Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB 0352-01
GRDrs 90/2008
Stuttgart,
07/10/2008



Zukunft der Bezirksämter



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuss
Verwaltungsausschuss
Gemeinderat
Einbringung
Beratung
Beschlussfassung
nicht öffentlich
öffentlich
öffentlich
16.07.2008
15.10.2008
16.10.2008



Beschlußantrag:

1. Von der Konzeption zur „Zukunft der Bezirksämter“ (Anlage 1) wird zustimmend Kenntnis genommen.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, zur Weiterentwicklung und Stärkung der Bezirksämter die Voraussetzungen zur Realisierung folgender Maßnahmen zu schaffen: 3. Die Verwaltung wird ermächtigt, für die Bezirksämter Münster, Obertürkheim, Wangen, Hedelfingen, Stammheim und Botnang, außerhalb des Stellenplans 2,6 Vollzeitkräfte bis BesGr. A10 bzw. EG 9 zur Entlastung der BV von administrativen/sach-bearbeitenden Aufgaben sofort einzustellen.
4. Die Untersuchungen der Rentenstellen (Haushaltsberatungen 2004/2005) und der Bezirksstandesämter (Haushaltsberatungen 2006/2007) mit dem Ziel, Einsparungen zu erzielen, werden nicht mehr weiterverfolgt.

5. Zur Förderung von Initiativen in den Stadtbezirken, die bisher nicht durch die Budgets der Bezirksbeiräte gefördert werden konnten, werden im Haushalt 2009 zusätzlich 150.000 € außerplanmäßig bei der Finanzposition 1.0520.6200.000 – eigene kulturelle Veranstaltungen - bereitgestellt unter gleichzeitiger Sperrung dieses Betrages bei der Finanzposition 1.9140.8500.000 - Deckungsreserve -. Ab 2010 werden diese Mittel planmäßig im Haushalt eingestellt. Zum Doppelhaushalt 2010/2011 berichtet die Verwaltung über die Mittelverwendung des Budgets.

6. Die Verwaltung wird beauftragt, über den Stand der Umsetzung der unter Beschlussziffern 2b und c genannten Punkte im 1. Halbjahr 2009 zu berichten und die voraussichtlichen Kosten darzustellen.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Zu Ziffer 1 des Beschlussantrags:

Das vom Gemeinderat 1998 beschlossene Konzept (vgl. GRDrs. 266/1998) mit den für die Bezirksämter getroffenen Festlegungen stellt die Ausgangsbasis für die Weiterentwicklung der 17 Bezirksämter dar.

Insbesondere sind dies:
- Entwicklung der administrativen Aufgaben zu einem Bürgerservice vor Ort
- Wahrnehmung einer Mittlerfunktion zwischen Verwaltung und Gemeinderat durch die Bezirksvorsteher/innen (BV)
- Förderung bürgerschaftlicher Aufgaben, vor allem des ehrenamtlichen Engagements vor Ort


Zu Ziffer 2a des Beschlussantrags:

Zukünftig werden sich die BV neuen Anforderungen gegenüber sehen. Zu den bisherigen Aufgaben in den Bezirksämtern werden die BV verstärkt die Rolle als erster Ansprechpartner, als Lotse und als Stadtbezirksmoderator für sämtliche Anliegen der Bürgerschaft, Unternehmen, Wirtschaft, Vereine, Kirchen, Behörden und Stadtverwaltung sein, soweit diese sich nicht auf direktem Wege an die Dienststellen der Stadtverwaltung wenden. Dazu ist es notwendig, dass die BV alle Anträge, Anfragen und Anregungen der Bürgerschaft entgegennehmen können und diese umgehend an die sachbearbeitenden Stellen innerhalb der Stadtverwaltung zur Erledigung weiterleiten. Bei Anliegen von Unternehmen und der Wirtschaft unterstützen sich die BV und die Stabsabteilung Wirtschaftsförderung (OB/82) gegenseitig.

Der BV ist weiterhin für den Erfolg innovativer Konzepte wie „Demografischer Wandel“ mit den Teilprojekten „Der Stuttgarter Generationenvertrag“ und „Stadtbezirksansatz – Demografischer Wandel in den Stadtteilen“ mitverantwortlich. Die neue Definition der Rolle der BV ist auch auf die ehrenamtlichen BV in dem Maße übertragbar, wie sie durch das ehrenamtliche Engagement abgedeckt werden kann.

