Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Kultur/Bildung und Sport
Gz: KBS
GRDrs 474/2009
Stuttgart,
06/30/2009


Schulergänzende Betreuung an Schulen für körper- und geistigbehinderte Kinder und Jugendliche



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Schulbeirat
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
öffentlich
13.07.2009
14.07.2009
22.07.2009

Bericht:


Einführung:

Im Rahmen der GRDrs 472/2007 „Familienentlastende Dienste“ sowie mit der GRDrs 691/2007 wurde bereits im Vorfeld der Beratungen zum Doppelhaushalt 2008/2009 darauf hingewiesen, dass es auch in Familien mit behinderten Kindern und Jugendlichen einen wachsenden Bedarf an verlässlichen Betreuungsangeboten gibt. Es ist nachvollziehbar und verständlich, dass es auch Eltern dieser Kinder möglich sein sollte, einer beruflichen Beschäftigung nachzugehen. Unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung sollten diese Familien denen mit nichtbehinderten Kindern gleichgestellt werden. Dem steht derzeit noch im Wege, dass es neben dem schulischen Angebot nicht in ausreichendem Maße Betreuungsangebote gibt, die vom zeitlichen und personellen Umfang her den besonderen Anforderungen der behinderten Kinder gerecht werden.

Gemeinsam mit dem Sozialamt wurde vereinbart, dass von dort die Wochenend- und Ferienbetreuungsangebote organisiert werden. Das Schulverwaltungsamt soll dagegen ein geeignetes Konzept für die schulergänzenden Angebote während der 38 Unterrichtswochen erarbeiten.

Die Sonderschulen für geistigbehinderte sowie körperbehinderte Kinder sind zwar formelle, vom Land genehmigte Ganztagesschulen der traditionellen Art (Unterricht und Betreuung erfolgen von Landespersonal). Nach der Kürzung der Unterrichtsdeputate in den 90er Jahren werden jedoch nur noch drei Nachmittage in der Woche schulisch belegt, an zwei Nachmittagen endet der Unterricht bereits um die Mittagszeit. Das Land ist nicht bereit, den Nachmittagsunterricht auszuweiten. Bestätigt wird dies durch die regelmäßige Praxis des Landes, im Organisationserlass für Sonderschulen für Geistigbehinderte sowie Körperbehinderte jeweils nur 34 Lehrerwochenstunden pro Klasse zur Verfügung zu stellen. Es besteht jedoch auch keine anders lautende Verpflichtung des Landes, die seitens der Schulträger eingefordert werden könnte.

Für Eltern mit einer Ganztagesbeschäftigung wäre es eine große Hilfe, wenn an diesen Nachmittagen eine schulergänzende Betreuung bis min. 15.30 Uhr angeboten werden könnte. Mit dem nachfolgenden Schülertransport wären die Kinder dann ab ca. 16.00 Uhr wieder zuhause.

Ein seit April 2007 laufender Versuch im Rahmen des Angebots „Außerschulischen Bildung und Betreuung“ bzw. in Zusammenarbeit mit der Diakonie Stetten hat gezeigt, dass trotz bereits erfolgter Anpassungen die Rahmenbedingungen und Leistungen dieses Angebots nicht geeignet sind, körper- und geistigbehinderte Kinder ihren speziellen Bedürfnissen entsprechend zu betreuen.

Die Kosten für den hier eingesetzten freien Träger (Diakonie Stetten) können nicht annähernd gedeckt werden. Das Angebot bleibt damit in seiner Fortführung unsicher. Es kann nur als Übergangslösung weitergeführt werden, bis hier eine dauerhafte, verlässliche Lösung gefunden ist. Für die vergangenen Schuljahre wurden daher über die Diakonie Stetten Mittel bei der „Aktion Mensch“ beantragt, um das Angebot wenigstens für diesen Zeitraum weiterführen zu können. Über die „Aktion Mensch“ sind jedoch keine Dauerfinanzierungen möglich.


