Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
162
-
VerhandlungDrucksache:
-
GZ:
KBS
Sitzungstermin: 17.05.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BMin Dr. Eisenmann
Berichterstattung:die Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Akademie für Darstellende Kunst (Theaterakademie)
- mündliche Anfrage von StR Sauer (CDU) -

Dieser Tagesordnungspunkt wurde aufgrund eines mündlichen Antrages von StR Sauer (CDU) auf die Tagesordnung gesetzt.

StR Sauer (CDU) nimmt einführend Bezug auf einen in der letzten Woche erschienenen Artikel in den Stuttgarter Nachrichten mit der Überschrift "Ringen um die Konzeption und den Standort der Akademie für Darstellende Kunst". Es handle sich um ein altes Thema. Unter der Ägide von Ministerpräsident Lothar Späth habe man von der Theaterakademie gesprochen. Dieser kulturpolitische Dauerbrenner könne von seiner Bedeutung für die Landeshauptstadt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zu den wichtigsten Fragen liefere aber der Zeitungsbericht keine Antworten. Da die Zeit dränge, wolle er folgende Fragen an die Verwaltung richten:

- War bzw. ist die Stadt in die Planungen für die neue Akademie eingebunden?
- Gibt es Vorbehalte bei den beteiligten Hochschulen und deren Gremien und wenn ja, wie lauten diese?
- Wo soll die Leitung dieser Akademie angesiedelt werden?

Zur letzten Frage merkt er an, da zwei der drei Kooperationspartner für diese Akademie in Stuttgart angesiedelt seien, müsse doch eigentlich klar sein, wo deren Leitung angesiedelt gehört. Sorge bereite die auch im Zeitungsbericht angesprochene Thematik der Experimentierbühne. In diesem Zusammenhang erinnert er an das Wilhelmatheater. Dies sei die Probebühne für die Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Sollte die Hochschule Teile an Ludwigsburg abgeben müssen, wäre dies nicht zum Vorteil des Wilhelmatheaters.

Von StRin Wüst (SPD) wird nachgefragt, inwieweit die Stadtverwaltung bereits mit den Hochschulen und dem Land gesprochen hat bzw. was seitens der Landeshauptstadt für diese neue Akademie angeboten wird. Die Landeshauptstadt sei für diese Akademie gut aufgestellt.

Nachstehend sind die Ausführungen von BMin Dr. Eisenmann im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben:

"Sie beziehen sich auf einen Artikel, der letzte Woche am Freitag erschienen ist. Die Entwicklung, die wir beim Thema Akademie für Darstellende Kunst haben kann uns definitiv nicht zufrieden stellen. Die Stadt Stuttgart war in diese Überlegungen gar nicht eingebunden. Ich habe am 20.02.06 erstmals den Ministerpräsidenten angeschrieben mit der Bitte, uns einzubinden. Die Planungen für diese Akademie laufen beim Staatsministerium. Es gibt jetzt aktuell einen Brief des Oberbürgermeisters an den Ministerpräsidenten, gleichfalls mit der Bitte, uns in diese Planungen und Überlegungen mit einzubinden. Dieser Brief ist sehr ausführlich und sehr detailliert in der Darstellung. Ich würde Ihnen anbieten, wenn Sie Interesse haben, dass ich dem Verwaltungsausschuss den Brief, sofern der OB einverstanden ist, wo ich keine Sorge habe, zur Verfügung zu stellen.

Also erstens, wir waren bisher nicht eingebunden. Und das ist natürlich angesichts der Tatsache, dass - wie der Herr Sauer zu Recht sagt - im wesentlichen Einrichtungen der Stadt Stuttgart betroffen sind, schon etwas ungewöhnlich. Um was geht es denn? Es soll, diesen Grundsatzbeschluss gibt es seitens der Landesregierung von vor einigen Jahren, eine Theaterakademie entwickelt werden. Viel mehr gab es eigentlich nicht. Was jetzt das Problem ist, sind die konzeptionellen Überlegungen zur Umsetzung. Und mit denen muss man sich schon, mit Verlaub, befassen.

