Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 544/2009
Stuttgart,
09/22/2009



Sicherheitstechnische Ausstattung an Stuttgarter Schulen
Ergebnis der Überprüfung nach den Vorfällen von Winnenden




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich07.10.2009



Beschlußantrag:

1. Vom Zwischenbericht über den Stand der Arbeiten in den verschiedenen Experten- und Arbeitsgruppen wird Kenntnis genommen.

2. Zwingende Maßnahmen, die sofort in Angriff genommen werden müssen: 3. Auf Grund der sicherheitsrelevanten Dringlichkeit muss die Umsetzung dieser Maßnahmen sehr zeitnah noch im Herbst abgewickelt werden. Da die Mittel in der Bauunterhaltung bereits anderweitig für dringende Maßnahmen vergeben sind und auch keine Maßnahmen verschoben oder gestrichen werden können, sollte die Bereitstellung der Mittel für diese technischen Mindestanforderungen überplanmäßig erfolgen.

4. Es zeichnet sich ab, dass von den Experten aus den verschiedenen Arbeitsgruppen zur Vermeidung von Verwechslungen Sprachalarmierungsanlagen (SAA-Anlagen) empfohlen werden, die es in Stuttgarter Schulen zurzeit nur sehr vereinzelt gibt. Die Kosten für die Ausstattung aller Stuttgarter Schulen wird auf 16 Mio. Euro (im Schnitt 100.000 Euro pro Schule – ohne bauliche Begleitarbeiten, die noch zu beziffern sind) geschätzt. Die Verwaltung wird beauftragt, diese Kosten anhand einer Reihe von exemplarischen Planungen weiter zu konkretisieren. Ziel ist eine Realisierung innerhalb von vier Jahren. Über die Bereitstellung entsprechender Mittel in Höhe von jährlich 4 Mio. Euro (für Planung und die ersten beiden Tranchen) wird im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt 2010/2011 entschieden. 5. Sobald die Arbeiten in den verschiedenen Arbeitsgruppen abgeschlossen sind, wird die Verwaltung – voraussichtlich im Frühjahr 2010 – über die weitergehenden Ergebnisse berichten.


Begründung:


Am 07. April 2009 hat sich im Polizeipräsidium Stuttgart ein Expertenkreis gebildet, um den Amoklauf in Winnenden und Wendlingen aufzuarbeiten und zu beraten, mit welchen Maßnahmen in der Landeshauptstadt Stuttgart künftig Gewaltvorfällen und Schadensereignissen begegnet werden kann.

In der Folge wurden vier Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen gebildet, darunter eine, die unter Federführung des Schulverwaltungsamtes das Thema „sicherheitstechnische Ausstattung“ Stuttgarter Schulen aufarbeitet und entsprechende Handlungsempfehlungen für den Schulträger formulieren wird. Ziel ist es, die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl an den Schulen zu stärken. Die Lösungsvorschläge können nicht nur auf Gewaltvorfälle wie z. B. Amok fokussiert sein, sondern müssen auch andere Schadensereignisse (Brand) berücksichtigen. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe ergibt sich aus Anlage 1.

Auch auf Landesebene befasst sich ein Expertenkreis unter der Leitung des Regierungspräsidenten a. D., Herrn Andriof mit der Thematik. Hier ist auch der Städtetag Baden-Württemberg eingebunden. Schwerpunktthemen sind:

· die personelle Stärkung der Schulen (Schulsozialarbeit)
· organisatorische Optimierungen (Kommunikationswege zwischen Polizei, Schulen und Städten)
· Verbesserungen beim Schulbau und der Schulausstattung.

Ziel des Städtetags ist es, zu einer konzertierten Aktion mit dem Land zu kommen, die eine faire und angemessene Verteilung der Lasten des Maßnahmenpakets auf Land und Kommunen vorsieht.

