Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 682/2009
Stuttgart,
10/01/2009


Jugendberufshilfe nach §13 SGB VIII für Jugendliche am Übergang Schule-Beruf



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
12.10.2009
04.11.2009

Bericht:


Mit dieser Vorlage informiert die Verwaltung über

1. die Situation chancenarmer Jugendlicher im Übergang Schule-Beruf, den Auftrag sowie die Angebote der Jugendberufshilfe nach §13 SGB VIII im Gesamtfördersystem u25,

2. die Planungen zur Weiterführung der bestehenden Förderangebote 400+Zukunft, Sozialarbeit an beruflichen Schulen, MefJu, PengA, Berufserlebnis-Haus und dem Sozialpädagogisch begleiteten Wohnen für junge Frauen.
3. die konzeptionellen Veränderungen des Programms 400+Zukunft und die Aufnahme des Projektes Youssef zum 1.1.2010,

4. die Aufnahme neuer Angebote Beruf und Zukunft, Mein Weg in den Beruf, Freunde schaffen Erfolg und Portfolio innerhalb der vorhandenen Mittel,

5. den Bedarf an Angeboten für junge, gewaltbereite Männer.


1. Rechtlicher Auftrag der Jugendberufshilfe nach § 13 SGB VIII
Die Agentur für Arbeit und das JobCenter u25 sind die zentralen Akteure, um jungen Menschen Angebote zur gelingenden Einmündung in Ausbildung und Arbeit zu ermöglichen.

Die Jugendberufshilfe nach §13 SGB VIII bildet die dritte Säule im Fördersystem u25. Innerhalb dieses Fördersystems hat die Jugendberufshilfe einen speziellen Auftrag und ein heterogenes Angebotsspektrum (vgl. ausführlich Anlage 1).

Die Angebote der drei Akteure werden auf der Grundlage des rechtlich festgeschriebenen Auftrags entwickelt. Darüber hinaus werden aber auch zunehmend systemübergreifende Lösungen im Dialog zwischen den beteiligten Akteuren gesucht, um den Bedarfen der jungen Menschen noch besser gerecht werden zu können.


2. Bedarfsanzeigen

2.1 Programm 400+Zukunft: Zunehmende Verjüngung der Zielgruppe und hoher Anteil von Jugendlichen ohne Schulabschluss
Die aktuelle Auswertung des niedrigschwelligen Arbeits- und Qualifizierungsprojekts 400+Zukunft (vgl. Programmbeschreibung und Auswertung Anlage 2) zeigt auf, dass die Teilnehmenden seit Bestehen des Programms zunehmend jünger werden. Die Hälfte der Jugendlichen ist unter 18 Jahren. Neu ist, dass bereits Jugendliche im Alter von 15 oder 16 Jahren das Programm in Anspruch nehmen. 400+Zukunft entwickelt sich zunehmend zum Sammelbecken für junge Jugendliche ohne Schulabschluss mit unterschiedlichen Biografien schulischen Scheiterns. Für diese veränderte Zielgruppe hat sich das in 400+Zukunft integrierte Schulkonzept aufgrund seines schulischen Charakters und relativ hohen Anspruchs als zu hochschwellig erwiesen. Hier braucht es alternative Konzepte, die eine Antwort auf die Schulmüdigkeit darstellen und dabei gleichzeitig das Erreichen eines Schulabschlusses ermöglichen.

2.2 Anhaltend enges Berufswahlspektrum von jungen Frauen
Aus der DJI-Längsschnittstudie (vgl. GRDrs 471/2009) wird ersichtlich, dass das Berufswahlspektrum von jungen Frauen nach wie vor stark verengt ist. Im Wesentlichen werden vier Ausbildungsberufe gewählt (Friseurin, Fachverkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk, zahnmedizinische Angestellte, Einzelhandelkauffrau). Die gewählten Berufe bieten alle nur begrenzte Verdienstmöglichkeiten und sind dadurch gekennzeichnet, dass sich erwiesenermaßen der Übergang an der zweiten Schwelle, also von der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis, häufig prekär gestaltet. Im Bereich des Übergangssystems existieren für diesen Sachverhalt noch zu wenige konsequente geschlechterdifferenzierte Antworten (vgl. hierzu auch GRDrs 648/2009).

2.3 Übergang Hauptschule-Beruf als kritischer Zeitpunkt: Mentor/-innen als wichtige Ratgeber/-innen
Wichtige Ratgeber/-innen in beruflichen Verläufen sind neben den Eltern verschiedene Personen, die als Mentoren und Mentorinnen tätig sind (vgl. DJI-Längsschnittstudie, Geier et al. 2009, S. 19). Daher gilt es, längerfristig ein vielfältiges System verschiedener Mentoring-Ansätze aufzusetzen, welche Jugendliche dabei unterstützen, den beruflichen Übergang nach dem Besuch der Hauptschule gelingend zu meistern und gerade dann Kontinuität zu schaffen und Brüche zu vermeiden, wenn das schulische Angebot endet (vgl. hierzu auch GRDrs 648/2009).

