Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 1001-04
GRDrs 651/2009
Stuttgart,
09/14/2009


Interkulturelle Öffnung und Orientierung der Ausländerbehörde



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Internationaler Ausschuss
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
30.09.2009
07.10.2009

Bericht:


1. Einleitung

Die Zuwanderungs- und Integrationsdebatte hat in Deutschland eine neue Qualität erreicht. Das Thema wird intensiv auf Bundesebene (z. B. Integrationsgipfel, Nationaler Integrationsplan vom 12.07.2007, Integrationsmonitoring), auf Landesebene (z. B. Integrationsplan Baden-Württemberg vom 08.09.2008) und auch auf kommunaler Ebene diskutiert. Stuttgart hat frühzeitig die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Thematik erkannt und sich durch das Bündnis für Integration bereits 2001 klar positioniert. Vor dem Hintergrund, dass Stuttgart mit 38 % den höchsten Migrationsanteil aller deutschen Großstädte hat, davon 22 % Ausländer, 10 % eingebürgerte Ausländer und ca. 6 % Spätaussiedler, war dies sinnvoll und bundesweit einzigartig. Die Bedeutung dieses Themas spiegelt sich auch in zahlreichen Zielen wider, die ich für die Verwaltung formuliert habe so z. B. die Erhaltung des positiven Investitionsklimas zur Erhaltung vorhandener Arbeitsplätze und Schaffung neuer Arbeitsplätze; die Stärkung der überregionalen Anziehungskraft Stuttgarts; die Abmilderung der demografischen Schieflage sowie die Stärkung Stuttgarts als Kommune und Gemeinschaft.

Eine im Rahmen des europäischen Städtenetzwerks CLIP im Jahr 2007 durchgeführte Stuttgarter Studie zum Thema „Diversity Policy – Interkulturelle Ausrichtung der Verwaltung“ hat aufgezeigt, dass es nunmehr gilt, die Inhalte und Leitlinien nach und nach noch stärker in den einzelnen Verwaltungsbereichen zu verwurzeln.

Dieser Herausforderung sieht sich die Ausländerbehörde aber nicht erst seit 2007, sondern schon seit vielen Jahren in besonderem Maße verpflichtet. Sie ist für die neu einreisenden oder zugezogenen Migranten traditionell die erste Anlaufstelle in der neuen Heimat und bleibt auf Jahre hinaus zwangsläufig der Ansprechpartner, wenn es um die existenzielle Frage des Aufenthaltsrechts geht. Dieser „Visitenkartenfunktion“ gegenüber ca. 125.000 ausländischen Einwohnern bei über 70.000 Besucherkontakten im Jahr gerecht zu werden, verlangt von den Mitarbeitern in der täglichen Praxis ein hohes Maß an Kompetenz, Freude und Sensibilität, insbesondere im Umgang mit Menschen anderer Ethnien, da die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zwangsläufig dazu führt, dass nicht immer alle Besucherwünsche erfüllt werden können und ggf. auch Aufenthaltsbeendigungen durchgesetzt werden müssen.

Eingebettet in diese oftmals kaum zu vereinbarenden Rahmenbedingungen war es für die Ausländerbehörde, ausgehend vom Selbstverständnis als Dienstleister, dennoch die logische Konsequenz, Überlegungen hin zu einer noch stärkeren interkulturellen Öffnung und Orientierung anzustellen. Um eine möglichst umfassende Gesamtschau zu erhalten, wird neben einer Betrachtung der aktuellen Situation und des bisher Erreichten auch eingehend dargestellt, wie die weitere Fortentwicklung aussehen könnte.



2. Bestandsaufnahme

2.1 Organisation/Personal

Unabhängig von den großen Gesetzesänderungen im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht (AufenthG vom 1.1.2005, Staatsangehörigkeitsgesetz vom 1.1.2000), wurden bereits in der Vergangenheit die Arbeitsabläufe und die Organisation beständig überprüft und fortlaufend den Bedürfnissen der Besucher angepasst. Ausgehend von einer Besucherbefragung im Jahr 2003 und im Hinblick auf das neue Aufenthaltsgesetz sowie das neue Staatsangehörigkeitsgesetz wurde die Aufbauorganisation der Ausländerbehörde in den Jahren 2003 und 2004 komplett erneuert und die Ablauforganisation entsprechend angepasst.

