Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 921/2009
Stuttgart,
10/29/2009


Hauptschüler/innen erfolgreich in die berufliche Zukunft lotsen - Bericht zu den Ergebnissen der Jugendkonferenz vom 29. September 2009



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Jugendhilfeausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
16.11.2009
18.11.2009

Bericht:


Die Verwaltung berichtet über den Verlauf und über die Ergebnisse der Jugendkonferenz „Hauptschüler/innen erfolgreich in die berufliche Zukunft lotsen“ vom 29. September 2009 im Stuttgarter Rathaus.


1. Rahmen und Ziel der Konferenz

Die Jugendkonferenz 2009 steht in der Tradition kommunaler Diskussionsforen zur Verbesserung der beruflichen Perspektiven von Haupt-und Förderschulabsolvent/innen in Stuttgart (2006 unter dem Titel Jugendkonferenz, 2007 Jugendhearing als Veranstaltung für Jugendliche). Im Mittelpunkt der Jugendkonferenz 2009 standen Aufgaben und Herausforderungen der Hauptschulen. Die Grundfrage war, wie die Ausgangsbasis für Hauptschüler/innen in Stuttgart verbessert werden kann und wie sich die Hauptschulen mit ihren Partnern noch besser aufstellen können.
Ob Hauptschüler/innen der Übergang von der Schule in den Beruf gelingt, hängt von einer Fülle von Faktoren ab. In der Regel haben sie auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Nachteile gegenüber jungen Frauen und Männern mit höherwertigen Schulabschlüssen.
Die Konferenz wurde von der Koordinierungsstelle Übergangsmanagement Schule-Beruf in Zusammenarbeit mit der Steuerungsgruppe u25 (Agentur für Arbeit, JobCenter, Staatliches Schulamt und Schulverwaltungsamt, IHK und Handwerkskammer, Stabsstelle für Integrationspolitik, Arbeitsförderung) veranstaltet.

Die Konferenz hatte zum Ziel, Fortschritte zu folgenden Fragen zu erzielen:

1. wie ein schulisches Übergangsmanagement angelegt werden muss,
2. wie eine individuelle Förderung von Schüler/innen systematisch umgesetzt werden kann,
3. wie Elternbildung konzipiert und verbessert werden kann,
4. wie Hauptschüler/innen geeignete Auszubildende für Unternehmen werden und Partnerschaften zwischen Hauptschulen und Unternehmen intensiviert werden können,
5. wie das Berufswahlspektrum von jungen Frauen erweitert werden kann.

Veranstaltet wurde die Konferenz von der Koordinierungsstelle Übergangsmanagement Schule-Beruf und der Steuerungsgruppe u25 (Agentur für Arbeit, JobCenter, Staatliches Schulamt und Schulverwaltungsamt, IHK und Handwerkskammer, Stabsstelle für Integrationspolitik, Arbeitsförderung).
Sie war für 100 Teilnehmende konzipiert, fand jedoch mit 250 Teilnehmenden ein weitaus größeres Echo, auch über Stuttgart hinaus. Vertreten waren Schulleitungen und Lehrkräfte, Berufsberater/innen der Agentur für Arbeit, persönliche Ansprechparter/innen aus dem JobCenter, Mentorinnen und Mentoren, Schulsozialarbeiter/innen, Trägervertreter/innen aus der Jugendhilfe sowie Interessierte aus dem Bereich der beruflichen Orientierung.


II. Ablauf der Konferenz
(vgl. Programmflyer in Anlage 1).

Am Vormittag referierten Ralph Kersten aus Offenbach, Dr. Wilfried Kruse aus Dortmund und Gerd Knop von der Otto Group Hamburg zu:
a. Den Konsequenzen, die sich aus dem demografischen Wandel und einem damit eintretenden Fachkräftemangel für die beruflichen Übergänge von Hauptschüler/innen und für die Perspektive der Unternehmen auf die Ressource „Hauptschüler/innen“ ergeben könnten.
b. Der Bedeutung von Netzwerken, Bildungspartnerschaften und Verantwortungsgemeinschaften in einer Kommune.
c. Möglichkeiten der systematischen Zusammenarbeit zwischen Hauptschulen, Berufsberatung, Schulen und Koordinator/innen und dem Engagement von (Groß-)
Unternehmen, um Wege von Jugendlichen in Ausbildung zu verkürzen und Umwege über berufsvorbereitende Maßnahmen zu vermeiden. Hierzu wurde unter dem Titel „Hauptschüler sind besser als ihr Ruf“ die Prämissen des Hamburger Hauptschülermodells aus der Perspektive eines Großunternehmens vorgestellt.

