Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser
Gz: AK 7837-07
GRDrs 1101/2004
Stuttgart,
01/17/2005



Barrierefreiheit und Relaunch von www.stuttgart.de



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich02.02.2005



Beschlußantrag:

1. Der Verwaltungsausschuss nimmt die Vorlage zustimmend zur Kenntnis.

2. Die Umsetzung der Barrierefreiheit des Internet-Angebotes der Landeshauptstadt Stuttgart erfolgt in Verbindung mit der vollständigen Überarbeitung und Neugestaltung (Relaunch) von www.stuttgart.de und den eBürgerkiosken Stuttgart.

3. Die Mittel für die Umsetzung in Höhe von maximal 350.000 Euro werden über die Finanzposition 2.0610.9358.000 im IuK-Maßnahmenplan gedeckt.

4. Die Umsetzung der Maßnahme erfolgt bis Ende 2005.

5. Die im Zusammenhang mit der Barrierefreiheit entwickelten Werkzeuge und Gestaltungsrichtlinien sind ab 1.1.2006 für alle Ämter und Eigenbetriebe zur Sicherstellung eines konsequent barrierefreien städtischen Internet-Angebotes verbindlich.



Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Nach dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz und der daraus resultierenden Barrierefreie Informationstechnikverordnung (BITV) sind öffentliche Stellen des Bundes, der Länder und der Kommunen aufgefordert, ihre Internetauftritte und andere Veröffentlichungen auf elektronischen Medien so zu gestalten, dass sie von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können.

Auch die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, ihren Internetauftritt www.stuttgart.de sowie die eBürgerkioske Stuttgart barrierefrei im Sinne der BITV zu gestalten. Die Umsetzung erfolgt im Rahmen von eGovernment Stuttgart. Dazu sind im IuK-Maßnahmenplan Mittel in der Höhe von insgesamt 140.000 € vorgesehen.

2003 wurde stuttgart.de durch zwei externe Unternehmen auf seine Barrierefreiheit hin untersucht. Die genaue technische Analyse der Anwendungen und die daraus resultierenden Maßnahmen zur Umstellung des gesamten Angebotes (Relaunch) erfordern nach qualifizierter Schätzung insgesamt rund 350.000 €. Damit liegt dieser Betrag deutlich über dem ursprünglich beantragten Volumen von 140.000 € (zum Vergleich: der Relaunch von stuttgart.de in 2001 war mit insgesamt 1,56 Mio. DM veranschlagt). Die Umsetzung der eGovernment-Maßnahmen wurden in 2004 aus Restmitteln des stuttgart.de-Projektes bestritten. Deshalb werden trotz des Mehrbedarfs für die Barrierefreiheit keine zusätzlichen Mittel benötigt, die über die bereits für 2004/2005 für eGovernment bewilligten Mittel hinausgehen.

Die Vorteile der Umstellung liegen nicht nur in einem barrierefreien Angebot für Menschen mit Behinderungen, sondern auch der stark zunehmenden Zahl älterer Menschen wird der Zugang zu den städtischen Angeboten im Internet erleichtert. Durch die Überarbeitung der Web-Seiten wird die Anwendung insgesamt verständlicher und besser bedienbar. Die Entwicklung ist außerdem zukunftsorientiert, weil damit die Voraussetzungen geschaffen werden, das städtische Internet-Angebot auch über mobile Kleingeräte wie Handys, Handhelds und PDAs nutzen zu können.



Finanzielle Auswirkungen

Langfristig ist die Entwicklung und Pflege der Seiten nach der Umstellung einfacher und damit wirtschaftlicher.



Beteiligte Stellen

L/OB-K

Vorliegende Anträge/Anfragen

GRDrs 363/2002 - Behindertengleichstellungsgesetz - Barrierefreies Verwaltungshandeln (SPD-Gemeinderatsfraktion)
GRDrs 82/2003 - Europäisches Jahr der Menschen mit Behinderungen zum Dritten (SPD-Gemeinderatsfraktion)
GRDrs 148/2004 - Barrierefreies Internet (CDU-Stadträte Dr. Löffler, Philipp, Ripsam)


Erledigte Anträge/Anfragen

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Klaus-Peter Murawski
Bürgermeister






Anlagen

Ausführliche Begründung


Nach Artikel 3, Abs. 3 Grundgesetz darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Deshalb will der Gesetzgeber mit dem Behindertengleichstellungsgesetz sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen als Bürger mit gleichen Rechten betrachtet und behandelt werden.

Am 1. Mai 2002 trat in Deutschland das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Bundesbehindertengleichstellungsgesetz – BGG) in Kraft. In § 11 wird speziell die barrierefreie Informationstechnik erwähnt. Dort wird gefordert, dass die Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltungen ihre Internet-Auftritte und grafischen Programmoberflächen technisch so gestalten, dass sie von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können.

