Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
473
16a
VerhandlungDrucksache:
-
GZ:
-
Sitzungstermin: 20.12.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: EBM Föll
Berichterstattung:Frau N. N. (AföO/Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht)
Protokollführung: Herr Häbe pö /sp
Betreff: Die Umsetzung der Bleiberechtsregelung
- Verfahren -
- Antrag Nr. 409/2006 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 08.12.2006 -

Der im Betreff genannte Antrag ist diesem Protokoll beigefügt.


Laut EBM Föll wird dieser Tagesordnungspunkt auf Wunsch der CDU-Gemeinderatsfraktion als erster Tagesordnungspunkt mit Beratungsbedarf aufgerufen.

StR Uhl (CDU) bemängelt, die Mitglieder des Internationalen Ausschusses seien offenbar nicht darüber informiert worden, dass dieser Tagesordnungspunkt vorgezogen werden solle. Diesen Wunsch habe seine Fraktion in Absprache mit den anderen Fraktionen bereits im Vorfeld der Sitzung schriftlich gegenüber der Verwaltung geäußert. Für die Zukunft bittet er, solche Wünsche des Hauptorgans durch die Verwaltung zu berücksichtigen.

Die Ausführungen von Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben:

Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht):

"Seit 17.11.2006 gibt es den Beschluss der Innenministerkonferenz für eine Bleiberechtsregelung zugunsten wirtschaftlich und sozial integrierter Ausländer. Gleichzeitig erging am 17.11.2006 ein Abschiebestopperlass des Innenministeriums Baden-Württemberg. Danach müssen nur noch diejenigen ausreisepflichtigen Ausländer, die offensichtlich nicht unter die Bleiberechtsregelung fallen, mit einer unmittelbaren Aufenthaltsbeendigung rechnen.

Am 20.11.2006, also bereits drei Tage später, erging dann die Anordnung des Innenministeriums zur Umsetzung des IMK-Beschlusses. Am 04.12.2006 erließ das Innenministerium die ersten Hinweise zur Anwendung der Anordnung. Eine Fortschreibung dieser Hinweise ist noch bis Weihnachten angekündigt. Schließlich wurde der Ausländerbehörde die Umsetzung der Regelung im Rahmen einer Dienstbesprechung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart am 05.12.2006 nähergebracht.

Dieser Chronologie kann entnommen werden, dass der Bleiberechtsbeschluss im Detail viele Fragen aufgeworfen hat und noch aufwirft.

Aktueller Stand der Umsetzung in Stuttgart ist, dass bis zum 19.12.2006 bereits 422 Personen einen Antrag gestellt haben, davon 322 aus dem ehemaligen Jugoslawien. Entscheidungen gibt es leider noch keine. Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir im Januar 2007 die ersten Aufenthaltserlaubnisse ausstellen können. Generell rechnen wir in Stuttgart nach übereinstimmenden vorsichtigen Schätzungen der Sozialverwaltung und der Ausländerbehörde damit, dass 10 bis 20 % aller Geduldeten - und damit 170 bis 340 Personen - unter die Bleiberechtsregelung fallen.

Die Reduktion der potenziell Begünstigten ergibt sich zunächst schon daraus, dass nur etwa 40 % die geforderten Aufenthaltszeiten erfüllen. Die weitere Schätzung wird dadurch erschwert, dass in vielen Fällen aktuell die Erteilungsvoraussetzungen nicht komplett vorliegen. Es genügt auch, wenn diese Voraussetzungen bis zum 30.09.2007 erfüllt sind. Wir können aber nur spekulieren, in wievielen Fällen dieses gelingen wird.

Ich möchte damit nochmals kurz auf die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder Verlängerung der Duldung bis zum 30.09.2007 nach der Bleiberechtsregelung eingehen. Es sind zunächst die Aufenthaltszeiten zu erfüllen bis zum Stichtag 17.11.2006 für Erwachsene 8 Jahre, oder 6 Jahre bei einem minderjährigen Kind, das in häuslicher Gemeinschaft mit dem Erwachsenen lebt und entweder den Kindergarten oder die Schule besucht. Die Stichtage sind wie immer Ausschlussfristen. Bei der Anrechnung der Aufenthaltszeiten sind wir im Moment noch dabei, Details, wie z. B. ob statt des Kindergartens auch die Kindertagesstätte genügt, zu klären. Das ist meines Erachtens selbstverständlich, aber im Moment steht das noch anders in unseren Anwendungshinweisen. Ich schildere bewusst dieses Detail, um aufzuzeigen, an welchen Punkten wir teilweise noch Klärungsbedarf haben. Wie gesagt, hat ja das Innenministerium die weitere Fortschreibung angekündigt.