Wirkungsvoll können die neuen Aufgaben nur dann wahrgenommen werden, wenn Rahmenbedingungen angepasst werden. Dazu gehören:
- Festlegung von Bearbeitungsgrundsätzen zwischen Bezirksämtern und anderen städtischen Ämtern durch interne Verwaltungsvorschriften
- Gewährleistung einheitlicher Öffnungszeiten und Sicherstellung der Dienstleistungsangebote im Bezirksrathaus.
In diesem Zusammenhang wird den BV zukünftig die Steuerung des Personaleinsatzes für alle in den Bezirksrathäusern unter dem Dach des Dienstleistungsangebots Bürgerservice Stuttgart (vgl. Anlage 2) tätigen Mitarbeiter/-innen übertragen und in einer entsprechenden Organisationsverfügung festgelegt. Bis auf diese Personaleinsatzsteuerung vor Ort bleibt die Dienst- und Fachaufsicht unberührt. Die Personaleinsatzsteuerung gilt nicht für Mitarbeiter/-innen des JobCenters Stuttgart.
Zu Ziffer 2b des Beschlussantrags: One Stop Government als Ziel bezeichnet in diesem Zusammenhang das Bezirksrathaus als die eine Anlaufstelle für alle Verwaltungsangelegenheiten. Hierzu bedarf es einer umfassenden informationstechnischen Unterstützung. Dies gilt für die Auskunft und Antragsannahme im direkten Bürgerkontakt (Front Office) sowie die Weiterleitung und Bearbeitung von Anträgen auf der Sachbearbeiterebene (Back Office). Es ist angestrebt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bürgerservice Stuttgart mit
Hard-, Software und technischer Infrastruktur so auszustatten, dass sie mittelfristig jedes Bürgeranliegen informationstechnisch weiterverarbeiten können.

Die Konzeption und Umsetzung von One Stop Government sind inhaltlich und zeitlich eng mit der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie verknüpft. Ergebnisse aus dieser Projektarbeit können unmittelbar in die informationstechnischen Maßnahmen in den Bezirksrathäusern einfließen. Für die Richtlinie müssen die wesentlichen Entwicklungen im Dezember 2009 abgeschlossen sein.


Zu Ziffer 2c des Beschlussantrags:

Ziel zur Bereitstellung einer einheitlichen Bürgerservice-Telefonnummer ist es, Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu erleichtern. Problematisch aus Sicht der Bürgerschaft sind die Vielzahl der unterschiedlichen Telefonnummern und damit verbunden die Erschwernis an die zuständige Stelle zu gelangen. Auf Bundesebene soll das Bürgertelefon mit der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 115 - vergleichbar mit den Notrufnummern 110 und 112 - eingerichtet werden. Die Idee dabei ist bestechend einfach: Bürgerschaft und Unternehmen erhalten über eine einzige, leicht merkbare Rufnummer direkten Zugang zu allen öffentlichen Diensten – unabhängig von den Verwaltungsebenen und –zuständigkeiten. Angelehnt an die Idee der 115-Nummer soll für die Stadt Stuttgart zunächst für die äußeren Stadtbezirke je eine einheitliche Bürgerservicenummer eingerichtet werden. Dazu ist erforderlich, dass die Verwaltung ein Konzept zu Themen wie Qualitätsanforderungen, Wirtschaftlichkeit, Datenschutz, barrierefreier Zugang, Geschäftsmodell, Personal, Ausbildung und Schulung sowie organisatorische und technische Realisierungsstandards erstellt. Die Verwaltung wird schnellstmöglich die unter Ziffer 2b und c genannten Maßnahmen konkretisieren und die Umsetzung voranbringen, wobei die eingeleiteten Maßnahmen ständig durch regelmäßig stattfindende Dienstbesprechungen der BV mit Referat AK sowie durch meine Besprechungen mit den leitenden Mitarbeitern/innen der Stadtverwaltung reflektiert und ggf. angepasst werden.