2.4 Unzureichende Unterstützungskonzepte für Jugendliche in Jungarbeiter-Klassen
Als Jungarbeiter werden Jugendliche unter 18 Jahren bezeichnet, die keine Ausbildung aufgenommen haben und durch eintägigen Schulbesuch ihrer Berufsschulpflicht nachkommen. Die Jungarbeiter-Klassen bilden somit ein Auffangbecken für Jugendliche, die von bestehenden Angeboten nicht erreicht werden bzw. diese nicht wahrnehmen. Aufgrund geringer Präsenzzeit und erlebter Perspektivlosigkeit des Angebots sind diese Jugendlichen für pädagogische Unterstützung schwer zugänglich. Die Situation ist daher auch für die pädagogischen Akteure an den beruflichen Schulen äußerst unbefriedigend.

2.5 Fehlende Ansätze für junge, gewaltbereite Männer
Die Rückmeldung aus den Angeboten ist, dass bestehende Ansätze zu wenig sozialpädagogisch ausgerichtet sind, um gewaltbereite Jugendliche in spannungsreichen Problemlagen erreichen zu können. Hier ist ein engmaschigeres konfrontatives Konzept nötig, das Jugendliche im Spannungsfeld von Halt und Konfrontation herausfordert und ihnen berufliche Perspektiven aufzeigt.

2.6 Unzureichende, nicht harmonisierte Dokumentationsinstrumente im Übergangssystem
Das Regionale Übergangsmanagement (RÜM) weist auf den Bedarf eines nachhaltigen Dokumentationssystems im Bereich der Berufswahlorientierung hin. Ein Portfolio Übergang Schule-Beruf – wie es bereits in anderen Großstädten eingesetzt wird – ist ein persönlicher Begleiter der Schüler/-innen durch die gesamte Zeit der beruflichen Orientierung und dokumentiert erworbene fachliche, aber auch personale, soziale und methodische Kompetenzen. Ein auf die städtischen Gegebenheiten abgestimmtes Portfolio dient somit Schüler/innen wie Professionellen als transparentes Instrument der Planung und Steuerung beruflicher Übergänge (vgl. hierzu auch GRDrs 648/2009).


3. Antworten

3.1 Modifizierung des Programms 400+Zukunft
Um der veränderten Zielgruppe in 400+Zukunft auch künftig gerecht werden zu können, sind konzeptionelle Veränderungen angezeigt. Hierbei geht es darum, vermehrt jugendgerechte Settings in Form von altershomogenen Arbeitsbereichen verbunden mit einem jugendspezifischeren Konzept und einer intensiveren sozialpädagogischen Begleitung zu schaffen. Aktuell werden verbindliche Standards für die Qualität der sozialpädagogischen Begleitung durch die Träger formuliert, deren Umsetzung durch ein turnusmäßig angesetztes Fachcontrolling seitens des Jugendamtes (u.a. in Form von Fallkonferenzen) geprüft wird. Daneben wird ein modifiziertes Förderungskonzept entwickelt, welches künftig Elemente einer erfolgsabhängigen Förderung und somit Anreize zu einer zügigen Umsetzung definierter Zielvorgaben beinhaltet.
Darüber hinaus gilt es, ein konsequenteres Zusammenspiel von Arbeiten und Lernen („produktives Lernen“) für Jugendliche bis 18 Jahren aufzusetzen. Hier soll ein in der Praxis erprobter Ansatz produktiven Lernens verstetigt werden (vgl. Ansatz Youssef in Anlage 4). Eine Finanzierung kann durch eine Reduzierung um drei reguläre Plätze kostenneutral innerhalb des vorhandenen Finanzrahmens erfolgen. Träger des alternativen Bildungskonzepts ist der Caritasverband Stuttgart e.V. Finanzbedarf lfd. 1.169.200 € + 74.400 € (Youssef) = 1.243.600 €

3.2 Gezieltes Coaching von jungen Frauen zur Erweiterung des Berufswahlspektrums durch Mein Weg zum Beruf
Zur Erweiterung des Berufswahlspektrums von jungen Frauen soll ein Ansatz des Trägers Berufliche Förderung von Frauen e.V. (BeFF), der bislang über den Projektmittelfonds der Landeshauptstadt Stuttgart finanziert wurde und sich als erfolgreich erwiesen hat, über den Etat der Jugendberufshilfe des Jugendamtes finanziert werden. Im Zentrum dieses Ansatzes steht ein individuelles Coaching für Schülerinnen an Hauptschulen, die durch diesen professionellen Begleitrahmen die Möglichkeit zur systematischen Horizonterweiterung und schließlich zur Einmündung in Ausbildung und Arbeit erhalten sollen. Die beispielhafte Fortführung des Ansatzes an drei Hauptschulen (Reisachschule, Rappachschule, Wolfsbuschschule) wird systematisch begleitet und ausgewertet, um zu klären, ob der Ansatz an diesem Punkt, an dem seit Jahren auf der Stelle getreten wird, weiterführend ist. Finanzbedarf lfd. 20.000 €

