Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
753/2006
GZ:
OB 9020-01
Sitzungstermin: 11.10.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster, EBM Föll
Berichterstattung:die Vorsitzenden
Protokollführung: Herr Häbe sp
Betreff: Entwicklung der Bevölkerung und Finanzen der Landeshauptstadt Stuttgart im Vergleich mit den
Städten und Gemeinden in der Region Stuttgart

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 27.09.2006, öffentlich, Nr. 325

Ergebnis: Vertagung

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Mitteilungsvorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 14.09.2006, GRDrs 753/2006.

Die Sachvorträge von OB Dr. Schuster und EBM Föll sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben.

OB Dr. Schuster:
"Für die durchgeführten Arbeiten darf ich mich beim Statistischen Amt, bei der Stadtkämmerei vor allem und nicht zuletzt bei unserem Ersten Bürgermeister bedanken.

Ich glaube, das ist eine wichtige Ergänzung zu unserer Diskussion, die wir im Rahmen unseres Stadtentwicklungskonzeptes hatten. Nämlich die Frage, wo wir uns wie entwickeln wollen, in welcher Qualität, mit welchen Inhalten. Die Grundfrage ist ja schon, wie haben wir uns in den letzten 15 Jahren entwickelt, was die sozialen Strukturen angeht, was die wirtschaftliche Situation angeht für die Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und daraus folgend relativ logisch dann auch die Frage der Steuerentwicklung. Und das nun im Vergleich jetzt zu den Städten und Gemeinden im Großraum Stuttgart und in Baden-Württemberg. Diese strukturellen Entwicklungen geben uns einiges zum Nachdenken.

Natürlich kann man jetzt sagen, in den Großstädten hat man generell den Trend zu höheren sozialen Aufgaben und Leistungen, weil sie eine gewisse andere Bevölkerungsstruktur haben. Bei uns zeigt sich aber natürlich schon eine ganz klare Tendenz über all die vielen Jahre und da kann auch der Verband Region an diesem im Grundsatz herzlich wenig ändern. Die große historische Chance wurde Ende der 60er-Jahre eben nicht genutzt. Es gab Städte wie z. B. Karlsruhe, die sehr viel weniger diese Probleme haben wie wir. Diese haben 40 % zusätzlich Fläche bekommen im Rahmen der Gemeindereform (Freiburg hat plus 30 %). Das heißt, die haben von daher den Stadt-Umland-Ausgleich dadurch geschafft, dass man eben die kleinen Gemeinden rings um eine Stadt mit einbezogen hat und damit gibt es natürlich andere Möglichkeiten für ein ausgeglichenen Wachstum. Dieses Thema ist damals eben nicht ausreichend erfolgreich angegangen worden. Es mag viele Gründe gegeben haben, es ist jedenfalls Fakt.

Fakt ist auch, dass schon aus rechtlichen Gründen es ein müßiger Streit wäre, das Thema Eingemeindung wieder auf die Tagesordnung zu setzen; es gibt verfassungsrechtlich ganz klare Anforderungen für Eingemeindungen. Im Zweifel dann gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger oder gegen den Willen der Gemeinderäte. Davon können Sie ausgehen, dass keiner - zumindest hat sich bislang noch keiner freiwillig gemeldet und hat gesagt, er möchte gern eingemeindet werden nach Stuttgart. Die Realität ist, die Gemarkung Stuttgart wird sich von der Fläche her in absehbarer Zeit nicht verändern. Und es ist müßig darüber zu jammern. Es ist so wie es ist. Insoweit müssen wir unsere Hausaufgaben primär machen. Überhaupt wenn es darum geht, Freunde außerhalb Stuttgarts zu gewinnen, was nicht immer einfach ist. Daran hat sich eigentlich auch nie was verändert.

Und deshalb haben wir sehr kursorisch mal zusammengestellt, welche Ansätze es überhaupt gibt. Das ist kein detailliertes Programm, sondern wir - der Herr Erste Bürgermeister und ich – wollten eigentlich so in Kurzform ein paar Stichworte auch in die politische Debatte hineinbringen. Das eine ist das Thema Wohnungsbau. Wohnungsbau für die mittleren Einkommensgruppen, die in großem Stil aus Stuttgart weg ziehen. Und wenn Sie in den Samstagszeitungen die Immobilienentwicklung studieren, dann werden sie ungemein viele Angebote finden, wo es heißt, 'dort kannst du ein günstiges Reihenhäusle erwerben'. Mit der Folge, dass eben diese, auch gerade die junge Mittelschicht, Stuttgart verlässt. Das hat natürlich Konsequenzen für die soziale Struktur. Deshalb ist es, glaube ich, ganz wichtig, die Anstrengungen, die wir unternommen haben, sehr konsequent auch umzusetzen. Auch dass wir bei der Frage der Prioritätensetzung im Rahmen der Innenentwicklung vorankommen.

