Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: S/OB
GRDrs 742/2005
Stuttgart,
09/07/2005


Bündnis ältere Migranten / Migrantinnen



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Internationaler Ausschuss
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
21.09.2005
21.11.2005
23.11.2005

Bericht:


1. Integrationskonzept “Bündnis für Integration”

Das Integrationskonzept “Bündnis für Integration” hat sich zum Ziel gesetzt, die Förderung der Partizipation und der Chancengleichheit von Menschen unterschiedlicher Herkunft zu fördern. Dies setzt voraus, dass auf veränderte Rahmenbedingungen - hier demografische Entwicklung - eingegangen werden muss und sich die Regeldienste entsprechend interkulturell weiterentwickeln bzw. das interkulturell ausgerichtete Angebot der Daseinsversorgung gesichert werden muss.

Bei der UNESCO-Preisverleihung für das Integrationskonzept der Landeshauptstadt Stuttgart im November 2004 hat Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster insbesondere das Thema “Ältere MigrantInnen” betont und hierfür Maßnahmen zur Integration in die Dienste und Einrichtungen der Daseinsversorgung gefordert.

Die aktuellen Ergebnisse der Bürgerumfrage der Landeshauptstadt Stuttgart haben verdeutlicht, dass es notwendig ist, integrationsspezifische Maßnahmen zu verstärken und die interkulturelle Öffnung der Regeldienste sowie die Förderung der Partizipation in den Stadtteilen zu verstärken.

Vorrangiges Ziel ist die Sicherung des interkulturellen Ansatzes der Regelangebote für ältere Menschen, um der nichtdeutschen Bevölkerung einen leichteren Zugang zu bestehenden Hilfsangeboten zu ermöglichen und der internationalen Bevölkerungsstruktur Rechnung zu tragen. Es sollen keine Parallelstrukturen für MigrantInnen geschaffen werden, sondern in Kooperation mit den freien Trägern, der Altenhilfe, den Begegnungs­stätten und den städtischen Stellen die Integration in bestehende Regelangebote gefördert und ermöglicht werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich in Federführung der Abteilung “Integrationspolitik”, VertreterInnen der Stadt Stuttgart (Sozialamt/Sozialplanung), der freien Träger, des Wohlfahrtwerkes, des Internationalen Ausschusses sowie des Treffpunkt Senior zum Bündnis “Ältere MigrantInnen” zusammengeschlossen.

Den Arbeitsschwerpunkt bilden die Themenblöcke materielle und psychosoziale Hilfen, Gesundheit, Ehrenamt/ Begegnung. Grundlage der Gemeinderatsdrucksache ist das Arbeitsergebnis des Schwerpunktes materielle und psychosoziale Hilfen.

Die Bereiche Gesundheit und Ehrenamt/Begegnung werden in gleicher Form behandelt und die Ergebnisse zu gegebener Zeit dem Gemeinderat vorgelegt werden.


2. Bündnis “Ältere MigrantInnen”

Zur Bevölkerungsstruktur:

Die zu erwartende demografische Entwicklung wird in den kommenden Jahren einen zahlenmäßigen Anstieg der älteren und eine Abnahme der jüngeren Bevölkerungs­gruppe verursachen. Lebten 2001 noch 173 067 Personen über 55 Jahre in Stuttgart werden es im Jahre 2010 voraussichtlich bereits 184 068 Personen sein. Bis zum Jahre 2015 sind über 190 000 Personen über 55 Jahre als Stuttgarter Einwohner zu rechnen (Quelle: Statistische Amt der Landeshauptstadt Stuttgart).

Insbesondere die Zahl älterer Menschen nichtdeutscher Herkunft wird in den kommenden Jahren einen rasanten Anstieg verzeichnen. Während der Anteil nichtdeutscher Personen insgesamt bis zum Jahr 2010 sinken wird, steigt die Zahl nichtdeutscher älterer Menschen in Stuttgart um über 10.000 Personen an. Insgesamt ist ein Zuwachs bis zum Jahr 2010 von 42% zu verzeichnen. Dies bedeutet, dass im Jahre 2010 rund 31 400 MigrantInnen in Stuttgart über 55 Jahre alt sein werden.

Erfasst sind hierbei jedoch nur die älteren MigrantInnen, die nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen. Eingebürgerte Menschen mit Migrationshintergrund oder zugewanderte deutsche StaatsbürgerInnen werden demnach die Zahl der Menschen, bei denen migrationsspezifische Aspekte in dem Beratungsprozess berücksichtigt werden müssen, wesentlich erhöhen.

