Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
918/2007
GZ:
WFB
Sitzungstermin: 05.12.2007
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe sp
Betreff: Erbbaurechte für den sozialen Mietwohnungsbau
Neuregelung nach Wegfall der Fehlbelegungsabgabe

Vorgang: Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 23.11.2007, nicht öffentlich, Nr. 192

Ergebnis: mehrheitliche Zustimmung (9 Ja-Stimmen, 7 Stimmenthaltungen)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen vom 05.11.2007, GRDrs 918/2007, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Landeshauptstadt unterbreitet den Wohnungsunternehmen das Angebot, nach Wegfall der Fehlbelegungsabgabe - voraussichtlich ab 01.01.2008 - folgende neuen Vertragsbestimmungen für alle bestehenden Erbbaurechte des sozialen Wohnungsbaus zu vereinbaren:

1.1. Die Laufzeit des vertraglichen städtischen Belegungsrechts wird einheitlich auf 40 Jahre festgesetzt.

1.2. Die Landeshauptstadt verzichtet auf die vertraglich vereinbarte Überprüfung der vertragsgemäßen Belegung der auf den Erbbaugrundstücken erstellten Gebäude und auf den Widerruf der Erbbauzinsermäßigung bei nicht vertragsgemäßer Belegung. 1.3. Der Erbbauzins wird mit Ablauf der förderrechtlichen Bindung des auf dem Erbbaurechtsgrundstück erstellten Gebäudes pauschal verdoppelt. Für Erbbaurechte, bei denen die förderrechtliche Bindung bereits vor dem 01.01.2008 abgelaufen ist, erfolgt die Verdoppelung des Erbbauzinses zum 01.01.2008, in den übrigen Fällen jeweils zum Zeitpunkt des Ablaufs der förderrechtlichen Bindung. 1.4. Das Wohnungsunternehmen kann das Angebot der Landeshauptstadt nur für alle bestehenden Erbbaurechte des sozialen Wohnungsbaus zusammen angenehmen. Lehnt es das Angebot ab, werden die bestehenden vertraglichen Regelungen angewendet.

2. Für neu abzuschließende Erbbaurechtsverträge gelten die vorgenannten Konditionen.

3. Die Erbbauberechtigten können Erbbaugrundstücke des sozialen Mietwohnungsbaus nach Ablauf der förderrechtlichen Bindung mit einem Abschlag in Höhe von 25 % der auf die Restlaufzeit des Erbbaurechts kapitalisierten Erbbauzinsermäßigung erwerben.


Darauf, dass der Landtag in der vergangenen Woche den Wegfall der Fehlbelegungsabgabe zum 01. Januar 2008 beschlossen hat, weist einführend EBM Föll hin. Weiter trägt er vor, in diesem Kontext sei eine Neuregelung notwendig, da die bestehenden Erbbaurechtsverträge aufgrund der Fehlbelegungsabgabe nicht angewendet worden seien. Im zuständigen Fachausschuss, dem Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen, sei diese Angelegenheit intensiv diskutiert worden.

Gegenüber StR Kanzleiter (SPD) fährt der Erste Bürgermeister fort, die Einnahmen der letzten Jahre aus der Fehlbelegungsabgabe belaufen sich auf 2,1 Mio. € abzüglich des nicht unerheblichen Verwaltungsaufwandes. Die nach 1980 abgeschlossenen Erbbaurechtsverträge hätten vorgesehen, dass nach 10 Jahren die Wohnungsbauunternehmen verpflichtet seien, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass der jeweilige Mieter weiterhin berechtigt sei, einen Wohnberechtigungsschein zu erhalten. Diese Regelung hätte erstmals Anfang der 90er-Jahre umgesetzt werden sollen. Damals sei dann aber, nicht zuletzt aufgrund der Initiative der SPD im Land Baden-Württemberg, die Fehlbelegungsabgabe eingeführt worden. Insoweit habe dann damals die Verwaltung erklärt, wenn Fehlbelegungsabgabe bezahlt werde, diese Regelung nicht anzuwenden.

