Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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33 a
VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 04.11.2009
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Murawski
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe pö/fr
Betreff: Stimmrechte in den Wasserzweckverbänden
- Antrag Nr. 655/2009 der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 03.11.2009

Zu dem im Betreff genannten Antrag, der angeheftet ist, liegt eine Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 03.11.2009 aus. Diese Stellungnahme und die ausgeteilten Stellungnahmen des Herrn Oberbürgermeisters vom 03.11.2009 zu den Anträgen Nr. 321/2009 der SPD-Gemeinderatsfraktion und Nr. 650/2009 der Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE vom 03.11.2009 sind ebenfalls beigefügt.


Nach der Antragsbegründung durch StR Kanzleiter (SPD) bittet er um Erläuterungen zum Schreiben an das Regierungspräsidium (s. Stellungnahme zum Antrag 655/2009).

Die anschließenden Ausführungen von BM Murawski sind in der Folge im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben:

„Wir haben es hier mit einem Themenkomplex zu tun, der uns eigentlich bei allem begleitet, nämlich der Unterscheidung zwischen dem Geschäft der laufenden Verwaltung, dessen Herr der Oberbürgermeister ist, und wichtigen Fragen, deren Herr der Gemeinderat ist. Darüber gibt es zwar sehr viel Literatur, was wichtig ist und was nicht, und es gibt auch viele Rechtsstreitigkeiten dazu, aber letzten Endes führt kein Weg daran vorbei, dass man jede einzelne Sachfrage erneut entscheiden muss, ob es sich um Geschäft der laufenden Verwaltung oder um eine wichtige Frage handelt. Insofern ist dieses Feld unterschiedlichen Bewertungen und Meinungen zugänglich.

Dass Sie als Aufsichtsräte qua Gesetz nur den Interessen des Unternehmens verpflichtet sind und nicht irgendwelchen übergeordneten politischen Interessen, ich denke, das wissen Sie alle. Aber bei den Zweckverbänden ist es eben anders, weil das ja kommunale Sondereinrichtungen sind. Wir haben Ihnen hier berichtet, welche Zweckverbände überhaupt existieren, bei denen es Vertreter gibt. Das sind der Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Region Stuttgart, das Restmüllheizkraftwerk Böblingen, Hochwasserschutz Körsch und der Zweckverband Tierische Nebenprodukte Neckar - Franken.

Wie wichtig ich diese Fragestellung nehme, das sehen Sie schon daran, dass ich veranlasst habe, dass die Stadt bei der zufälligerweise jetzt am Montag stattgefundenen Verbandsversammlung des KDRS sich der Stimme enthalten hat. Weil ich durch diese ganze Debatte, auch durch den E-Mail-Wechsel mit Ihnen (StR Kanzleiter) und mit meinem juristischen Mitarbeiter Herrn Fürniß, darauf aufmerksam geworden bin, dass diese notwendige Abgrenzung bei uns "etwas aus der Übung geraten" ist. Dieser Kommunale Zweckverband Datenverarbeitung ist zwar nicht so im Fokus des politischen Interesses, aber es müssen da trotzdem die gleichen Regeln gelten, weshalb ich dem dortigen Verwaltungsratsvorsitzenden gesagt habe, wir können uns als Stadt da im Moment nur enthalten, weil Themen wie Wirtschaftsplan, Jahresabschluss, Wahl des Verwaltungsrats zumindest von ihrer Bedeutung her diskussionswürdig sind. Darüber werden wir Ihnen jetzt berichten und in Zukunft, das sage ich als der dafür Zuständige zu, werden wir was diesen Zweckverband betrifft, eben bei solchen Fragen vorab dann im Verwaltungsausschuss berichten (Sachverhalte, Stimmverhalten) und uns mit Ihnen abstimmen.