Die Angebote der Regeldienste richten sich insbesondere an Stuttgarter und Stuttgarterinnen, deren Ressourcen nicht mehr ausreichen, um ihre Lebenssituation eigenständig zu bewältigen. Wie bereits im Gutachten “Situation älter gewordener, nicht mehr im Arbeitsprozess stehender ausländischer Mitbürger”, vom Jahre 1990 erläutert, stellen mangelnde Sprachkompetenzen ein wesentliches Hindernis für den Zugang zu Hilfesystemen und für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dar.

Hinzu kommen fehlende fami­liäre Unterstützungsstrukturen, schlechte Wohnverhältnisse und eine unzureichende finanzielle Situation im Alter. Im vorausgegangenen Arbeitsleben war die Zielgruppe häufig in körperlich belastenden Arbeitsbereichen tätig, so dass gesundheitliche Probleme im Alter verstärkt auftreten und Merkmale der 3. Lebensphase häufig bereits ab dem 50. Lebensjahr erkennbar sind. Im Mittelpunkt steht die erste MigrantInnengeneration, deren deutsche Sprachkenntnisse meist mangelhaft ist. Kommen zu dem komplexen System der Daseinsversorgung für ältere Menschen noch altersbedingte Erkrankungen mit schweren Einschränkungen hinzu, z.B. Demenz, ist eine muttersprachliche und interkulturell kompetente Beratung unabdingbar.

Die Dienste der Daseinsversorgung haben den Prozess zur interkulturellen Öffnung der Hilfsangebote für ältere Menschen in Gang gesetzt, wie beispielsweise die Öffnung der Begegnungsstätten die im Jahr 2000 verbindlich geregelt und in die Fördersystematik einbezogen worden ist.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass ältere MigrantInnen den gesetzlich verankerten Anspruch auf Teilhabe an den kommunal vorgehaltenen Regelangeboten aufgrund der angeführten Merkmale, wie beispielsweise mangelnde Sprachkenntnisse, nicht ausreichend in Anspruch nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass Ende 2002 die Finanzierung durch das Land Baden-Württemberg für die Migrationsberatungsdienste der freien Träger gestrichen wurde. In Folge konnte das Beratungsangebot, das zahlreich von MigrantInnen der ersten Generation in Anspruch genommen wurde, nicht mehr aufrechterhalten bzw. nur noch in sehr eingeschränkter Form angeboten werden. Im Jahre 2002 waren jedoch 46% der Ratsuchenden bei der Arbeiterwohlfahrt und knapp 42% bei der Caritas MigrantInnen über 55 Jahre. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zu erwarten, dass sich der Beratungsbedarf bei der Gruppe der MigrantInnen rapide steigern wird.

Kooperationsprojekt “Integration ältere MigrantInnen in die Dienste und Einrichtungen der Daseinsversorgung”:

Zur Förderung und Integration älterer MigrantInnen in die Dienste und Einrichtungen der Daseinsversorgung hat die Abteilung “Integrationspolitik” das “Bündnis ältere MigrantInnen” ins Leben gerufen. Beteiligt sind im Koordinationskreis “Bündnis für ältere MigrantInnen” Vertreter der Stadt Stuttgart (Sozialamt/ Sozialplanung), der freien Träger, des Wohlfahrtswerkes, des Internationalen Ausschusses sowie der Treffpunkt Senior.

Ferner wurden drei Themenfelder- materielle und psychosoziale Hilfen, Gesundheit, Ehrenamt/ Begegnung in Arbeitsgruppen unterteilt und mit Fachkräften der jeweiligen Arbeitsfelder besetzt. Ziel war es, alle Beteiligte an einem gemeinsamen Projekt zu beteiligen und somit eine große Vernetzung für das Thema herzustellen. Aus dem Themenfeld materielle und psychosoziale Hilfen hat sich das Kooperationsmodell “Integration älterer MigrantInnen in die Dienste und Einrichtungen der Daseinsversorgung” entwickelt.

Unter Federführung der Abteilung “Integrationspolitik” und in Kooperation mit Leben und Wohnen im Alter (LiA) werden die freien Träger der Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Evangelische Gesellschaft sowie der Verein für Internationale Jugendarbeit ein auf zwei Jahre befristetes Projekt durchführen. Ziel des Projekts ist es, die Zahl der beratenden MigrantInnen in der Regel- und Daseinsversorgung für ältere Menschen zu erhöhen.