Nach dem der Verwaltung vorliegenden Informationen – die jedoch noch nicht verbindlich sind – ist mit einem Bericht dieser Arbeitsgruppe des Landes im Oktober zu rechnen. Die dabei getroffenen Erkenntnisse werden bei den städtischen Empfehlungen mit berücksichtigt.


Bisherige Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Sicherheitstechnische Ausstattung Stuttgarter Schulen“

Sammlung und Erörterung der Vorschläge aus den Stuttgarter Schulen

Unter dem Eindruck des Amokereignisses in Winnenden haben sich 42 Stuttgarter Schulen mit Hinweisen, Fragen und Vorschlägen an das Schulverwaltungsamt gewandt. Die Inhalte wurden vom Schulverwaltungsamt in aufgearbeiteter Form in die Arbeitsgruppe eingebracht und erörtert. Es handelt sich insbesondere um folgende Punkte:

1. unterschiedliche Varianten zur Verbesserung der Alarmierungsmöglichkeiten innerhalb der Schule (z.B. Differenzierung mit unterschiedlichen Alarmtönen, mit Sprachwiedergabe, Sprech- und Telefonanlage zwischen Sekretariat und Hauseingängen,…)
2. Alarmknöpfe für Lehrerzimmer
3. Türen mit verbesserten Sicherheitsgarnituren und außen liegenden Knaufs u. ä.
4. Neue verbesserte Schließanlagen
5. Einbau von Videokameras
6. Vor-Ort-Beratungen der Schulen durch Polizei und Feuerwehr
7. weitere schulspezifische Einzelmeldungen

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sich einig, dass trotz aller Sicherheitsvorkehrungen eine vollständige Sicherheit nicht erreicht werden kann.

Das Thema „Verbesserung der Alarmierungsmöglichkeiten“, Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und vollständigen Ausstattung mit Nottelefonen sowie die rasche vollständige Ausstattung der Schulen mit Flucht- und Rettungsplänen wurde als besonders wichtig und dringlich vertieft. Die weiteren Themen sind noch nicht abschließend diskutiert und behandelt.


Analyse der Ist-Situation „Alarmierungsmöglichkeiten“

Die Stuttgarter Schulen sind derzeit mit Pausensignal-/ Alarmanlagen in Analogtechnik ausgestattet (Gongs bzw. Glocken). Eine differenzierte Signalgebung mit unterschiedlichen Tönen ist nicht möglich. Allerdings sind diese Anlagen grundsätzlich in der Lage, das Signal sowohl in Dauerton und als auch in Intervallen abzusetzen. Ein im Rektorat auszulösender Dauerton soll im Brandfall zur Räumung geschaltet werden, ein Absetzen des Alarms im Intervall wäre für eine Amoklage mit ggf. notwendiger Verbarrikadierung möglich.


Lösungsansatz: Sprachalarmierungsanlagen (SAA-Anlagen)

Es sind sich bereits jetzt alle Arbeitsgruppen einig, dass im Krisenfall unterschiedliche Signale sehr leicht verwechselt werden können und dieser Standard allenfalls ein Interim sein kann. Als Minimalstandard wird daher wohl eine flächendeckende Ausstattung der Schulen mit SAA Anlagen empfohlen.

Die SAA-Anlagen bieten nach Aussagen des Dienstleisters EnBW folgende Vorteile:

- vollständig eigenes Leitungsnetz mit überwiegend Funktionserhalt und Redundanz
- Anschaltung vorhandener Brandmeldeanlagen für Brandalarmierung
- Manuelle Alarmierung mittels Sprachdurchsage von der Sprechstelle
- Allgemeine Sprachdurchsage von der Sprechstelle
- Möglichkeit des Alarms zur Polizei (wenn von Experten gewünscht sein sollte)
- Pausensignal über die Lautsprecher (Pausenklingeln entfallen)
- Je nach Alarmfall deutlich unterscheidbare Signaltöne, kombiniert mit Sprachtexten, auch mehrsprachig, durch in der Zentrale hinterlegte Dateien, manuell und automatisch abrufbar.