In einer Podiumsrunde wurden diese Impulse unter der Frage, was daraus für und in Stuttgart gelernt werden kann diskutiert.
Das am Vormittag im Plenum vorgestellte und dann in den Fachforen 1 (Lotsen) und 4 (Wirtschaft) vertiefend diskutierte Hamburger Hauptschulmodell (hierzu Anlage 2) wurde sowohl am Vormittag als auch in den Fachforen als beispielgebend auch für Stuttgart bewertet.

Am Nachmittag stand die Stuttgarter Praxis unter folgenden fünf Fragestellungen im Mittelpunkt:
1. Individuelle Begleitung/Lotsen für Schüler/innen
2. Aufbau eines Stuttgarter Portfolios Übergang Schule-Beruf für Hauptschulen
3. Kooperation mit Eltern
4. Partnerschaften Schule-Wirtschaft
5. Erweitertes Berufswahlspektrum für Mädchen.

In den Fachforen wurden jeweils gute Praxisansätze aus Stuttgart exemplarisch vorgestellt und die Reflexion durch Erfahrungswerte aus anderen Städten bereichert.


III. Zusammenfassung der Diskussionen und Ergebnisse aus den Fachforen

1. Individuelle Unterstützung durch Mentoren und ihre Einbindung ins Schulprofil
Mentoren, seien es nun Seniorpartner, Peers oder hauptamtliche Berufseinstiegsbegleiter, sind für Hauptschüler/innen wichtige und hilfreiche Begleiter. Jede Schule in Stuttgart hat Schüler/innen, die einen Bedarf an solch einer Unterstützung haben, jedoch nicht jede Schule ist mit Mentoren ausgestattet bzw. in gleicher Weise ausgestattet. Die Fachkräfte im Fachforum plädierten für eine kommunale Lösung, die es möglich macht, dass jede Schule auf Mentoren zugreifen kann, je nachdem welche Form vom Jugendlichen benötigt wird. Votiert wurde dafür, dass trotz des starken Engagements der Partner bzw. Mentoren die Berufsorientierung in der Verantwortung der Schule bleiben muss. Die Qualität der Mentoren und Mentorenprogramme zeige sich auch darin, dass den Schüler/innen nicht zuviel abgenommen werde, sie vielmehr selbst aktiv bleiben (können) und sie gerade in ihrer Selbständigkeit oder dem Erwerb derselbigen unterstützt werden. Festgestellt wurde, dass es zwischen den bestehenden Mentorenprogrammen noch an Abstimmung und Verknüpfung fehlt, vielmehr bestehe ein konkurrenter Wettbewerb zum einen bezogen auf die Akquise von Unternehmen, zum anderen bezogen auf die Akquise von ehrenamtlichen Engagement.

2. Begabungen fördern durch ein Stuttgarter Berufswahl-Portfolio
Die Fachkräfte aus unterschiedlichen Institutionen sehen es als sinnvoll an, dass Jugendliche in Stuttgart mit Hilfe eines gut strukturierten eigenen Ordners bewusster erleben und reflektieren können, auf welchem Weg sie mit ihrer Berufsorientierung sind. Die konsequente Arbeit mit dem Ordner kann, so die Erfahrungen der Praxis, den Prozess der jungen Menschen systematisieren. Die Entwicklung eines für alle Stuttgarter Hauptschulen nutzbaren Ordners wird im Fachforum weitgehend sehr begrüßt. Die Chancen werden darin gesehen, dass ein stark auf den Prozess des Jugendlichen hin angelegtes Material zusammengestellt werden kann. Aus den Erfahrungen mit bisherigen Ansätzen votieren die Teilnehmer/innen dafür, dass der Schwerpunkt nicht auf der Informationsvermittlung, sondern auf der Bewußwerdung von Stärken liegen sollte. Ein Portfolio sollte sich vor allem durch Übersichtlichkeit und den Fokus auf das Wesentliche auszeichnen. Dann so die Erfahrung, wird von den Jugendlichen auch damit gearbeitet. Unterschiedliche Einschätzungen liegen dazu vor, wie eigenständig der Ordner von den Jugendlichen geführt werden sollte oder kann.

