Landeshauptstadt Stuttgart
Technisches Referat
Gz: T
GRDrs 887/2003
Stuttgart,
10/01/2003



Hochwasserschutz am Neckar



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuß für Umwelt und Technik
Verwaltungsausschuß
Beschlussfassung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
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Beschlußantrag:

1. Von dem Bericht zum Hochwasserschutz am Neckar wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Über den Mehraufwand für Planungsleistungen von jeweils 300.000 € für die Jahre 2004 und 2005 wird in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2004/2005 entschieden.


Begründung:


Bericht:

1. Einführung

Im Sommer 2002 verursachte das außergewöhnliche Hochwasser an der Elbe und ihren Nebenflüssen verheerende Schäden. Diese Naturkatastrophe nimmt die Stadtverwaltung zum Anlass, die Hochwassersituation im Bereich des Stadtgebiets zu prüfen und daraus Handlungskonzepte zu erarbeiten. Zwischenzeitlich wurde in mehreren Gesprächen, welche das Tiefbauamt mit anderen städtischen Ämtern, insbesondere mit dem Amt für Umweltschutz sowie der Branddirektion und dem Hauptamt und weiteren Behörden (Regierungspräsidium, Gewässerdirektion Neckar, Wasser- und Schifffahrtsamt Stuttgart, Stadt Esslingen) führte, die derzeitige Lage erörtert und erste Maßnahmen in Angriff genommen. Mit diesem Bericht soll dem Gemeinderat ein erster Überblick über die notwendigen Maßnahmen zur Hochwasserschutzvorsorge vermittelt werden.

Stuttgart kann von zwei unterschiedlichen Hochwasserereignissen betroffen werden. Das "Neckarhochwasser" entsteht in einem relativ großen Einzugsgebiet des Neckars einschließlich seiner Nebenflüsse mit großen Wassermengen. Eine Vorwarnzeit beträgt hier mehrere Stunden bis zu einigen Tagen, denn dieses Hochwasser wird erst nach längeren verbreiteten Regenfällen erreicht. Das Hochwasser dauert mehrere Tage und betrifft vorwiegend Bad Cannstatt und die Neckarvororte.

In den anderen Stadtbezirken im Einflussbereich der rund 80 Bäche entsteht das "Lokale Hochwasser" in dem nur kleinen Einzugsgebiet des jeweiligen Baches, in der Regel verursacht durch kurze, extrem starke Regen. Es gibt deshalb keine Vorwarnzeit. Das Hochwasser dauert zumeist nur wenige Stunden. Durch den Einstau des Kanalnetzes kann es zu einem Überstau auf die Straßenoberfläche kommen. Das dort dann breitflächig abfließende Regenwasser kann zur Überflutung von Grundstücken führen.

Hochwasserereignisse haben in Stuttgart sowohl am Neckar als auch im Stadtgebiet stattgefunden, so dass entsprechende Erfahrungen vorliegen. Das Ausmaß hat bisher jedoch noch nie die Dimensionen wie die Flutkatastrophe an der Elbe und ihrer Zuflüsse erreicht.


2. Ziele

Die Stadt muss die Hochwasserschutzvorsorge gründlich vorbereiten. Dazu ist zunächst eine Analyse der heutigen Situation u.a. hinsichtlich überflutungsgefährdeter Gebiete, Dammhöhen und Dammsicherheit und der Alarmpläne durchzuführen. Es müssen dann Entscheidungen über die gewünschten Sicherheiten gegen Hochwasserschäden in Abhängigkeit von Schadenspotential und Kosten getroffen werden. Die daraus resultierenden Schwachstellenanalysen ergeben die notwendige Maßnahme zur Hochwasserschutzvorsorge. Dies betrifft im Wesentlichen die Art der Flächennutzung, die baulichen Anlagen und die Alarmpläne.

Der vorliegende Bericht befasst sich zunächst mit dem Neckarhochwasser, da hier insgesamt die Beeinträchtigungen und finanziellen Auswirkungen auf die betroffenen Bürger und Firmen sehr gravierend sein können.


3. Genereller Hochwasserschutz am Neckar

3.1 Konzeption des Landes
Die Landesverwaltung erstellt die generelle Konzeption für das gesamte Land. Sie hat dazu für den Neckar einen Handlungsrahmen aufgestellt, der wasserwirtschaftliche Maßnahmen sowie örtliche und überörtliche Planungen integriert und koordiniert. Diese Planungen sind in der “Integrierenden Konzeption Neckar-Einzugsgebiet” (IKoNE) zusammengefasst. Darin werden im Rahmen eines Hochwassermanagements die drei Bereiche Hochwasser-Flächenmanagement, technisch-infrastruktureller Hochwasserschutz und die Hochwasservorsorge dargestellt.