Die Funktionsweise und die technischen Systembestandteile sind in der von der EnBW erstellten Übersicht in der Anlage 2 ersichtlich. In die Betrachtungen der Arbeitsgruppe werden alle im Gebäudemanagement des Schulverwaltungsamtes aufgenommen Gebäude sowie Betreuungseinrichtungen insbesondere Horte einbezogen. Für Solitärgebäude und angemietete Objekte werden ebenfalls geeignete Lösungsmöglichkeiten untersucht.

Die Ausstattung aller Schulen mit SAA-Anlagen wird nur in Schritten möglich sein. Angestrebt wird eine Umsetzung in vier Jahren. Auf Grund der nicht mehr am Markt erhältlichen Ersatzteile für die bisher verwendeten älteren Anlagen sowie den gestiegenen Anforderungen (z.B. an die Ausfallsicherheit im Brandfall, Aufschaltung auf eine Gefahrenmeldeanlage wie Brandmeldeanlage) sind jedoch bei Sanierungen oder Erneuerungen die bisherigen Anlagen durch Sprachalarmierungsanlagen (SAA-Anlagen) ersetzt. Das gleiche gilt für Neu- und Erweiterungsbauten.


Zwingend notwendige Sofortmaßnahmen

In der Zwischenzeit müssen aber die Schulen in der Lage sein, notfalls Alarmierungen über die bestehenden Anlagen gesichert absetzen zu können. Diese Anlagen müssen funktionstüchtig sein bzw. wenn nicht, sofort in einen funktionstüchtigen Zustand versetzt werden. Aufgrund der Ergebnisse einer Umfrage bei den Schulen zu den Alarmierungsanlagen, Nottelefonen und Flucht- und Rettungsplänen wurde die EnBW beauftragt, die Situation zu überprüfen und dringend notwendige Reparaturen bzw. Verbesserungen aufzuzeigen.

a) Interimslösung Alarmanlagen

Bis zur Einführung von Sprachalarmierungsanlagen an allen Stuttgarter Schulen sind die vorhandenen alten Pausensignalanlagen zu nutzen und ggf. zu erweitern wie z. B. die Absetzung von alternativen Signalen in Dauerton und Intervallen.

Entsprechend der Rückmeldung von 158 Schulen sind bei 99 % Alarmdrücker vorhanden. Davon ist bei 57 % die Betätigung im Intervall möglich und bei 22 % nicht möglich, 1 % gibt an, ohne Alarmdrücker (1%) ausgestattet zu sein. In den Ferien hat die EnBW 107 Schulen geprüft und die notwendigen Maßnahmen festgestellt.

b) Nottelefone

Bei der Abfrage haben 150 Schulen mitgeteilt, dass im Verwaltungsbereich bei 93 % der Schulen und in 79 % der Sportstätten ein Nottelefon vorhanden ist. Auch hier hat die EnBW in den Ferien die vorhandenen Anlagen auf Funktionstüchtigkeit geprüft und ggf. die notwendigen aufgezeigt.

c) Flucht- und Rettungspläne

Entsprechend der „Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Kulturministeriums, des Innenministeriums und Umweltministeriums über das Verhalten an Schulen bei Gewaltvorfällen und Schadensereignissen (VwV Gewaltvorfälle, Schadensereignisse an Schulen – VerhaltensVwV)“ vom 27. Juni 2006 sind die Schulleitungen in Abstimmung mit dem Schulträger zuständig für die Erstellung der Rettungspläne und Fluchtwegskizzen.

Im Rahmen von Brandverhütungsschauen in Schulen werden konkrete Forderungen zum baulichen und betrieblichen Brandschutz gestellt. Zum Teil werden höherwertige Pläne in Form von Flucht- und Rettungsplänen nach DIN 14096 gefordert. Bei großen und unübersichtlichen Schulanlagen kann das Baurechtsamt und die Branddirektion die Erstellung besonderer Feuerwehreinsatzpläne nach DIN 14095 fordern.
Das Hochbauamt fordert diese Pläne im Auftrag des Schulverwaltungsamtes beim Stadtmessungsamt an.