Zu Ziffer 3 des Beschlussantrags:

Die Bezirksämter mit einer Stellenausstattung von bis zu 5 Planstellen haben bereits heute Schwierigkeiten, den derzeitigen Aufgabenumfang mit der bestehenden Stellenausstattung zu bewältigen. Die Entwicklung der BV zu ersten Ansprechpartnern, Lotsen und Stadtbezirksmoderatoren erfordert im Blick auf die in diesem Zusammenhang auf sie zukommenden Managementaufgaben eine weitgehende Entlastung von administrativen/sachbearbeitenden Aufgaben. Die Verlagerung dieser administrativen/sachbear-beitenden Aufgaben kann im Umfang von 30 bis 50 % auf deren Stellvertreter/innen erfolgen. Dies führt wiederum dazu, dass die Stellvertreter/innen ebenfalls Teile ihrer bisherigen administrativen/sachbearbeitenden Aufgaben auf den nachgeordneten Sachbearbeiterbereich übertragen müssen. In der Konsequenz sind am Ende „der Kette“ insgesamt 2,6 zusätzliche Stellen erforderlich.

Aus der nachfolgenden Tabelle ergibt sich, in welcher Größenordnung zusätzliche Stellenanteile für die einzelnen Bezirksämter erforderlich sind:

Bezirksamt (mit Einwohnerzahl zum 31.12.2007)


1
Stellen im Bezirksamt
(Stellenplan 2008)



2
Stellenanteil stv. BV für Stellvertretungs-
aufgaben der BV


3
Zusätzl. Stellenbedarf zur Gewährleistung 100% Entlastung der BV von administrativen/
sachbearbeitenden Aufgaben
              4
Münster (6.486)3,50,50,5
Obertürkheim (8.271)4,5 (ohne 0,2 Hausmeister)0,50,5
Wangen (8.711)4,850,50,5
Hedelfingen (9.320)3,5 (ohne 0,4 Hausmeister)0,70,3
Stammheim (12.174)4,50,60,4
Botnang (13.631)5,0 (ohne 0,8 Hausmeister)0,60,4
Summe:
3,4 Stellen
Summe:
2,6 Stellen

Die Schaffung der Stellenanteile in BesGr. A 10 ermöglicht den BV eine Beschäftigung von Mitarbeiter/innen bis BesGr. A 10 bzw. Entgeltgruppe 9.


Zu Ziffer 4 des Beschlussantrags:

Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2004/2005 (1. Lesung) wurde die Verwaltung beauftragt, den Aufgabenbereich der Sozialversicherung (Rentenstellen) im Rahmen einer Aufgabenkritik (vgl. GRDrs 1053/2003) insbesondere hinsichtlich der Stellenausstattung aufgrund eines Städtevergleichs näher zu untersuchen.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2006/2007 wurde die Verwaltung weiter beauftragt, über Kostenreduzierungsmöglichkeiten bei den Bezirksstandesämtern zu berichten.

Beide Untersuchungen wurden insbesondere wegen der vorliegenden Anträge (Nr. 31/2006 Freie Wähler, Rentenberatung in den Bezirksämtern, Nr. 205/2006 SPD- Gemeinderatsfraktion, Zukunft der Bezirksämter) nicht abgeschlossen. Die Verwaltung schlägt vor, beide Untersuchungen nicht fortzusetzen, um den derzeitigen Bearbeitungsstandard und die derzeitige Bearbeitungsqualität in Renten- und Standesamtsangelegenheiten für die Bürger/innen aufrechtzuerhalten und nicht einzuschränken.


Zu Ziffer 5 des Beschlussantrags:

Seit 1999 wird den Bezirksbeiräten ein Budget in Höhe von 305.000 € zur „Förderung bürgerschaftlicher Initiativen aller Art mit Stadtteil- oder Stadtbezirksbezug" zur Verfügung gestellt (GRDrs. 266/1998). Die bereitgestellten Mittel werden weitgehend ausgeschöpft, bzw. sind durch entsprechende Zusagen oder konkrete Planungen (Ansparung für größere Projekte) gebunden.