Durch die muttersprachlichen Kompetenzen der MitarbeiterInnen der freien Träger und deren Erfahrung in der Arbeit mit älteren MigrantInnen sollen ferner folgende Zielsetzungen verfolgt werden:


Projektziel: Integration älterer MigrantInnen in die Dienste und Einrichtungen der Daseinsversorgung durch

ٱ Sicherung und Ausbau des interkulturellen Ansatzes der Regeldienste (insbesondere LiA, Wohnberatung, Begegnungsstätten, GerBera) und Verstärkung der migrationsspezifischen Beratungsanteile, z.B. Rückkehrfragen, ethnische und kulturelle Aspekte älterer Menschen, aufenthaltsrechtliche und leistungsrechtliche Aspekte. Orientierung dritte Lebensphase.

ٱ Integration und erleichterter Zugang für MigrantInnen zu den Regeldiensten. Muttersprachliche MitarbeiterInnen fungieren als Mittler und Türöffner

ٱ Förderung der Partizipation durch Vernetzung zwischen Altenhilfe, Begegnungsstätten, migrantenspezifischen Organisationen zur Unterstützung und Regelversorgung

ٱ Gewinnung ehrenamtlicher Menschen mit Migrationshintergrund zur Stärkung des Selbsthilfepotenzials älterer MigrantInnen. Vernetzung Ehren- und Hauptamtlicher, interkulturell tätiger Organisationen und Vereine.

ٱ Stärkung der Partizipation älterer MigrantInnen in den Stadtteilen


Projektstruktur:

Orientiert an der für Stuttgart prognostizierten demografischen Entwicklung sollen MitarbeiterInnen der freien Träger mit interkulturellen Kompetenzen sowie Sprachkompetenzen in Kooperation mit den MitarbeiterInnen von LIA arbeiten und beraten.

Die Kooperation soll dezentral in Stadtteilen stattfinden, die bereits jetzt schon eine hohe Zahl an älteren MigrantInnen aufweisen. Des Weiteren sollen Kooperationen mit Begegnungsstätten vor Ort und Dienste der Daseinsversorgung im Stadtteil von den MitarbeiterInnen der freien Träger aufgebaut werden, um MigrantInnen in diese zu integrieren und die interkulturelle Öffnung der Einrichtungen zu unterstützen. Unterstützend werden Einrichtungen für das Kooperationsnetzwerk genutzt, die bereits von den Trägern im Stadtteil vorhanden sind.

Federführung des Projekts übernimmt die Stabsstelle Integrationspolitik. Die Fach- und Dienstaufsicht liegt im Rahmen des Projekts bei den jeweiligen Arbeitgebern.

Nach zweijähriger Laufzeit wird das Projekt ausgewertet und die Ergebnisse dem Gemeinderat vorgelegt. Vorrangig wird im Ergebnisbericht der Fragestellung nachgegangen werden, inwieweit es gelungen ist, durch integrative Maßnahmen in den Regeldiensten der Daseinsversorgung, die Anzahl der zu beratenden älteren MigrantInnen zu erhöhen und welche Faktoren hierbei eine besonders integrative Wirkung aufweisen. Ferner soll untersucht werden, inwieweit die Partizipation der MigrantInnen in den Stadtteilen erhöht werden konnte. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts erfolgt durch die Stabsstelle Integrationspolitik.

Unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung und der vorhandenen Strukturen der Regel- und Daseinsversorgung für ältere Menschen, wurden für das Projekt folgende Stadtteile ausgesucht:

ٱ Stuttgart Feuerbach/ Zuffenhausen
ٱ Bad Cannstatt (unter besonderer Berücksichtigung des Hallschlags)
ٱ Stuttgart Ost (unter Einbeziehung von Wangen)


3. Projektfinanzierung/ Finanzielle Auswirkungen
Jährliche Kosten

2 Projektstellenkosten analog BAT 4b
110.000,00 €
Sachkosten
5.000,00 €
Verwaltungsgemeinkosten
10.000,00 €
Finanzierung
125.000,00 €
Beteiligung Träger zu 20%
25.000,00 €
Etat Stabstelle S-IP
20.000,00 €
Drittmittel u.a. durch Antragstellung beim Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge
30.000,00 €
Haushaltsmittel pro Jahr 2006 -2007
100.000,00 €


Zur Finanzierung des Projekt und für die wissenschaftliche Auswertung hat die Stabstelle “Integrationspolitik” Drittmittel beantragt. U.a. wurden Projektmittel beim Bundesamt für Migration und Flucht beantragt sowie Mittel für die ehrenamtliche Arbeit in den Stadtteilen beim Innenministerium Baden- Württemberg.

Über die Haushaltsmittel wird im Rahmen der Haushaltsberatungen 2006/2007 entschieden.


Beteiligte Stellen

Referat WFB


Vorliegende Anträge/Anfragen

-
-




Dr. Wolfgang Schuster




-