Stellungnahme zum Antrag
523/2005

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 02/24/2006
Der Oberbürgermeister
GZ: 7625-01



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    10/28/2005
Betreff
    Stärkung der Einzelhandelszonen zusammen mit den Händlern und Hauseigentümern – Lernen von Erfolgen anderer – “Business Improvement Districts (BID)” auch für Stuttgart
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:




Zu Ziffer 1. des Antrags:

Die Verwaltung steht der Einführung neuer Instrumentarien im Städtebau grundsätzlich offen gegenüber. Aus diesem Grund gab es bereits in den Jahren 2003 und 2004 mehrere Gespräche mit der City-Initiative Stuttgart e.V. (CIS), bei denen Möglichkeiten zur Einrichtung von Business Improvement Districts (BIDs) in Stuttgart sowie die hierfür erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen diskutiert wurden.

BIDs sind eine vorwiegend in Nordamerika praktizierte zeitlich befristete Form der Selbstorganisation von Grundstückseigentümern in innerstädtischen Geschäftsbereichen zur Beseitigung struktureller Probleme. Ausweisung und Abgrenzung erfolgen per Satzung auf Antrag einer jeweils gesetzlich geregelter Mindestzahl von Eigentümern im Gebiet; die Finanzierung erfolgt durch einen Gebühreneinzug zusammen mit der Grundsteuer. Der Staat beteiligt sich nicht an der Finanzierung, hat jedoch verwaltungsmäßig den Gebühreneinzug zu bewältigen. Schwerpunkte sind in der Regel Maßnahmen zur Bekämpfung von Vandalismus und Kriminalität sowie die Aufwertung des öffentlichen Raums.


Um BIDs in diesem umfassenden Sinn einzuführen, müsste die Landesregierung als Voraussetzung eine Rahmengesetzgebung schaffen, auf deren Grundlage dann die zweckgebundenen Zwangsabgaben im Bereich eines BID durch die Finanzämter von den Grundstückseigentümern erhoben werden könnten. Dies hat die Landesregierung wegen des damit verbundenen Regulierungs- und Bürokratieaufwands abgelehnt. Auf die entsprechende Beantwortung der kleinen Anfrage des Abgeordneten Jörg Döpper vom 12. März 2004 (Drucksache 13/3005) durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg wird hingewiesen. Es gibt auch keine Erkenntnisse, dass die Landesregierung ihre ablehnende Position aufgeben könnte.

Davon unabhängig vertritt die Stadtverwaltung die Auffassung, dass in einzelnen Geschäftsquartieren der City sowie in diversen Stadtbezirken zwar strukturelle Defizite bestehen, diese aber nicht derart gravierend sind, dass sie den Einsatz eines solch restriktiven Instrumentariums rechtfertigen, wie es ein BID aufgrund der damit verbundenen Zwangsmitgliedschaft und der daraus resultierenden Zwangsabgaben darstellt. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Untersuchung von Möglichkeiten zur Übertragung der freiwilligen Immobilien- und Standortgemeinschaften aus Nordrhein-Westfalen (NRW) auf Stuttgarter Verhältnisse, einschließlich einer Überprüfung von Zuschussmöglichkeiten im Rahmen der Städtebauförderung.

In Nordrhein-Westfalen wird derzeit das Stadtmarketingprogramm zu einem Programm zur Bildung von Immobilien- und Standortgemeinschaften weiterentwickelt. Basis ist die in NRW seit 1996 bestehende Möglichkeit, Stadtmarketingprojekte aus Mitteln der Städtebauförderung zu unterstützen. Die Komplexität der daraus resultierenden Projekte führte schließlich im Jahr 2000 zur Gründung des "Landesbüros Stadtmarketing-NRW", welches sich seither mit Unterstützung der kommunalen Spitzenverbände der Beratung, der Qualifizierung und des Controllings der laufenden Stadtmarketing-Projekte annimmt.

Unter der Überschrift "Stadtmarketing der 2. Generation" wurden nunmehr neue Themen aufgegriffen, die aus Sicht der Beteiligten der aktuellen Bedarfslage entsprechen. Hierzu zählt unter anderem auch die Bildung sogenannter Immobilien- und Standortgemeinschaften, die sozusagen eine freiwillige Variante der BIDs darstellen. Vorgesehen sind zunächst 20 Modellvorhaben auf Basis zeitlich befristeter Entwicklungsverträge zwischen Kommune und Immobilieneigentümern. Ziel ist es, öffentliche Infrastrukturmaßnahmen effizient mit privaten Maßnahmen zu verbinden. Grundlage für die Bestimmung des Maßnahmenkatalogs sind Bestandsaufnahmen und daraus resultierende Organisations- und Konzeptentwicklungen sowie begleitende Moderationen und Mediationen, die je nach Zuordnung öffentlich oder privat gefördert sein können.

Grundsätzlich erscheinen die im Rahmen des "Stadtmarketing der 2. Generation" angedachten Maßnahmen der Problemlage in Deutschland eher angemessen, als dies bei BIDs der Fall ist. Die Förderrichtlinien des Landes Baden-Württemberg (StBauFR) lassen jedoch eine Bezuschussung von Maßnahmen des Stadtmarketings und damit verbundener Organisationsstrukturen wie Leerstandsmanagement, gemeinsame Internet- und Printmedienauftritte oder regelmäßige identitätsbildende
Eventveranstaltungen nicht zu, weil es sich dabei um nicht-investive Maßnahmen handelt, die in Baden-Württemberg im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen nicht förderfähig sind.