Mögliches Konzept für ein verlässliches Angebot:

Mit den Schulleitungen der vier Stuttgarter Sonderschulen für Geistigbehinderte bzw. Körperbehinderte wurde daher ein Konzept für ein verlässliches Angebot und die erforderlichen Maßnahmen erarbeitet:

· Die Schulen (Schulleitung, Lehrerkollegium, Eltern) stimmen mit einem möglichen Träger die pädagogischen Inhalte eines Betreuungsangebots ab, das die Nutzung des gesamten Schulareals und der Einrichtungen wie Sportstätten, Schwimmbad, Freiflächen, aber auch ggf. geeignete Exkursionen mit einbeziehen kann.
· Die Gruppenstärke kann höchstens bei 6 bis 7 Kindern, bei Schwerstmehrfachbehinderung sogar nur bei 4 bis 5 Kindern liegen (Durchschnitt 5,5 Kinder).
· Pro Gruppe werden eine Fachkraft und eine Hilfskraft für die Betreuung benötigt. Diese sollten zusätzlich durch pflegerische Kräfte im Umfang der bestehenden Bemessung für den Unterricht unterstützt werden.
· Je Schule sollte eine der Fachkräfte mit der gruppenübergreifenden Leitung beauftragt werden, die auch die Kooperation mit der Schulleitung übernimmt.
· Lt. Schulleitungen beschränkt sich der reine Betreuungsumfang auf 5 bis 6,5 Stunden pro Woche.
· Die Inanspruchnahme wird auf 30 bis 40 % der Kinder der Unter- und Mittelstufe geschätzt.
· Es muss damit gerechnet werden, dass mittelfristig eine Ausweitung auf die Oberstufe ebenfalls in diesem Umfang gewünscht wird.
· Die Betreuung kann wie an den übrigen Wochentagen in den vorhandenen Schulräumen erfolgen. Es sind für dieses Angebot keine zusätzlichen Räume notwendig.
· Die Anmeldungen durch die Eltern sollten jeweils auf ein volles Schuljahr erfolgen.
· Wenn eine entsprechende Anzahl von Kindern das Betreuungsangebot in Anspruch nimmt, kann damit gerechnet werden, dass keine zusätzlichen Schülerbeförderungskosten dadurch entstehen, dass die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten transportiert werden müssen, sondern dass dies durch eine entsprechende Transporteinteilung weitgehend ausgeglichen werden kann. Sollten mit der Einrichtung dieses schulergänzenden Betreuungsangebots dennoch zusätzliche Kosten für den Rücktransport nach der Betreuung entstehen, so werden diese konkret benannt und müssen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.
· Die Satzung über die Gewährung eines Zuschusses zu den notwendigen Schülerbeförderungskosten sieht bislang nur einen Transport direkt nach dem Unterricht vor. Nachmittagsbetreuung ist im Rahmen der Schülerbeförderung noch nicht vorgesehen. Da dies angesichts der Ausweitungen von Betreuungsangeboten in Schulen nicht mehr zeitgemäß ist, muss dies bei der nächsten Satzungsänderung mit berücksichtigt werden.
· Mit der Einrichtung dieses schulergänzenden Betreuungsangebots müsste diese Regelung dahingehend überarbeitet werden, dass die Kosten für den Rücktransport von der Schule auch nach der Betreuung übernommen werden.
· Entsprechend der jetzigen Regelung bei der „Außerschulischen Bildung und Betreuung“ sollte das Betreuungsangebot für die teilnehmenden Kinder auch dieser Sonderschulen kostenfrei angeboten werden. · Um auch den Verwaltungsaufwand für die übrige Organisation eines solchen Angebots so gering wie möglich zu halten, wäre vorgesehen, den Schulen pro zu betreuender Gruppe und entsprechendem Betreuungsumfang ein Budget mit entsprechenden Pauschalen zur Verfügung zu stellen, mit dem diese die Betreuungsleistungen bei einem geeigneten Träger über einen Vertrag, der die entsprechenden Leistungen regelt, „einkaufen“ können.
· Mit Rücksicht auf die behinderten Kinder sollte ein häufiger Personalwechsel vermieden werden. Diese Pauschalen sollten deshalb so bemessen sein, dass der jeweilige Träger qualifiziertes Personal gesichert einstellen und/oder Beschäftigungsumfänge von vorhandenem Personal entsprechend ausweiten kann. Es wird davon ausgegangen, dass ein solcher Träger über ausreichend Personal verfügt, um krankheitsbedingte Ausfälle ausgleichen zu können.
· Die Abrechnung mit dem freien Träger und eine Namensliste der zu betreuenden Kinder würden als Verwendungsnachweis ausreichen.

Bei diesem Betreuungsangebot würde es sich um eine weitere, völlig neue Aufgabe im Bereich des Schulverwaltungsamts handeln, die bei der Personalbemessung in der Innenverwaltung noch nicht berücksichtigt ist.


Grundlagen der Kostenermittlung *:

Bei einer Inanspruchnahme von ca. 30 bis 40 % der Kinder der Unter- und Mittelstufe wäre nach der aktuellen Schülerzahl mit 15 bis 19 Gruppen in der Unter- und Mittelstufe und mit weiteren 7 bis 9 Gruppen in der Oberstufe (vgl. Übersicht Anlage 1) zu rechnen.
Die Kosten (Pauschale) für eine Gruppe sind wie folgt anzusetzen:
___________________________________________________________________________________________________________
* Die Stufenbezeichnungen an der Schule für Geistigbehinderte bzw. Schule für Körperbehinderte gliedern sich zwischenzeitlich in die Grundstufe, Hauptstufe und die Übergangsstufe bzw. Werk-/Praxisstufe. In der Amtlichen Schulstatistik 2008/2009 sind noch die alten Stufenbezeichnungen enthalten, so dass in Anlehnung an die ermittelten Schülerzahlen und zur Vergleichbarkeit mit der GRDrs 691/2007 diese Begriffe noch verwendet wurden.

Personalkosten:
(Bei den Stundensätzen wurden Durchschnittswerte aus 2008 sowie die Nettoarbeitstage – ohne Arbeitsplatzkosten zugrunde gelegt.)

· Fachkraft (EG 8 mit Stundensatz 30,40 Euro)
· Hilfskraft (Stundensatz 13,40 Euro)

Als Pauschale für diese Personalausstattung wären pro Gruppe und Betreuungsstunde also rd. 44 Euro erforderlich.

· Aufschlag von ca. zwei Stunden/Woche/Schule für die Betreuungsfachkraft (EG 8 mit Stundensatz 30,40 Euro), die an der jeweiligen Schule mit der gruppenübergreifenden Leitung sowie der Kooperation mit der Schulleitung beauftragt ist (siehe Seite 2, Punkt 4).

Pro Schule käme ein wöchentlicher Aufschlag von 60 Euro bzw. von 2.280 Euro pro Jahr für die Leitungsfunktion hinzu.

Bedarf Pflegerische Kräfte:
· Pflegerische Kräfte (EG 6 mit Stundensatz 28,30 Euro)
Hier sollte zunächst geprüft werden, ob die bei der Stadt beschäftigten pflegerischen Kräfte ihren Arbeitsumfang entsprechend aufstocken können. Sie sind den Kindern vertraut und sie kennen die Kinder aus dem Schulbetrieb. Je nach Inanspruchnahme der Betreuungsangebote würden sich die notwendigen Stundenanteile für pflegerische Kräfte wie folgt erhöhen:

- je Betreuungsstunde für eine Gruppe mit körperbehinderten Kindern: eine pflegerische Kraft im Umfang von einer Stunde
- je Betreuungsstunde für drei Gruppen mit geistigbehinderten Kindern: eine pflegerische Kraft im Umfang von einer Stunde

Die ggf. notwendigen Stellenanteile wären in diesen Fällen zu schaffen.

Sollte dies nicht möglich sein, wäre die Gruppenpauschale
· bei körperbehinderten Kindern um 28,30 Euro
· bei geistigbehinderten Kindern um 9,45 Euro
zu erhöhen.

Bei der nachfolgenden Kostenermittlung werden unabhängig von der umsetzbaren Personallösung die betreffenden Stundensätze eingerechnet.

Sachkosten:
Entsprechend ihrer Schülerzahl verfügen die Sonderschulen über relativ geringe Schulbudgets, die gerade zur Finanzierung der laufenden schulischen Aufgaben ausreichen. Deshalb sollte pro Gruppe und Haushaltsjahr ein Pauschalbetrag von 400 EUR für Verbrauchs-/Sachmittel zur Verfügung gestellt werden.


Voraussichtliche finanzielle Auswirkungen
Der Betreuungsbedarf liegt bei 5 bis 6,5 Stunden pro Schulwoche. Unterricht findet an 38 Schulwochen statt.

Pro Gruppe und Schuljahr ist daher je nach Betreuungsumfang mit Kosten von

· 13.800 bis 17.900 Euro an der Schule für Körperbehinderte [5 Std. x 38 Wo. x (44+28,30 Euro) bzw. 6,5 Std. x 38 Wo. x (44+28,30 Euro)]

· 10.200 bis 13.200 Euro an den drei Schulen für Geistigbehinderte [5 Std. x 38 Wo. x (44 + 9,45 Euro) bzw. 6,5 Std. x 38 Wo. x (44 + 9,45 Euro)]

zu rechnen.