Die nächste schwierige Voraussetzung ist die vollständige Sicherung des Lebensunterhaltes. Ausnahmen sind möglich, wenn aus familiären Gründen vorübergehend ergänzende Leistungen bezogen werden. Auch hierzu gleich ein wichtiger Hinweis: Der Bezug von Wohngeld ist kein anrechenbares Einkommen.

Dann brauchen wir einen nachgewiesenen Schulbesuch bei schulpflichtigen Kindern für die gesamte Aufenthaltszeit der Kinder. Also hier sind dann Schulzeugnisse oder eine Schulbescheinigung vorzulegen. Ausreichend Wohnraum ist nachzuweisen, wobei hier auch die Unterbringung in kommunalen Unterkünften genügt, wenn es sich um eine abschließbare Wohnung handelt. Auch hier sind wohngemeinschaftsähnliche Verhältnisse durchaus zulässig. Es sind ausreichende Sprachkenntnisse nachzuweisen, auf einem sehr einfachen Niveau (so genanntes A2-Niveau). Hier genügt die Verständigung in einfachen mündlichen Sätzen über einfache Themen des Alltags. Es dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen. Ausschlussgründe sind insbesondere die Täuschung der Ausländerbehörde durch bewusste Falschangaben oder durch die vorsätzliche Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung. Weiterhin wären Ausschlussgründe Straftaten ab einer Höhe von 50 Tagessätzen Geldstrafe oder 90 Tagessätzen bei Delikten, die nur von Ausländern begangen werden können (z. B. illegale Einreise, illegaler Aufenthalt).

Schlussendlich muss der Erfüllung der Passpflicht Genüge getan sein, es muss also ein Nationalpass vorliegen.

Sie sehen an diesem Katalog, dass es eben hier eine Reihe von Punkten gibt, die die Bewerber erst einmal vorzulegen haben. Wenn dies alles erfüllt ist, sieht das weitere Verfahren so aus, dass die Ausländerbehörde die Anträge dem Regierungspräsidium Stuttgart zur Zustimmung vorlegt nebst Akten. Die ersten Fälle gehen dieser Tage an das Regierungspräsidium mit der Bitte um Zustimmung. Dann wird nach einer Zustimmung des Regierungspräsidiums die Aufenthaltserlaubnis bis zu längstens zwei Jahren erteilt. Es kann in Einzelfällen, wenn noch ergänzende Sozialleistungen bezogen werden, auch eine kürzere Frist gelten.