Sämtliche über das gängige investive Förderszenario in Sanierungsgebieten hinausgehenden Aktivitäten müssten in Stuttgart daher über den städtischen Haushalt finanziert werden, wofür jedoch keinerlei Finanzmittel bereitgestellt sind. Zwar werden die Förderrichtlinien im Zuge des Bürokratieabbaus derzeit vom Land überarbeitet, ob dabei allerdings eine auch von der Stadt Stuttgart befürwortete Öffnung für nicht-investive Maßnahmen aufgenommen wird, kann derzeit nicht abgeschätzt werden.

Innerhalb der geltenden Fördermöglichkeiten werden schon jetzt alle denkbaren Maßnahmen zur Standortsicherung der Nahversorgung mit Gütern und Dienstleistungen durch Aufwertung des städtebaulichen Umfelds oder zur nachhaltigen Modernisierung des Gebäudebestands ergriffen. So werden in dem im Antrag beispielhaft genannten Hospitalviertel derzeit bereits Haushaltsmittel gebündelt eingesetzt. Zu nennen sind hier die Umgestaltung der Büchsenstraße und die Aufwertung angrenzender Spielflächen. Parallel dazu werden momentan vorbereitende Untersuchungen mit dem Ziel einer eventuellen Ausweisung als Sanierungsgebiet durchgeführt; in diesem Zusammenhang werden auch Gespräche mit Schlüsselpersonen aus den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Kirche und Verwaltung geführt. Sofern sich dabei Anregungen und Erkenntnisse zu nicht-investiven Maßnahmen und Initiativen ergeben, welche die Sanierung sinnvoll ergänzen, werden diese in den Abschlussbericht aufgenommen, so dass der Gemeinderat über eine städtische Beteiligung entscheiden kann.

Die Schwabstraße ist mit ihrem nördlichen Ende Bestandteil des Sanierungsgebiets Stuttgart 13 - Hölderlinplatz -. Auslöser für die Gebietsausweisung waren insbesondere Bestrebungen, den Bereich um den Hölderlinplatz als Standort des Einzelhandels zu sichern. Weitere Abschnitte der Schwabstraße sind Bestandteil des SVGs Stuttgart 12 - Schwabstraße -. Mittelfristig ist hier die Durchführung von vorbereitenden Untersuchungen mit dem Ziel der Ausweisung eines Sanierungsgebiets denkbar.

Die ebenfalls genannte Böblinger Straße war im östlichen, von Einzelhandel geprägten Bereich Teil des Sanierungsgebiets Stuttgart 7 - Heslach II - und wurde in diesem Zusammenhang komplett neu gestaltet, der westliche von Wohnnutzung geprägte Bereich liegt im Sanierungsgebiet Stuttgart 22 - Heslach Burgstallstraße - und erfährt mit der Neugestaltung des Südheimer Platzes ebenfalls eine Aufwertung. Die dazwischen liegenden gemischt genutzten Abschnitte sind ein Teil des SVGs Stuttgarter Straße 18 - Heslach III -. Mittelfristig ist auch hier die Durchführung von vorbereitenden Untersuchungen mit dem Ziel der Ausweisung eines Sanierungsgebiets denkbar.

Die Marktstraße in Bad Cannstatt lag in weiten Teilen innerhalb der Sanierungsgebiete Bad Cannstatt 1 und 2 - Altstadt -, die erst 1997 bzw. 1998 aufgehoben wurden. Obwohl auch die Stadtverwaltung Probleme des Einzelhandels in diesem Bereich erkennt, kann er nicht bereits erneut in eine Förderung einbezogen werden. Davon unabhängig wurden mit der umfassenden Umgestaltung des Wilhelmsplatzes und Verbesserungen in der Seelbergstraße wichtige Maßnahmen zur Standortsicherung des Einzelhandels ergriffen.



Zu Ziffer 2. des Antrags:

Grundsätzlich würde es die Stadtverwaltung begrüßen, wenn sich lokale Standortgemeinschaften als private Initiative bildeten. Aus den zu Ziffer 1. des Antrags genannten Gründen hält es die Stadt allerdings für nicht erfolgversprechend, eine zentrale Informationsveranstaltung zu den Möglichkeiten der Realisierung von BIDs oder der Förderung von lokalen Standortgemeinschaften in Stuttgart durchzuführen. Es bestünde die Gefahr, dass bei Grundeigentümern und Gewerbetreibenden Hoffnungen auf eine personelle oder finanzielle Unterstützung seitens der Stadt geweckt werden, die letztlich aber auf Grund der rechtlichen, förderrechtlichen und finanziellen Gegebenheiten nicht erfüllt werden könnten. Sollten sich nach dem Beispiel der Calwer Straße Einzelhändler für gemeinsame Marketingaktivitäten zusammenfinden, so ist die Stadt bereit, Möglichkeiten der Unterstützung zu prüfen.






Dr. Wolfgang Schuster