Das zweite Thema, was die Arbeitsplätze angeht und die Transformation natürlich der Wirtschaftsstruktur, die wir allenthalben erleben im Bereich Produktion. Deshalb ist es natürlich wichtig, dass man einerseits produktionsnahe Dienstleistungen bekommt. Aber es gibt - glaube ich - Wachstumsfelder, natürlich nicht nur in Stuttgart, die für uns besonders interessant sind. Das Thema Bildung. Deshalb, denke ich, müssen wir uns auch sehr bemühen, dass jetzt im Rahmen der notwendigen Expansion der Hochschulen, denn es wird ja jetzt einen Schub geben von Studenten, dass wir dort in Stuttgart mit dem Land zusammen entsprechende Angebote machen, damit wir von diesem Schub der jungen Begabten entsprechend profitieren können. Im Bereich Tourismus gibt es vielfältige Potenziale - ich will nur das Stichwort Kulturtourismus und Neckarparkentwicklung nennen. Im Bereich Einzelhandel haben wir einiges aufholen können. Im Bereich Gesundheit ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir mit unserer Grundentscheidung Klinikum, dass sich damit ein großes Netzwerk von Dienstleistungen im Bereich Gesundheit verbindet. Deshalb darf man das Thema Klinikum nicht nur betriebswirtschaftlich rechnen, sondern auch durchaus unter dem Aspekt der Arbeitsplätze. Und dann das, was man unter dem schönen neudeutschen Begriff 'creative industries' versteht - es geht schlicht darum, dass wir ein hohes Potenzial haben und brauchen, ob das Softwareingenieure, Designer, Medienleute sind. Diesem kreativen Potenzial sind spezielle Angebote zu machen. Wir würden Ihnen in absehbarer Zeit nochmals so einen Gesamtüberblick über die Strategie Wirtschaftsförderung vorlegen. Kurzum, ich glaube, da müssen wir ganz intensiv dran bleiben.

Das Thema demografischer Wandel wird ja von uns gemeinsam, und da bin ich sehr dankbar, dass es wirklich eine ganz große Koalition gibt, angegangen, indem man den Akzent auf die Frage 'Sind wir eine kinderfreundliche Stadtgesellschaft?' legt.

Das Thema Arbeitsförderung, nämlich, wie kann ich Menschen, die Probleme auf dem 1. Arbeitsmarkt haben, neue Zukunftsperspektiven eröffnen, wird uns, wenn Sie die Gesamtentwicklung sehen, massiv die nächsten Jahre begleiten.

Das Thema Flächenverbrauch - es ist schon bemerkenswert, wenn Sie die Disparität sehen, was ausgewiesene Flächen, ob Wohnungsbau oder Gewerbe angeht, außerhalb Stuttgarts und in Stuttgart sehen. Man ist natürlich dann schon geneigt zu sagen, warum sind wir so restriktiv, wenn auf der einen Seite die Nachfrage da ist und auf der anderen Seite unsere Nachbarn munter Flächen ausweisen und letztlich damit natürlich zu einem erhöhten Verkehr beitragen. Denn in der Folge muss dann Stadtbahn, S-Bahn, öffentlicher Nahverkehr und Straßen ausgebaut werden. Ökologisch gesehen ist das sicher keine sehr vernünftige Antwort. Ich denke aber trotzdem, dass wir mit unserer sehr vorsichtigen Flächenpolitik richtig liegen. Denn diese langfristigen Entwicklungen sollen ja auch dazu beitragen, die Nachhaltigkeit unserer Politik, unserer politischen Arbeit zu beleuchten. Und ich glaube, dass es richtig ist, dass wir sehr vorsichtig sind bei der Frage des Flächenverbrauches, weil wir langfristig auch von der hohen Qualität unseres natürlichen Umfeldes leben.