Es wurden 5 homogene Sachgebiete mit jeweils besonderen Aufgabenschwerpunkten wie Sichtvermerke, Arbeitsgenehmigungen, Asylangelegenheiten, Bleiberecht, Ausweisungen, Einbürgerungen gebildet. Um künftig Warteschlangen zu vermeiden und die Publikumsbedienung qualitativ einschneidend zu verbessern, wurde für die Besucher die Möglichkeit einer Terminvereinbarung angeboten und ein einladender Informationsschalter eingerichtet. Seither nutzen allein 68 % der Besucher diese Terminvereinbarung mit sehr hoher Zufriedenheit.
Daneben wurde speziell für Arbeitnehmer eine eigene Arbeitsgruppe konstituiert, um die Aufnahme von Beschäftigungen zu beschleunigen, z. B. durch die Ausstellung von Vorabzustimmungen in Visaverfahren. Für Arbeitgeberfragen wurde eigens ein Firmenansprechpartner abgestellt. Ferner gibt es Ansprechpartner für Existenzgründer und die Akademischen Auslandsämter der Hochschulen/Universitäten in studentischen Belangen.

Einfache Serviceleistungen, wie z. B. die wohnortnahe Antragstellung in bestimmten ausländerrechtlichen Angelegenheiten wie Antragstellung von Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnisse, EU-Karten, Passüberträge, werden kundenfreundlich auf den 21 Bürgerbüros in den Stadtbezirken angeboten, was jährlich von ca. 5.500 ausländischen Mitbürgern in Anspruch genommen wird. Im Flüchtlingsbereich wurde die Asylstelle in ansprechenden Räumlichkeiten untergebracht und ebenfalls auf Terminvergabe umgestellt.

Daneben wurde immer schon Wert auf Mitarbeiterschulungen gelegt, wie Englischkurse, Deeskalationsseminare, Seminare zum Verständnis von anderen Religionen usw., die rege in Anspruch genommen wurden. Die Einstellung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund erfolgte schon seit vielen Jahren, so dass aktuell bereits ca. 12 % der Beschäftigten dieses im Zusammenhang mit der interkulturellen Öffnung der Verwaltung gewünschte Anforderungsprofil erfüllen. Der Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsbereich wurde im Jahr 2003 auch komplett neu organisiert und seither wird auch hier die Terminvergabe angeboten.

Im April 2009 wurde eine Einbürgerungskampagne gestartet, die das Ziel hat, dass mehr ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in Stuttgart die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Alle ca. 90.000 Einwohner, die die zeitlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen, sollen nach und nach angeschrieben werden, wobei im Hinblick auf die vorhandenen Personalressourcen jährlich nur ca. 1700 der Betroffenen Post erhalten können.


2.2 Besucherbefragung: Wie sehen die Besucher die Ausländerbehörde?

Im Juni 2008 konnten die Besucher der Ausländerbehörde im Rahmen einer erneuten Befragung, die vom Statistischen Amt durchgeführt wurde, ihre Meinung zur Ausländerbehörde äußern. Untersucht wurde – im Wesentlichen analog zu einer ersten Befragung im Jahr 2003 – unter anderem, ob die Möglichkeit einer Terminvereinbarung genutzt wurde, sowie die Wartezeit und die Zufriedenheit mit der Ausländerbehörde. Die Befragung sollte dazu dienen, den Erfolg der bisherigen Aktivitäten (siehe Ziffer 2.1) zu bewerten und ggf. die Notwendigkeit von weiteren Maßnahmen abklären. Hier die wichtigsten Ergebnisse:

- Terminvereinbarung
68 % der Besucher nutzten die Möglichkeit einer Terminvereinbarung.