Auf der anderen Seite konnten und können verschiedene Initiativen und Projekte, die aus der Sicht der Bezirksbeiräte unterstützenswert wären, bisher nicht gefördert werden. Diese sind insb. Projekte zu den Themen Demographie, Integration, kinderfreundliche Stadtbezirke, Lokale Agenda etc. Für 2009 werden auf dieser Haushaltsstelle 150.000 € außerplanmäßige Mittel zusätzlich bereitgestellt. Diese zusätzlichen Mittel werden entsprechend der Einwohnerzahl auf die Stadtbezirke verteilt und sind nicht zweckgebunden. Ab dem Haushaltsjahr 2010 werden diese Mittel dann planmäßig im Haushalt eingestellt. Zu den entsprechenden Haushaltsplanberatungen berichtet die Verwaltung über die Mittelverwendung des Budgets.

Finanzielle Auswirkungen

Durch die Schaffung von 2,6 Stellen entstehen jährliche Arbeitsplatzkosten in Höhe von ca. 200.000 €.

Zur Förderung von Initiativen in den Stadtbezirken werden im Haushalt 2009 zusätzlich 150.000 € außerplanmäßig bei der Finanzposition 1.0520.6200.000 bereitgestellt.


Beteiligte Stellen

Die Vorlage wird nach der Einbringung im Verwaltungsausschuss in den Bezirksbeiräten vorberaten.

Vorliegende Anträge/Anfragen

31/2006 FW - Rentenberatung in den Bezirksämtern
205/2006 SPD - Zukunft der Bezirksämter und
308/2006 CDU - Bürokratieabbau (one-stop-agency)

Die Verwaltung betrachtet damit die v.g. Anträge als erledigt.





Dr. Wolfgang Schuster

Anlagen

2
Anlage 1 zur GRDrs 90/2008


Konzept „Zukunft der Bezirksämter“


1. Ausgangssituation

Als notwendige und sinnvolle Ergänzung der Verwaltungsreform hat der Gemeinderat im Oktober 1998 beschlossen, dass die Bezirksämter stellenneutral zum Bürgerservice Stuttgart ausgebaut werden. Der Bürgerservice Stuttgart umfasst derzeit die Aufgaben

- des Standesamts
- des Bürgerbüros mit seinen 56 Dienstleistungen
- der Bürgerinformation mit dem Bürgerkiosk (allgemeine Online-Auskünfte zur Stadtverwaltung)
- des Bürgerservice Soziale Leistungen. Dazu gehören Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII, der Rentenstellen, dem Wohngeldgesetz sowie Leistungen für Leben im Alter, Rat und Hilfe in allen Fragen des Alters.

Eine detaillierte Übersicht der Leistungen des Bürgerservice Stuttgart in den 23 Stadtbezirken ist als Anlage 2 beigefügt.

Das vom Gemeinderat 1998 beschlossene Konzept für die Bezirksämter mit der Aufgabentrias
- Anbieten von Dienstleistungen in Form eines „Bürgerservice vor Ort“
- Förderung bürgerschaftlicher Aufgaben, vor allem des ehrenamtlichen Engagements vor Ort
- Begleitung politischer Entscheidungsprozesse durch den Bezirksbeirat
hat sich bewährt. Es ist im Blick auf die neuen Anforderungen weiterzuentwickeln.


2. Ist-Analyse Die Stadt Stuttgart steht mit ihren Bemühungen um eine bürgerfreundlichere Stadtverwaltung bundesweit mit an der Spitze. Der dezentrale Service unserer Stadtverwaltung stellt ein „Alleinstellungsmerkmal“ gegenüber allen anderen Großstädten der Republik dar. Dezentralität ist vor allem Bürgerorientierung und darf nicht allein unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet werden.

Die dezentrale Struktur ist Grundlage für die Verbundenheit der Bürgerschaft mit ihrer Stadt und deren vielfältigen Aufgaben und Maßnahmen, insbesondere im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Sie ist auch Grundlage für erfolgreiche Kriminalprävention, sowie für Sicherheit und Sauberkeit der Stadt. Sie bietet u.a. auch Anknüpfungspunkte für die Erfolg versprechende Umsetzung innovativer Konzepte wie demografischer Wandel mit den Teilprojekten „Der Stuttgarter Generationenvertrag“ und „Stadtbezirksansatz - Demografischer Wandel in den Stadtteilen“.

Außerdem ist die Bezirks(amts)struktur eine gute Voraussetzung für ein Konzept des „Multi-Kanal-Zugangs“ beim One Stop Government Stuttgart. Dieses Konzept, wie das
Konzept des Bürgerservice Stuttgart setzen auf die sog. „Front-Office Front Office: Schnittstelle zwischen Bürgerschaft, Unternehmen, Wirtschaft, Vereine etc. mit Stadtverwaltung-/Back-Office Back Office: Wahrnehmung der Fachaufgaben ohne direkte Bürgerbeteiligung-Struktur“. Der erste Ansprechpartner – in diesem Fall der BV – soll die Funktionen eines Front-Office wahrnehmen, als Mittler, Vermittler, Unterstützer. Informationspflichten nimmt der BV vielfach schon heute wahr, z.B. zum Stand von Verwaltungsverfahren, zu Zuständigkeiten, Rechtsbehelfen und zu den in vielen Bürgerangelegenheiten beratenden Institutionen. Dabei ist Fakt, dass „Back-Office-Aufgaben“ künftig intensiver von den Fachämtern und Zentralämtern wahrgenommen werden müssen, damit die dezentralen Dienstleistungseinheiten in ihren „Front-Office-Aufgaben“ mehr, bessere und schnellere Unterstützung erfahren. Eine Ausweitung der Dienstleistungen des Bürgerservice Stuttgart ist derzeit nicht vorgesehen, da sie weder zur Stärkung der Bezirksämter noch des BV notwendig ist.

Die Rolle und die Aufgaben der BV sind in der Hauptsatzung und ergänzend in der Ausgangsvorlage 266/1998 beschrieben. Im Zuge neuer Herausforderungen, die auf die Städte zukommen, wie durch die Agenda i2010 der Bundesregierung (Überprüfung aller Dienstleistungen auf ihre eGovernment-Fähigkeit und Umsetzung) und aufgrund des demografischen Wandels ist ggf. eine weitere Anpassung und Weiterentwicklung der Aufgabenstellung des BV und der Bezirksämter notwendig.

Weiterer Handlungsbedarf wird gesehen im Blick auf die Terminvergaben für alle Dienste im Bezirksrathaus und in der Definition einheitlicher Begriffe (Bsp. Bürgerservice, dezentraler Bürgerservice als Bürgerbüro, Bürgerservice Soziale Leistungen, Bürgerservice Leben im Alter, Bürgerservice Bauen, Bürgerinformation sowie Stadtteilbüros, usw.). 3. Sollvorschlag

3.1. Die BV sollen künftig

a. erste Ansprechpartner sein für sämtliche Anliegen der Bürgerschaft, Unternehmen, Wirtschaft, Vereine, Kirchen, Behörden und Stadtverwaltung, soweit diese sich nicht auf direktem Wege an die städtischen Dienststellen wenden. Bei Anliegen von Unternehmen und der Wirtschaft unterstützen sich die BV und die Stabsabteilung Wirtschaftsförderung (OB/82) gegenseitig. Die BV sind erste Ansprechpartner vor Ort und nehmen die Scharnierfunktion zwischen Bürgerschaft und Stadtverwaltung wahr. Dazu müssen sie alle Anträge entgegennehmen (wenn auch nicht alle abschließend bearbeiten) und zur abschließenden Bearbeitung an die zuständigen Stellen weiterleiten können.

b. Lotsen für alle Anfragen sein. Sie sollen sich als Lotsen insbesondere um die Herstellung eines schnellen Kontakts zu den zuständigen Sachbearbeiter(n)/-innen kümmern. Für die Lotsenfunktion brauchen sie die informationstechnische Unterstützung vor Ort. Neben der infrastrukturellen Ausstattung gilt dies vor allem für den verstärkten Einsatz von eGovernment-Anwendungen und browserbasierten Informationssystemen.

c. Stadtbezirksmoderator sein. Über die Aufgaben der BV nach der Hauptsatzung und nach dem Aufgabengliederungsplan hinaus sollen sie zusätzlich politische Moderator(en)/-innen zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft, Unternehmen, Wirtschaft, Vereinen, Kirchen, Schulen etc. sein. Zu diesen Aufgaben gehören u.a. das Kommunizieren und Umsetzen der Entscheidungen des Gemeinderats, das Initiieren von Projekten aus dem übertragenen Aufgabengebiet und das Moderieren der Sicherheitsbeiräte.

