. Er hat die Mobilitäts-Bedürfnisse seiner Zeit mit der Erfindung des Verbrennungsmotors zusammengeführt.

Die Landeshauptstadt steht seit jeher für Stärken wie Innovation, Kreativität, Forschung, technische Entwicklung, internationale Qualität; mit anderen Worten: Wir stehen für „Talente – Technologie – Toleranz“. Dies steckt den Rahmen ab für die Aktivitäten, mit denen sich die Landeshauptstadt Stuttgart zum Jubiläum dieses Ereignisses positioniert.

Vorteilhaft ist, dass wir dem Thema die unterschiedlichsten Aktivitäten zuordnen können. Wir haben hier in Stuttgart die Firmen und Zulieferer mit ihren Entwicklungs- und Forschungseinrichtungen vor Ort. In diesem Zusammenhang ist im Jahr 2011 ein weiteres Jubiläum von Bedeutung: Die Firmengeschichte der Robert Bosch GmbH beginnt ebenfalls 125 Jahren früher mit der Gründung der Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik in Stuttgart am 15. November 1886.

Wir haben außerdem ein großes und rundes Spektrum kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen, die sich mit „Auto“ und „Mobilität“ der Zukunft auseinandersetzen können und wollen. Auf dieser Basis ist es uns möglich, einen ganzen Strauß von Aktivitäten zu entwickeln, anzuregen und zu kommunizieren, - immer unter dem Fokus der Mobilität, ihrer Zukunft und gesellschaftliche Relevanz.


2. Das Stuttgarter „Mobilitätsjahr 2011“

Das Land Baden-Württemberg wird die aus seiner Sicht relevanten Aktivitäten des Jahres 2011 im Rahmen eines „Automobilsommers 2011“ als Gesamtpaket vermarkten. Dieser Automobilsommer bündelt vor allem Projekte, die in den einzelnen Kommunen entwickelt werden. Auch Stuttgart kann und wird hier partizipieren. Allerdings ist der Ansatz des Landes dabei ein ausgeprägt touristischer. Federführend ist das Wirtschaftsministerium.

Der Automobilsommer 2011 stellt eine einmalige Chance für Stuttgart dar, sich als Automobilstadt der Vergangenheit und der Zukunft weltweit zu positionieren und zu präsentieren. Um maximale Aufmerksamkeit zu erzielen, ist es notwendig, im Jahr 2011 eine Großveranstaltung mit besonderer Außenwirkung in Stuttgart stattfinden zu lassen. Ohne einen derartigen themenspezifischen Event werden wir, trotz Einsatz zahlreicher zusätzlicher Marketinginstrumente, nur bedingt eine herausgehobene überregionale Aufmerksamkeit erzielen. Ich könnte mir diese Zentralveranstaltung im Kontext unseres Sommerfestes vorstellen.

Für eine solche zentrale Veranstaltung gilt es, alle Kräfte zu bündeln. Ich halte es angesichts der reichen und vielfältigen Möglichkeiten in Stuttgart aber für notwendig, auch alle Bürgerinnen und Bürger, die städtischen Ämter und Tochterbetriebe, den Einzelhandel, die Universitäten und Forschungseinrichtungen, die Automobilbranche, vor allem aber auch die kulturellen Einrichtungen mit ihren kreativen Möglichkeiten über das Jahr hinweg für die „Mobilität der Zukunft“ zu begeistern. Möglichst breit in der Bevölkerung verankert, sollen alle Generationen, Einrichtungen und insbesondere die Kinder und Jugendliche – über die Schulen, Jugendeinrichtungen, Kindertagesstätten etc. - eingebunden werden.

Das Jubiläumsjahr soll sich nicht in einem „Automobilsommer“ erschöpfen. Vielmehr muss das ganze Jahr dem Thema gewidmet werden. Alle Aktivitäten, die bereits in und um Stuttgart vorhanden sind, sollen zusammen mit ergänzend neu zu entwickelnden in ein Jahresprogramm eingebunden werden, von Weihnachten 2010 bis Weihnachten 2011.

Dabei wollen wir möglichst viele Veranstaltungen und Angebote, die nicht allein ein interessiertes Fachpublikum, sondern die alle Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts sowie die Gäste unserer Stadt und Region ansprechen.