- Wartezeiten
Bis zu zehn Minuten Wartezeit waren für knapp zwei Drittel (65 %) der Befragten üblich. Weitere 27 % der Besucher mussten eine Wartezeit zwischen elf und dreißig Minuten in Kauf nehmen. Lediglich acht Prozent warteten länger als 30 Minuten.
Im Vergleich zu 2003 haben sich die Wartezeiten, insbesondere durch die Einführung einer Terminvereinbarung, grundlegend geändert. Damals waren Wartezeiten von über einer halben Stunde üblich (59 %), über eine Stunde mussten immerhin noch 37 % der Besucher warten.

- Beurteilung der Ausländerbehörde
Die Ausländerbehörde wurde insgesamt mit 81 Punkten auf dem Kommunalbarometer sehr positiv bewertet, wobei die freundliche Bedienung mit 87 Punkten und das schnelle finden des Ansprechpartners mit 89 Punkten jeweils einen besonders hohen Wert erhielten.

Der Vergleich der Kundenbefragung 2008 mit den Daten der Kundenbefragung von 2003 zeigt eine deutliche Verbesserung von 71 auf aktuell 81 Punkte, die in unmittelbarem Zusammenhang zu sehen sind mit der Umgestaltung der Wartebereiche und der nach der Kundenbefragung 2003 neu geschaffenen Möglichkeit, einen Termin zu vereinbaren. Weitere Einzelheiten können aus Anlage 1 entnommen werden.


2.3 Expertenbefragung: Wie sehen Experten die Ausländerbehörde?

Im April/Mai 2009 wurden insgesamt 31 Experten wie Firmen, Behörden, Anwälte, Universitäten, Hochschulen, kirchliche und caritative Einrichtungen und Verbände zu ihrer Meinung über die Ausländerbehörde Stuttgart befragt, von denen 17 geantwortet haben. Die Fragen im Einzelnen waren:
- Wie häufig haben Sie bzw. Ihre Institution mit der Ausländerbehörde Stuttgart Kontakt/zu tun?
- Was gefällt Ihnen gut?
- Was gefällt Ihnen nicht so gut?
- Haben Sie konkrete Anregungen/Verbesserungsvorschläge?
- Sonstiges/Anmerkungen?

Die Fragen waren bewusst weit gefasst und offen gehalten, um dem sehr unterschiedlichen Adressatenkreis die Möglichkeit zu geben, sich umfassend einzubringen.
Die Antworten waren teilweise sehr umfangreich, teilweise sehr kurz und ergeben inhaltlich kein einheitliches Bild. Mehrfach wird z. B. die Freundlichkeit und Höflichkeit der Mitarbeiter hervorgehoben, von anderer Seite wird gerade die Unhöflichkeit beklagt, was sicherlich mit dem Umfang und der Art der Entscheidungen und Dienstleistungen zusammenhängt. Gleiches gilt auch z. B. für die Erreichbarkeit und die Kompetenz.

Dies macht eine abschließende Bewertung nahezu unmöglich. Hervorgehoben wird deshalb die mehrfach geäußerte Auffassung, dass sich die Ausländerbehörde insgesamt zum Positiven entwickelt hat, gerade im Vergleich zu anderen Ausländerbehörden, auch wenn dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist und einzelne Aspekte durchaus noch kritisch betrachtet werden können.


2.4 Mitarbeiterbefragung: Wie sehen die Mitarbeiter der Ausländerbehörde ihre eigene Arbeit?

Im Februar 2009 wurde den 101 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch Teilzeitkräfte, der Ausländerbehörde dann die Gelegenheit gegeben, ihre Arbeitsbedingungen und ihr Arbeitsumfeld einzuschätzen. An der Befragung nahmen 64,2 % der Mitarbeiter teil. Die Befragung gliederte sich in die Bereiche Arbeitsplatzbedingungen, Arbeits- und
Betriebsklima, Wahrnehmung des Dienstbetriebs, Umgang mit dem Bürger, Führung, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie Arbeits- und Berufszufriedenheit.