Auf die Stuttgarter Verhältnisse übertragen beinhaltet das Hochwasser-Flächenmanagement u.a. die Erstellung von Hochwassergefahrenkarten, deren Berücksichtigung bei der Bauleitplanung und die Anpassung der baulichen Nutzung. Der technisch-infrastrukturelle Hochwasserschutz umfasst im Wesentlichen Deiche, Dämme und Objektschutzmaßnahmen. Die Hochwasservorsorge spricht die angepasste Bauweise mit auf Hochwasser ausgerichteter Anlagenausrüstung, die rechtzeitige Hochwasserwarnung sowie die Alarm- und Einsatzplanung an. Für die Umsetzung der Maßnahmen sind die jeweiligen Kommunen in eigener Verantwortung zuständig.


3.2 Hochwassergefahrenkarten
Hochwassergefahrenkarten sollen die Ausdehnung von Überflutungen und die Überflutungstiefen bei verschiedenen Wiederkehrintervallen (Jährlichkeiten) aufzeigen und damit Grundlage für eine wirkungsvolle Vorsorge für die Betroffenen wie auch der Sicherung der Überflutungsflächen sein.

In dieser Form können auch die Auswirkungen von Versagensszenarien bestehender Hochwasserschutzanlagen wie z.B. Deichbrüche dargestellt werden. Damit ist zukünftig auch eine bessere Beurteilung potentieller Gefährdungen hochwassergefährdeter Flächen hinter diesen Anlagen möglich. Da die Deiche in Stuttgart grundsätzlich einen guten Schutz gegen Hochwasser bieten, kommt dieser Betrachtung eine besondere Bedeutung im Hochwasserschutz zu.

Im Rahmen des IKoNE-Aktionsprogramms werden zurzeit durch das Institut für Wasserbau und Kulturtechnik der Universität Karlsruhe Hochwassergefahrenkarten mit Hilfe von mathematischen Modellen erstellt. Im vergangenen Jahr hat das Stadtmessungsamt die Stuttgarter Geländedaten für die entsprechenden Karten geliefert. Die Hochwassergefahrenkarten können bis Ende des Jahres für die Stauhaltungen des Neckars auf Stuttgarter Gemarkung erzeugt werden.


4. Hochwasserschutz am Neckar in Stuttgart

4.1 Einführung
Der Neckar ist als Bundeswasserstraße Verkehrsträger für die Schifffahrt und bei Überschreitung des schiffbaren Wasserstandes Vorflutgewässer für den Hochwasserabfluss aus seinem Einzugsgebiet. Die Dämme in Stuttgart sind auf ein etwa 200jährliches statistisches Hochwasserereignis einschließlich eines ausreichenden Freibords ausgelegt. Das Hochwasser von 1978 wies mit einem Abfluss von rund 1200 m³/s den höchsten Wert seit Bestehen der Pegelaufzeichnungen des Pegels Plochingen für den ausgebauten Neckar auf und wird statistisch als ein etwa 100jährliches Ereignis eingestuft. Der Wasserstand lag ca. 50 cm unterhalb der Dammkronen. Die Dämme hielten damals der Belastung stand. Der Wasserspiegel eines 200jährlichen Ereignisses liegt etwa 25 cm über dem des 100jährlichen. Höhere Wasserstände sind, wenn auch mit abnehmender Wahrscheinlichkeit, möglich. Darauf weisen z.B. auch Berichte über das größte bekannte Hochwasserereignis am Neckar von 1824 hin, das nach Einschätzung von Experten deutlich höhere Abflüsse als ein 200jährliches Ereignis gehabt haben dürfte. Eine statistische Bewertung dieses Hochwassers ist durch die inzwischen geänderten Abflussverhältnisse des Neckars jedoch nicht möglich.


4.2 Analyse der Dammsicherheit
Aufgrund der Erfahrungen und des bisher nicht vorstellbaren, ca. 500jährlichen Hochwasserabflusses der Elbe im Jahr 2002 mit den verheerenden Auswirkungen in Dresden und dortigen anderen Kommunen ist es in Stuttgart notwendig, die Dammsicherheit entlang des Neckars zu überprüfen, wobei einerseits die Standsicherheit gegen Aufweichen sowie Durch- und Unterströmen bei einem lang andauernden Hochwasserabfluss zu erheben, sowie andererseits die Sicherheit gegen Überströmen zu ermitteln ist. Zur Beurteilung der Standsicherheit der Neckardämme wird es erforderlich werden, den tatsächlichen Dammaufbau an ausgewählten Stellen durch Erkundungsbohrungen festzustellen.