Bei Zweckverbänden allgemein, ist die Rechtslage klar, die haben wir Ihnen hier referiert. Da gibt es eben diese ständig fluktuierende Grenze zwischen laufendem und wichtigem Geschäft. Das ist eine Frage, die lässt sich nicht ein für alle Mal beantworten, aber das kennen wir, das ist uns vertraut, da wird es immer wieder politische Diskussionen drüber geben.

Bei den Wasserzweckverbänden gibt es eben die von Ihnen ja schon geschilderte Besonderheit, die das Ganze etwas verzwickt macht, weil es eben nicht allein mit der Veräußerung der Neckarwerke zu tun hat, sondern schon zu der Zeit, als das noch die TWS der Stadt Stuttgart, war, waren die Bezugs- und Stimmrechte übertragen auf die TWS AG. Jetzt muss man rein juristisch argumentieren: Wenn eine Aktiengesellschaft jemanden in einen Zweckverband entsendet, dann gilt natürlich da dasselbe wie bei einem Mitglied eines Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft - derjenige ist ausschließlich dem betrieblichen Interesse der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, als Dachbegriff genommen, verpflichtet. Und nicht irgendwelchen anderen, entsendenden Gebietskörperschaften oder übergeordneten politischen Interessen. Das ist ohne jeden Zweifel so.

Was die Sache dann hier noch etwas komplizierter macht, ist, dass bei dem Verkauf der Neckarwerke - also erst hat man ja die TWS an die Neckarwerke und dann die Prozentanteile der Neckarwerke an die EnBW verkauft - noch die weitere komplizierte Wendung reingekommen ist, dass man sichergestellt hat, dass die Vertretung der Stadt de facto, also auch durch den Gemeinderat, so bleibt, wie sie seither war in diesen Wasserzweckverbänden. Das ergibt natürlich eine etwas komplizierte juristische Melange. Sie haben also nicht die eindeutige Situation wie sie beim Zweckverband normalerweise gilt, dass Sie sich überlegen müssen, was ist wichtig und was ist nicht wichtig, sondern Sie haben einerseits die Entsendung einer Aktiengesellschaft. Da ist es für sich genommen völlig klar, wenn eine Aktiengesellschaft entsendet, dann darf der Entsendete sich an nichts anderem orientieren als am Wohl des Unternehmens.

Jetzt gibt es hier aber einen Zusatzvertrag, den Sie auch zitiert haben, der besondere Rechte der veräußernden kommunalen Gebietskörperschaft festgeschrieben hat. Wir als Verwaltung sind der Meinung, dass unabhängig davon, wie diese Rechte vertraglich festgeschrieben worden sind, dass es sich dabei um denselben Vorgang handelt, nämlich um eine Entsendung durch eine Aktiengesellschaft, allerdings durch die Aktiengesellschaft selber, durch vertragliche Regelung in besonderes Recht gestellt. Also der Grundvorgang der Entsendung durch eine Aktiengesellschaft ist gleich geblieben. Und damit gilt das vorhin Gesagte. Hier ist die Besonderheit, dass diese Aktiengesellschaft von sich aus erklärt hat, "den Entsandten werde ich aber keine Weisung erteilen". Insofern tritt aber nicht der Fall ein, wenn der, der eigentlich das Recht hat, dass seine Interessen ausschließlich als Entsendender gewahrt werden müssen, von sich aus auf Weisungsrechte verzichtet, dass dann irgendein anderer in diese Rechte eintritt. Diesen Automatismus gibt es nicht.

Nach meiner Meinung eigentlich ein relativ klarer Vorgang, jedenfalls für einen Juristen. Aber da wir uns der politischen Grundsatzbedeutung bewusst sind, haben wir mit Schreiben von gestern den Herrn Regierungspräsidenten - und das liegt Ihnen ja, glaube ich, vor, angeschrieben und dargestellt, wie die Verwaltung das sieht und ihn gebeten, als Rechtsaufsichtsbehörde dazu Stellung zu nehmen, damit wir ein für alle Mal da Klarheit haben.