3.3 Verstetigung des Peer-Mentoring-Ansatzes Freunde schaffen Erfolg
Zur Unterstützung von Jugendlichen an kritischen Übergängen soll durch Mentorenschaft in Form des Projekts Freunde schaffen Erfolg ein erfolgreicher Ansatz des Peer-Mentoring vom Projektstatus (Stiftungsmittel) in den Haushalt der Jugendberufshilfe überführt werden. Die Fortführung des Angebots an zwei Hauptschulen (Lerchenrainschule und Rosensteinschule) im Umfang je einer 50% sozialpädagogischen Fachkraft-Stelle soll dadurch abgesichert werden. Träger ist der Caritasverband Stuttgart e.V. Finanzbedarf lfd. 66.600 €

3.4 Weiterführung von MefJu – Mentoren für Jugendliche
Eine wichtige Zielgruppe des Projekts MefJu in Trägerschaft der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW e.V.) sind Jugendliche mit Migrationshintergrund und geduldete Jugendliche, deren berufliche Übergänge nach wie vor besonders erschwert sind. Für diese jungen Menschen hat sich in Teilen die rechtliche Eingliederungssituation zwar verbessert, dennoch bedarf es der Information und der individuellen Begleitung in Form von Paten, um die erweiterten Möglichkeiten auch erfolgreich nutzen zu können. Die Nachfrage nach diesem bislang sehr erfolgreichen Mentoring-Angebot ist weiterhin groß (Warteliste). Die Verwaltung schlägt daher eine Aufrecherhaltung der Förderung im bisherigen Umfang vor. Finanzbedarf lfd. 16.950 €

3.5 Klärung der Unterstützungsmöglichkeiten für Jungarbeiterinnen im Projekt Beruf und Zukunft
Es soll in dem Ansatz Beruf und Zukunft geprüft werden, wie sich die Gruppe, die sich in den Jungarbeiter-Klassen sammelt, zusammensetzt und welche Bildungsbiografien und Unterstützungsbedarfe diese Jugendlichen mitbringen. Bis Frühjahr 2010 soll zusammen mit dem Träger IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit ein fundiertes Konzept erarbeitet werden, um ab Herbst mit der Umsetzung an der Hauswirtschaftlichen Schule Stuttgart-Ost beginnen zu können. Ggf. müssen Gespräche mit dem Regierungspräsidium geführt werden, um zu klären, wie diese Zielgruppe zukünftig besser erreicht werden kann und das schulische Angebot von den Jugendlichen als sinnhaft erlebt wird. Finanzbedarf 15.200 € (2010), 39.900 € (2011)

3.6 Eigenes Portfolio Übergang Schule-Beruf in der Landeshauptstadt Stuttgart
Zur zielgerichteten Unterstützung von Jugendlichen in beruflichen Übergängen soll ein Portfolio Übergang Schule-Beruf orientiert an den Stuttgarter Gegebenheiten in enger Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt und den Hauptschulen aufgesetzt werden. Das Portfolio wird von den RÜM-Mitarbeiterinnen entworfen und soll ab Frühjahr 2010 allen Stuttgarter Hauptschulen zur Verfügung stehen (vgl. GRDrs 648/2009). Finanzbedarf 50.000 €


4. Perspektive
Die Jugendberufshilfe leistet ihren Beitrag in Form spezifischer Angebote für junge Menschen, die keine anderweitigen Unterstützungsleistungen am Übergang in den Beruf erhalten. Ihr kommt daher eine wichtige Scharnierfunktion an den unterschiedlichen, oft brüchigen Übergängen zu. Die Jugendberufshilfe bildet somit eine wichtige Säule im Gesamtfördersystem u25.

Die oben beschriebene Verwobenheit der Jugendberufshilfe mit den anderen Institutionen im Feld der beruflichen Übergänge macht die Notwendigkeit deutlich, einen systemübergreifenden Dialog mit allen beteiligten Akteuren zu suchen und im Sinne eines Übergangsmanagements Angebote gemeinsam abzustimmen und Mischfinanzierungsmodelle zu entwickeln. Das Jugendamt hat daher die Abstimmungsprozesse intensiviert. Um die Wirksamkeit der Angebote beurteilen zu können, werden alle Lösungsansätze vom Jugendamt – im Rahmen der gegebenen personellen Möglichkeiten – begleitet und evaluiert.


Beteiligte Stellen

Referat WFB hat die Vorlage zur Kenntnis genommen. Auch wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen aus Budgetmitteln des Jugendamtes finanziert werden können, sollten - vor dem Hintergrund der noch zu beschließenden Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung - Entscheidungen erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen getroffen werden.


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin





Anlage 1 Auftrag und Angebote der Jugendberufshilfe
Anlage 2 Auswertung des Programms 400+Zukunft
Anlage 3 Sozialarbeit an beruflichen Schulen
Anlage 4 Anträge freier Träger




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Anlage 1_GRDrs 682-2009_rechtl_Auftrag_Angebote.doc
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Anlage 2_GRDrs 682-2009_Auswert400plusZukunft.doc
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Anlage 3_GRDrs 682-2009_Sozarbeit_berufl_Schulen.doc
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Anlage 4_GRDrs 682-2009_Anträge.doc
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Vorlage6822009.pdf