Beantwortung zur Anfrage
155/2002
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
06/28/2002
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 5012-07
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion
Datum
04/25/2002
Betreff
Drogenpolitik
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Im Anschluss an den Fachtag “Neue Jugend - neue Drogen” am 25.04.01 hat die Verwaltung mit der Polizei und den Trägern der Sucht- und Drogenhilfe eine Analyse der Stuttgarter Situation vorgenommen und daraufhin ein Konzept entwickelt, das nach der Sommerpause 2002 im Gesundheitsausschuss vorgestellt werden soll.
Zu 1:
Die heute 15 – 25-Jährigen haben spezifische Lebensweisen und -formen und daher auch neue Drogenkonsum-Muster. Die “neue” Generation der Drogengebraucher interessiert sich nicht für die Debatte, welche Stoffe legal, welche illegal sind, sondern macht selbstbewusst ihre eigenen Erfahrungen.
Scheinbar konsumieren diese Personen alle Drogen gleichzeitig und kombinieren je nach gewünschter Wirkung.
(Hier sind die Drogen Alkohol, Cannabis, Synthetische Drogen wie Ecstasy und Medikamente gemeint. Der Begriff “neue Drogen” beschreibt also das oben beschriebene Konsummuster, denn nicht die Drogen sind neu, sondern das Konsummuster).
Die Konsumentengruppe ist gesellschaftlich integriert, absolviert Schul- und Berufsausbildung und kann ihren Konsum in der Regel gut vom leistungsbezogenen Alltag unterscheiden.
Aus einschlägigen aktuellen Studien zu Konsummustern von Jugendlichen wird deutlich, dass sie ihre Gesundheitsbalance und damit auch Lebensbalance mit psychoaktiven Stoffen so gestalten, wie es die Situation erfordert. Die entweder beruhigenden, aktivierenden oder stimulierenden Stoffe werden je nach Bedarf eingesetzt.
(Vgl.: K.Hurrelmann in: Mader, u.A.(Hrsg.):Wiener Zeitschrift f. Suchtforschung., Heft ¾ Wien, 01).
Die meisten Jugendlichen dieses Konsumtyps schaffen es, ihr Leben ohne auffällige Probleme zu bewältigen, fast alle schaffen es, das eine Leben vom anderen Leben zu unterscheiden.
Der Trend zu synthetischen Drogen hat sich in den letzten 10 Jahren, besonders zu Ecstasy, kontinuierlich fortgesetzt. Wurden 1992 im Bundesgebiet noch 4061 Konsumeinheiten Ecstasy sichergestellt, so waren es im Jahr 2000 1.634.683 Konsumeinheiten, somit von 1992 – 2000 die vierhundertfache Menge.
(
Vgl.: DHS (Hrsg.) Jahrbuch Sucht 2002, S. 83).
Stuttgarter Gegebenheiten:
Wenn auch keine exakten Erhebungen für die Stadt angestellt wurden, so beobachten die Einrichtungen der Sucht- u. Drogenhilfe unter den Ratsuchenden einen steigenden Anteil von Ecstasy-Konsumenten.
Auch die Polizei beobachtet in Stuttgart eine ständig wachsende Zahl sowohl von Handelsfällen mit Ecstasy als auch eine steigende Zahl von Konsumenten und Konsumentinnen insgesamt.
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2001 weist für die Landeshauptstadt Stuttgart einen Anstieg der Besitzfälle von Ecstasy gegenüber dem Vorjahr um 30,4 % auf nunmehr 240 Fälle auf.
Ebenfalls um 6,8 % stieg die Zahl der registrierten Handelsfälle auf nunmehr 173 Fälle an. Bedingt durch eine Großsicherstellung von 10.600 Ecstasy-Tabletten erreichte die Sicherstellungsmenge mit 19.130 beschlagnahmten Ecstasy-Tabletten eine neue Höchstmarke (+ 98,3 %).
Zu 2:
In der Prävention werden außer den bisher bewährten Wegen neue Zugangsmöglichkeiten zu den Jugendlichen gesucht. Hierbei sind sowohl Maßnahmen der Polizei als auch der Sucht- und Drogenhilfe mit inhaltlicher Zusammenarbeit möglich. Das in der Abstimmung befindliche Konzept sieht folgende neuen Möglichkeiten vor, die zum Teil auch jetzt schon erprobt werden:
Es werden besondere, jugendspezifische Kontakt- und Kommunikationsformen über das Medium Internet entwickelt.
Ein Infomobil soll junge Leute in unmittelbarer Nähe der potentiellen Event- und Konsumorte ansprechen.
Junge Leute, deren Führerschein aufgrund des Konsums von Suchtmitteln oder Drogen eingezogen wurde und/oder die Fahrerlaubnis auf Dauer in Gefahr ist, sollen angesprochen und beraten werden.
Die vorbeugende Arbeit bei jungen Leuten in Betrieben wird verstärkt.
Über die bestehenden Kontakte der Suchthilfe zu Betrieben mit Konzepten zur betrieblichen Suchtprävention sollen dazu Auszubildende, Meister, direkte Vorgesetzte, in der betrieblichen Ausbildung Tätige, Personalleiter, Betriebs- und Personalräte und Berufsschullehrer angesprochen werden.
Besonderer Handlungs- und Beratungsbedarf besteht für Ausbildungsunternehmen, deren Aufgabe die Qualifizierung und Eingliederung von Risikogruppen (Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit abgebrochener Lehre und/oder mit psychischen und sozialen Beeinträchtigungen) in das Arbeitsleben ist.
Zu 3.:
Im Problembereich der "neuen Drogen" werden Inhalte und Konsummuster in der Präventionsarbeit von Schulen, Hilfeeinrichtungen und weiteren Institutionen bereits berücksichtigt.
Die geplanten, spezifischen Stuttgarter Maßnahmen beziehen sich auf die Zielgruppe der jungen Konsumenten und beziehen Maßnahmen der Vorbeugung und Hilfe gleichermaßen ein.
Derzeit wird in der Sozialverwaltung an diesem Konzept zur Vorbeugung und Hilfe bei "neuen Drogen" gemeinsam mit der Polizei und der Sucht- u. Drogenhilfe gearbeitet.
Im Konzept werden die geeigneten Maßnahmen, die geplanten Kooperationen zwischen Polizei und Drogenhilfe ebenso dargestellt wie Form und Zeitpunkt der Berichterstattung durch die Sozialverwaltung an die Entscheidungsgremien.
Ein großer Teil der Maßnahmen wird aus den bestehenden Ressourcen geleistet werden können.
In der in Vorbereitung befindlichen Gemeinderatsvorlage werden die Inhalte und die möglicherweise zusätzlich entstehenden Kosten ausführlich dargestellt sein.
Dr. Wolfgang Schuster