Zu den einzelnen Fragekomplexen werden nachfolgend die positivsten und negativsten
Einschätzungen aufgeführt, wobei aus Sicht der Mitarbeiter sich die Situation wie folgt darstellt:
Es bleibt in der Regel keine Zeit, um auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger einzugehen. Der Bürger hat hierfür kein Verständnis. Die Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz sind nicht ausreichend, zumal schon ein beachtlicher Teil der Mitarbeiter bedroht oder beleidigt wurde. Im Ergebnis wird das Betriebsklima schlecht bewertet, obwohl für fast alle Mitarbeiter ein gutes Betriebsklima sehr wichtig ist.

Die Äußerungen insgesamt und diese ausgesuchten Fragen dokumentieren die hohe zeitliche und fachliche Belastung, unter der die Mitarbeiter stehen.
Interessanterweise wird dies von den Besuchern nicht so wahrgenommen und gesehen (vergleiche Ergebnisse der Besucherbefragung Punkt 2.2). Dies spricht für den professionellen kundenorientierten Umgang der Mitarbeiter mit diesen Stress- und Problemfaktoren. Der Servicegedanke der Dienststelle wird nach außen verwirklicht. Dies geht jedoch eindeutig zu Lasten des Betriebsklimas. Weitere Einzelheiten können aus Anlage 2 entnommen werden.



3. Konzept zur weiteren interkulturellen Öffnung und Orientierung der Ausländerbehörde

Die einzelnen Befragungen haben Hinweise darauf gegeben, wo das Leistungsangebot weiter verbessert werden sollte. Bei der Besucherbefragung wurde insbesondere die telefonische Erreichbarkeit und die Internetseite als verbesserungswürdig gesehen. Die Expertenbefragung hatte teilweise den möglicherweise stressbedingten und als unhöflich empfundenen Umgang der Mitarbeiter mit den Besuchern sowie allgemein die offenkundige Zeitnot zum Ergebnis. Bei der Mitarbeiterbefragung wurde schließlich ebenfalls die Zeitnot im Umgang mit Besuchern, das stressbedingt angespannte Betriebsklima sowie fehlende Sicherheitsvorkehrungen beklagt.

Die erarbeitete Ideenliste (siehe Anlage 3) gibt eine Vielzahl von Hinweisen, was alles getan werden könnte, um sich diesem Ziel weiter zu nähern. Im Hinblick auf die angespannte Haushaltslage wird aber eine schnelle Realisierung all dieser Vorschläge, die auch Beiträge sind, die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu sichern, wohl nicht möglich sein.

Aus einer Fülle von denkbaren Maßnahmen wird deshalb besonders auf folgende Einzelmaßnahmen hingewiesen:


3.1 Technische und organisatorische Verbesserungen

Die telefonische Erreichbarkeit hat bei der Besucherbefragung zwar eine noch akzeptable Bewertung aber dennoch den schlechtesten Wert erzielt. Eine Telefon-Hotline und eine automatische Rufweiterschaltung durch Implementierung einer modernen Telefonanlage könnte Abhilfe bringen.

Ähnlich verhält es sich beim Internet-Auftritt, der zwar ordentlich bewertet wird, aber dennoch optimiert werden sollte (Übersichtlichkeit, Aktualität, mehrsprachige Seiten usw.). Generell sollte die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit (Flyer, mehrsprachige Vordrucke) bedarfsgerecht forciert werden, da bisher angedachte und notwendige Aktivitäten nicht zuletzt aus personellen Gründen nicht realisiert werden konnten. Diesbezüglich könnte auch ein mit fachlich besser qualifizierten Mitarbeitern (Sachbearbeitern) besetzter Informationsschalter sinnvoll sein, da bislang i. d. R. nur einfache Auskünfte (wohin, welche Unterlagen werden benötigt usw.) gegeben werden können.

Um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen, sollte insbesondere in Einzelbüros ein internes Notrufsystem installiert werden, um in bedrohlichen Situationen rasch Hilfe herbeirufen zu können.


