Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 103/2009
Stuttgart,
03/19/2009


Schulentwicklungsplanung für die allgemein bildenden Schulen in Stuttgart
entsprechend dem Antrag Nr. 37/2009 der Bündnis 90/DIE GRÜNEN Gemeinderatsfraktion




Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich01.04.2009

Bericht:


Die Dringlichkeit einer Schulentwicklungsplanung für die allgemein bildenden Schulen in Stuttgart ist nachfolgend dargestellt:

1. Ausgangssituation

Die letzte Gesamtschau der Schulentwicklungsplanung für die allgemein bildenden Schulen wurde 1996 erstellt. Seither haben sich bildungspolitische, gesellschaftliche und demografische Rahmenbedingungen deutlich verändert.

Die im Zusammenhang mit den Lenkungsmaßnahmen zur Schüleraufnahme an den Stuttgarter Gymnasien erfolgte Kapazitätsanalyse der Stuttgarter Gymnasien hat die Dringlichkeit einer detaillierten Schulentwicklungsplanung aufgezeigt. Entsprechend hat der Schulbeirat bereits in seiner Sitzung vom 30. September 2008 um die Erstellung einer detaillierten Schulentwicklungsplanung auf Stadtbezirksebene gebeten.

Die gesamte Schullandschaft befindet sich derzeit im Umbruch. Dazu tragen verschiedenste bildungspolitische, gesellschaftspolitische und demografische Faktoren bei, die nachfolgend unter den Punkten 2. bis 5. ausführlich erörtert werden.

Gravierende Auswirkungen und einschneidende Veränderungen der Stuttgarter Schullandschaft sind vorrangig durch folgende Faktoren zu erwarten bzw. finden bereits statt:

· Wesentlich geändertes Übertrittsverhalten auf weiterführende Schulen, so dass die Übertrittsquoten an Gymnasien zwischenzeitlich bei über 50 %, an Hauptschulen nur noch bei rund 20 % liegen.
· Mit der GRDrs 57/2007 hat der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss zur Einrichtung weiterer Ganztagesschulen in Stuttgart vorrangig an Grundschulen, Hauptschulen und ggf. Förderschulen gefasst. Nach den jüngsten Vorgaben des Landes ist die Einrichtung von Ganztagesschulen zwischenzeitlich sowohl an Hauptschulen als auch an Gymnasien flächendeckend möglich.
· Die aktuell gravierendsten Auswirkungen für die Stuttgarter Schullandschaft gehen allerdings ohne Zweifel vom Eckpunkte-Konzept des Landes zur Weiterentwicklung der Hauptschulen und der Werkrealschule aus (siehe Punkt 5). Die neue Werkrealschule soll nach den Vorgaben des Landes bereits im Schuljahr 2010/11 starten. Für Stuttgart müssen daher schnellstmöglich die Standorte der künftigen Werkrealschule aber auch die Möglichkeiten und Auswirkungen für diejenigen Schulen geklärt werden, die voraussichtlich die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Werkrealschule nicht erfüllen.
· Im nächsten Schritt sind notwendige Investitionsentscheidungen vor dem Hintergrund dieses Umbruchs in der Schullandschaft zu definieren.


2. Wesentliche bildungspolitische Veränderungen


· Einführung des achtjährigen Gymnasiums
· Einführung neuer Bildungspläne für alle Schularten in 2004
· Förderprogramme IZBB und CdB zur Förderung von Schulbaumaßnahmen zum Ausbau ganztägiger Betreuungsangebote
· Einrichtung von gebundenen und teilgebundenen Ganztagesschulen als Schulversuche nicht nur an Hauptschulen sondern auch an Grundschulen und ggf. Förderschulen
· Die Möglichkeit, diese Schulen sowie Realschulen und Gymnasien auch als offene Ganztagesschulen zu führen
· Einrichtung der Nachmittagsbetreuung an Grundschulen sowie Einführung der außerschulischen Bildung und Betreuung (auch Grundlage für offene Ganztagesschulen)
· Stuttgarter Bildungspartnerschaft (GRDrs 870/2007) um durch verstärktes Engagement für die frühkindliche Bildung gelingende Bildungsbiografien zu ermöglichen (Sprachförderung, Einschulungsuntersuchungen sowie Einrichtung von pädagogischen Verbünden)
· Verschiedenste Reformen zur Stärkung der Hauptschule inkl. der aktuellen Weiterentwicklung der Hauptschule und der Werkrealschule durch das Eckpunkte-Konzept des Landes vom 20. Januar 2009 (siehe 5.)
· Bildungsoffensive des Landes Baden-Württemberg, die u.a. eine Senkung des Klassenteilers für alle Schularten zur Folge hat

