Protokoll: Verwaltungsausschuß des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
142/2003
GZ:
A (10-5)
Sitzungstermin: 03/12/2003
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Murawski
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe sp
Betreff: Konsequenzen der Tarifverhandlungen 2003
Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 19.02.2003, nichtöffentlich, Nr. 54a


Beratungsunterlage ist die beigefügte Mitteilungsvorlage des Referats Allgemeine Verwaltung vom 27.02.2003, GRDrs 142/2003.

BM Murawski trägt vor, dieses Thema sei bereits im Personalbeirat nichtöffentlich behandelt worden. Ergänzend wolle er dazu anmerken, bekanntlich sei er alles in allem über den Verlauf der Tarifverhandlungen nicht glücklich. Der Gipfel der Unzufriedenheit mit der Verhandlungsführerschaft der Arbeitgeber sei im Nachhinein erreicht worden, nämlich im Zusammenhang mit dem wegfallenden Arbeitszeitverkürzungstag (AZV). In den Tarifverhandlungen sei das Wegfallen dieses Tages auf den 01.01.2003 vorgesehen worden und plötzlich erkläre der Bundesinnenminister, er habe mit Herrn Bzirske (ver.di) besprochen, diese Regelung erst ab 10. Januar 2003 gelten zu lassen. Dies sei einfach keine Art, wie die Verhandlungsführerschaft mit den kommunalen Arbeitgebern umgehe. Das genannte Beispiel stelle einen weiteren Punkt dar, der die Kommunen finanziell belasten werde.

Wenn er noch endgültig zu überzeugen gewesen wäre, dass es dringend erforderlich sei, (wie in der Vergangenheit) zu einer kommunalen Verhandlungsführerschaft bei den Tarifverhandlungen zurückzukehren, dann hätte dieses der geschilderte Vorgang bewirkt.

Eigentlich wollten alle baden-württembergische Städte den Wegfall des AZV-Tages umsetzen. Die anderen Städte sagten im Prinzip, der wegfallende AZV-Tag bedeute einen bestimmten Prozentanteil und rechneten dann aus, wieviel Stellen dies bedeute. Heruntergebrochen auf die einzelnen Fachbereiche würden dann (von diesen Fachbereichen) Verbesserungen beim Personalkostenbudget eingefordert. Der in Stuttgart ins Auge gefasste Weg (sh. Vorlagenseite 2) wird von ihm als gerechter angesehen, da mit der verfolgten Umrechnungsmethode auch auf Besonderheiten wie z.B. kleine Verwaltungseinheiten reagiert werden kann.

Bekanntlich sei die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten noch in der Schwebe. Das Land Berlin wolle eine sogenannte Offenheitsklausel durchsetzen, über welche im Bundestag Ende März erstmals beraten werden solle. Vor Klärung dieses Berliner Anliegens könne also in der Grundsatzfrage der Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten nicht entschieden werden. Zudem habe sich der Bundesinnenminister bei den letzten Tarifverhandlungen sieben Monate Zeit gelassen, bevor die Übertragung auf die Beamtenschaft realisiert worden sei. Solche Verzögerungen bedeuteten für den Bund finanzielle Vorteile und er könne sich nicht verkneifen in Parenthese zu sagen, "wie der ganze Vorgang überhaupt"; der Bund könne über die Steuereinnahmen erhebliche Mehreinnahmen aus dem Tarifergebnis vereinnahmen. Kurz gesagt, auch Stuttgart wolle den Vollzug der in der Vorlage dargestellten Maßnahmen erst dann vornehmen, wenn der Inhalt und Umfang der Übertragung der Ergebnisse auf die Beamten bekannt sei. Entsprechend würden auch die anderen Städte in Baden-Württemberg und das Land Baden-Württemberg verfahren. Die Verwaltung bitte den Gemeinderat, mit diesem Verfahren einverstanden zu sein.

Durch StR Föll (CDU) wird ausgeführt, seine Fraktion könne die Entrüstung von BM Murawski ob des Ablaufs der Tarifverhandlungen durchaus verstehen. Der Bundesinnenminister als Verhandlungsführer habe die Kommunen "im Regen stehen lassen". Die Schlussfolgerungen des Vorsitzenden, die Verhandlungsgemeinschaft mit dem Bund in Frage zu stellen oder, sollte diese bestehen bleiben, dass dann die Kommunen in dieser Verhandlungsgemeinschaft ein Vetorecht eingeräumt bekommen müssten, werde ebenfalls als richtig angesehen. Schließlich sei ein Großteil der betroffenen Mitarbeiterschaft bei den Kommunen beschäftigt (lediglich 8 % der Arbeiter/Angestellten beim Bund). Zwar sei der Tarifabschluss für die Beschäftigten in einem bestimmten Umfang erfreulich, solche Abschlüsse führten letztlich aber zur Vernichtung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Dieses könne auf Dauer nicht im Interesse der Beschäftigten und auch nicht im Interesse von ver.di sein.

In der Folge erinnert StR Kanzleiter (SPD), das Tarifverhandlungsergebnis für die Kommunen sei vom Vorsitzenden der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände unterzeichnet worden. Jede der beteiligten Seiten sei für ihr Ergebnis verantwortlich. Das in der freien Verhandlung erzielte Ergebnis müsse akzeptiert werden. Angesichts der Preissteigerungsraten und angesichts der Entwicklung von Produktivität gebe es Ansprüche der Beschäftigten auf eine angemessene Behandlung.