Da nun die Fehlbelegungsabgabe entfalle, spreche nichts mehr gegen eine Vertragsanwendung, nur die Anwendung des Vertrages sei in vielerlei Hinsicht problematisch. So wäre das Wohnungsbauunternehmen gegenüber der Stadt nachweispflichtig. Dazu hätte das Unternehmen jeden Mieter auf das Amt für Liegenschaften und Wohnen (AfLW) zu schicken. Diese müssten dort einen Antrag stellen, die Anträge wären zu bearbeiten und die Anträge müssten den Vermietern vorgelegt werden. Die Unternehmen wiederum müssten dem AfLW den Nachweis erbringen, dass weiterhin ein Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein bestehe. Angesichts dieses komplizierten und aufwendigen Verfahrens stelle sich die Frage, welches Interesse eigentlich die Mieter hätten, daran mitzuwirken. In finanzieller Hinsicht seien sie in keiner Weise betroffen. Daher habe die Verwaltung mit allen Wohnungsbauunternehmen gesprochen und den jetzt zur Beratung anstehenden Vorschlag gemeinsam erarbeitet. Insgesamt begrüßten die Unternehmen diesen Vorschlag. Wenn ein Mieter keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hätte, würde die Vergünstigung beim Erbbaurecht anstatt 0,4 % aus einem vergünstigten Bodenwert, 4 %, also das Zehnfache betragen.

Diese Verständigung stelle eine sachgerechte Lösung sowohl für die Stadt und für die Wohnungsbauunternehmen als auch für die Mieter dar. Der zusätzliche Erbbauzins sei nicht umlagefähig und fließe somit nicht in die Miete ein.

Diese Schilderung bezeichnet StR Wölfle (90/GRÜNE) als nachvollziehbar. Er hofft, dass so auch in der Praxis vorgegangen wird. Aufgabe des Gemeinderates werde sein, weiterhin ausreichend Finanzmittel für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellen. Nach wie vor müsse sich die Stadt um Belegungsrechte in ausreichendem Umfang bemühen.

Das Geplante wertet StR Kanzleiter als eine Belastung für die Unternehmen, insbesondere der SWSG. Er verzichtet darauf, den dazu von seiner Fraktion zu den Haushaltsplanberatungen gestellten Antrag zu vertiefen. Insoweit werde sich seine Fraktion, wie schon im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen, der Stimme enthalten, da der Beschlussantrag eben doch im Zusammenhang mit dem Ergebnis des städtischen Wohnungsbauunternehmens stehe.

Durch StR Kugler (90/GRÜNE) wird zum Wegfall der Fehlbelegungsabgabe erklärt, der Wegfall dieser Einnahme werde sich bemerkbar machen. Entweder werde der Mittelausfall durch den Steuerzahler über den städtischen Haushalt oder durch die Mieter bezahlt. Zunächst gehe dieser Schritt zulasten der Unternehmen. So müsse beispielsweise die SWSG entweder Abstriche bei Investitionen vornehmen oder es erfolge mit zeitlicher Verzögerung eine Umlage auf die Mieter. Der anderen Möglichkeit, den Stadthaushalt zu belasten, werde im Augenblick nicht nähergetreten. Weiter betont er, mit dieser Form einer Problemverdrängung könne er nicht zufrieden sein.

Zunächst, so EBM Föll, sei festzuhalten, wenn keine Änderung beschlossen werde, würden die bestehenden Verträge gelten und diese müssten dann angewendet werden. Vermutlich wäre dies für die Stadt sogar etwas günstiger als die nun angestrebte Lösung. Allerdings wäre damit, wie dargestellt, ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden. Nach der Entscheidung des Landtages gebe es definitiv keinen Grund mehr, die Erbbaurechtsregelung ausgesetzt zu lassen. Wenn dies dennoch so gemacht würde, hätte dies mit großer Sicherheit in 1 - 2 Jahren im Schlussbericht des Rechnungsprüfungsamtes eine entsprechende Prüfungsbemerkung zur Folge.

Natürlich wirke sich dies auf die Ergebnisse der Wohnungsbauunternehmen aus. Dies treffe aber auch auf die Anwendung der bestehenden vertraglichen Regelungen zu. Letztlich gebe es in der Ergebniswirkung inhaltlich keinen Unterschied, nur dass beim vorgeschlagenen Weg die Unternehmen keinen bürokratischen Aufwand betreiben müssten. Dies sei auch der Grund, weshalb die Unternehmen, einschließlich der SWSG, mit dem Vorschlag einverstanden seien.

Falsch sei die Annahme, dass das Ganze in einer Belastung für die Mieter ende; Erbbaurechte spielten in der Kostenmiete keine Rolle, und wenn förderrechtlich keine Bindung mehr bestehe, werde nach dem Mietspiegel vermietet. Auch im Mietspiegel spiele der Erbbauzins keine Rolle. Bei der SWSG gebe es die Messlatte "Mittelwert des Mietspiegels", und zwar losgelöst von der Frage der Erbbauzinshöhe für die jeweiligen Wohnungen.