3. Gesellschaftliche Veränderungen

Immer mehr Familien benötigen durchgängige Betreuungsangebote, damit beide Elternteile einer Beschäftigung nachgehen können. Viele allgemeinbildende Schulen haben darauf reagiert und bieten vielfältige ganztägige Betreuungsangebote wie

· die Verlässliche Grundschule teilweise mit Nachmittagsbetreuung bis 17.00 Uhr,
· Angebote der Ferienbetreuung
· Horte an Schulen,
· Angebote im Rahmen der Außerschulischen Bildung und Betreuung
· Darüber hinaus soll mit der weiteren Einrichtung von offenen, teilgebundenen oder gebundenen Ganztagesschulen nicht nur ein Betreuungsangebot sondern ein Beitrag zur größeren Chancengerechtigkeit gerade für sozial benachteiligte Kinder erreicht werden.

Im Hinblick auf die Entwicklung der weiterführenden Schulen ist in den letzten Jahren ein verstärkter Trend weg von der Hauptschule zu beobachten. Viele Eltern streben für ihre Kinder verstärkt einen höherwertigen Schulabschluss an, weil sie sich dadurch bessere berufliche Perspektiven für ihre Kinder versprechen. Dieser Trend wird dadurch verstärkt, dass zunehmend weniger Ausbildungsplätze für Schülerinnen und Schüler mit Hauptschulabschluss zur Verfügung stehen.

Dadurch haben sich die Übertrittsquoten der Grundschulen auf die weiterführenden Schulen in Stuttgart stark verändert. So waren vor allem in den letzten drei Jahren die Übertrittsquoten auf Hauptschulen stark rückläufig und betragen derzeit noch rd. 22%, im Gegenzug haben die Übertrittquoten der Gymnasien stark zugenommen und liegen nun bei rd. 51%. Die Übertrittsquote auf Realschule verläuft hingegen weitgehend stabil, zusätzlich gibt es verstärkt Rückläufe aus den Gymnasien vor allem in Klassenstufe 7.

Wie bereits mit der Kapazitätsanalyse Gymnasien in einer globalen Untersuchung begonnen, müssen nun auf Stadtbezirks- / Schulbereichsebene verschiedene Varianten der Entwicklung der Übertrittsquoten und ihre Auswirkungen auf die Raumsituation ermittelt werden.


4. Demografische Veränderungen

Die demografische Entwicklung hat bisher noch kaum Veränderungen für die Stuttgarter Schullandschaft gebracht. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Potenz verzeichnet Stuttgart in den letzten Jahren regelmäßig Wanderungsgewinne vor allem junger Menschen. Als Folge sind die Geburtenzahlen bisher weitgehend stabil geblieben.

Mittelfristig ist jedoch auch in Stuttgart mit einem etwas stärkeren Rückgang der Geburtenzahlen und damit auch mit einem Rückgang der Schülerzahlen zu rechnen.

Allerdings orientieren sich die benötigten Raumressourcen nicht an den Schülerzahlen sondern an den Klassenzahlen. Mit einem gravierenden Schülerrückgang, der sich generell auf die Klassenbildung und damit auf die notwendigen Raumressourcen auswirken könnte, ist derzeit nicht zu rechnen.


5. Eckpunkte-Konzept zur Weiterentwicklung der Hauptschule und Werkrealschule

Die aktuell gravierendsten Auswirkungen für die Stuttgarter Schullandschaft gehen allerdings ohne Zweifel vom Eckpunkte-Konzept des Landes zur Weiterentwicklung der Hauptschulen und der Werkrealschule aus.

