Beantwortung zur Anfrage
163/2009

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 02/21/2011
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 8201-00



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Rockenbauch Hannes (SÖS) , SÖS im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
    04/08/2009
Betreff
    Kostenloser öffentlicher Nahverkehr
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:



Kosten aus Einnahmeausfällen
Die SSB erzielte im Geschäftsjahr 2008 Fahrgeldeinnahmen in Höhe von 177 Mio. €
Um die Mehrkosten zu ermitteln, muss die Verteilung der Fahrten mit SSB-Verkehrsmitteln in den Zonen betrachtet werden:

1. Fahrten ausschließlich in den Zonen 10 und 20: 2. Fahrten in Zonen 10 und/oder 20 sowie mindestens in einer weiteren Zone (aus- und einbrechende Fahrten): ca. 24% der Fahrten, 3. Fahrten ausschließlich außerhalb der Zonen 10 und 20 (umliegende Landkreise): ca. 5% der Fahrten, Bei einer stark vereinfachenden Annahme einer linearen Verteilung der Einnahmen über die beförderten Personen ergeben sich die Einnahmeausfälle der SSB aus der Summe aus (1) und dem Anteil aus (2) in den Tarifzonen 10 und 20.

Vereinfachend wird bei (2) eine Verteilung von 50% auf die Zonen 10 und 20 (also einem Einnahmeanteil von 21 Mio. €/Jahr) sowie 50% auf alle anderen Zonen angenommen. In der Umsetzung wäre dann aber sogar mit bis zu 42 Mio. € zu rechnen. Die tatsächliche Höhe der Ausfälle bei aus- und einbrechenden Fahrten ist nur mit erheblichem Aufwand zu ermitteln, da die vorhandene Datenlage hierzu keine Aussagen zulässt.


Weitere Kosten
Es ist mit großen administrativen Einmalkosten bei der Einführung der Regelung zu rechnen (Rückerstattung Zeitkarten,...). Außerdem stellt eine solche Regelung die Prüfdienste vor erhebliche Herausforderungen. Es ist deshalb mit einer Erhöhung der Schwarzfahrerquote und damit weiteren Einnahmeausfällen zu rechnen.

Kosteneinsparungen
Mit deutlichen Kosteneinsparungen durch eine Freifahrtregelung ist nicht zu rechnen, da nach wie vor alle Vertriebskanäle für die verbleibenden Tarifzonen erhalten bleiben müssen. Es müssten „nur“ weniger Verkaufsvorgänge stattfinden.


Offene Fragen:
· Eine Regelung, die nur für die SSB-Verkehre gilt und nicht für S-Bahn und Regionalbahnen wäre gem. §39 PBefG rechtlich nicht zulässig. Der Tarif in einem Gebiet ist demnach gegenüber jedermann gleich anzuwenden. · Die Betrachtung lässt die S-Bahn-Verkehre und die Regionalbahnen in den Zonen 10 und 20 außer acht. Wenn die Regelung hier gelten würde, kämen weitere Einnahmeausfälle in Millionenhöhe hinzu. · Wäre die S-Bahn aus der Regelung ausgeschlossen, ergeben sich wahrscheinlich signifikante Veränderungen der Pendlerströme auf Relationen, auf denen sowohl S-Bahn als auch SSB-Verkehrsmittel genutzt werden können (z.B. Stuttgart Hauptbahnhof – Bad Cannstatt). · Eine solche Regelung, die nur einen Teil der Verkehrsmittel im VVS umfasst, würde aber auch für Kunden nur schwer zu vermitteln sein. · Es ist ebenso unklar, wie eine solche Regelung ins Einnahmezuscheidungs- und aufteilungsverfahren des VVS integriert werden könnte.

Um überschlägig die Höhe einer monatlichen KfZ-HalterInnen-Abgabe zu ermitteln, wird die Anzahl der in der Stadt Stuttgart zugelassenen PKW (2008: 270.000) benutzt. Es ergeben sich daraus folgende Summen für eine Nahverkehrsabgabe:

Freifahrt Mo. – So. Bus und Schiene in Zone 10 und 20: mind. 541 €/Jahr

Unabhängig von obiger theoretischer Betrachtung bedarf die Einführung einer Abgabe einer gesetzlichen Grundlage, wobei das Gesetz eine Ermächtigung, die näheren Einzelheiten durch Rechtsverordnung zu regeln, oder auch durch eine Satzung der Gemeinden oder Gemeindeverbände (Satzungsermächtigung) vorsehen kann. Ein solches Gesetz liegt derzeit nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen eines solchen Gesetzes Konkretisierungen u. a. hinsichtlich von Ausnahmetatbeständen (z. B. Regelungen für Körperbehinderte oder besondere Berufsgruppen), der Abgrenzung von Verkehrsgebieten und der Abgabenhöhe erfolgen.

Für die Tarifgestaltung ist ein guter Kompromiss zu finden, der Kosten und Erlöse, Attraktivität, Verständlichkeit sowie Differenzierung in einer möglichst ausgewogenen Form berücksichtigt.





Dr. Wolfgang Schuster