Die technischen Standards hat die Bundesregierung in die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) gefasst, die am 17. Juli 2002 verabschiedet wurde. Die BITV regelt Prioritäten und Standards der inhaltlichen, technischen und redaktionellen Umsetzung barrierefreier Websites. Auf Bundesebene müssen alle Internet-Seiten bis Ende 2005 entsprechend dieser Verordnung gestaltet werden.

Auf Länderebene sind Anpassungen der Landesgesetze bzw. Verordnungen in Anlehnung an BITV geplant bzw. in Vorbereitung. In Baden-Württemberg liegt das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Landes-Behindertengleichstellungsgesetz – L-BGG) in der Entwurfsfassung vor.


Stand der Gleichstellungsgesetze auf Länderebene


In den folgenden Ländern ist bereits ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet worden (in chronologischer Reihenfolge):

LandGleichstellungsgesetzvom
BerlinLandesgleichberechtigungsgesetz Berlin (LBGB)17. Mai 1999
Sachsen-AnhaltGesetz für Chancengleichheit und gegen Diskriminierung behinderter Menschen in Sachsen-Anhalt (BGStG LSA)20. November 2001
Schleswig-HolsteinGesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen in Schleswig-Holstein (LBGG21. Dezember 2002
Rheinland-PfalzRheinland-Pfälzisches Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen (LGGBehM)04. Dezember 2002

BrandenburgGesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Brandenburg (BbgBGG)20. März 2003
BayernBayerisches Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen (BayBGG)09. Juli 2003
SaarlandSaarländisches Behindertengleichstellungsgesetz (SBGG)26. November 2003
Nordrhein-WestfalenBehindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen (BGG NRW)11. Dezember 2003
BremenBremisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze01. Januar 2004
SachsenGesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Freistaat Sachsen (SächsIntegrG)23. März 2004



Gesetzesentwürfe zu einem Landesgleichstellungsgesetz existieren in:

LandGleichstellungsgesetzStand
ThüringenEntwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen in Thüringen05.12.2000
NiedersachsenEntwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen in Niedersachsen02.09.2002
HamburgEntwurf für ein Hamburgisches Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen16.09.2003
HessenEntwurf eines Hessischen Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen08.06.2004
Baden-WürttembergEntwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg27.07.2004
Mecklenburg-VorpommernIn Mecklenburg-Vorpommern liegt der Landesregierung ein Vorschlag vor. Ob hieraus ein Gesetzesentwurf resultiert, ist noch nicht entschieden.

Den Punkt Barrierefreie Informationstechnik regelt im Gesetzesentwurf von Baden-Württemberg § 10 Barrierefreie mediale Angebote. Dort heißt es:

"Öffentliche Stellen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 gestalten ihre Internetauftritte und
-angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, im Rahmen
der technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Möglichkeiten so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Die Anforderungen zur barrierefreien Gestaltung orientieren sich an den Standards der Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung vom 17. Juli 2002 (BGBl. I S. 2654), in der jeweils geltenden Fassung."

Zwar soll das Gesetz nur unmittelbare Gültigkeit für den Bereich der Landesverwaltung haben. Kommunale Behörden und auch privatwirtschaftliche Unternehmen sind jedoch aufgefordert, dem Beispiel zu folgen.

Auch die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, ihren Internetauftritt www.stuttgart.de barrierefrei im Sinne der BITV zu gestalten. Dazu liegen auch entsprechende Gemeinderatsanfragen vor (s. vorliegende Anträge / Anfragen).

Als im Jahr 2000 der Internetauftritt neu konzipiert wurde, kamen Technologien zum Einsatz, die die heutigen Anforderungen an Barrierefreiheit nicht mehr erfüllen können. 2003 wurde stuttgart.de durch zwei externe Unternehmen auf seine Barrierefreiheit hin untersucht. Die Ergebnisse beider Untersuchung bescheinigten stuttgart.de in Teilen barrierefreie Elemente, die Anforderungen nach BITV sind jedoch nicht erfüllt.

Die Umsetzung ist im Rahmen von eGovernment Stuttgart geplant. Dazu waren im IuK-Maßnahmenplan 2004/2004 Mittel in der Höhe von insgesamt 140.000 € vorgesehen. Eine genaue technische Analyse und darauf aufbauende Angebote ergaben, dass die vorgesehenen Mittel für eine Umstellung nicht ausreichen werden. Dies ist im wesentlichen darin begründet, dass eine komplette Neugestaltung (Relaunch) notwendig ist, um die Barrierefreiheit konsequent und nachhaltig umsetzen zu können. Diese Maßnahmen beinhalten die Neugestaltung des Layouts, die Anpassung des Content Management Systems, das zur Pflege und Speicherung der Webseiten dient, umfangreiche redaktionelle Überarbeitung der rund 40.000 Seiten und die Erstellung von Bearbeitungs- und Gestaltungsrichtlinien für die rund 130 Web-Editorinnen und –Editoren in den Fachämtern, um langfristig die Barrierefreiheit des Angebotes sicherstellen zu können.