Unter Federführung des Wasser- und Schifffahrtsamts (WSA) Stuttgart hat im Juli 2003 eine Dammbegehung stattgefunden, an der auch das Tiefbauamt teilgenommen hat. Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Stuttgart überprüft zurzeit in einem umfangreichen Untersuchungsprogramm die Dämme in seinem Zuständigkeitsbereich auf Schwachstellen und Standsicherheit. Dabei werden vorrangig die Belange der Schifffahrt berücksichtigt.


4.3 Gemeinsames Programm
Um auch Hochwasservorsorgemaßnahmen, für die die Kommune zuständig ist, mit zu berücksichtigen, wie z. B. die Standsicherheit des Dammes bei einem Abfluss bis zur Höhe der bestehenden Dammkrone, ist es zweckmäßig, dass sich die Stadt an den Maßnahmen beteiligt.

Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns von WSA Stuttgart und Stadt ergibt sich auch daraus, dass sich einige Dammabschnitte auf Stuttgarter Markung aufgrund früherer Vereinbarungen in der Unterhaltungslast oder gar im Eigentum der Stadt befinden.


4.4 Dammkataster als Basis
Es wurde seitens des WSA Stuttgart auch damit begonnen, ein Neckardammkataster zu erstellen. In dem Kataster sollen die Dammgeometrie, die Eigentumsverhältnisse und die Ergebnisse der Analyse der Dammsicherheit dokumentiert werden. Die Bestandsaufnahme der Dammgeometrie soll einem Ingenieurbüro übertragen werden.

Auf der Grundlage des Dammkatasters sind die Dammsanierung, Dammunterhaltung und Dammverteidigung im Hochwasserfall zwischen den zuständigen Stellen, der Stadt und dem WSA Stuttgart abzustimmen und als Bestandteil einer Hochwasseralarm- und Einsatzplanung festzulegen.


4.5 Eigentumsverhältnisse
Die Klärung der Eigentumsverhältnisse an den Dammgrundstücken und den daraus resultierenden Zuständigkeiten wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb ist die Stadtverwaltung der Auffassung, sich an den jetzt durchzuführenden Vorbereitungen zur Beurteilung der Standsicherheit der Neckardämme ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gegenüber dem Land oder der Bundeswasserstraßenverwaltung zu beteiligen, um ggf. erforderliche bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz im Interesse der Bevölkerung nicht zu verzögern.


4.6 Hochwassergefährdungsanalyse
Als Ergänzung zu den Hochwassergefahrenkarten soll eine Abschätzung der Gefährdung von Gebieten hinter den Neckardämmen, wie Industriestandorte oder Wohnbebauung, durch bestehende Schwachstellen (z. B. Unterführungen) oder möglichen Dammbrüchen an empfindlichen Stellen sowie Dammüberströmungen durch Simulationsrechnungen durchgeführt werden. Dazu soll ein Auftrag an das Institut für Wasserwirtschaft und Kulturbau der Universität Karlsruhe zur Erstellung dieser Gefährdungsanalyse für die Gebiete an beiden Neckarufern auf Stuttgarter Markung erteilt werden.


4.7 Sanierungsplanungen
Aufgrund der Erkenntnisse aus den Gefährdungsanalysen und der Erhebung der Dammsicherheit werden voraussichtlich Sanierungsplanungen durch spezialisierte Ingenieurbüros zu erarbeiten sein, um die ggf. notwendigen baulichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz durchführen zu können.


5. Kosten, Finanzierung

Für vorbereitende Planungen zum Hochwasserschutz am Neckar werden in den Jahren 2004 und 2005 jeweils 300.000 € benötigt. Die städtischen Mittel dienen vorwiegend zur Mitfinanzierung von gemeinsam mit dem WSA Stuttgart durchzuführenden Maßnahmen.

Die Planungsleistungen sollen im Verwaltungshaushalt bei “Projektbearbeitung” finanziert werden. Über die zusätzlichen Mittel soll bei der Beratung des Doppelhaushaltsplanes 2004/2005 entschieden werden.

Aufgrund der Planungen kann dann der Finanzbedarf für den Doppelhaushalt 2006/2007 für im Interesse der Stadt notwendige bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz am Neckar ermittelt werden.

Beteiligte Stellen

Referat WFB, Referat USO

Vorliegende Anträge/Anfragen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN Nr. 336/2002




Prof. Beiche
Technischer Referent