Bei all denjenigen, die die Voraussetzungen im Moment noch nicht erfüllen, wird zunächst geprüft, ob keine Ausschlussgründe vorliegen. Da wir ja die Aufenthaltsbeendigung in der Regel nicht selbst organisieren und vollziehen, auch die Frage der Mitwirkung bei Passbeschaffungen etc., wird hier im Vorfeld eine Anfrage an das Regierungspräsidium Stuttgart getätigt, ob Ausschlussgründe vorliegen. Wenn das Regierungspräsidium bestätigt, dass keine Ausschlussgründe vorliegen, kann der Bewerber im Prinzip eine Duldung bis September 2007 bekommen, möglicherweise nicht am Stück, aber diese Option besteht. Innerhalb dieser Zeit kann er oder sie sich bemühen, die übrigen Voraussetzungen zu erfüllen. Was allerdings nicht möglich ist, z. T. gibt es hier falsche Vorstellungen, ist, die Voraussetzungen sukzessive zu erfüllen und eine Arbeitsaufnahme vorzunehmen. Bei der Arbeit ist es ja so, dass hier als Neuerung in der Bleiberechtsregelung die Option geschaffen wurde, dass diejenigen, die bisher nur einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, mit dem Duldungsstatus ein Arbeitsangebot, bei dem keine Prüfung mehr erfolgt, ob es bevorrechtigte Arbeitsuchende gibt, annehmen können. Diese Möglichkeit greift allerdings nur, wenn auch sonst bereits alle anderen Voraussetzungen vorliegen. Dieses ist daran gekoppelt, dass der Fall im Prinzip entscheidungsreif ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, d. h. nur diejenigen Bewerber haben eine Chance, ohne Vorrangprüfung den Arbeitsplatz anzutreten, die bereits alle anderen Voraussetzungen - Wohnraum, Sprache und vor allem die Erfüllung der Passpflicht - belegen können. Dann ist das Verfahren so, dass parallel dieser Antrag dem Regierungspräsidium zur Zustimmung vorgelegt wird und gleichzeitig nach wie vor der Arbeitsverwaltung. Wir brauchen die Arbeitsverwaltung immer noch für die Zustimmung, und zwar insofern, als dort eben noch die Einhaltung der tarifvertraglichen Bedingungen geprüft wird. Das ist auch in vielen Fällen wichtig und sinnvoll, weil in der Vergangenheit nach unserer Erfahrung schon häufig versucht wurde, gerade geduldete Flüchtlinge mit Dumpinglöhnen einzustellen. Insofern ist hier noch ein ziemlicher Hürdenlauf für diejenigen zu absolvieren, die im Moment noch nicht alle Voraussetzungen erfüllen. Häufig liegen keine Nationalpässe vor. Wir können dann sehr schlecht abschätzen, in welchem Zeitrahmen sich hier dann die weiteren Entscheidungen entwickeln. Aber ich gehe davon aus, dass wir hier im nächsten Jahr noch einiges zu tun bekommen. Hoffentlich auch im positiven, also auch in dem Sinne, dass wir dann auch vielen die Aufenthaltserlaubnis erteilen können. Soweit ein erster Überblick."

Von StR Kugler (90/GRÜNE) wird der Antrag Nr. 409/2006 begründet. Unter anderem wird von ihm dabei angemerkt, er habe sich eine großzügigere und vernünftigere Regelung erhofft. Zudem wirft er gegenüber Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) die Frage auf, ob es helfen würde, an das baden-württembergische Innenministerium bezüglich einer großzügigeren Verfahrensweise gerade in Zweifelsfällen zu appellieren.

Laut StR Kanzleiter (SPD) kann derzeit kaum mehr getan werden, als vom Bericht Kenntnis zu nehmen.

Zu der beschriebenen Regelung äußert sich StRin Küstler (DIE LINKE.PDS) kritisch.

Gegenüber einem Mitglied des Internationalen Ausschusses trägt Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) vor, bei einer großen Gesprächsrunde beim Sozialamt habe sich die Verwaltung darauf verständigt, in Fällen, bei denen die Möglichkeit bestehe unter das Bleiberecht zu fallen, auch Passbeschaffungskosten zu übernehmen. Hinsichtlich des 10 Tage vor der Bleiberechtsregelung verschickten Schreibens des Regierungspräsidiums, in welchen aufgefordert wurde, Pässe zu beantragen, teilt BMin Müller-Trimbusch mit, mit dem Regierungspräsidenten habe eindeutig geklärt werden können, dass beim Versand dieser Schreiben die Bleiberechtsregelung noch nicht absehbar gewesen sei. Alle Flüchtlinge seien darüber unterrichtet, dass dieses Schreiben nicht der Beginn von aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen darstelle. Auf eine Wortmeldung von StR Kugler eingehend räumt Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) ein, natürlich seien mit der neuen Regelung Hürden verbunden. Diese Bleiberechtsregelung gelte, und dies müsse gesehen werden, den wirtschaftlich und sozial integrierten ausreisepflichtigen Ausländern. Insofern sollten in der Einigung der Innenminister nicht alle Betroffenen bedacht werden. Im Zusammenhang mit dem 2. Änderungsgesetz seien bekanntlich weitere Verhandlungen im Gange hin zu einem gesetzlichen Bleiberecht, welches gegebenenfalls dann auch für andere bzw. künftige Fälle gelten könne.