3. Elternbildung zum Thema Übergang Schule-Beruf
Einigkeit bestand bei den Fachkräften darin, dass Eltern in ihrem Lebensumfeld mit ganzheitlichen Arbeitsansätzen angesprochen und abgeholt werden sollten. Die Erfahrung gerade in Schulen ist, dass problemgebundene Kontaktaufnahmen häufig zu Abwehr und Vermeidungsverhalten bei Eltern führen. Hervorgehoben wurde die Bedeutung von Kulturdolmetschern insbesondere für zugewanderte Eltern. Der Qualitätsfaktor „Qualifizierung von ehrenamtlich tätigen Multiplikator/innen“ wurde stark betont. Aus dem Bundesprogramm „Ausbildungsorientierte Elternarbeit im Jugendmigrationsdienst“ wurde referiert, dass Väter in der Regel vorhandene Angebote zur Elternbildung auch bezogen auf die beruflichen Perspektiven ihrer Kinder wenig wahrnehmen. Positive Erfahrungen der Erreichbarkeit wurden mit Ansätzen gemacht, die für Väter und Söhne zusammen angeboten werden.

4. Zusammenarbeit Schule-Wirtschaft
Dieses Fachforum fand die größte Teilnehmerresonanz. Damit zeigt sich auch der große Bedarf insbesondere der Hauptschulen an einer verbindlichen Kooperation mit Unternehmen. Als Erfolgsfaktoren wurden sowohl aus dem Beispiel Pestalozzischule wie auch aus dem Hamburger Hauptschülermodell benannt, dass die Schulleitungen und deren Überzeugung wesentlich zum Gelingen von Kooperationen beiträgt. Wenn ein Kontakt zu einem Unternehmen entsteht, so die Erfahrungen aus der Praxis, ist es wichtig, Vertrauen zu bilden, den Kontakt fortlaufend zu pflegen und Probleme offen anzusprechen. Als Argument für das Engagement von Unternehmen wird angeführt, dass die Unternehmen die Möglichkeit haben, potenzielle Auszubildende kennenzulernen und sich im Vorfeld einen Eindruck über den Jugendlichen zu verschaffen. Die Unternehmen haben des Weiteren den Zugewinn, Einblick in die Lebenswelt der heutigen Jugendlichen zu erhalten. Die IHK, HWK und weitere Wirtschaftsverbände, so ein Signal aus dem Fachforum, werden weiterhin in Stuttgart aktiv sein, um Partnerschaften zwischen Unternehmen und Hauptschulen zu initiieren und zu unterstützen. Schulen formulieren hierzu einen großen Wunsch nach Unterstützung.

5. Horizonte erweitern - Berufsorientierung von Mädchen
Als Erfolgsfaktoren werden phasenweise geschlechtsgetrennte Settings zur Berufsorientierung von Mädchen und Jungen benannt und die Möglichkeit der individuellen Förderung. Als das eingeschränkte Berufswahlspektrum zementierend wurde die nach wie vor bestehende geschlechtsspezifische Zuweisung in die hauswirtschaftlichen und technikorientierten Berufsvorbereitungsjahre mehrfach kritisiert. Des Weiteren wurde das frühzeitige und kontinuierliche Wecken von Technikinteresse als nachhaltiger Erfolgsfaktor benannt. Interesse von Fachkräften besteht an der Umsetzung einer Medien-Kampagne zum Thema „Vorbilder“, um jungen Frauen unterschiedliche Rollen- und Berufsbilder in jugendgemäßer Form aufzuzeigen und anzubieten. Vorgeschlagen wird zudem, dass der erschienene Überblick über Angebote in Stuttgart systematisch auf den Gender-Aspekt hin überprüft wird.
IV. Ausblick – Wie geht es weiter?

Die Ergebnisse aus den jeweiligen Fachforen werden in der Steuerungsgruppe u25 zeitnah im Hinblick auf Konsequenzen diskutiert. Sie fließen in die weitere Arbeit der Koordinierungsstelle Übergangsmanagement Schule-Beruf ein und sind Anregungen und Aufforderungen für die Weiterarbeit der verschiedenen Beteiligten wie etwa der Kooperationslehrer/innen Übergang Schule-Beruf, der Berufsberatung, der Jugendhilfe, dem JobCenter etc.


Beteiligte Stellen

keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

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Antrag vom 07.10.2009, Nr. 351/2009 der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen: Jedem Stuttgarter Hauptschüler einen Ausbildungsplatz
Antrag vom 09.10.2009, Nr. 353/2009 der SPD-Gemeinderatsfraktion: Hamburger Hauptschülermodell und Produktionsschulen - gezielte Hilfen jetzt, statt ewig weitere Untersuchung





Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin





Anlage 1: Programm-Flyer zur Jugendkonferenz vom 29.09.2009
Anlage 2: Konzept Hamburger Hauptschüler-Modell




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