Die Abfrage aller Stuttgarter Schulen ergab, dass an 87 % der Schulanlagen Brandverhütungsschauen durchgeführt wurden. Bei 37 % sind lt. Auflage des Baurechtsamtes qualifizierte Flucht- und Rettungspläne erforderlich, wobei davon bereits 27 % erstellt sind, 6 % derzeit in Arbeit und für die restlichen 4 % ein Auftrag zur Erstellung erteilt wurde.


Weitere mögliche technische Verbesserungsansätze

Weitergehende Ansätze und Forderungen nach technischen Lösungsmöglichkeiten für die Weiterleitung eines dezentralen Alarms, z. B. aus einem Klassenzimmer, zur definierten Zentrale (z. B. Rektorat oder Sekretariat) müssen im Blick auf den Nutzen, die Kosten und mögliche Alternativen noch mit der EnBW und ggf. weiteren Spezialisten geklärt werden. Als ein möglicher Ansatz sei hier eine Gegensprechanlage genannt. Gleichzeitig ist technisch, organisatorisch und finanziell zu prüfen, ob und wie ggf. die Aufschaltung der SAA-Anlagen zu den polizeilichen Dienststellen erfolgen kann. Diese Ansätze werden zusammen mit den eingangs genannten weiteren Forderungen innerhalb der Arbeitgruppe weiter konkretisiert und über die Ergebnisse im Abschlussbericht voraussichtlich im Frühjahr 2010 informiert.

Finanzielle Auswirkungen

a) Zwingende Sofortmaßnahmen

Der Aufwand für die Herrichtung bzw. Instandsetzung der bislang nicht funktionierenden Pausen-/Signalanlagen (lediglich vorläufige Mindestanforderung) wird von der EnBW nach den bisher durchgeführten Überprüfungen an 107 Schulen auf insgesamt mindestens 250.000 Euro, der für die Notfalltelefone auf weitere 40.000 Euro geschätzt.

Für die noch zu erstellenden Flucht- und Rettungspläne werden die Kosten bei 212.000 Euro beziffert.

Die anteilige Deckung für diese kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen im Gesamtumfang von 502.000 Euro erfolgt

· in Höhe von 80.000 Euro bei Finanzposition 1.9140.4700.000 (Deckungsreserve Personalausgaben)
· in Höhe von 422.000 Euro aus Mehreinnahmen bei Finanzposition 1.9100.2070.000 (Zinsen aus Termingeldanlagen)


b) Schrittweise flächendeckende Ausstattung der Schulen mit SAA-Anlagen

Nach vorläufiger Kostenannahme ist von durchschnittlich 100.000 € pro Schulanlage für die Einrichtung einer SAA-Anlage auszugehen. Diese Kosten beinhalten die Hardware und die Verkabelung. Noch nicht enthalten sind die Mehrkosten für die notwendigen baulichen Maßnahmen. Von der Verwaltung wurden zu den Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2010 / 2011 unter Annahme eines 4-Jahres-Programms sowie entsprechend vorläufiger o. g. Kostenannahmen Sondereinflüsse i. H. v. insgesamt 16 Mio. € angemeldet. Diese Kosten sind anhand einer Reihe von exemplarischen, schulspezifischen Planungen weiter zu konkretisieren und die Baukosten zu präzisieren.


Beteiligte Stellen

Referate WFB und T


Erledigte Anträge/Anfragen

Stellungnahme vom 29.07.2009 zum Antrag der Freien Wähler - Gemeinderatsfraktion Nr. 136/2009


Dr. Susanne Eisenmann

Anlagen

1. Zusammensetzung der AG "Sicherheitstechnische Ausstattung Stuttgarter Schulen"
2. Präsentation der EnBW in der AG
3. Ergebnis der Umfrage bei den Schulen zum aktuellen Stand vorhandener Alarmanlagen, Nottelefone und Flucht- und Rettungsplänen





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