Der Gemeinderat habe mehrheitlich und die Stadtverwaltung einmütig seit Jahren die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe verlangt, da dieses Instrument ein Stück weit Mieter vertreibe, welche gewisse Quartiere sozial stabilisierten. Diese Mieter würden wegziehen, da sie in der Addition der Kostenmiete und der Fehlbelegungsabgabe so stark finanziell belastet würden, dass sie außerhalb von Stuttgart in attraktiven Lagen zum Teil günstigeren Wohnraum anmieten könnten. Es sei doch nicht sinnvoll, einerseits eine Fehlbelegungsabgabe zu erheben, stabilisierende Mieter zu vertreiben, anschließend über einen schlechten sozialen Mix in der Quartieren zu klagen, um dann auf die Ausübung des städtischen Belegungsrechtes zu verzichten und ein freies Belegungsrecht einzuführen.

Dem pflichtet StR Kanzleiter bei. Er merkt allerdings an, die Wohnungsbauunternehmen hätten keine andere Wahl, als dem Vorschlag der Stadt zuzustimmen. Die Alternative für die SWSG wäre eine Ergebnisverschlechterung nicht in Höhe von 2,3 Mio. € sondern von 18 Mio. €. Ein anderes von der Fehlbelegungsabgabe zu trennendes Thema sei die Tatsache, dass die SWSG im Ergebnis belastet werde. Diesbezüglich stelle sich die Frage, wie beweglich und wie leistungsfähig die städtische Wohnungsbaugesellschaft sei, um ihre Aufgaben zu erledigen. Darüber wolle seine Fraktion dann, unter Einbeziehung des städtischen Wohnungsbauunternehmens, in eine Diskussion eintreten, wenn die Wohnungsbaupolitik insgesamt zur Beratung anstehe. Daher schlage seine Fraktion im Frühjahr 2008 im Rahmen der Behandlung des Beteiligungsberichtes eine vertiefte Behandlung der SWSG vor. Folgende Fragen werden dazu von StR Kanzleiter formuliert:

- Ziele, Aufgabenstellung und Finanzierung der SWSG?
- Wie groß muss der Wohnungsbestand der SWSG sein?

Dies aufgreifend merkt EBM Föll an, wenn der Gemeinderat dies wünsche, könne man sich natürlich im Rahmen des nächsten Beteiligungsberichtes mit der SWSG befassen. Beim Beteiligungsbericht 2006 laute der Schwerpunkt SSB. Dieses Thema stehe im Frühjahr 2008 an.

Mit Nachdruck betont der Vorsitzende, es sei nicht zutreffend, dass die Finanzkraft der SWSG durch die zur Beratung anstehende Regelung gefährdet sei. Die SWSG verfüge auch nach der Beschlussfassung über eine ausreichende Finanzkraft, um ihre Aufgabenstellungen sowohl in der Sanierung und Modernisierung (rd. 450 Wohneinheiten/ Jahr) als auch im Neubau von Mietwohnungen (Größenordnung 150 Wohneinheiten/Jahr) in den kommenden Jahren umzusetzen. Die SWSG könnte im Bereich von Neubauten dann mehr tun, wenn dafür Flächen vorhanden wären. Dazu verfüge diese außerordentlich gesunde Gesellschaft über einen nicht durch Neubauprojekte disponierten Cashflow (Größenordnung 30 Mio. €). Darauf, dass ein immenses Flächenproblem existiere, weise er schon seit Jahren hin. In der Hand des Gemeinderates liege es, daraus Konsequenzen zu ziehen. Das Thema SWSG könne, wann immer es der Gemeinderat wolle, vertieft werden.

Für die CDU-Gemeinderatsfraktion erklärt StR Uhl (CDU) die Zustimmung zur Vorlage. Er schlägt eine Diskussion über die SWSG im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vor. Als Schwerpunktthema zum Beteiligungsbericht 2006 habe sich der Gemeinderat, und dies habe EBM Föll zu Recht erklärt, auf die SSB festgelegt. Dennoch könnten die Fraktionen natürlich noch weitere Wünsche äußern. Welche vertiefte Behandlung beim Beteiligungsbericht letztlich gewünscht werde, könne im Wege der Abstimmung geklärt werden.


Abschließend stellt EBM Föll fest:

Der Verwaltungsausschuss stimmt dem Beschlussantrag bei 11 Ja-Stimmen und 5 Stimmenthaltungen mehrheitlich zu.

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