Als letzter Punkt nochmals die Frage, kann man im Finanzbereich etwas verändern? Es gibt ja eine Kommission Land/Kommunen, die sich mit den Finanzbeziehungen beschäftigen soll. Und mir war ganz wichtig, dass in diese Fragestellung auch natürlich die Frage des Finanzausgleichs zwischen großen Städten, zwischen Stadtkreisen und den kleineren Kommunen angesprochen wird. Denn hier gibt es ein Ungleichgewicht. Das betrifft nicht nur Stuttgart. Stuttgart natürlich weil es viel größer ist, am stärksten, aber das betrifft genauso Mannheim, Freiburg, Ulm. Wie schon gesagt ist Karlsruhe, aufgrund der Strukturen, auch Sozialstrukturen, etwas besser dran. Kurzum, wir haben deshalb auch im Städtetag beschlossen, dass wir dieses Thema ganz intensiv einbringen werden in die Land-/Kommunenkommission.

Das als kurze Antwort auf einen sehr komplexen Sachverhalt und nicht zuletzt auf eine langfristige Entwicklung, die uns Sorgen machen muss. Denn wenn man es einfach treiben lässt, wird es mit Sicherheit nicht besser.

Zum zweiten Aspekt, nämlich was bedeutet diese soziale Entwicklung, diese wirtschaftliche Entwicklung auf die Finanzkenndaten, auf die finanzielle Entwicklung in der Langfristperspektive, würde ich gerne dem Kollegen Föll das Wort erteilen."


EBM Föll:
"Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, ich will nur zwei Aspekte ansprechen. Zum einen den Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer, die Entwicklung. Und zum anderen die Schlüsselzuweisung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Alles Übrige können Sie ja dem Papier entnehmen.

Zunächst, zum Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer muss man schlicht und ergreifend feststellen, dass die Stadt Stuttgart 1970 noch mit weitem Abstand unter den 179, heute 179 Kommunen in der Region Stuttgart auf Platz 1 gelegen ist. Damals waren es ja noch ein paar Gemeinden mehr. Erst im Zuge der Gemeindereform wurden es dann die heute 179. Wir hatten damals einen Anteil von rd. 12 % am Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer, am Gesamtaufkommen im Land Baden-Württemberg. Heute liegen wir auf Platz 137 unter den 179 Kommunen und haben noch einen Anteil von knapp 6 %. Und die Entwicklung läuft im Grundtrend weiter gegen uns. Das heißt, wir können uns eigentlich ausrechnen, wann wir irgendwann wirklich am Tabellenende sind.

Das hat natürlich mehrere Ursachen, ist wie immer komplex. Zum einen natürlich die Bevölkerungsentwicklung als solches. Relativ gesehen haben die Kommunen in der Region Stuttgart Bevölkerungszahlen natürlich deutlich hinzugewonnen. Das Verhältnis zwischen Stadt und den übrigen 178 Kommunen hat sich bei der Bevölkerungszahl verschoben. Dann sicherlich auch die soziale Zusammensetzung, die Bevölkerungsstruktur an sich. Und es gibt natürlich aber auch das Thema Verteilungskriterien. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer wird ja nicht spitz abgerechnet nach der tatsächlichen Einkommenssteuerzahlung des jeweiligen Bürgers, sondern es gibt so genannte Sockelbeträge, nämlich 30.000 € bei Ledigen und 60.000 € des zu versteuernden Einkommens bei Verheirateten. Und diese Sockelbeträge sind seit vielen, vielen Jahren nicht mehr fortgeschrieben, was sich tendenziell für die großen Städte nachteilig auswirkt. Das ist ein Thema, das bundesweit ein Problem darstellt für die großen Städte und auf Bundesebene gelöst werden müsste. Aber, diese Entwicklung beim Gemeindeanteil zeigt, wie wichtig auch die absolute Bevölkerungszahl einer Stadt natürlich letztlich ist. Und wir reden hier schon über beachtliche Summen. Wir haben heute rund 220 Mio. € Ist-Aufkommen als Gemeindeanteil. Ich sage jetzt mal, wenn man rein fiktiv, rein rechnerisch die Kalkulation macht und sagt, wir hätten einen Anteil von 10 %, wie das mal - sage ich jetzt mal - vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen ist, 10 % wären etwa 330 Mio. €. Nur um Ihnen einfach auch die Dimension aufzuzeigen, die bei diesem Thema gegeben ist.