Um auf das von Herrn Kanzleiter eigentlich angeschriebene Grundsatzproblem zurückzukommen, ist es so, dass wir uns wieder stärker um das Thema Wichtigkeit bei den Tagesordnungspunkten unserer Zweckverbände kümmern müssen, in dem wir uns zu solchen Themen im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates ein Votum abholen. Also insofern muss ich jetzt aus meiner Sicht als eine der Personen, die in so einem Zweckverband die Stadt vertritt, sagen, da bin ich ganz dankbar dafür, dass wir durch diese Debatte diese Notwendigkeit in Erinnerung gerufen haben.

Sie müssen mir zugestehen, das ist nicht nur bei der Verwaltung nicht mehr so relevant gewesen, es ist auch nie von irgendjemandem aus der Mitte des Gemeinderates bislang problematisiert worden. Wir werden also das jetzt wieder in den Fokus nehmen und immer rechtzeitig im Verwaltungsausschuss wichtige Punkte vorlegen und dann mit Ihnen abstimmen. Aber, wie gesagt, im Wasserzweckverband ist die Gemengelage weitaus komplizierter. Da werden wir aber auch eine abschließende rechtsaufsichtliche Klärung bekommen.“

Von StR Wölfle (90/GRÜNE) wird angemerkt, durch Gemeinderatsbeschluss sei er aktuell Mitglied im Zweckverband Landeswasserversorgung. Dort fühle er sich wie sonst auch in Aufsichtsräten dem Wohl der Stadt und ihrer Bürger verpflichtet. Im Vorfeld der heutigen Debatte habe er sich darüber gewundert, dass der Oberbürgermeister habe erklären lassen, er nehme einen Sitz der EnBW wahr und andererseits, dass er dort frei und losgelöst agiere.

Darüber, ob eine Abstimmung unter den Stuttgarter Vertretern in diesem Zweckverband stattfinde sei mit ihm zumindest nicht gesprochen worden. Dieses müsse in Zukunft anders gehandhabt werden. Aus der Vergangenheit müsse gelernt werden, dass mit zunehmend starken Verlagerungen demokratischer Prozesse in nicht öffentliche Gremien ein Verlust an demokratischer Kontrolle einhergehe. Hier gelte es wieder zu justieren. Er sehe es als seine Aufgabe an, Dinge von besonderer Relevanz, die in den Zweckverbänden zur Entscheidung anstünden, in die öffentliche Diskussion, auch in den Gemeinderat, zu bringen.

An ihre zehnjährige Mitgliedschaft im Verwaltungsrat des Zweckverbandes Landeswasserversorgung und an fünf Jahre Mitgliedschaft im Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung erinnert StRin Prof. Dr. Loos (CDU). Vertreter der Landeshauptstadt hätten in der Verbandsversammlung kein Stimmrecht. Dort sei der Oberbürgermeister Stimmführer. Die Stuttgarter Mitglieder verfügten allerdings über ein Stimmrecht im Verwaltungsrat. Selbstverständlich gebe der Oberbürgermeister entsprechend der Abstimmung im Verwaltungsrat bei der Verbandsversammlung seine Stimme ab. Die gesamte Konzeption weise den Fehler auf, dass sie bei der letzten Verwaltungsratssitzung schon abgemeldet aber StR Wölfle noch nicht eingeführt gewesen sei; die Mitglieder des Verwaltungsrates beschließen das Abstimmungsverhalten in der Verbandsversammlung. Wenn also die bisherigen Vertreter nicht wiederbestimmt würden bestehe ein Vakuum. Hier müsste eigentlich die Regelung getroffen werden, dass derjenige, der den Sitz des Verwaltungsrates inne gehabt habe nach einer Wahl, auch wenn er nicht weiter im Verwaltungsrat sei, an der ersten Sitzung der Verbandsversammlung geschäftsführend teilnehmen solle.