Wir haben in Stuttgart eine Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Diese Darstellende Kunst in dieser Hochschule hat eine Schauspielausbildung neben anderen Dingen wie Sprecherziehung etc. und bespielt dafür an 80 Abenden seit vielen Jahrzehnten in Absprache mit dem Land das Wilhelma-Theater. Das ist sozusagen die Bühne dieser Schauspielschule. Diese Schauspielschule ist direkt angedockt, auch personell, an die Hochschule für Darstellende Kunst. Dort sitzen Professoren, die ergänzt Ausbildung bieten und eben auch diesen Schauspielbereich. Das ist der erste Teil. Dieser Teil soll ungefähr 70 bis 80 % dieser neuen Akademie ausmachen. Ein kleinerer Teil kommt aus der Kunstakademie oben vom Weißenhof, wo es um die Frage geht der gestalterischen Bühnentechnologie, also sprich, wie muss Bühnentechnik aussehen. Das ist der zweite Teil, der aus Stuttgart kommt. Somit soll eine Größenordnung von rund 85 % dessen, was die inhaltliche Ausgestaltung dieser Akademie angeht, von Stuttgarter Hochschuleinrichtungen kommen. Ergänzt werden soll dieses - und das ist das Neue an diesem Konzept, und das Konzept selber finde ich gar nicht schlecht - mit der Filmakademie Ludwigsburg in der Frage Schauspiel nur Bühne oder Technik auch in dem Bereich Film etc. Also sprich eine Erweiterung.

Was jetzt das Problem ist, ist, dass die Ansiedlung, Herr Sauer, des Personals dieser Akademieleitung - und das Personal ist nicht wenig, wir reden von einer Größenordnung von fast 6 festen Stellen, die dafür geschaffen werden sollen - soll in Ludwigsburg angesiedelt werden. Das Zentrum der Akademie für Darstellende Kunst, so heißt es jetzt, soll nach Ludwigsburg gehen. Und die Bereiche, die in Stuttgart davon betroffen sind, werden Ludwigsburg zugeordnet werden. Das ist für die Hochschule für Darstellende Kunst und Musik ganz einschneidend. Es liegt übrigens - und ich äußere die Befürchtung in aller Offenheit - wenn Sie sich die Gesamtkonzeption im Detail anschauen, schon sehr auf der Hand, dass das, was heute als Akademie für Darstellende Kunst beginnt, mittelfristig eine Hochschule für Darstellende Kunst in Ludwigsburg sein soll. Anders ist die Konzeption - und die Landesstiftung gibt immerhin erst mal eine Anschubfinanzierung von 10 Mio. € da rein - ist angesichts dessen, was sonst gefördert wird in welcher Höhe von der Landesstiftung auch eine nicht zu unterschätzende Summe, wenn ich das mal so offen sagen darf. Und der kleinere Teil ist natürlich dann das, was auch von der Akademie nach Ludwigsburg gehen soll.

Die bisherige Andockung, die übrigens glänzend funktioniert hat, der Schauspielausbildung mit den ergänzenden Ausbildungsbereichen bei der Hochschule für Darstellende Kunst durch den dort angesiedelten Professorenstamm wird aufgehoben, es wird keine direkte Zuordnung mehr an diese Hochschule geben, sondern es geht nach Ludwigsburg. Und Ludwigsburg hat dann auch die Möglichkeit, auf gewisse Bereiche der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik sowie auf die Akademie Weißenhof zurückzugreifen. Das Ganze wird noch ergänzt dadurch, dass es eine Experimentierbühne geben wird in Ludwigsburg zur Bespielung. Bei allerdings nicht erhöhten Sachmitteln, d. h. jetzt plötzlich muss dieses Konstrukt, das im Wesentlichen jetzt nach Ludwigsburg verlagert wird, mit den gleichen Mitteln zwei Bühnen bespielen - unser Wilhelma-Theater und die Experimentierbühne. Ich glaube, Sie teilen meine Einschätzung, dass das Anlass zur Skepsis gibt, wie das Wilhelma-Theater, das ist ein Teil der Gesamtdiskussion, tatsächlich in Zukunft welche Platzierung erfahren soll. Mir geht es, aber auch dem
Oberbürgermeister ganz zentral um die Frage, wie entwickelt sich der Hochschulstandort Stuttgart in genau dieser Frage? Und da läuft, mit Verlaub, etwas schief.