Das zweite Thema ist natürlich das Thema Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Dafür gibt es ja eine Bedarfsuntersuchung. Nicht von der Landeshauptstadt angestellt, sondern vom Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg, zuletzt 1994 gemacht. Und das heutige Spannungsverhältnis, das dann für die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen relevant ist, enthält eben für die Landeshauptstadt eine Bedarfsdeckung von 77,8 %, obwohl damals die Experten in der FAG-Kommission zumindest 85 % für angemessen erachtet hatten. Diese Differenz zwischen 77,8 und mindestens 85 % in der Größenklasse der Landeshauptstadt ist ein Betrag von 40/45 Mio. € - diese Differenz alleine pro Jahr. Wenn man darüber hinaus geht und auf eine 100%ige Bedarfsdeckung, was sicher unrealistisch ist, gehen würde, reden wir über eine Größenordnung von 150 Mio. € im kommunalen Finanzausgleich. Also es geht da auch um sehr viel Geld - innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs, wohlgemerkt. Da geht es nicht darum, zum Land Baden-Württemberg zu gehen und zu sagen, du musst aus deinem Landeshaushalt zusätzliche Mittel für die Landeshauptstadt bereitstellen, sondern es geht um die Verteilungskriterien innerhalb des kommunalen Finanzausgleichs, was hier eine relevante Größenordnung ist. Und ich bin sehr froh, dass es dem Oberbürgermeister sowohl im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten als auch im Präsidium des Städtetags gelungen ist, dass diese Thematik in der Finanzverteilungskommission Land/kommunale Spitzenverbände, erneut auf die Tagesordnung kommt. Und dann wird es darum gehen, eine neue Bedarfsuntersuchung zunächst vorzunehmen, und auf der Grundlage der neuen Bedarfsuntersuchung dann zu einem Spannungsverhältnis im FAG zu kommen, der einen angemessenen Interessensausgleich zwischen den kleineren und den größeren Städten im Land Baden-Württemberg und damit einen angemessenen Finanzausgleich für die Landeshauptstadt beinhalten soll. Soweit meine ergänzenden Ausführungen."

Mit Nachdruck spricht sich StR Uhl (CDU) dafür aus, den aufgezeigten negativen Entwicklungen entgegenzusteuern. Parteiübergreifend sei die Politik in den nächsten Jahren gefordert. Sollten Änderungen nicht erreicht werden, könne Stuttgart in Zukunft seine Aufgaben nicht mehr erledigen. In den anstehenden Verhandlungen werde der Oberbürgermeister von der CDU-Gemeinderatsfraktion unterstützt. Die anstehenden Aufgaben müssten mit Mut angegangen werden.

Laut StR Kanzleiter (SPD) zeigt die Vorlage auf, dass die Landeshauptstadt in allen wesentlichen Kennzahlen zurückgefallen ist. Vor diesem Hintergrund spricht er sich dafür aus, mit Aussagen wie "Stuttgart ist die Hauptstadt der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland" zurückhaltender umzugehen. Stuttgart sollte etwas weniger provokant auftreten, um Forderungen, welche sich aus den Vorlageninhalten gegenüber dem Umland ableiten, nachvollziehbarer stellen zu können. Stuttgart sei darauf angewiesen, die aufgezeigten Dinge im Konsens mit der Region und dem Land zu regeln. Insgesamt gesehen würde die Landeshauptstadt ohne die Region schlechter da stehen. Bei den Aufgaben der Region müsse sich die Landeshauptstadt konstruktiv einbringen wobei verlangt werden müsse, dass die berechtigten Forderungen von der Region aufgenommen werden. Die SPD-Gemeinderatsfraktion werbe dafür, sich für eine Stabilisierung der Region und für eine Zusammenarbeit mit der Region einzusetzen. Die in der Vorlage getroffenen Aussagen zu den Themen Kinderfreundlichkeit, Ausbildung und Qualitätsentwicklung in den Schulen etc. seien zutreffend. Diese Themen müssten weiter bearbeitet werden.

Dass in der Vorlage die Fakten sachlich argumentativ aufgezählt werden, begrüßt StR Wölfle (90/GRÜNE) mit Nachdruck. Bei der Auseinandersetzung zum Finanzausgleich dürften die betroffenen Landräte nicht vergessen, dass sie von einem Ungleichgewicht profitieren. In den Landkreisen werde nicht gesehen, dass die hohen sozialen Leistungen in der Stadt Stuttgart mit besser ausgebauten Kinderbetreuungseinrichtungen etc. im Zusammenhang stehen. Die Attraktivität von Stuttgart ergebe sich auch aus der Attraktivität und der Kinderfreundlichkeit von Wohngebieten und nicht nur aus der Anzahl von Wohnungen. Vernünftig sei es seitens des Gemeinderates, beim Weiteren geschlossen aufzutreten. In den anstehenden Auseinandersetzungen wünscht er sich neben Diplomatie auch in großem Umfang Sachlichkeit.