Das Verhalten der Gewerkschaften bei den Tarfiverhandlungen bezeichnet StR J. Zeeb (FW) in einer persönlichen Stellungnahme als "unglaublich anmaßend und verantwortungslos". Die Gewerkschaften hätten ohne Rücksicht auf die gegenwärtige finanzielle Lage der Kommunen gehandelt. Letztlich sei es nur um Machterhalt und Erhalt gewerkschaftlicher Strukturen gegangen. Gespannt sei er darauf, wie die Gewerkschaften zukünftige Kürzungen von Verwaltungsdienstleistungen, und diese stellten die Konsequenz des Abschlusses dar, interpretierten. Die von BM Murawski eingenommene Position und deren Veröffentlichung begrüßt der Stadtrat mit Nachdruck. Entsprechend äußert sich StR R. Zeeb (FDP/DVP).

Zum AZV-Tag berichtet StR Kanzleiter, bei dessen Einführung sei mit dem damaligen Oberbürgermeister Rommel vereinbart worden, dass für 50 % der wegfallenden Arbeitszeit Stellenneuschaffungen erfolgten. Der Mechanismus (50 % Produktivitätssteigerung/50 % neue Stellen durch Arbeitszeitverkürzung) sei damals in den Tarfiverhandlungen verabredet worden und dieses sei dann auch so mit dem damaligen Oberbürgermeister umgesetzt worden. Glaubwürdig wäre es nicht, beim Wegfall des AZV-Tages 100 % Stellen zu streichen. Hierüber müsse die Verwaltung mit dem GPR und vielleicht auch mit der Gewerkschaft sprechen. Von Herrn Theilen (GPR), der die Ausführungen von StR Kanzleiter unterstreicht, wird mitgeteilt, im Tiefbauamt seien seinerzeit nur dort Stellen geschaffen worden, wo aufgrund von Dienstplänen und Schichtplänen dieses für notwendig angesehen worden sei. Die Quote von Stellenneuschaffungen habe weit unter 50 % gelegen und von daher habe diese Maßnahme damals zu einer Arbeitsverdichtung geführt. Wenn nun durch den Wegfall des AZV-Tages so wie von BM Murawski dargestellt vorgegangen würde, hätte dies eine erneute Arbeitsverdichtung zur Konsequenz. Gegenüber der Mitarbeiterschaft wäre dieses unfair. Die Verwaltung sollte hier zusammen mit dem GPR eine vernünftige Lösung aushandeln.

Im weiteren Verlauf spricht sich BM Murawski für ein Umsetzen der Tarifvertragsergebnisse im Verhältnis von 1 : 1 aus. Dies entspreche auch dem Ergebnis der Verhandlungen, was er, wenn gewünscht, auch schriftlich vorlegen könne. OB Rommel habe sich in der Vergangenheit tariftreu verhalten und eine 1 : 1-Umsetzung des aktuellen Tarifergebnisses komme auch einer Tariftreue gleich. Eine andere Vorgehensweise würde die gesamte Gegenrechnung, welche den Kommunen eine gewisse Kompensation ermöglichen solle, Fiktion werden lassen.

Weiter an StR Kanzleiter gewandt informiert der Vorsitzende, der Bundesinnenminister habe die Kommunen in einem Maße uninformiert gehalten, dass, ohne dass er jetzt die Vertraulichkeit der Abstimmung brechen wolle, eines jedenfalls erklärt werden könne, nämlich dass sich lediglich eine hauchdünne Mehrheit in der Mitgliederversammlung der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände für die Annahme des Verhandlungsergebnisses ausgesprochen habe.

Natürlich treffe es zu, dass es für die städtische Mitarbeiterschaft wünschenswert sei, Kostensteigerungen durch Lohnerhöhungen auffangen zu können. Andererseits treffe es allerdings auch zu, dass viele Menschen "nicht mehr von Lohnsteigerungen träumen können, weil ihre Arbeitgeber dann pleite gingen und sie dann arbeitslos wären". Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sieht er in einer besonderen Verantwortung gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern.

An StR Föll gewandt teilt der Vorsitzende mit, der Vorstand des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg habe sich die von der Landeshauptstadt Stuttgart schriftlich formulierte Haltung, eine kommunale Verhandlungsführerschaft anzustreben, zu Eigen gemacht. Eine Entscheidung, was dann passiere, wenn diese Verhandlungsführerschaft nicht komme, gebe es noch nicht. Er wolle sich dann auf beiden Ebenen der Arbeitgeberverbände dafür einsetzen, dass die Kommunen bundeseinheitliche flächendeckende Tarifverhandlungen führten (unabhängig von der Tarifgemeinschaft der Länder und des Bundes). Ihm werde zwar immer wieder in der Presse unterstellt, dass er gegen einen flächendeckenden Tarifvertrag sei, dies treffe aber nicht zu. Die Tarifgemeinschaft der Länder befinde sich in einer heftigen Debatte, da eine Reihe von Bundesländern den bisherigen Ablauf von Tarifverhandlungen ebenfalls nicht weiter akzeptieren wollten.

Alles in allem betrachtet müsse man eindeutig sagen, die Haltung der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände nach einer Null-Runde sei angesichts der wirtschaftlichen Situation der Mehrheit ihrer Mitglieder sei dringend notwendig, gut begründet und verantwortungsvoll gewesen.

Abschließend stellt BM Murawski fest: