Beantwortung zur Anfrage
706/2000
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
04/20/2001
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 0412-00
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Föll Michael (CDU), Löffler Reinhard (CDU), Uhl Reinhold (CDU)
,
CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
11/23/2000
Betreff
Übertragung der Aufgaben des Rechenzentrums der LHS
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Die Verwaltung nimmt zu der Anfrage wie folgt Stellung:
1. Frage, Aspekt 1:
"Welche Initiativen kann die Stadt Stuttgart ergreifen, die notwendige Reorganisation des Datenverbundes zu beschleunigen ?"
Die Einwirkungsmöglichkeiten der Landeshauptstadt Stuttgart auf die Reorganisation des Datenverbundes (DV-Verbund) sind im Rahmen der offiziellen Stimmrechte gering. Die Stadt ist in folgenden beschließenden Gremien vertreten:
Gremium
Anzahl Stimmen LHS
Stimmen insgesamt
Verwaltungsrat Datenzentrale Baden-Württemberg (DZ BaWü)
2 Mitglieder
= 9,1 %
22 Mitglieder
Projektausschuß DZ BaWü
1 Mitglied
= 8,3 %
12 Mitglieder
Entwicklungs- und Vertriebs-GmBH der DZ BaWü
25 Stimmen
= 13,89 % am Stammkapital, entspricht 125 TDM Einlage
180 Stimmen,
entsprechen einem Stammkapital von 900 TDM
Verwaltungsrat ZV KDRS
sowie
Aufsichtsrat RZ RS GmbH
6 Mitglieder
= 20 %
30 Mitglieder
Die Stadt kann Initiativen zur notwendigen Reorganisation des DV-Verbundes nur im Rahmen ihrer oben dargestellten Stimm- bzw. Mitgliedsrechte ergreifen. Entsprechende Forderungen, ein einheitliches Unternehmen im DV-Verbund mit dem Zeitziel 01.01.2004 zu schaffen, wurden über die städtischen Vertreter in den Gremien mehrfach vorgetragen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse konnten die städtischen Interessen nur unzureichend durchgesetzt werden. Deshalb ist eine stärkere politische Einflußnahme für die Stadt als größter Anwender der landeseinheitlichen Verfahren und als Landeshauptstadt anzustreben.
Hierzu werden folgende Aktivitäten vorgeschlagen:
öffentlicher Gemeinderatsbeschluß,
Initiativen im Regionalparlament, den kommunalen Landesverbänden und im Landtag.
1. Frage, Aspekt 2:
"Prüfung der Möglichkeit, den Verbleib im DV-Verbund davon abhängig zu machen, dass ein einheitlicher DV-Verbund bis zum Ablauf des Kooperationsvertrages verwirklicht werden kann."
Der Gemeinderat hat mit dem Beschluß zur GRDrs 139/1995 der Beteiligung der Landeshauptstadt Stuttgart an der DV-Struktur nach dem Gesetz über die Zusammenarbeit bei der automatisierten Datenverarbeitung in Baden-Württemberg (ADV-Zusammenarbeitsgesetz - ADVZG) zugestimmt und sich am Stammkapital der Entwicklungs- und Vertriebs-GmbH der DZ BaWü beteiligt (GRDrs 224/1998). Damit und kraft Gesetzes (ADVZG) ist sie Mitglied im eigentlichen DV-Verbund. Ein wesentlicher Grund für diese Entscheidungen war das Interesse, als Nutzer der landeseinheitlichen Verfahren die Softwareentwicklungen des DV-Verbundes auch in Zukunft als gleichrangiger Partner der Regionalen Rechenzentren mitbestimmen zu können.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, diese Entscheidungen zu überdenken. Folgende Faktoren sind dabei zu berücksichtigen:
Die Verwaltung steht derzeit in Verhandlungen mit dem ZV KDRS, die Laufzeit des bisherigen Kooperationsvertrages, vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderats, bis zum 31.12.2005 zu verlängern. Ziel dieser Verlängerung ist die zeitliche Harmonisierung des Kooperationsvertrages mit dem Produktions- vertrag für das neue Finanzwesen mit SAP R/3 IS-PS. Dies ist aus sachlichen, fachlichen und technischen Gründen für die Produktionssicherheit für beide Parteien notwendig.
Nur der Verbleib im DV-Verbund sichert der Stadt
bis zum Ende der Verträge mit dem ZV KDRS
die größtmögliche, weil direkte Einflußnahme auf die Software- politik in Baden-Württemberg über die Gremien der DZ BaWü (s. Tabelle), was u. a. für den Ausbau des neuen Finanzwesens mit SAP R/3 IS-PS von entscheidender Bedeutung ist. Bei einem vorherigen Ausscheiden wäre nur noch eine indirekte Mitwirkung an den Entscheidungen der DZ BaWü über die Gremien des ZV KDRS und der RZRS GmbH möglich.