Die BV sind für den Erfolg gesamtstädtischer, innovativer Projekte, wie z.B.
- „Demografischer Wandel“ mit den Teilprojekten „Der Stuttgarter Generationenvertrag“ und „Stadtbezirksansatz – Demografischer Wandel in den Stadtteilen“,
- „Kinderfreundliche Stadt“,
- „Integration von Personen mit Migrationshintergrund“
- Sicherheitspartnerschaften
in ihren Stadtbezirken mit verantwortlich.

Die neue Definition der Rolle der BV ist auch auf die ehrenamtlichen BV in dem Maße übertragbar, wie sie durch das ehrenamtliche Engagement abgedeckt werden kann.

Im Rahmen ihrer Vernetzungsfunktion mit den verschiedensten Einrichtungen geht es um konkrete Maßnahmen, wie z.B. um die Förderung des Mittelstandes zur Arbeitsplatzsicherung, Förderung von Bildungschancen für Jugendliche, Stärkung der Kommunalen Daseinsvorsorge im Stadtbezirk mit Blick auf den demographischen Wandel, Schaffung von Spielflächen für verschiedene Altersgruppen, Fördern von Migrationsprojekten im Stadtbezirk (Sprachkurse in den Stadtteilbüchereien).

Die BV sollen die hieraus gewonnenen Erkenntnisse mit der Stadtverwaltung und mit der Kommunalpolitik rückkoppeln. Um die Funktion als Stadtbezirksmoderator wahrnehmen zu können, müssen sie auch entsprechende Kompetenzen erhalten. Zur Gewährleistung einheitlicher Öffnungszeiten und zur Sicherstellung der Dienstleistungsangebote im Bezirksrathaus (vgl. Anlage 2) wird den BV zukünftig die Steuerung des Personaleinsatzes für alle in den Bezirksrathäusern unter dem Dach des Bürgerservice Stuttgart tätigen Mitarbeiter/-innen übertragen und in einer entsprechenden Organisationsverfügung festgelegt. Zudem haben die BV, als die im Stadtbezirk eingesetzten ersten Ansprechpartner, im Rahmen der in GRDrs. 266/1998, Anlage 3, Nr. 3.7.4 festgelegten Grundsätze gegenüber dem Personal der Meldestellen Eingriffs-, Mitwirkungsrechte und Befugnisse (Hausrecht, Initiativrecht i.S. von Gestaltungsrechten). Bis auf diese Personaleinsatzsteuerung vor Ort bleibt die Dienst- und Fachaufsicht unberührt.

Die Schnittstelle zwischen Mitarbeiter(n)/innen des Bezirksamts und den im Bezirksamt eingesetzten Mitarbeiter(n)/innen anderer Ämter ist so zu definieren, dass die Erbringung aller angebotenen Dienstleistungen des Bezirksrathauses während der Öffnungszeiten gewährleistet ist. Dies wird durch die vorgenannten Eingriffsrechte und Befugnisse sichergestellt.

Für das JobCenter kann die Personaleinsatzsteuerung nicht bei den BV liegen, da nach § 10 Abs. 2 Buchstabe c) des Kooperationsvertrages die Träger des JobCenters das Weisungs- und Direktionsrecht auf den Geschäftsführer des JobCenters übertragen haben und er beim Einsatz des Personals an die Bestimmungen des Kooperationsvertrages zwischen dem JobCenter und der Agentur für Arbeit gebunden ist.


3.2 Damit die BV die genannten Aufgaben und Funktionen wirkungsvoll wahrnehmen können, sind unterstützend folgende Lösungsansätze zu entwickeln:

a. Terminvergabe für alle Dienste im Bezirksrathaus
Die Öffnungszeiten des Bürgerbüros und der Bürgerinformation sind bereits in allen Bezirksämtern angepasst. Eine vollständige Harmonisierung der Öffnungs- und Sprechzeiten aller Dienste innerhalb des Bezirksrathauses ist nicht möglich, da aufgrund fallabhängiger Terminvergaben und Nachbearbeitungszeiten, z.B. beim Bürgerservice Soziale Leistungen hier auch Zeiten ohne Kundenkontakt notwendig sind.