Hinzu kommt der Aufschlag für die Leitungsfunktion pro Schule und Schuljahr in Höhe von 2.280 Euro.

Die Anzahl der zu erwartenden Gruppen ist der Anlage 1 zu entnehmen. Da sich die Schülerzahlen auf vier Schulen verteilen und es deshalb bei der Gruppenteilung im Einzelfall zu entsprechenden Gruppenteilungen kommen kann, sollte für die Kostenermittlung sicherheitshalber die Obergrenze zugrunde gelegt werden.

Unter- und Mittelstufe:
· ca. 7 Gruppen an der Schule für Körperbehinderte
· ca. 12 Gruppen an den drei Schulen für Geistigbehinderte

Schule / Gruppen
Betreuungs-
umfang
5 Std./Wo.
Betreuungs-
umfang
6,5 Std./Wo.
1 Schule für Körperbehinderte / 7 Gr.
96.600 Euro
125.300 Euro
3 Schulen für Geistigbehinderte / 12 Gr.
122.400 Euro
158.400 Euro
Leitungsfunktion 2.280 Euro / Schule / a
9.120 Euro
9.120 Euro
Summe (rd.)
228.500 Euro
293.000 Euro
Zzgl. jährliche Sachkosten (19 Gr.)
7.600 Euro
Bei einer Einführung des schulergänzenden Betreuungsangebotes in der Unter- und Mittelstufe (bis Klasse 6) liegen die jährlichen Gesamtkosten für dieses Betreuungsangebot somit bei 228.500 bis 293.000
Euro. Hinzu kommen jährliche Sachkosten in Höhe von 7.600 Euro.

Oberstufe:
· ca. 3 Gruppen an der Schule für Körperbehinderte
· ca. 6 Gruppen an den drei Schulen für Geistigbehinderte

Schule / Gruppen
Betreuungs-
umfang
5 Std./Wo.
Betreuungs-
umfang
6,5 Std./Wo.
1 Schule für Körperbehinderte / 3 Gr.
41.400 Euro
53.700 Euro
3 Schulen für Geistigbehinderte / 6 Gr.
61.200 Euro
79.200 Euro
Summe
102.600 Euro
132.900 Euro
Zzgl. jährliche Sachkosten (9 Gr.)
3.600 Euro
Bei der Einführung des schulergänzenden Betreuungsangebotes auch in der Oberstufe (Klassen 7 bis 9) kommen ergänzend weitere Kosten hinzu. Hierfür wären weitere 102.600 bis 132.900 Euro pro Jahr erforderlich. Hinzu kommen weitere Sachkosten in Höhe von 3.600 Euro.

Hierfür stehen im Schulhaushalt bislang keine Mittel zur Verfügung. Über eine evtl. Mittelbereitstellung wäre bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2010/2011 zu entscheiden.

Die Verwaltung geht davon aus, dass dieses neue Angebot in der Startphase sicherlich stufenweise aufgebaut wird. Für diese Aufbauphase sind ca. 3-4 Schuljahre zu veranschlagen. Die oben genannten Gesamtkosten für die Unter- und Mittelstufe (bis zu 293.000 Euro zzgl. Sachkosten) und die ergänzende Oberstufe (weitere 132.900 Euro zzgl. Sachkosten) fallen damit erst beim flächendeckend eingeführten Angebot und einem Versorgungsgrad - entsprechend der Nachfrage - von erwarteten 40 % der Schüler dieser Stufen an.

Ob für ein ergänzendes Betreuungsangebot ggf. auch noch Zuschüsse von Seiten des Landes geleistet würden (z.B. flexible Nachmittagsbetreuung), ist nach den geltenden Richtlinien eher unwahrscheinlich, wäre jedoch zu gegebener Zeit noch konkret abzuklären.

Beteiligte Stellen

Die Referate WFB und AK haben 10 Tage vor Beratung Kenntnis von dieser Mitteilungsvorlage genommen. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der HH-Planberatungen erfolgen.
Referat SJG hat die Vorlage ebenfalls zur Kenntnis erhalten.







Dr. Susanne Eisenmann




Übersicht über die Schülerzahlen an den städtischen Schulen Körper- und Geistigbehinderte in Stuttgart im Schuljahr 2008/2009



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