Neben den genannten Gesichtspunkten sind die engen Verflechtungen zwischen der Softwareentwicklung der DZ BaWü und dem Betrieb sowie der Betreuung durch den ZV KDRS bzw. der RZRS GmbH zu berücksichtigen. Deshalb kann ein Ausstieg aus dem DV-Verbund bei gleichzeitigem Verbleib im Zweckverband KDRS nicht empfohlen werden.
Ein übergeordneter Aspekt ist im politischen Bereich zu sehen. Der Austritt aus dem DV-Verbund könnte als Signal für eine vorgesehene Beendigung der Kooperation mit dem ZV KDRS interpretiert werden und dürfte heftige regionalpolitische Reaktionen auslösen.
Die Bewertung dieser Faktoren führt zu dem Ergebnis, daß die Stadt bezüglich der Reorganisation des DV-Verbundes zunächst die nachhaltige Vertretung ihrer Positionen in den Gremien der DZ BaWü und des ZV KDRS sowie der RZRS GmbH anstreben sollte und weitere Schritte von der Prüfung der Beendigung des Kooperationsvertrages mit dem ZV KDRS abhängig macht. Diesbezüglich wird bei Frage 4 Stellung genommen.
2. Frage:
"Marktgerechtigkeit der Preise des § 8 des Kooperationsvertrages"
Die Vereinbarung einer Pauschale mit dem ZV KDRS erbrachte der Stadt eine Einsparung von durchschnittlich rd. 25% gegenüber den Fallpreisen. Diese Reduzierung soll auch bei der Verlängerung des Kooperationsvertrags mit dem ZV KDRS beibehalten werden.
Für den Vergleich mit Marktpreisen für die Leistungen des ZV KDRS nach dem Kooperationsvertrag bestehen zwei Möglichkeiten:
Vergleich mit anderen Rechenzentren
Der reine Preisvergleich mit anderen Rechenzentren anhand deren Leistungskatalogen ist durch die unterschiedliche Preisgestaltung und die hauseigenen Kalkulationen (z. B. keine/Umlage) mit aufwendigen Recherchen und Rückfragen verbunden.
Vergleich mit privaten Anbietern
Ein Preisvergleich ist nur über eine zu erstellende Leistungsbeschreibung und Vorerhebungen durch bzw. mit dem Anbieter zu erreichen. Der Aufwand hierfür geht über die vorgenannten Rechenzentrumsvergleiche weit hinaus.
Sofern die genannten Vergleiche gewünscht werden, ist die Frage der dafür notwendigen Personalressourcen zu klären. Im
Einzelfall
, z. B. einem Verfahrenswechsel, der die Produktionsumgebung beim ZV KDRS nicht erfordert, werden grundsätzlich Alternativen auf dem Markt gesucht, in Verbindung mit entsprechenden Preisvergleichen (s.a. Frage 4).
3. Frage:
"Die Verwaltung informiert im Rahmen der Nutzung der SAP-Branchenlösung ... über Erfahrungen mit der Supportstruktur des KDRS und wie sich die Zusammenarbeit gestaltet"
Die Landeshauptstadt Stuttgart hat im März 1999 mit dem ZV KDRS/RZRS eine Vereinbarung zum Betrieb des Neuen Finanzwesens mit SAP geschlossen (vgl. hierzu GRDrs.112/1999). Der Vereinbarung liegt eine fest vereinbarte Laufzeit bis zum 31.12.2005 zugrunde.
Inhalt dieser Vereinbarung ist neben dem eigentlichen produktiven Rechenzen- trumsbetrieb und weiterer Leistungen (z.B. Zurverfügungstellung eines Entwicklungs- und eines Testsystems einschließlich einer Schulungsumgebung) auch die Bereitstellung einer Supportstruktur (Hotline) für die städtischen Anwendungsbetreuerinnen und Anwendungsbetreuer (sog. Second Level Support).
Dieser Gesamtheit der Leistungen stehen einschließlich einer Gewährleistung des Betriebes im Katastrophenfall jährlich pauschalierte Zahlungen in Höhe von 3.755. 546 DM incl. MWSt. gegenüber. Der Anteil der hierbei auf die Supportstruktur entfällt, ist Bestandteil der internen Kalkulation seitens des ZV KDRS und der Landeshauptstadt Stuttgart nicht bekannt.