b. Entwicklung eines Konzepts für die informationstechnische Unterstützung durch eGovernment-Anwendungen.
One Stop Government als Ziel bezeichnet in diesem Zusammenhang das Bezirksrathaus als die eine Anlaufstelle für alle Verwaltungsangelegenheiten. Hierzu bedarf es einer umfassenden informationstechnischen Unterstützung. Dies gilt für die Auskunft und Antragsannahme im direkten Bürgerkontakt (Front Office) sowie die Weiterleitung und Bearbeitung von Anträgen auf der Fachebene (Back Office). Hierbei sind direkter Bürgerkontakt vor Ort im Bezirk und Electronic Government (eGovernment) kein Gegensatz. Vielmehr ist angestrebt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bürgerservice Stuttgart mit Hard-, Software und technischer Infrastruktur so auszustatten, dass sie mittelfristig jedes Bürgeranliegen informationstechnisch weiterverarbeiten können. Das gilt für den zuvor genannten telefonischen Kontakt, die Entgegennahme papiergebundener Anträge, die persönliche Vorsprache sowie für elektronische Anträge gleichermaßen. Notwendige Maßnahmen hierzu sind die flächendeckende Ausstattung der Bezirksrathäuser mit Hard- und Software zur Digitalisierung, der Ausbau und die Bereitstellung von Mitarbeiterinformationssystemen, die Schaffung des Zugangs zu internetbasierten Fachinformationssystemen sowie zum Landesportal service-bw.de, die Integration des Dokumentenmanagementsystems in die Arbeitsprozesse sowie die Bereitstellung elektronischer Signier- und Authentifizierungswerkzeuge (elektronische Signatur). Darüber hinaus sollen die Verwaltungsprozesse soweit wie möglich über Workflow-Software elektronisch unterstützt und die Möglichkeit zur Status-Verfolgung eines Vorgangs eingerichtet werden können.

Die Konzeption und Umsetzung von One Stop Government sind inhaltlich und zeitlich eng mit der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie verknüpft. Ergebnisse aus dieser Projektarbeit können unmittelbar die informationstechnischen Maßnahmen in den Bezirksrathäusern einfließen. Für die Richtlinie müssen die wesentlichen Entwicklungen im Dezember 2009 abgeschlossen sein.


c. die Einrichtung einer Bürgerservice-Telefon-Nummer mit Durchwahlmöglichkeit
Ziel des Projektes ist es, Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu erleichtern. Schon heute laufen mehr als 70% der Erstkontakte zwischen Bürgerschaft und Stadtverwaltung über das Telefon. Problematisch aus Sicht der Bürger sind die unklaren Zuständigkeiten und die damit verbundenen unterschiedlichen Telefonnummern.

Auf Bundesebene soll das Bürgertelefon mit der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 115 - vergleichbar mit den schon vorhandenen Notrufnummern 110 und 112 - eingerichtet werden. Die Idee dabei ist bestechend einfach: Die Bürgerschaft erhält über eine einzige, leicht merkbare Rufnummer direkten Zugang zu allen öffentlichen Diensten – unabhängig von den Verwaltungsebenen und -zuständigkeiten. Ob Termine beim Standesamt, Fragen zu Formularen, der Abfallentsorgung oder zum Rentenbescheid - unter einer einheitlichen Rufnummer wird Auskunft erteilt, unabhängig davon welche der Verwaltungsebenen betroffen ist. Innerhalb der Stadtverwaltung gibt es keine einheitliche, sondern eine Vielzahl sog. „Bürgerservicenummern“. Angelehnt an die Idee der D 115-Nummer soll für die Stadt Stuttgart zunächst für die äußeren Stadtbezirke je eine einheitliche Bürgerservicenummer eingerichtet werden.


Vorteile einer einheitlichen Bürgerservice-Nummer:

· Bessere Erreichbarkeit: Erfahrungen anderer Städte und Behörden zeigen, dass durch die Einrichtung spezieller Telefon-Servicecenter die Erreichbarkeit einer Behörde für Bürgeranliegen von ca. 50% auf bis zu 90% verbessern kann.

· Schnelle Bearbeitung: Die Erfahrungen aus vergleichbaren bisherigen Einrichtungen zeigen, dass bis zu 80% der Anfragen bereits der erste Ansprechpartner am Telefon abschließend beantworten kann. Wie hoch der Wert im Einzelnen ist, hängt von der Ausstattung der Telefonservicecenter und der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab.