Dem schließt sich StR J. Zeeb (FW), welcher sich ebenfalls positiv zur Vorlage äußert, an. StR Willmann (FDP) begrüßt die übereinstimmend positive Bewertung der Vorlage durch die Fraktionen. Die Umlandgemeinden hätten ihre Vorteile, welche sich für diese aus der Gemeindereform ergeben haben, zum Schaden Stuttgarts rücksichtslos ausgeübt. Die in der Vorlage dargestellten Themen müssten aufgegriffen und Folgerungen daraus gezogen werden. Gefordert sei diplomatisches und gemeinsames Handeln.

Vom Oberbürgermeister erhält StR Kanzleiter die Information, dass die angeführten Daten vom Statistischen Landesamt und vom städtischen Statistischen Amt, also von öffentlich zugänglichen Quellen, stammen.

Weiter an StR Kanzleiter gewandt erklärt OB Dr. Schuster, das Gutachten von Prof. Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) liege der Verwaltung selbstverständlich vor. Dieses habe die Stadt in Auftrag gegeben, nachdem das Finanzministerium eine neue Bedarfserhebung durchgeführt habe und diese eindeutig zum Schluss gekommen sei, dass die Landeshauptstadt im Finanzausgleich benachteiligt werde. Dies hätten zudem eigene Aussagen des Ministeriums belegt. Da eine solche Erhebung Gesetzesqualität habe, sei die Verwaltung von einer Umsetzung ausgegangen. Nachdem seitens des Landes dies bestritten worden sei, habe man das Gutachten in Auftrag gegeben, und dieses habe die Stuttgarter Sichtweise untermauert. Im Ergebnis führe dies allerdings nicht automatisch zu einer verbesserten finanziellen Ausstattung der Landeshauptstadt. Deshalb sei der Klageweg nicht beschritten worden; das Ergebnis des Klageweges wäre gewesen, dass der Staatsgerichtshof die Handhabung gerügt und das Land durch eine Gesetzesänderung den rechtswidrigen Status beendet hätte, ohne finanzielle Besserstellung Stuttgarts. Die Ungleichbehandlung im Rahmen des Finanzausgleiches habe sich verstärkt, weshalb es richtig sei, dass das Finanzministerium im Rahmen der Land/Kommunenkommission gebeten werde, erneut eine solche Bedarfserhebung vorzunehmen. Ob sich dann daraus eine Veränderung des Spannungsverhältnisses zugunsten von Städten wie Mannheim und Stuttgart ergebe, müsse abgewartet werden. Angesichts der vorgelegten Daten sei die Thematik zu Recht wieder aufgerufen.

Persönlich bemühe er sich, wie auch die Fraktionen, um ein gutes Verhältnis zu den Umlandkommunen.

Beim Bereich der Wirtschaftsförderung, so StR Kanzleiter, habe man in der Vergangenheit den Eindruck bekommen, dass nicht alles optimal ablaufe. Bedeutsam sei, die mittelständische Wirtschaft, das Handwerk und kreative Berufe in Stuttgart zu halten bzw. nach Stuttgart zu holen. Stuttgart lebe aber natürlich auch von der Industrie. Stuttgart sei ein Industriestandort. Über viele Krisen hinweg habe die Industrie zur Stabilität der Stadt beigetragen. Mit der Industrie müsse ein gutes Verhältnis gepflegt werden und dort wo es Defizite gebe, müssten diese abgearbeitet werden.

Von StR Uhl wird angemerkt, die relativ günstige finanzielle Situation der Landeshauptstadt dürfe nicht zu einer Benachteiligung beim Finanzausgleich etc. führen. Weitere finanzielle Benachteiligungen werden von StR Wölfle befürchtet. Auch er spricht von einer Bestrafung nach einer erfolgreichen Haushaltskonsolidierung.