Und, Frau Wüst, wir hatten überhaupt keine Chance, mal anzubieten. Wir wurden überhaupt nicht gefragt, inwieweit wir Räume oder ähnliches zur Verfügung stellen können. Und da will ich Ihnen eines sagen: Wir haben ja auch eine sehr enge Vernetzung dieser Schauspielausbildung an der Hochschule für Darstellende Kunst mit örtlichen Einrichtungen: Akademie für das gesprochene Wort, Schauspiel, Württembergisches Staatstheater - da haben wir übrigens auch Experimentierbühnen -, Theater im Depot - da wurde niemals gefragt, wie kann man dieses einbinden. Deshalb muss ich sagen, dass die Fragen, inwieweit Standortfragen Stuttgarts und hier Vorhandenes - übrigens in der Regel schon finanziert mit Landesmitteln, deshalb kann ich mich halt nur wundern - tatsächlich eingebunden wird. Da kann ich Ihnen sagen: gar nichts. Es geht nach Ludwigsburg, es soll dort was Neues gemacht werden. Und klar ist eins: Wenn ich dort etwas in dieser Größenordnung und mit diesem Finanzvolumen entwickle, dass das natürlich letztendlich zum Nachteil der Vernetzung hier am Standort geht, das ist, glaube ich, keine Unterstellung, sondern das ist eine Tatsache, die ganz logisch ist.

Auch der OB hat in seinem Schreiben deutlich gemacht, uns geht es nicht drum, dass wir diese Theaterakademie verhindern wollen. Aber wir haben folgende Faktoren aufgeworfen: Zum einen wollen wir, dass die Leitung dieser Theaterakademie weiterhin angedockt wird an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, dass im Grunde die Strukturen, die bisher bewährt zusammengearbeitet haben, weiter bleiben. Wenn die Experimentierbühne in Ludwigsburg kommen soll, dann müssen sie sehen, wie man das bespielt mit dem Wilhelma-Theater. Das ist sicher nicht ganz einfach. Aber wir wollen, dass im Grunde das Zentrum, die Gestaltung hier aus Stuttgart kommt, wie es in den letzten Jahren auch erfolgreich funktioniert hat. Und wir wollen schon, dass natürlich die Strukturen, die es hier vor Ort gibt - meistens gemeinsam gefördert von Stadt und Land - nicht über Bord geworfen werden. Weil eins auch klar ist, die Landesstiftung finanziert gerne an. Wie es dann weitergeht, da bin ich auch gespannt. Das ist natürlich dann auch eine Frage, wo das Land sich fragen lassen muss, hat es denn tatsächlich so viele Haushaltsmittel, dass diese Dinge, die jetzt angestoßen werden - festes Personal, neue Bühne etc. – nachher tatsächlich fresh money bringen. Das bezweifle ich eher angesichts der berechtigten Vorgaben in der Haushaltskonsolidierung durch die Landesregierung. Oder sind das nachher Dinge, die aus dem Kulturetat des Landes finanziert werden, was dann auch wieder zu Lasten bestehender Einrichtungen geht, weil auch das Land Geld nicht unendlich vermehren kann.

Das Land hat sich schon ein wenig - um im Fußballjargon zu bleiben - verdribbelt. Es gibt Beschlüsse der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik, des dortigen Senats, die ganz klar sagen, prinzipiell ist es in Ordnung, dieses anzugehen, aber bitte die personelle Verankerung und die personelle Bindung an die Hochschule für Darstellende Kunst und Musik in Stuttgart muss weiter gewährleistet werden. Also im Grunde analog zu dem, was wir auch wollen. Das ist die Bedingung, die der Senat mit 1 Gegenstimme, ansonsten also einmütigst festgelegt hat. Und über diesen Beschluss kann man sich natürlich auch im Hinblick auf die Hochschulautonomie nicht ganz hinweg setzen. Und der Hochschulrat der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik, der ja auch noch gefragt wird, wird in gleichem Maße - mit Sicherheit, ich kenne die Diskussion, ich bin dort selbst Mitglied - die Diskussion in gleichem Maße unterstützen und den Senatsbeschluss bestärken. Und die Hochschule für Darstellende Kunst und Musik hier in Stuttgart ist am stärksten betroffen. Deshalb muss man sie auch ernst nehmen.