Zu Äußerungen von StR Kugler, StR Wölfle (90/GRÜNE) und StRin Küstler fährt sie fort, in den Anordnungshinweisen des baden-württembergischen Innenministeriums und in mündlichen Informationen sei das Signal enthalten, dass nicht jedes Verhalten, welches irgendwie dazu gedient habe, die Aufenthaltsbeendigung aufzuschieben, durch einen Ausschluss sanktioniert werde. Lediglich gewichtige Verhaltensweisen wie z. B. vorsätzliche Täuschungen und gezieltes Untertauchen zum Zeitpunkt einer anstehenden Abschiebung sollten zu einem Ausschluss führen. All diejenigen, die davon nicht betroffen sind und welche z. B. auch nicht auf das jüngste Schreiben des Regierungspräsidiums hinsichtlich der Beschaffung von Pässen reagiert haben, sondern die in der Verfassung verankerten Rechtsmittel genutzt hätten, würden keine Nachteile erfahren. Im Vergleich zu Erlassen in anderen Bundesländern vertrete das baden-württembergische Innenministerium eine offene, ausländerfreundliche Haltung.

Natürlich versuche die Ausländerbehörde, und damit wendet sie sich an StR Kanzleiter, Handlungsspielräume zu nutzen, auch indem in enger Kooperation mit der Sozialverwaltung und den Wohlfahrtsverbänden Knackpunkte, Fragen und Kritikpunkte angesprochen werden. So sei ursprünglich streitig gewesen, ob der Bruch einer Ausreisevereinbarung ein Ausschlussgrund sein könne. Hier sei man sich nach Schilderung der Lebenssachverhalte schnell darüber einig geworden, dass dieses nicht sein könne.

Ergänzend informiert BMin Müller-Trimbusch, die Härtefallkommission habe eine achtwöchige Sitzungspause eingelegt, um die überlasteten Ausländerbehörden, welche dieser Kommission Stellungnahmen lieferten, nicht noch weiter unter Druck zu setzen. Derzeit seien bei dieser Kommission noch rd. 700 Anträge anhängig. Die gleiche Anzahl sei im vergangenen Jahr bearbeitet worden. Das Instrument der Härtefallregelung bleibe bestehen. Wenn jemand eine um zwei Monate zu geringe Aufenthaltszeit vorweisen könne, bleibe immer noch die Möglichkeit, sich an die Härtefallkommission zu wenden. Diese habe dann nach den gleichen Kriterien, welche im Grunde genommen der Bleiberechtsregelung zugrunde liegen, zu entscheiden. Hier könne dann beispielsweise entschieden werden, dass wenn eine Person Friseurmeister sei, keine negative Entscheidung wegen der fehlenden zwei Monate getroffen werde. Die Rückkehrberatung des Sozialamtes und der Ausländerbehörde versuche derzeit, auch mit den Flüchtlingsfreundeskreisen, die Beratungsintensität nochmals zu steigern. Viele individuelle Fragen könnten nicht pauschal geregelt werden.

Eine Frage von StR Wölfle beantwortend führt Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) an, die Zuständigkeitsregelung in Baden-Württemberg liege wohl an der sehr kleinteiligen Gliederung im Land. Aus Sicht des Regierungspräsidiums sei hierdurch die Gefahr zu groß, dass in der Fläche keine einheitliche Umsetzung des Bleiberechtsbeschlusses stattfinde.

Anschließend plädiert StR Kugler dafür, dass bei mehrköpfigen Familien das Beziehen von Wohngeld keinen Ausschlussgrund darstellt. Diesbezüglich erinnert Frau N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) an die Möglichkeit, bei Personen, welche aufgrund der Familiensituation vorübergehend auf ergänzende Leistungen angewiesen sind, auch das Bleiberecht zu erteilen. Dieses werde immer dann greifen, wenn es bei einer Familie mit mehreren betreuungsbedürftigen Kindern nur einen Einkommensbezieher gebe. Hier könne davon ausgegangen werden, dass irgendwann die Kinder wirtschaftlich eigenständig werden. In der Tat spiele Wohngeld noch eine andere Rolle als Kinder- und Erziehungsgeld. Diese beiden letztgenannten Leistungen zählten zum Einkommen. Die Sozialverwaltung vertrete hier eine andere Position. Beim Innenministerium sei diese Problematik angemeldet. Hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Von vornherein stehe ein Wohngeldbezug einer positiven Entscheidung nicht entgegen, da es wie gesagt Ausnahmemöglichkeiten gebe.


Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben stellt EBM Föll, ohne dass sich Einwendungen ergeben, die Erledigung des Antrages durch die Kenntnisnahme des Berichtes fest.
File Attachment Icon
Protokoll4732006.pdf