Insgesamt wird von einem Investitionsbedarf von rund 350.000 € ausgegangen. Da die Umsetzung der bisherigen eGovernment-Maßnahmen aus Restmitteln des stuttgart.de-Projektes bestritten wurden, werden keine Mittel benötigt, die über die für eGovernment bewilligten Mittel von rd. 1,2 Mio. € hinausgehen.


Merkmale und Vorzüge barrierefreier Internetauftritte

Das Internet war in der Vergangenheit ein vorrangig visuell ausgerichtetes Medium. Von Medienschaffenden wurde deshalb sehr hoher Wert auf die optische Erscheinung gelegt. Grafiken und Multimediaelemente dominierten. Die Nutzbarkeit und die Navigation waren und sind teilweise vor allem für Behinderte immer noch erheblich eingeschränkt.

Einige Kommunen reagierten früh auf diese Situation dadurch, dass sie parallel zu ihrem Standardauftritt eine reine Textversion als behindertengerechte Lösung anboten. Dies ist jedoch nicht mehr im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes. Nicht Sonderlösungen für die Gestaltung des Lebensumfeldes sind gefragt, sondern Lösungen, die von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden können. Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft.

Zunehmend wird erkannt, dass ein barrierefreies Internet für alle Bürgerinnen und Bürger, also auch für Menschen, die ohne körperliche Einschränkungen, Vorteile hat. Barrierefreie elektronische Medien unterstützen behinderte und ältere Menschen bei der Teilhabe am sozialen, beruflichen und kulturellen Leben. Eingeschränkte Fortbewegungsmöglichkeiten können durch virtuelle Mobilität teilweise kompensiert werden. Informationen und bisher nicht wahrnehmbare Dienstleistungen werden so leichter zugänglich.

Vier grundlegende Gestaltungsprinzipien gilt es beim Aufbau barrierefreier Webseiten zu beachten:

1. Wahrnehmbarkeit: Alle Inhalte müssen in einer für alle Nutzer wahrnehmbaren Form angeboten werden, mit Ausnahme von Inhalten, die nicht mit Worten ausgedrückt werden können.
2. Bedienbarkeit: Alle Bedienelemente im Inhalt (z. B. Navigationsbuttons) müssen von allen Anwendern bedienbar sein.
3. Verständlichkeit: Inhalte und Bedienelemente müssen so einfach und verständlich wie möglich sein. Das gilt insbesondere auch für die Beschreibung von Verwaltungsdienstleistungen.
4. Technologische Robustheit/Nachhaltigkeit: Es sollten Web-Techniken zum Einsatz kommen, die auf die Inhalte mit möglichst vielen heutigen und zukünftigen barrierefreien Zugangstechniken zugreifem lassen.


Wichtige Elemente einer barrierefreien Internet-Seite nach BITV sind:

· Weitgehender Verzicht auf sog. Frames, d. h. eigenständig navigierbare Fenster einer Webseite
· Grafiken, Bilder, Formularfelder und sonstige Nicht-Text-Elemente sind mit einem kurzen beschreibenden Text (“alt-tag”) hinterlegt. Damit können sie von sog. Screenreadern vorgelesen und inhaltlich von Sehbehinderten erfasst werden.
· Schriften und Zeichen lassen sich in der Größe variieren
· Farben und Farbschemata lassen sich verändern zur Erhöhung bzw. Veränderung von Kontrasten bei Farbfehlsichtigkeit.
· Verwendung einer möglichst einfachen und klaren Sprache
· Klare Strukturierung der Inhalte
· Verzicht auf Tabellen als Gestaltungselemente
· Konsistente Präsentation und Navigation
· Trennung von Inhalt und Layout

Die letzten beiden Punkte sind bereits heute in www.stuttgart.de realisiert, soweit die Richtlinien des Styleguides eingehalten wurden. Grundlage dafür ist das Content Managementsystem (CMS) infopoolBS. Diesem liegt als Datenbank zur Speicherung der Daten Oracle zugrunde. Die Eingabe der Daten, deren Speicherung und Verwaltung, die Art der


Visualisierung, deren logische Verknüpfung sowie die Zugriffs- und Rechteverwaltung werden über infopoolBS gesteuert.

Das CMS muss die Pflege und Laufendhaltung eines Internet-Angebotes systemseitig und regelbasiert unterstützen. Die Aufzählung der Funktionen eines solchen Systems verdeutlicht, dass an verschiedenen Stellen Entwicklungen notwendig sind, um eine konsequente und nachhaltige Lösung sicherzustellen. Zum Beispiel darf es künftig systemseitig nicht mehr möglich sein, ein Bild oder eine Grafik ins Netz zu stellen, wenn diese keinen Alternativtext aufweist. Oder jedes Layoutschema (Template) muss so gestaltet sein, dass die Daten und Texte, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingepflegt werden, den Anforderungen der BITV entsprechen.

Nach Abschluss der Arbeiten ist beabsichtigt, die Barrierefreiheit nach BITV über ein Testat bescheinigen zu lassen. Derzeit existiert dafür noch kein normiertes Verfahren, jedoch ist damit zu rechnen, dass bis Ende 2005 entsprechende Zertifikate erworben werden können.