Wir machen uns, der OB und wir versuchen, es gibt jetzt auch in den nächsten Tagen ein Gespräch des Oberbürgermeisters mit dem Ministerpräsidenten auch zu diesem Thema, aber es ist schon die herzliche Bitte, dass Sie unser Vorgehen in dieser Form unterstützen. Wir sind so nicht einverstanden, und wir sehen, dass ganz zentrale Punkte aus Stuttgart abgezogen werden sollen, nach Ludwigsburg verlagert werden sollen. Das hat kurz-, mittel- und langfristig entscheidende Auswirkungen auf den Hochschulstandort hier und vor allem auch auf den Kulturstandort. Und da halte ich es für angemessen, den sehr konkreten Wunsch an die Landesregierung zu äußern, hier mit eingebunden zu werden. Wir arbeiten konstruktiv mit, und selbstverständlich ist auch die Stadt Stuttgart bereit, sich dann auch zu engagieren, wenn das überhaupt gewünscht wird. Aber wir würden gern mal so weit kommen, dass wir überhaupt gefragt werden, welche Möglichkeiten wir hier bieten könnten. Und dass das nicht im Grunde über unsere Köpfe, vorbei an uns in enger Abstimmung mit anderen Partnern geschieht. Die Situation ist verfahren, da gibt es dringenden Handlungsbedarf, bevor Fakten geschaffen werden, die uns in unserem Sinne einfach nicht befriedigen können. So viel zum Sachstand. Wir arbeiten, wie gesagt, mit Hochdruck dran und können Ihre Unterstützung dringend brauchen."

Für StR Kanzleiter (SPD) ist es unabdingbar, dass bei dieser Angelegenheit seitens der Landeshauptstadt eine kämpferische Haltung eingenommen wird. Er bittet bis zur Sitzung des morgigen Ältestenrates eine Resolution vorzubereiten, welche dann in der morgen Nachmittag stattfindenden Gemeinderatssitzung beschlossen werden kann. Dies findet die Unterstützung von StR Kugler (90/GRÜNE).

Seitens der Vorsitzenden wird betont, mit dem Vorgang habe sich das Landeskabinett noch nicht befasst. Zur Herstellung einer breiten Basis sei eine Resolution ein guter Vorschlag. In punkto Stil beim Umgang des Landes mit der Landeshauptstadt sieht StR Sauer (CDU) Nachbesserungsbedarf beim Land. Auch seine Fraktion werde eine Resolution unterstützen. Stuttgart dürfe weder als Hochschulstandort noch als Kunstmetropole geschwächt werden. Er bedankt sich bei der Vorsitzenden für ihren kämpferischen und engagierten Vortrag.

Nachdem von StRin Wüst (SPD) ein dynamischerer Umgang seitens des Oberbürgermeisters mit solchen Vorgängen gefordert wird, hebt BMin Dr. Eisenmann hervor, die Stadt Ludwigsburg sei seitens des Landes schon seit langem eng eingebunden. Nur wenn man eingebunden sei, könne auch eine inhaltliche Beteiligung erfolgen. Seitens der Stadt Ludwigsburg stehe noch ein Beschluss über eigene Investitionen aus. Sie zeigt sich überzeugt, dass beim zur Beratung anstehenden Thema der Ministerpräsident korrigierend eingreifen wird.


Mit der Zusage, zum morgigen Ältestenrat einen Resolutionstext vorzubereiten, schließt BMin Dr. Eisenmann, ohne dass sich Einwendungen erheben, diesen Tagesordnungspunkt ab.