Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
45/2009
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 03/03/2009
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 8155-04.08
Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Rockenbauch Hannes (SÖS) , SÖS im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
02/04/2009
Betreff
CBL: Verträge der LHS Stuttgart
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
1. Kann die Stadt zukünftige Auswirkungen aus der Finanzkrise für die Stuttgarter Verträge ausschließen?
Im Unterschied zu anderen Verträgen liegt bei den beiden Transaktionen der Landeshauptstadt Stuttgart die Austausch- und Nachbesicherungsverpflichtung bei einem Ratingverfall bei den beteiligten Banken und Finanzinstitutionen und nicht bei der Stadt. Soweit es sich um Landesbanken handelt unterliegen deren Verpflichtungen zudem noch der sog. Gewährträgerhaftung. Darüber hinaus ist die vertraglich vereinbarte Mindestbonität der Vertragsparteien nach wie vor nicht unterschritten. Auswirkungen der Finanzkrise können aber nie vollständig ausgeschlossen werden.
2. Wie schätzt die Stadt die Entwicklung in den nächsten ca. 30 Jahren hinsichtlich weiterer Krisen für das Weltwirtschafts- und -finanzsystem ein?
Die Verwaltung schließt sich der Einschätzung der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute (u.a. Institut der Weltwirtschaft in Kiel) an, wonach Prognosen bezüglich der konjunkturellen Entwicklung derzeit in ungewöhnlich hohem Maße unsicher sind. Die gilt erst Recht für einen 30-jährigen Zeitraum.
3. Hat die Stadt darüber nachgedacht, aus ihren CBL- Verträgen auszusteigen? 4. Kann sie das überhaupt ohne erhebliche Verluste? 5. Zu welchem Zeitpunkt könnte die Stadt ohne Verluste d.h. für den erhaltenen Barwertvorteil kündigen (1.Tranche und 2. Tranche)? 6. Wie hoch ist der Kündigungswert für 2009 (1.Tranche und 2. Tranche)?
Vertraglich besteht die Möglichkeit, die Verträge zum Jahr 2024 (Klärwerke) bzw. 2031 (Kanalnetze) durch Ausübung der sog. Rückkaufoption zu beenden. Eine (vorherige) einseitige Kündigung der Stadt würde die Zahlung eines Kündigungswertes (sog. „Termination Value“) nach sich ziehen, der wirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist jedoch eine einvernehmliche Beendigung der Transaktionen durch alle Beteiligten. Die Option einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung wird derzeit von der Verwaltung eingehend geprüft.
7. Was passiert im Fall einer vorzeitigen Kündigung mit dem Geld, das dann noch zum Teil bei den Erfüllungsübernahme-Vertragsparteien, den Banken liegt?
Erhält dieses Geld die Stadt zurück, oder fließen diese Zahlungen zusätzlich zum Kündigungswert weiter an den Trust?
Bei einer vorzeitigen Kündigung bzw. Beendigung werden die Banken bzw. Finanzinstitute, die die Erfüllungsübernahmen bezüglich Eigen- und Fremdkapital übernommen haben angewiesen, die jeweils vorhandenen Mittel an den US-Trust zu zahlen. Mit diesen Zahlungen tilgt der US-Trust die noch ausstehenden Darlehen bei den Banken (sog. Darlehensgeber) und zahlt dem US-Investor den Eigenkapitalanteil zurück. Diese Zahlungen aus der Auflösung der Erfüllungsübernahmen fließen nicht „zusätzlich zum Kündigungswert“ an den Trust. Sie sind vielmehr Teil des Kündigungswertes.
8. In der Anlage zur GRDrs 735/2002 stehet unter 4.1.2. :"Die Stadt kann ebenso verpflichtet sein, den Kündigungswert (vgl. indikative Werte in Anlage B) an den Trust zu zahlen, wenn die Stadt ihre vertraglichen Verpflichtungen (z.B. Nichtzahlung von Mietraten, Nichtaufrechterhaltung vereinbarter Sicherheiten, Nichterfüllung ihrer operativen Verpflichtungen etc.) nicht einhält oder Zusicherungen und Gewährleistungen verletzt, oder insolvent wird (nach einer Privatisierung), oder wenn andere festgelegte Ereignisse eintreten, und, in jedem Fall, wenn dieses Ereignis nicht innerhalb eines maßgeblichen Heilungszeitraumes geheilt wird (sogenannte “Mietvertragsverletzungsfälle”).
Was sind "andere festgelegte Ereignissen"?
