Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 765/2001
Stuttgart,
09/12/2001



Sozialhilfebezug und Ausbildung



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozialausschuß
Verwaltungsausschuß
Vorberatung
Beschlußfassung
öffentlich
öffentlich
24.09.2001
10.10.2001



Beschlußantrag:

1) Die Sozialverwaltung wird ermächtigt, in begründeten Einzelfällen ergänzend zur Ausbildungsvergütung und einer eventuellen Berufsausbildungsbeihilfe nach Sozialgesetzbuch Teil III (SGB III) oder, wenn diese Leistungen nicht gewährt werden, Stiftungsmittel der Vereinigten mildtätigen Stiftung Nr.1 zur Sicherstellung des notwendigen Lebensunterhaltes während einer Ausbildung zu gewähren. Hierbei muss ein Anspruch im Rahmen des § 26 BSHG ausgeschlossen sein.


2) Die Leistungen werden gewährt, wenn die Ausbildung sinnvoll und notwendig ist und Aussicht auf Erfolg besteht. Zur Beurteilung, ob Leistungen zur Individualförderung gewährt werden, soll ein verbindlicher Kriterienkatalog herangezogen werden.


Begründung:


1. Ausgangssituation

Die Stuttgarter Armutsberichterstattung belegt, dass unzureichende bzw. fehlende Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse das dauerhafte Armutsrisiko erhöhen. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Hilfemöglichkeiten reichen bisher nicht aus.

§ 26 Absatz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) schließt die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt aus, wenn eine Ausbildung absolviert wird, die im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist. Ausnahmen, in denen trotzdem Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt wird, sind in besonderen Härtefällen möglich. Die Verwaltungsgerichte schreiben jedoch eine sehr enge Auslegung vor; die Härtefallregelung greift demzufolge nur in wenigen Einzelfällen.

In bestimmten Fällen führt der enge Rahmen des § 26 BSHG jedoch dazu, dass eine Berufsausbildung aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Diese Fälle liegen einerseits dann vor, wenn die Ausbildungsvergütung bzw. die Leistungen nach dem BAföG oder dem SGB III nicht für den Lebensunterhalt ausreichen. Die Leistungen liegen meist, insbesondere aufgrund des hohen Stuttgarter Mietpreisniveaus, unter dem Sozialhilfesatz; der Höchstbetrag der Ausbildungsförderung einschließlich Mietzuschuss liegt bei ca. 950 DM monatlich. Außerdem gilt der Ausschluss der Hilfe zum Lebensunterhalt auch dann, wenn die Ausbildung zwar dem Grunde nach förderungsfähig ist, die Auszubildenden jedoch aus individuellen Gründen überhaupt keine Leistungen nach dem BAföG oder dem SGB III erhalten. Somit fehlt diesen jungen Menschen die Möglichkeit, die Motivation und vor allem die finanzielle Voraussetzung, eine Berufsausbildung zu absolvieren.

Vor diesem Hintergrund ist eine Regelung, die den Differenzbetrag der Ausbildungsvergütung bzw. –förderung zum Regelbedarf der Hilfe zum Lebensunterhalt abdeckt, dringend erforderlich. Nur so wird es den betroffenen jungen Menschen ermöglicht, eine Berufsausbildung zu absolvieren. Der Erfolg hängt oft von der finanziellen und wirtschaftlichen Situation in der Ausbildungszeit ab. Das gilt vor allem für Personen, die aus sozial unsicheren Verhältnissen stammen und im Elternhaus wenig Ermutigung und Unterstützung für eine Berufswegplanung erhalten.

Die Erfahrung zeigt, dass regelmäßige Nebentätigkeiten zur Existenzsicherung während der Ausbildung deren Erfolg gefährden: am Anfang des Berufslebens überfordert die Belastung durch Vollzeitausbildung, Lernen für die Berufsschule und Nebentätigkeit die Leistungsfähigkeit der jungen Menschen.


Die Sicherstellung des Bedarfs zum Lebensunterhalt der bedürftigen - aber durch § 26 BSHG von der Sozialhilfe ausgeschlossenen - Personen ist somit notwendig, damit ihnen eine Ausbildung zugänglich ist, ohne dass ihre Motivation und ihre Ausbildungsbereitschaft durch eine Schlechterstellung gegenüber dem Sozialhilfebezug gefährdet ist.

2. Kriterien der Leistungsgewährung

Es sollen Personen gefördert werden:


Um sicherzustellen, dass diese Bedingungen vorliegen, soll JobConnections mit seinen fachlichen Kapazitäten einbezogen werden. Aus Gründen einer kompetenten und einheitlichen Beratung wird in der Regel für jede Empfehlung zur Individualförderung ein Antrag von JobConnections an die Dienststelle Freiwillige Leistungen (50-280) vorausgesetzt. Der Antrag wird von 50-280 anhand eines noch auszuarbeitenden Kriterienkatalogs entschieden. Der Personenkreis soll sich dabei auf Menschen mit besonderen Schwierigkeiten beschränken, welcher in der Regel der Klientel von JobConnections entspricht, um nicht allen Auszubildenden und Studierenden den Zugang zu den Stiftungsmitteln zu öffnen. Dies wäre weder notwendig noch wirtschaftlich vertretbar.


3. Finanzieller Aufwand

Die Anzahl der in Frage kommenden Personen lag nach Angaben von JobConnections im Jahr 2000 bei ca. 20. Bei einem notwendigen zusätzlichen Bedarf (aufstockende Hilfe zum Lebensunterhalt) von durchschnittlich 400 DM pro Monat/Person ergeben sich durch die in der Regel dreijährige Ausbildungszeit folgende finanzielle Auswirkungen:

    im Jahr 2001
ca. 32.000 DM
    im Jahr 2002
ca. 128.000 DM
65.445,36 EUR
    im Jahr 2003
ca. 224.000 DM
114.529.38 EUR
    ab 2004
ca. 288.000 DM
147.252,06 EUR

Die Vereinigte Mildtätige Stiftung Nr.1 dient ausschliesslich gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken. Der Ertrag der Stiftung an würdige und bedürftige Bürger Stuttgarts ist in Form von Einzelgaben zu verwenden. Die Ausbildungsbeihilfen sollen aus nicht verbrauchten Mitteln der Vorjahre finanziert werden.

Finanzielle Auswirkungen
Zusätzliche Haushaltsmittel der Landeshauptstadt Stuttgart sind nicht erforderlich. Die Aufwendungen werden aus nicht verbrauchten Mitteln der Vereinigten mildtätigen Stiftungen Nr.1 getragen.
Aufwendungen im Jahr 2001 ca. 32.000 DM. In den Folgejahren bis zu ca. 288.000 DM (147.252,06 EUR) jährlich .


Beteiligte Stellen

Das Finanz- und Beteiligungsreferat hat die Vorlage mitgezeichnet.

Vorliegende Anträge/Anfragen

SPD-Antrag Nr. 246/2001 vom 30. Mai 2001




Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin


Anlagen



SPD-Antrag Nr. 246/2001 vom 30. Mai 2001