StR Uhl fordert die Verwaltung auf, das Ziel, 1.500 Wohneinheiten pro Jahr zu erstellen, nicht, aus dem Auge zu verlieren. Abhebend auf die Umlandwohnorte der Bewerber, welche sich heute für eine Amtsleiterstelle im Ausschuss vorgestellt haben, weist StR Kanzleiter auf die Abwanderung qualifizierter Menschen ins Umland hin. Andererseits führe das Umland zulasten von Stuttgart keinen sozialen Wohnungsbau durch. Zur Kenntnis genommen werden müsse, dass das angestrebte Ziel, 1.500 - 1.600 Wohneinheiten pro Jahr in Stuttgart zu realisieren, nur schwer umgesetzt werden könne. Entsprechende Anstrengungen müssten aber unternommen werden. Die Qualität der Grünflächen etc. in Stuttgart müsse erhalten und auf die Innenentwicklung müsse verstärkt Wert gelegt werden. Mittelständisches Wohnen müsse attraktiv bleiben. Dafür müssten Mittel bereitgestellt werden. Der fehlende soziale Wohnungsbau im Umland stößt auch bei StR Wölfle auf Kritik.

Natürlich, so OB Dr. Schuster, sollte mit dem Umland ein freundliches Miteinander angestrebt werden, gelegentlich müsse aber der eigene Standpunkt dargestellt werden. Dabei sei zu betonen, was im Interesse der Region für bedeutsam angesehen werde, nämlich die Fragen, wo sich die Region entwickeln soll und ob es sinnvoll sei, dass die Region insbesondere in der Peripherie wachse, mit entsprechendem Landschaftsverbrauch und zunehmenden Verkehrsströmen. Daran knüpfe sich die Frage an, ob es nicht doch sinnvoller sei, zumindest einen Wachstumsschwerpunkt in Stuttgart zu haben. Die erhobenen Zahlen belegten eindeutig, dass das Wachstum außerhalb Stuttgarts stattfinde. In den vergangenen Jahren sei es häufig so gewesen, dass die Umlandkommunen mit Argumenten wie preisgünstige Grundstücke, niedrige Grundsteuer- und Gewerbesteuerhebesätze Stuttgarter Unternehmen abgeworben haben. Häufig stehe auf deren Visitenkarte dann allerdings weiterhin Stuttgart. An den Aufgabenstellungen, was Infrastruktur, Bildung etc. angehe, ändere sich für die Landeshauptstadt allerdings nahezu nichts, nur die Einnahmen gingen zurück. Insofern werde es in Zukunft weiterhin ein Spannungsverhältnis geben. Strittige Standpunkte könnten aber in Freundschaft besprochen werden.

Nach Auffassung von StR Kanzleiter berührt die Vorlage alle beschließenden Ausschüsse des Gemeinderates. Diese sollten sich wie der Verwaltungsausschuss ebenfalls mit dem Datenbestand auseinandersetzen. Auch nach Einschätzung des Oberbürgermeisters ist es sinnvoll, die Vorlage in den Fachausschüssen und nicht in der Vollversammlung des Gemeinderates weiter behandeln zu lassen. In den Fachausschüssen könnten einzelne Aspekte wie "Was gibt Stuttgart pro Kind aus" weiter vertieft werden. So komme man zu einer noch differenzierteren Betrachtung. Dazu gehöre auch das Thema ÖPNV. Die Landeshauptstadt gebe rd. das Doppelte, nämlich rd. 80 €/Einwohner/Jahr im Vergleich zu den benachbarten Landkreisen aus. Vergessen werde, dass Stuttgart im Rahmen der Verbandsumlage an die Region die S-Bahn und damit die Mobilität außerhalb Stuttgarts mit finanziere. Zwar gebe es dazu Gründe, aber umgekehrt sollte ebenfalls akzeptiert werden, dass es Gründe gebe, aufgrund derer auch die Landkreise die Mobilität im Großraum Stuttgart in geringem Umfang mit finanzieren sollten. Diese profitierten schließlich von der hohen Mobilität. Nach wie vor gebe es für die in der Vergangenheit geschlossene Vereinbarung zum Verkehrslastenausgleich gute Gründe (s. hierzu heutiger Tagesordnungspunkt 4 "pacta sunt servanta - Antrag Nr. 288/2006 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN v. 18.09.2006",
öffentliche Niederschrift Nr. 348).