· Weiter zeigen die Erfahrungen aus anderen Städten, dass die Akzeptanz des neuen Telefonzugangs sukzessive zunimmt, Bürgeranfragen von anderen Zugangskanälen – speziell vom Behördenbesuch – zunehmend auf das Medium Telefon umgelenkt werden.

· Unterstützung für weitere eGovernment-Projekte, insbesondere als substanzieller Beitrag für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie mit ihrer Forderung nach einem Einheitlichen Ansprechpartner für bestimmte Verwaltungsdienstleistungen.

Vorab wird die Verwaltung ein Konzept zu Themen wie Qualitätsanforderungen, Wirtschaftlichkeit, Datenschutz, barrierefreier Zugang, Geschäftsmodell, Personal, Ausbildung und Schulung sowie organisatorische und technische Realisierungsstandards erstellen.

3.3. Wenn eine Corporate Identity erreicht werden soll, sind einheitliche Begrifflichkeiten aus Bürgersicht zu wählen. Das Konzept zum Bürgerservice Stuttgart enthält in der GRDrs 266/1998 folgende verschiedene Definitionen:

- Bürgerservice Stuttgart umfasst die Dienstleistungen des Bezirksamts und der dezentralen Meldestelle des Amts für öffentliche Ordnung mit erweitertem Dienstleistungsangebot aus der Ordnungsverwaltung (Bürgerbüro). Er bildet den Kernbereich des Stadtbezirksservice.

- Unter dem Begriff Stadtbezirksservice versteht man alle städtischen Dienstleistungen im und für den (inneren und äußeren) Stadtbezirk. Auf dieser Grundlage ist eine Sprachregelung zu entwickeln, die alle Dienstleistungen der Stadtverwaltung umfasst und allgemeinverständlich und stringent ist (Bürgerservice Stuttgart – Stadtbezirk xx).


4. Weiteres Vorgehen – Umsetzung

- Die BV haben die Verantwortung für eine einheitliche Erscheinungsweise nach Außen, für sämtliche Dienstleistungen, die im Bezirksamt erbracht werden. Um diese Verantwortung wahrnehmen zu können, brauchen sie eine gewisse „Durchgriffsmöglichkeit“, welche durch eine Dienstanweisung festzuschreiben ist.

- Festlegung von Bearbeitungsgrundsätzen zwischen Bezirksämtern und anderen städtischen Ämtern und Dienststellen durch interne Verwaltungsvorschriften. Vor Erlass einer entsprechenden Regelung wird dies mit den BV in der Dienstbesprechung des Referats AK und in einer Besprechung der leitenden Mitarbeiter mit dem Oberbürgermeister reflektiert. Dadurch lässt sich zum Einen eine Verlässlichkeit in der Aufgabenwahrnehmung erreichen und zum Anderen können umgehend Anpassungen vorgenommen werden.

- Eine ggf. erforderliche Änderung der Hauptsatzung und des Aufgabengliederungsplans erfolgt erst, nachdem die Weiterentwicklungsmaßnahmen mindestens ein Jahr gegriffen haben und Ergebnis der Evaluierung sind.

Bei der Weiterentwicklung der Bezirksämter sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
1. Die Dienstleistungen vor Ort sollen möglichst gleichwertig und vor allem personenunabhängig angeboten werden.
2. Die BV müssen dem Stadtbezirk „ein Gesicht“ geben.
3. Die Mitarbeiter/-innen, die den BV in seiner Aufgabenwahrnehmung vor Ort (Front-Office) wie in den Fachämtern (Back-Office) unterstützen, müssen sich als „virtuelles Team verstehen“. Dazu gehört u.a., ein gemeinsames Verständnis darüber, wie Dienstleistungen möglichst bürgernah erbracht werden können.
4. Die Stadtbezirke sollen sich möglichst „gleichmäßig“ entwickeln.
5. Die dezentral wahrgenommenen Aufgaben werden nicht weiter angereichert.


5. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Ansatzes „Zukunft der Bezirksämter“ werden durch regelmäßig stattfindende Dienstbesprechungen der BV mit Referat AK sowie durch die Besprechungen der leitenden Mitarbeiter/-innen der Stadtverwaltung mit dem OB laufend überprüft.


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