Rückblickend auf nunmehr ein Jahr Produktionsbetrieb kann über die Erfahrungen mit der Supportstruktur und der Zusammenarbeit mit dem ZV KDRS bzw. der RZRS GmbH folgendes Fazit gezogen werden:
Die Hotline des ZV KDRS ist in den vereinbarten Zeiten gut erreichbar. Jedoch werden seitens der Hotline die Probleme nicht abschließend bearbeitet, sondern an weitere Ansprechpartner weitergeleitet, so daß in der Praxis häufig direkt auf diese Ansprechpartner/-innen beim ZV KDRS zugegangen wird. Dabei gibt es insgesamt sehr unterschiedliche Erfahrungen im Hinblick auf Erreichbarkeit und Ergebnis beim Problemhandling. Im Laufe des Jahres soll eine Softwarelösung gefunden werden, die einerseits die zentrale Meldung des Problems über die Hotline und andererseits die Lösungssuche im direkten Kontakt mit dem Ansprechpartner ermöglichen soll.
Die Kundenbetreuung ist aus Sicht der Landeshauptstadt Stuttgart personell stark unterbesetzt. Die Ansprechpartner/-innen setzten sich fast durchweg sehr engagiert ein und haben inzwischen auch viel Sachkompetenz und Erfahrung gewonnen. Einige Module werden gut betreut. Jedoch sind die Kundenbetreuer/-innen durch die Einführung neuer Kunden zusätzlich belastet, was sich wiederum beim konkreten Problemhandling und auf die Beteiligung an den städtischen Projekten (Releasewechsel/ Euroumstellung) auswirkt. Auch kommen aus städtischer Sicht Innovationen seitens des ZV KDRS durch das Anbieten neuer Dienstleistungen und Produkte oder Verbesserungen bestehender Leistungen zu kurz. Hier wird seitens der Landeshauptstadt Stuttgart auf den ZV KDRS eingewirkt, die Kundenbetreuung personell deutlich zu verstärken.
Im Bereich der durch den ZV KDRS gewählten technischen Infrastruktur (NT 4.0 und S 390/DB 2) sind nach unserem Eindruck Probleme vorhanden, die auch schon auf den operativen Betrieb durchgeschlagen haben und längere Systemausfälle zur Folge hatten. Festzustellen ist, daß seitens des ZV KDRS bei Problemlagen zu wenig Bereitschaft besteht, auch an Wochenenden Systemarbeiten durchzuführen. Das Antwortzeitverhalten ist (im Vergleich mit Lösungen anderer SAP Anwender) überwiegend gut. Insgesamt ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei der gewählten technischen Lösung um eine ebenfalls sehr neue und moderne Plattform handelt, mit der auch der Betreiber “Piloterfahrungen” machen muss. Letztendlich ist hier der Landeshauptstadt Stuttgart eine qualifizierte Beurteilung der technischen Plattform durch den fehlenden umfassenden Einblick in das System nicht möglich.
Die förmliche Zusammenarbeit (neben den laufenden betriebsbedingten Kontakten) erfolgt zwischen dem ZV KDRS und der Landeshauptstadt Stuttgart in Form von regelmäßigen Treffen zum Thema Produktionsablauf und über die Teilnahme von Vertretern des ZV KDRS an den Besprechungen des städtischen Anwender- betreuerkreises innerhalb des CCS (Competence Center Stuttgart) und kann als konstruktiv bezeichnet werden.
Über die Entwicklung des Produktionsbetriebes und die Zusammenarbeit mit dem KDRS wird dem Gemeinderat in zwei Jahren nochmals berichtet werden.
4. Frage:
"Die Verwaltung prüft die Möglichkeit alternativer Dienstleistungsangebote für die IT-Anforderungen nach Ende der Laufzeit des Kooperationsvertrages"
Grundsätzlich prüft die Verwaltung bei jeder Verfahrensablösung , ob landeseinheitlich oder nicht, welche zukünftige Lösung für die Landeshauptstadt Stuttgart die beste Alternative darstellt. Deshalb sind auch vom ZV KDRS unabhängige Anwendungen auf der Basis der Client/Server-Technologie im Einsatz. Dieser Weg wird weiterverfogt, wenn sich der eigene Betrieb rechnet. Diesbezüglich ist eine Regelung für die Reduzierung der Pauschale im Kooperationsvertrag vorhanden.