Eine Beratung in den Fachausschüssen wird zudem von StR Uhl befürwortet. Beispielhaft spricht er die Themen Wohnungsbau und Wirtschaftsförderung an. Konkret ist für ihn die Frage zu klären, ob der städtische Wirtschaftsförderer in den Stadtbezirken mit den Bezirksbeiräten über Ansätze sprechen soll. Der Wirtschaftsförderer müsse ämterübergreifend aktiv werden, wenn es darum gehe, bereits ansässigen Unternehmen Erweiterungen und auswärtigen Unternehmen die Ansiedlung in Stuttgart zu ermöglichen. Daran anknüpfend führt er aus, die CDU-Gemeinderatsfraktion habe in der Vergangenheit es immer abgelehnt, wenn es darum gegangen sei, Produktionsstandorte in Dienstleistungsflächen umzunutzen. Dienstleistung funktioniere nur dort, wo Produktion stattfinde.

StR J. Zeeb befürchtet, dass mit den derzeitigen Verwaltungsstrukturen das hochgesteckte Ziel von 1.500 Wohneinheiten pro Jahr nicht erreicht werden kann. Die Personalkapazitäten seien in den entsprechenden Ämtern nicht ausreichend, um Projektentwicklungen voranzubringen bzw. diese, wenn notwendig, kurzfristig zu stoppen. Es sollte eine Stelle in der Verwaltung geschaffen werden, welche Projektentwicklungen im Innen- und Außenbereich zeitnah beurteile, um anschließend diese voranzubringen oder zu stoppen. Planungsprozesse müssten schnell ablaufen, ansonsten verlieren Projektentwickler ihr Interesse. Dies aufgreifend erinnert StR Uhl an die vor einigen Jahren eingerichtete Stelle "Servicecenter Bauen". Hierfür sei ein großer Aufwand getätigt worden und diese Stelle sollte eigentlich das von StR J. Zeeb Beschriebene abdecken (Zusammenführen von Ämtern um im Interesse von Bauwilligen schnell zu Entscheidungen zu kommen). Darüber, was aus diesem Projekt geworden ist und ob dieses tatsächlich zu einem beschleunigten Verfahren beigetragen hat, müsse im Ausschuss für Umwelt und Technik berichtet werden. Von StR Kanzleiter wird mitgeteilt, fehlende Personalressourcen in Planungsämtern könnten sich als "Wachstumsbremse" erweisen. Investitionen in Personalstellen stellten Investitionen dar, welche die Stadt in der Regel voranbringen.

Bei der Beeinflussung der Bevölkerungsentwicklung wertet StR Kugler den Wohnungsbau als bedeutsam. Darauf und ob die plakative Annahme "Die Kernstadt hat in den letzten 20 - 25 Jahren schwerpunktmäßig sozialen Wohnungsbau betrieben und das Umland (Speckgürtel) hat Einfamilienhäuser ausgewiesen, weshalb es zu einer für die Stadt Stuttgart unvorteilhaften Auseinanderdifferenzierung der Bevölkerung gekommen ist" zutreffe, müsse bei den weiteren Beratungen geachtet werden. Überlegt gehöre, wie das Umland veranlasst werden könnte, eigenen sozialen Wohnungsbau durchzuführen und nicht die Probleme der Landeshauptstadt zu überlassen. OB Dr. Schuster berichtet von einem Gespräch mit einem OB-Kollegen aus der Region. Dieser sei stolz gewesen, dass es in seiner Kommune keine Sozialwohnungen gebe. Weiter erklärt OB Dr. Schuster, Stuttgart sei bei sozialen Problemen ja gut ausgestattet und im gewissen Sinne sei eine Spezialisierung auch nachvollziehbar. Die Frage sei aber, wie diese Schwerpunktbildung ausgeglichen werden könne. Beim Wohnungsbau wäre es allerdings eigentlich selbstverständlich, dass eine gewisse Quote an Sozialwohnungen für schwächere Mitglieder der Gesellschaft im ganzen Großraum Stuttgart/in der Region vorhanden sein sollte. Ludwigsburg und Esslingen hätten in diesem Sektor etwas unternommen, aber insgesamt sei die Balance beim sozialen Wohnungsbau nicht stimmig.


Mit der Anmerkung, die GRDrs 753/2006 wird in den verschiedenen Fachausschüssen weiterbehandelt und die Ratsmitglieder sollen gegebenenfalls der Verwaltung noch mitteilen, ob ausdifferenzierteres Datenmaterial benötigt wird (z. B. bezüglich Aufwendungen für Kinder und zum sozialen Wohnungsbau), schließt OB Dr. Schuster diesen Tagesordnungspunkt ab.