StR Kanzleiter hebt auf die Entstehungsgeschichte der Stimmrechte ab. Ursprünglich habe es sich um Stimmrecht der TWS, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt Stuttgart gehandelt. Dies habe sich bei der NWS, bei der die Stadt Stuttgart immer noch mit fast 50 % beteiligt gewesen sei, fortgesetzt. Dies sollte sich auch nach dem Verkauf der Aktien fortsetzen. Für den Gemeinderat sei das mit in der Vergangenheit bei seiner politischen Betrachtungsweise stets maßgeblich gewesen. Wenn dieses nach wie vor gelte, gelte auch heute noch, dass derjenige der die Stadt vertrete in erster Linie das Wohl und Wehe der Stadt Stuttgart im Auge haben müsse. Um dieses herzustellen müsse von Zeit zu Zeit eine Rückversicherung mit dem Gemeinderat stattfinden. Notwendig sei, die dortigen Entscheidungsprozesse wieder auf eine demokratische Legitimation zurückzuführen. Dies erfolge durch die Gründung von Stadtwerken. Für eine Übergangszeit müsse allerdings noch einmal überlegt werden, ob es der richtige Weg sei, dem Gemeinderat mitzuteilen, dass er hier kein Mitspracherecht habe.

StRin Küstler (SÖS und LINKE) legt Wert darauf, dass sie sich seit ihrer Mitgliedschaft im Gemeinderat mit diesem Themenfeld auseinandergesetzt hat. Abhebend auf die Vertragslage sei für die Landeshauptstadt der Ausgangspunkt, dass ihr die Sitze zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeute, die Vertreter der Landeshauptstadt seien keinen Weisungen unterworfen, da es sich um Sitze der Landeshauptstadt handle.

In der Folge führt StRin Prof. Dr. Loos aus, der Oberbürgermeister sei der Vorsitzende der beiden Wasserzweckverbände. Die Stadt habe in den Verwaltungsräten der Landeswasserversorgung zwei Sitze und bei der Bodensee-Wasserversorgung einen Sitz. Dort hätten die städtischen Vertreter die Möglichkeit, da sie keinem Weisungsrecht unterliegen, die Interessen der Stadt in die Diskussionen zu Beschlüssen in den Verwaltungsräten einzubringen. Anschließend entscheide der Verwaltungsrat mit Mehrheit und danach vertrete der Oberbürgermeister diese Entscheidungen in den Verbandsversammlungen. Angesichts dieser Vorgehensweise könne nicht gesagt werden, dass der Gemeinderat hier keinen Einfluss habe.

Gegenüber StR Kanzleiter merkt BM Murawski an, das Recht auf städtische Töchter nach dem Gesellschaftsrecht Einfluss zu nehmen, gebe es über eine mögliche Beauftragung der städtischen Vertreter in der Gesellschafterversammlung (als Gesellschafter, nicht über sonstige Gremien). Dies lasse sich nicht auf einen Zweckverband übertragen, da es sich um ein völlig anderes Rechtsgebiet handle. Hier gelte, Zweckverbände müssten qua Gesetz kostendeckend arbeiten bzw. sie dürften keine Gewinne erwirtschaften. Dass ein Zweckverband, um kostendeckend arbeiten zu können Preise erhöhen müsse, sei sozusagen keine Frage die politisch bewertet werden könne sondern dazu sei er verpflichtet. Tatsache sei, dass aufgrund der Stimmrechteübertragung und deren Gestaltung der Oberbürgermeister wie die anderen städtischen Vertreter ausschließlich dem Verband verpflichtet seien und nicht der EnBW oder der Landeshauptstadt.

Sobald das Regierungspräsidium, und damit beantwortet er eine Frage von
StRin Küstler, die Anfrage der Stadt Stuttgart beantwortet habe, erhalte der Gemeinderat selbstverständlich einen abschließenden Bericht.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt BM Murawski diesen Tagesordnungspunkt ab.

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ProtokollNdschr4152009.pdf