Dies kann nur dezentral funktionieren. Die Stadt kann nicht als „Generalveranstalter“ fungieren. Wir können aber sehr wohl anregen, Ideen stiften, ermutigen, begleiten, Partnerschaften herstellen und unterstützen. Sehr wohl können wir allerdings bündeln und für eine angemessene Strukturierung, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sorgen. Grundsätzlich ist dabei ein denkbar großer Spielraum geboten: Vom „Fahrzeug Automobil“ bis zu den vielfältigen Aspekten der „Mobilität des Menschen“ generell sind alle Themenstellungen denkbar. Alle Lebensbereiche – Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Gesellschaft – können Aspekte ihrer Jahresplanung 2011 auf „auto-mobile“ Akzente abstellen und damit am Mobilitätsjahr 2011 partizipieren.

Unserer Arbeit im „Mobilitätsjahr 2011“ können wir dabei im Sinne einer „Stoffgliederung“ vier Leitfragen zugrunde legen:

Woher kommen wir?
Unverzichtbar ist die Präsentation des historischen Aspekts und von „Klassikern“ in jeder Hinsicht: Beleuchtung des Ursprungsjahrs, Oldtimer-Fahrzeuge, Trambahnen, Fotos, Filme, Dokumente, Exponate, dies ebenso mit Blick auf die Wurzeln unserer Mobilität und damit unseres Wohlstands.

Wo stehen wir?
Es geht aber immer auch um eine kritische Standortbestimmung - nicht zuletzt auch über die künstlerische Auseinandersetzung - mit dem Thema Automobil und Mobilität, ihre gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Aktualität.

Wohin gehen, nein: fahren wir?
Wir wollen vor allem aber die Zukunft von Mobilität auf dem Raster der vergangenen Entwicklung durchdeklinieren. Im Blick sind hier die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Mobilität und die Diskussion ihrer gesellschaftlichen Konsequenzen.

Und wie geht es weiter?
Das Mobilitätsjahr 2011 soll sich möglichst nicht in einem großen Strauß, einem „Feuerwerk“ von Plänen und Veranstaltungen erschöpfen. Notwendig sind neben einer entsprechenden Dokumentation weiterführende, aktive Ansätze. Nur so kann das uns alle zentral betreffende Thema verantwortungsbewusst und nachhaltig behandelt werden.


3. Erste Vorschläge zum Mobilitätsjahr 2011

Auf dem geschilderten Hintergrund und nach den bisherigen Planungen und Vorüberlegungen zeichnen sich schon einige wesentliche Elemente des Mobilitätsjahrs 2011 ab, die hier in groben Zügen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt werden.

Wir stehen im Kontakt mit der Landesregierung, zum einen wegen einer landesweiten Auftakt- oder Schlussveranstaltung des Automobilsommers, aber auch wegen sonstiger eventueller Kooperationsmöglichkeiten. Hier werden wir auch mit der Stadt Mannheim reden, um z.B. eine Abstimmung hinsichtlich der historischen Würdigung der dortigen und hiesigen Patentanmeldungen zu erreichen.

 Wir werden mit unseren Partnern in der Metropolregion sowie mit Stuttgarter Partnerstädten eine geeignete gemeinsame Veranstaltung konzipieren. Denkbar wäre hier z.B. eine Sternfahrt, sei es mit konventionellen, historischen, sei es mit alternativ angetriebenen innovativen Fahrzeugen.

 Natürlich steht in einem wesentlichen Fokus dieses Jubiläumsjahr der Name Daimler. Wir sind im Gespräch mit der Daimler AG, wobei es mir wichtig ist, dass die zentrale Veranstaltung in Stuttgart keine geschlossene „Gala“ wird, sondern ein offenes Bürgerfest. Auch könnte ich mir eine Anbindung an die Hauptversammlung des Deutschen Städtetags vorstellen, die vom 5. bis 9. Mai 2011 in der Landeshauptstadt stattfinden wird.

Die Stuttgarter Autofirmen mit ihren Forschungsabteilungen ebenso wie die Universitäten, die Max Planck - Gesellschaft und die Fraunhofer - Gesellschaft sind zu Aktivitäten im naturwissenschaftlichen Bereich und zur Zusammenarbeit eingeladen. Es sind bereits Gespräche aufgenommen worden.