Der Städtetag Baden-Württemberg hat die wesentlichen Aspekte der künftigen Werkrealschule wie folgt zusammengefasst:

· Mindestens Zweizügigkeit, wobei der Unterricht auch an mehreren Schulstandorten stattfinden kann
· Zusage der Einrichtung als Ganztagsschule für alle Werkrealschulen
· Ausgestaltung als Wahlschule, was den Verzicht auf Schulbezirke bedingt
· Öffnung der Werkrealschule für alle Schüler/innen mit Hauptschulempfehlung
· Starke Orientierung in Richtung berufliche Ausbildung, u. a. durch Kooperation mit Berufsfachschulen in Klasse 10
· Option für alle Schüler/innen, entweder den Hauptschulabschluss oder den Mittleren Bildungsabschluss gemäß Vorgaben der Kultusministerkonferenz zu erwerben
· Mittlerer Abschluss als Regelabschluss
· Einheitlicher Bildungsgang für alle Schüler/innen, so dass sie ihre Entscheidung über den Erwerb des Mittleren Bildungsabschlusses erst in Klasse 9 treffen müssen
· Durch Anpassung des Bildungsgangs der einzügigen Hauptschulen ist deren Schüler/innen der Wechsel zu einer Werkrealschule in jeder Jahrgangsstufe möglich
· Bestandsschutz für bestehende Werkrealschulen an einzügigen Hauptschulen, sofern diese in der 10. Klasse mindestens 16 Schüler/innen aufweisen.

Für einzügige Hauptschulen wird gelten:

· Über ihren Weiterbestand entscheiden die Schulträger, ohne dass das Land hierzu Vorgaben macht bzw. schülerzahlenmäßige Untergrenzen festlegt
· Der Bildungsplan dieser Schulen wird an jenen der Werkrealschulen angepasst, damit – wie bereits erwähnt – allen Schüler/innen der jederzeitige Wechsel zu einer Werkrealschule (und umgekehrt) eröffnet bleibt
· Die Schulbezirke bleiben erhalten; das Land stimmt deren Aufhebung auf Wunsch der Schulträger zu
· Die gemeinsame Empfehlung des Landes und der Kommunalen Landesverbände vom 01.03.2007 zur Schulmindestgröße (mindestens 85 Schüler in fünf Klassenstufen) gilt fort. Ihr wird nach Einschätzung des Kultusministers angesichts der Werkrealschulweiterentwicklung aber „keine hohe Relevanz“ mehr zukommen

Allein diese Reformen machen die Notwendigkeit einer Schulentwicklungsplanung für die allgemein bildenden Schulen deutlich. Insbesondere ist zu untersuchen, welche Perspektiven und Chancen nach Einführung der Werkrealschule für einzügige Hauptschulen (derzeit allein 11 Standorte in Stuttgart) verbleiben. Gleichzeitig ist zu klären, ob der Raumbestand der künftigen Werkrealschulen für die künftigen Anforderungen sowie die voraussichtlich geänderten Schülerströme ausreichend ist.

Der notwendige Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Die neue Werkrealschule soll zum Schuljahr 2010/11 eingeführt werden.


6. Leistungen einer generellen Schulentwicklungsplanung

Eine generelle Schulentwicklungsplanung muss folgende Leistungen beinhalten:

· Bevölkerungsprognose und daraus entwickelt Schülerentwicklung mittelfristig 2013 und langfristig 2018 unter Einbeziehung sämtlicher schulspezifischer Parameter
· Differenzierung der Schülerentwicklung nach Schularten für die weiterführenden Schulen
· Ermittlung von verschiedenen Optionen für die Eingangs- und Übertrittsquoten
· Einbeziehung der stadtteil- und stadtbezirksspezifischen Anforderungen und Gegebenheiten inkl. des Sozialdatenatlas der Stadt
· Feststellung des Bedarfs, der räumlichen und der strukturellen Anforderungen von Ganztagesangeboten. Auf- und Ausbau eines flächendeckenden Angebots. Hierfür sind alle Angebote von der Verlässlichen Grundschule, dem Hort, der außerschulischen Bildungs- und Betreuungsangebote bis zur Ganztagesschule einzubeziehen und weiterzuentwickeln
· Ermittlung der Raumbedarfe nach den Modellraumprogrammen des Landes unter Einbeziehung bildungspolitischer und schulspezifischer Anforderungen (zum Beispiel spezifische Bedarfe G8, neue Werkrealschule)
· Quantitative und qualitative Bewertung des vorhandenen Schulraumbestands
· Erarbeitung von schulspezifischen Profilen und Raumbedarfen für jede einzelne Schule unter Berücksichtigung der stadteil- und stadtbezirksspezifischen Anforderungen
· Aussagen zur Optimierung von Raumkapazitäten sowie ggf. Ermittlung von Kooperationsmodellen bestehender Schulen
· Vorbereitung und Begleitung der schulorganisatorischen Diskussionen in den Schulgemeinden und politischen Gremien

Die Erarbeitung der Leistungsstufen soll in einem diskursiven Verfahren unter Einbeziehung der am Schulleben Beteiligten erfolgen.


7. Umsetzung
In Anbetracht des Umbruchs, der derzeit in der Schullandschaft stattfindet und der hohen politischen Brisanz, sind die komplexen Fragestellungen die jetzt an eine Schulentwicklungsplanung gestellt werden in Umfang, Komplexität und Auswirkung nicht mit früheren Gesamtplanungen zu vergleichen. Angesichts des vorgesehenen Starts der Werkrealschule zum Schuljahr 2010/11 (Antragsfrist endet dafür am 15. Dezember 2009), die in nahezu jedem Stadtbezirk zu Veränderungen und damit umfassenden bildungspolitischen Diskussionen führen wird, besteht darüber hinaus erheblicher Zeitdruck.

Die knappen Personalressourcen des Schulverwaltungsamts lassen eine eigenständige Bearbeitung des Projekts, für das über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr rund drei Vollzeitstellen zu reservieren wären, nicht zu.

Das Projekt muss daher öffentlich ausgeschrieben werden. Es ist mit Kosten in Höhe von rund 350.000 € zu rechnen. Die Mittel sind im Haushalt 2009 jedoch nicht ausgewiesen.

Würden die Mittel dafür erst zum Doppelhaushalt 2010/11 eingestellt, ginge ein ganzes Jahr verloren und erste Erkenntnisse und Entscheidungen daraus könnten frühestens 2011 gezogen werden. Viel Zeit, in der auch Fehlinvestitionen nicht vermieden werden können, weil die Art der langfristigen Nutzung der vielen Schulgebäude nicht geklärt sind.

Das externe Planungsbüro muss außerdem über eine öffentliche Ausschreibung beauftragt werden. Neben der Auftragüberwachung fallen hier dennoch eine ganze Reihe an Zuarbeiten (Datenlieferung, strukturelle fachliche Beratung der örtlichen Kenntnisse, Koordinierung der Absprachen mit dem Land, Einbindung der beteiligten Schulgemeinden und politischen Gremien usw.) an. Diese müssen zwangsläufig durch das fachkundige vorhandene Personal geleistet werden. Damit sind jedoch die Ressourcen wieder einmal bis aufs Äußerste erschöpft.

Beteiligte Stellen

Referat WFB hat eine gleichlautende Beschlussvorlage nicht mitgezeichnet. Referat WFB hat mitgeteilt, dass die voraussichtlichen Kosten für die Schulentwicklungsplanung, die im Haushalt bisher nicht veranschlagt sind, zum Doppelhaushalt 2010/11 angemeldet wer-den müssen. Es handelt sich um einen Sondereinfluss, der zunächst im Budgetgespräch am 4. Mai 2009 zu behandeln ist. Referat WFB hat darauf hingewiesen, dass eine Be-schlußvorlage vor der Behandlung im Budgetgespräch nicht eingebracht werden kann und dies dem Verwaltungsausschuss im Hinblick auf den GR-Antrag Nr. 37/2009 ent-sprechend mitzuteilen ist.


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine
37/2009 der Bündnis 90/DIE GRÜNEN Gemeinderatsfraktion




Dr. Susanne Eisenmann




keine



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