3.2 Maßnahmen im Personalbereich

Die bisher bereits durchgeführten Mitarbeiterschulungen und Fortbildungsmaßnahmen, z. B. Deeskalation, Englisch, andere Kulturen usw., können wegen des zum Teil eingeschränkten Angebots und des begrenzten Budgets nicht allen notwendigen und zielgerichteten Bedarf abdecken. Wichtig wäre es, die Fremdsprachenkenntnisse der Mitarbeiter weiter zu verbessern sowie Wertevorstellungen, Empathie und Denkweise in Bezug auf die Besucher der Ausländerbehörde noch stärker zu vermitteln. Gerade von kompetenten, geschulten und verständnisvollen Mitarbeitern geht eine positive Signalwirkung aus.

Gleiches gilt für die Erhöhung des Mitarbeiteranteils mit Migrationshintergrund und die Besetzung von Führungspositionen durch Personen mit Migrationshintergrund. Bereits heute sind in nahezu allen Arbeitsgruppen der Ausländerbehörde Mitarbeiter mit Migrationshintergrund tätig. Der Anteil kann bei geeigneten Bewerbern jedoch weiter ausgebaut werden, wobei im Beamtenbereich aber sich der Kreis der Bewerber im Hinblick auf die bestehende Gesetzeslage (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 LandesbeamtenG) auf Deutsche und Staatsangehörige aus den Staaten der EU beschränkt und bei letztgenanntem Personenkreis gezielt geworben werden müsste.

Bei einer Aufstockung der Publikumsteams um jeweils eine Person, könnte der direkteste und spürbarste Positiveffekt für die Besucher erzielt werden, weil dadurch Termine wesentlich zeitnaher vergeben werden könnten und für die direkte Beratung mehr Zeit bliebe.


3.3 Sonderaktionen etc./Serviceverbesserungen

Neu einreisenden Migranten könnte ein spezielles Willkommenspaket, wie allg. Informationen, Gutscheine, Geschenk, überreicht werden.

Bei bereits länger hier lebenden Migranten könnte an Hand der Akte überprüft werden, ob sie die zeitl. Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erfüllen. Danach könnte man die für eine Verfestigung in Betracht kommenden Ausländer anschreiben und die entsprechenden Unterlagen gleich mit übersenden.

Mit der Einbürgerungskampagne wurde bereits begonnen, allerdings nur in relativ geringem Umfang (siehe Punkt 2.1). Bereits jetzt ist eine Steigerung der Antragszahlen um rund 20 % zu verzeichnen. Nach einer geplanten Informationsveranstaltung im Rathaus Ende September/Anfang Oktober sollen Aktionen bei Vereinen oder in Schulen folgen.

Ein eigener Integrationsbeauftragter bei der Ausländerbehörde könnte das Gesamtthema fortlaufend betreuen, neue Impulse geben und die Implementierung von Einzelmaßnahmen begleiten. Ferner könnten Integrationsmaßnahmen forciert und stadtintern besser vernetzt werden, wie z. B. Sprachorientierungskurse, Clearingstelle, Sozialarbeit.



4. Gesamtbewertung/Ausblick


Die Ausländerbehörde hat in der Vergangenheit bereits umfassende Verbesserungen umgesetzt (siehe Ziffer 2.1). Von den Besuchern und Experten werden diese Maßnahmen und die aktuelle Situation mit gut bewertet (siehe Ziffer 2.2 und 2.3). Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde leisten nach außen hin gute und anerkannte Arbeit, gleichwohl wird ein sehr hoher Arbeitsdruck deutlich, der sich im Innenverhältnis negativ bemerkbar macht (siehe Ziffer 2.4). Es gibt eine Fülle von Vorschlägen, die interkulturelle Öffnung und Orientierung der Ausländerbehörde weiter voranzubringen (siehe Ziffer 3).

Einerseits ist fast allen denkbaren Maßnahmen gemein, dass zu ihrer Umsetzung personelle Ressourcen oder Sachmittel bzw. größere Räumlichkeiten erforderlich wären, die nicht zur Verfügung stehen und auch nicht mehr durch interne Umsetzungen/Um-schichtungen oder Organisationsoptimierungen im Amt für öffentliche Ordnung oder innerhalb des Ausländerbereichs gewonnen werden können.

Andererseits gibt es durch die interkulturelle Ausrichtung der Ausländerbehörde auch einen nicht unerheblichen finanziellen Mehrwert für die Stadt, der dadurch entsteht, dass die gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration von Zuwanderinnen und Zuwandern gesenkt werden bzw. gar nicht entstehen.

Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung beträgt die Differenz zwischen integrierten und weniger integrierten Zugewanderten im Durchschnitt 5653 bis 8178 Euro pro Person und Jahr (Bertelsmann Stiftung, 2008). Die interkulturelle Ausrichtung der Ausländerbehörde ermöglicht einen schnelleren Zugang zum passgenauen Deutschkursangebot in Stuttgart und erhöht dadurch auch die Bildungschancen der Kinder von neu Zugewanderten in unserem Schulsystem. Auf diese Weise wird sozialen Fehlentwicklungen unzureichender Integration wie Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Rückzug in Parallelgesellschaften zu einem frühen Zeitpunkt entgegen gesteuert. Die Identifikation der neuen Stuttgarter mit kommunalen Diensten ihrer Stadt wird erhöht und dadurch auch die Bereitschaft, sich freiwillig für das Allgemeinwohl zu engagieren und sich einzubürgern.

Die Landeshauptstadt konnte in den vergangenen Jahrzehnten ihre Einwohnerzahl nur Dank der Zuwanderung aus dem Ausland halten. Unter den 125.000 nicht deutschen und den inzwischen 65.000 eingebürgerten Migrantinnen und Migranten befinden sich viele qualifizierte Arbeitnehmer und Unternehmensgründer, auf die Stuttgart als Wirtschaftsstandort dringend angewiesen ist. Wie im Stuttgarter Bündnis für Integration – Fortschreibung 2009 dargestellt, ist es unser Ziel, die Attraktivität Stuttgarts für qualifizierte Fachkräfte und für Unternehmer aus aller Welt zu erhöhen und unsere internationale Beziehungen in Wissenschaft und Wirtschaft auszubauen. Es ist kein Automatismus, dass die „besten Köpfe“ nach Stuttgart kommen oder in Stuttgart bleiben. Mit interkulturell kompetenten Ansprechpartnern für Arbeitgeber, Existenzgründer und für die Akademischen Auslandsämter der Hochschulen leistet die Ausländerbehörde einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftsförderung.

Dieser Beitrag bzw. der bisherige Serviceumfang kann jedoch weiterhin nur sichergestellt werden, wenn die vorhandenen Ressourcen auch künftig voll umfänglich zur Verfügung stehen, wobei es ab Ende 2010 durch die zwingende Einführung der elektronischen Aufenthaltstitel (siehe Anlage 4) aus heutiger Sicht zu einem deutlichen Aufgabenzuwachs kommen wird, der die Arbeitssituation für die Mitarbeiter verschärft und dann nicht ohne spürbare Auswirkungen auf den Kundenservice bleibt.

Abschließend ist festzustellen, dass die Umsetzung der für notwendig und wünschenswert erachteten Vorschläge zur weiteren interkulturellen Öffnung und Orientierung der Ausländerbehörde zu einer noch kundenfreundlicheren „Integrationsagentur“ in jedem Fall maßgeblich von der Unterstützung des Gemeinderats abhängt. Je nachhaltiger diese ausfällt, desto schneller und umfänglicher können die genannten Maßnahmen Zug um Zug, je nach Wichtigkeit, realisiert und somit eine große Anzahl von Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund noch zügiger voll integrierter Bestandteil unserer Stuttgarter Stadtgesellschaft werden.


Beteiligte Stellen

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Dr. Wolfgang Schuster






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