Neben diesem selbstverständlichen Schwerpunkt ist der gesamte Bereich der Automobilbranche, Hersteller, Zulieferer, Handel, Reparatur- und Restaurationsbetriebe einzubeziehen.

 Und wir sind im Kontakt mit der Robert Bosch GmbH, um deren Planungen für ihr Jubiläum angemessen zu berücksichtigen.

 Wir werden dafür sorgen, dass publikumswirksame „Klassiker“ in der Landeshauptstadt, wie die CMT, die Retro Classics und andere Messen das Thema der Mobilität der Zukunft aufnehmen. Überhaupt ist der gesamte Bereich der musealen und Oldtimer-Aktivitäten übers Jahr einzubinden.

 Das Thema „Mobilität der Zukunft“ und die innovative Leistung Gottlieb Daimlers kann auch von der gesellschaftswissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Seite aus angegangen werden. Wir sind auch hierzu im Gespräch mit der Universität. Auch Themenbereiche wie „Statussymbol“ oder Design wären hier anzugliedern.

 Der jährlich stattfindende Weltkongress unseres Netzwerks „Cities for Mobility“ sollte sich 2011 im Sinne eines Zukunftskongresses ebenfalls mit dem Thema „Mobilität der Zukunft“ beschäftigen.

 Es laufen bereits Vorplanungen und -gespräche zur kurzfristigen Wiederbelebung der berühmten Solitude-Strecke; wir halten es aber für zwingend, dabei einen Wettbewerb mit alternativ angetriebenen Fahrzeugen durchzuführen.

Wir wollen auch die charakteristische Topografie unserer Stadt nützen und einbinden. Dabei denken wir an eine lose Folge von „Abfahrten“ oder „Aufstiegen“ zwischen Kesselrand und City für „Fahrzeuge“ der verschiedensten Art, für Skater, Fahrräder, Pedelecs. Überlegenswert ist die Wiederbelebung einer Tradition der 50er Jahre, als in der Robert Koch - Straße Deutsche Meisterschaften im Seifenkistenrennen durchgeführt wurden; wir könnten uns eine modifizierte Form mit alternativen Energien vorstellen. Durch solche Aktivitäten soll vor allem der Bereich der Jugendlichen angesprochen werden.

 Im November 2011 findet der große Jahreskongress der Deutschen Archivare in Stuttgart statt. Wir haben dem Bund Deutscher Archivare empfohlen, das Mobilitätsjubiläum zu thematisieren.

 Wir sind mit der UNESCO im Gespräch, um die Chancen abzuklären, die Patenturkunde von Gottlieb Daimler in das Weltdokumentenerbe aufzunehmen.


4. Arbeitsstruktur

Das Land sieht im Automobilsommer 2011 zurecht eine Möglichkeit, Impulse im Tourismusbereich zu setzen. Es hat die Agentur Scholz & Friends beauftragt, die einzelnen Veranstaltungen und Angebote in Baden-Württemberg zu koordinieren und unter dem gemeinsamen Logo des Landes zu vermarkten. Die Agentur soll zum Frühjahr 2010 einen Masterplan für das Jahr 2011 vorlegen.

Das Land wird absehbar keinerlei materielle Unterstützung bei der Planung und Umsetzung einzelner Veranstaltungen in den Kommunen zur Verfügung stellen, sondern ausschließlich bei der Vermarktung helfen. Insoweit, aber auch, weil wir thematisch ganz anders ansetzen, ist es notwendig, dass wir in Stuttgart eine eigene Arbeitsstruktur zur Realisierung und Koordinierung der Veranstaltungen des Mobilitätsjahres 2011 schaffen:

Für die Landeshauptstadt werden die Fäden bei der Vorbereitung und Durchführung des Jubeljahres in meiner Stabsstelle zusammenlaufen, die sich seit Jahren intensiv koordinierend mit dem Thema Mobilität befasst. Die Stuttgart Marketing GmbH wird die städtischen Aktivitäten kommunizieren, vermarkten und den werblichen und touristischen Part abdecken. in.stuttgart kümmert sich um herausragende Events, die Highlights des Jubiläums. Referat KBS soll – wegen des Schwerpunkts auf Kultur, Schulen, Bildung und Universitäten – in besonderer Weise in die Planungen und Aktivitäten eingebunden werden, aber auch alle anderen Bereiche der Stadtverwaltung.