Für alternative Dienstleistungsangebote nach Ende der jetzt geplanten Laufzeit des Kooperationsvertrages (bis 31.12.2005) über den derzeitigen Produktionsumfang beim ZV KDRS sind nachfolgende Möglichkeiten gegeben:
(Wieder)Aufnahme des Großrechner- und SAP-Betrieb unter eigener Regie
Dies würde voraussetzen, daß mit einem Vorlauf von mindestens 3 Jahren umfangreiches zusätzliches Personal bereitzustellen und vollkommen neu zu qualifizieren wäre, ganz unabhängig von einer neuen technischen und räumlichen Umgebung.
Vergabe des Großrechner- und SAP-Betriebs an ein anderes Regionales Rechenzentrum
Hierzu sind in einer Vorstudie neben den notwendigen Preisvergleichen der Leistungskataloge (s.a.o.), insbesondere die Serviceleistungen vor Ort sowie die technischen Rahmenbedingungen zu prüfen und finanziell zu bewerten. Mit allen Beteiligten (ZV KDRS, neuer Dienstleister, LHS) ist ein organisatorisches und finanzielles Überleitungskonzept zu erarbeiten. Der städtische Aufwand
für die Vorstudie
beträgt mindestens 1 Personaljahr.
Vergabe des Großrechner- und SAP-Betriebs an einen privaten Anbieter
Es sind die gleichen Prüfungen wie bei der Vergabe an ein anderes Regionales Rechenzentrum notwendig. Der Personalaufwand ist wesentlich höher, da der Betrieb von kommunalen Anwendungen/Verfahren in diesem Umfang bisher von keinem privaten Anbieter in Baden-Württemberg betrieben wird. Da es sich um Verfahren des DV-Verbundes handelt, könnte es zudem nutzungsrechtliche Schwierigkeiten geben.
Bei der Prüfung alternativer Dienstleistungsangebote ist auch zu berücksichtigen, daß der Ausstieg aus dem Zweckverband KDRS mit einem hohen politischen und finanziellen Risiko verbunden wäre.
Die Verbandssatzung regelt, daß über das Ausscheiden die Verbandsversammlung mit 2/3-Mehrheit entscheidet (Regionalaspekt!). Weiter ist in § 21 Abs. 3 der Verbandssatzung geregelt:
" Das ausscheidende Verbandsmitglied haftet für die bis zu seinem Ausscheiden entstandenen Verbindlichkeiten seines Verbandes. Es ist außerdem verpflichtet, die auf ihn zum Zeitpunkt seines Ausscheidens gemäß § 19 entfallende Umlage [Anmerkung: z. Zt. 2,7 Mio. DM jährlich] zu den dort genannten Terminen auf die Dauer von 5 Jahren nach seinem Ausscheiden weiter zu bezahlen, erstmals in dem auf sein Ausscheiden folgenden Kalenderjahr.
Auf eine Beteiligung an dem Verbandsvermögen hat das ausscheidende Mitglied keinen Rechtsanspruch."
In ernsthafte Verhandlungen zum Abbau dieser Hürden für ein Ausscheiden kann die Stadt erst dann treten, wenn geeignete Alternativen geprüft und realistisch sind. Die Produktionssicherheit für den laufenden Dienstbetrieb in der Stadtverwaltung ist hierbei ein zusätzlicher wichtiger Faktor.
Fazit
Die Landeshauptstadt Stuttgart hält in den Gremien ihre Forderungen aufrecht, daß die Leistungen des DV-Verbundes erheblich zu verbessern sind und ein einheitliches Unternehmen zur besseren Wirtschaftlichkeit geschaffen wird.
Wenn die Landeshauptstadt Stuttgart ernsthaft in Erwägung zieht, nach Ablauf des Kooperationsvertrages den Dienstleister zu wechseln, ist ein Untersuchungsprojekt mit folgende Maßnahmen erforderlich:
Grobplanung zur Vorbereitung eines detaillierten Projektauftrages bis 31.12.2001.
Erstellung des Projektauftrages mit Detailplanung bis spätestens 31.12.2002.
Projektarbeit zur Vorbereitung einer GRDrs zur Entscheidung über den zukünftigen Dienstleister ab 2006. Die Entscheidung muß bis Ende 2003 definitiv vorliegen.
Vorbereitung der Umsetzung bis 31.12.2004.
Umsetzungsphase 01.01.2005 bis 31.12.2005.
Sollte sich die Stadt für dieses umfangreiche Untersuchungsprojekt entscheiden, ist auch hier die Frage der dafür notwendigen Personalressourcen zu klären. Das Untersuchungsprojekt bedarf zudem externer Unterstützung, für die ca. 1 Mio. DM (500 T€) einzuplanen sind.
Dies sind die notwendigen Voraussetzungen, um die für den Dienstbetrieb zwingend notwendige Betriebssicherheit gewährleisten zu können.
Dr. Wolfgang Schuster