Neben den bereits in Ziffer 4.1.2 der Anlage zur GRDrs 735/2002 aufgeführten Gründen, die zu einer Verpflichtung der Stadt zur Zahlung des Kündigungswertes führen können, gilt dies auch, sofern
· Vermögenswerte der Stadt im Umfang von über 50 Millionen Euro im Rahmen der Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils beschlagnahmt werden und diese Beschlagnahme mindestens 30 Tage andauert,
· eine behördliche Stelle (außer im Zusammenhang mit einem Verlustfall der Anlage) die Betriebs- oder sonstigen Genehmigungen für die Anlage während der Laufzeit des Mietvertrages aufhebt und dies dazu führt, dass die Stadt die Anlage über einen Zeitraum von mindestens 180 Tagen nicht mehr nutzen kann,
· die Laufzeit des Mietvertrages beendet ist, ohne dass die Stadt die Kaufoption gewählt und die dann fälligen Kaufoptionszahlungen geleistet hat;
· die Stadt den Hauptmietvertrag mit dem Trust kündigt.
Heilungsmöglichkeiten und -fristen bestehen z.B. für die ersten beiden Punkte.
9. In der Anlage zur GRDrs 735/2002 heißt es weiter: "Wenn der Trust von der Stadt die Zahlung des Kündigungswertes (und aller anderen sodann möglicherweise fälligen Beträge) als Folge eines Vertragsverletzungsfalles verlangt und erhält, muss er seine Rechte an der Anlage zu Gunsten der Stadt aufgeben. Alternativ könnte der Trust die Anlage in Besitz nehmen, hätte dann aber keinen Anspruch auf den vollen Betrag des Kündigungswertes, sondern gegebenenfalls nur einen Anspruch auf den Betrag, um den der Wert der Anlage hinter dem Kündigungswert zurückbleibt. Überschreitet der Wert der Anlage den Kündigungswert, ist der Trust berechtigt, den Kündigungswert überschreitenden Betrag im Falle eines Verkaufs der Berechtigung an der Anlage zu behalten.“
Kann die Stadt den Vertragsverletzungsfall ausschließen, wenn nein, steht es dann dem Trust wirklich frei, die "Berechtigung an der Anlage" weiterzuverkaufen und den gesamten Kaufpreis einzubehalten?
Die beiden CBL-Transaktionen der Stadt werden seit 1999 bzw. 2002 vertragskonform durch die Stadt durchgeführt. Ansatzpunkt für eine Kündigung seitens des US-Investors waren und sind nicht erkennbar. Die Verwaltung unternimmt mit Erfolg alles – nicht zuletzt durch den Aufbau eines sog. Vertrags- und Risikomanagements – um die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten auch weiterhin sicherzustellen, so dass keine Vertragsverletzungen eintreten können.
Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass mit „Verkauf der Berechtigung an der Anlage“ lediglich die schuldrechtlichen Nutzungsrechte nach New Yorker Recht gemeint sind. Eigentum und Besitz im Sinne des deutschen Rechtes verbleiben bei der Stadt.
10. Teilt die Stadt ggf. die Auffassung von Wirtschaftsanwalt Professor Julian Roberts (StZ vom 24.1.09), wonach es den Investoren bei CBL nicht um Leasinggeschäfte, sondern um von der Stadt abgesicherte Forderungen ging und sie sogar ein Interesse an einer vorzeitigen Kündigung durch die Stadt haben, da sie in diesem Fall nicht nur den an die Stadt gezahlten Barwertvorteil von der Stadt verlangen können, sondern einen Kündigungswert, der das bis zu 5-fache des Barwertvorteils betragen kann? 11. Teilt die Stadt ggf. die Auffassung von Wirtschaftsanwalt Professor Julian Roberts (StZ vom 24.1.09), wonach die CBL-Verträge der Stadt wegen arglistiger Täuschung juristisch anfechtbar sind?
Die Verwaltung und die beauftragte Anwaltskanzlei teilen diese Auffassung nicht. Die beauftragte Anwaltskanzlei hat darauf hingewiesen, dass nach deren Kenntnis Herr Roberts niemals bei Verhandlungen und Abschluss von US-Transaktionen mitwirkte.
12. Teilt die Stadt ggf. die Auffassung des Antragsstellers, dass die zustimmenden Stadträte (55 von 60) sehr wohl bereits 2002 über die Risiken der CBL- Geschäfte informiert waren (siehe unten stehende Graphik: Anlage zu GRDrs 735 vom 19.09.2002), und also wissentlich die zukünftigen Generationen einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt haben, und man deswegen nicht von arglistiger Täuschung sprechen kann?
Die Verwaltung ist nicht der Auffassung, dass durch die Beschlüsse des Gemeinderates die zukünftigen Generationen einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt wurden.