Angesichts der vorgesehenen Vielzahl attraktiver Veranstaltungen brauchen wir eine planende, koordinierende und organisierende Stelle, einen „Kümmerer“, der die Fäden in den nächsten Monaten zusammenhält und in den kommenden zwei Jahren die Kontinuität wahrt. Der frühere Leiter unseres Kulturamtes, Dr. Wolfgang Ostberg, hat sich bereit erklärt, im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages seine langjährige Erfahrung hier einzubringen; er ist vor allem über sein Engagement für die Retro Classics dem Mobilitätsbereich eng verbunden; seine Kenntnis des Kultur- und des universitären Bereichs steht außer Frage. Zu seinem Aufgabenbereich würde auch die Sammlung von Ideen und Ansprache möglicher Partner bei der Programmgestaltung und der Finanzierung gehören sowie auf dieser Grundlage die Erarbeitung einer Gesamtstruktur für das Jahr und eines Finanzplans.


5. Finanzen

Aus dem Dargestellten lassen sich in Umrissen bereits die absehbaren Kostenfaktoren ablesen, auch wenn noch keine detaillierte Kalkulation vorliegen kann:

 Eine der Landeshauptstadt und der vorgesehenen thematischen Qualität angemessene Vorbereitung und Umsetzung ist nur möglich, wenn wir zeitnah Herrn Dr. Ostberg als Koordinator verpflichten können, der in der verbleibenden und schon relativ kurzen Zeit die Fäden in die Hand nimmt. Als Honorar und Aufwandsentschädigung sind für die nächsten beiden Jahre jeweils 40.000 Euro vorgesehen.

 Stuttgart Marketing kann dieses herausragende Jubiläum nach bisheriger Einschätzung im Wesentlichen mit dem zielgerichteten Einsatz vorhandener Mittel vermarkten.

 Großprojekte und -events benötigen auf jeden Fall eine eigene Finanzierung. Ein notwendiger größerer Event kann nach derzeitigem Stand der Dinge nur gemeinsam mit der Daimler AG geplant und realisiert werden.

 Der Kongress „Cities for Mobility“ wird im Wesentlichen mit vorhandenen Sponsorenmitteln finanziert. Sollte es nicht gelingen, über die bisher verbindlich zugesagten Summen hinaus weitere Beiträge aus der Wirtschaft zu akquirieren, müssten wir rund 20.000 Euro an städtischen Mitteln zuschießen.

 Eine umfangreiche finanzielle Unterstützung der zu erwartenden zahlreichen Aktivitäten Dritter seitens der Landeshauptstadt Stuttgart ist ausgeschlossen. Was wir leisten können, ist eine Unterstützung durch Rat, Tat und ein gemeinsames Marketing. Für einzelne Aktivitäten im Bereich Historie, Kultur, Wissenschaft sollten allerdings in geringem Umfang ergänzende Mittel für Sonderfälle zur Verfügung stehen (max. 20.000 Euro).

Der finanzielle Beitrag für die Stadt liegt insoweit für die Jahre 2010 bis 2012 bei insgesamt maximal 120.000 Euro (2 x 40.000 Euro Personalkosten, 40.000 Euro für Sachausgaben).

Er muss durch Mittel von Partnern und Sponsoren ergänzt und entlastet werden. Wir erwarten uns umgekehrt für dieses global kommunizierte Jubeljahr eine Umwegrentabilität durch Übernachtungs- und Tagesgäste (Stuttgart Marketing rechnet mit einem Plus von bis zu 300.000 Gästen) in der Größenordnung von 50 Mio. Euro.
Allerdings kann die Sponsorenakquise erst in Angriff genommen werden, wenn wir ein fortentwickeltes Konzept mit konkreten Vorstellungen präsentieren können. Dies muss in den nächsten Monaten intensiv umgesetzt werden.


Beteiligte Stellen








Dr. Wolfgang Schuster






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