Stellungnahme zum Antrag
564/2000

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 10/18/2000
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 5200-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
    08/28/2000
Betreff
    Sprachbarrieren im Krankenhaus
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Die Verwaltung beantwortet die gestellten Fragen wie folgt:

I. Krankenhäuser des Klinikums Stuttgart

Zu Frage 1
Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums Stuttgart besteht auf Grund der täglichen Anforderung eine jahrelange Routine im Umgang mit und in der Behandlung von fremdsprachigen bzw. über geringe Deutschkenntnisse verfügende Patientinnen und Patienten. Der Umgang mit diesen Patienten wird u. a. durch die ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Klinikum Stuttgart erleichtert.

Das Klinikum Stuttgart verfügt über einen eigenen Dolmetscherdienst. Dieser wurde bereits 1981 im Olgahospital eingeführt und später stufenweise, beginnend ab 1990, auf die anderen Häuser des Klinikums Stuttgart ausgedehnt. Sobald auf Grund von Sprachbarrieren Verständigungsprobleme auftreten, welche die Behandlung oder Genesung der fremdsprachigen Patientinnen und Patienten erschweren oder gefährden könnten, wenden sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die eingesetzte Dolmetschertutorin, die kurzfristig eine Dolmetscherin bzw. einen Dolmetscher vermittelt. Der Dolmetscherdienst erfährt bei den Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine hohe Akzeptanz. Darüber hinaus arbeitet der Dolmetscherdienst auch in der Sana Herzchirurgischen Klinik Stuttgart GmbH.

Zur weiteren Serviceverbesserung ist für fremdsprachige Patientinnen und Patienten eine Informationsbroschüre in Vorbereitung, die in verschiedene Sprachen übersetzt sein wird.

Zu Frage 2
Daten über Deutschkenntnisse der Patientinnen und Patienten werden nicht erfasst. Die Verwaltung geht davon aus, dass der Patientenanteil, der über keine Deutschkenntnisse verfügt, mit dem Prozentsatz bei der Bevölkerung aus dem Einzugsgebiet des Klinikums Stuttgart in etwa vergleichbar ist.

Die Angabe der Staatsangehörigkeit erfolgt bei der Patientenaufnahme freiwillig, weshalb eine Auswertung dieser Daten für das Jahr 1999, wonach Patientinnen und Patienten aus 74 Ländern behandelt worden sind, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Zu Frage 3
Der Dolmetscherdienst des Klinikums Stuttgart kann jederzeit auf Dolmetscher für 38 Sprachen zurückgreifen. Bei Bedarf organisiert er für jede Sprache den erforderlichen Dolmetscher. Die Abrufbarkeit der Dolmetscher ist für den auf den Auftrag folgenden Tag garantiert. In dringenden Fällen ist eine raschere Vermittlung möglich.

Die eingesetzten Dolmetscher sind freiberuflich tätig und werden im Klinikum Stuttgart nach Erfordernis hinzugezogen. Das zahlenmäßige Verhältnis Patient/Dolmetscher ist deshalb nicht abbildbar.

Die Dolmetscher werden unregelmäßig in Anspruch genommen. Pro Monat und Krankenhaus werden etwa 30 bis 60 Übersetzungsgespräche geführt. Bei ca. 72.000 stationären Patienten ergibt dies umgerechnet eine Anzahl von etwa zwei bis vier Gesprächen pro 100 Patienten.

Zu Frage 4
Die Entscheidung über die Durchführung von Therapien wird beim Klinikum Stuttgart ausschließlich unter medizinischen Gesichtspunkten getroffen. Allerdings gibt es Therapien, für die eine sprachliche Verständigung zwischen Arzt und Patient oder auch Angehörigen notwendig ist (Einverständniserklärung vor Eingriffen, Psychiatrie, Ernährungsberatung, etc.). Über den Dolmetscherdienst ist sichergestellt, dass zeitnah die erforderliche sprachliche Verständigung mit den Patientinnen und Patienten erfolgen kann.


II. Nichtstädtische Krankenhäuser

Die Befragung der nichtstädtischen Krankenhäuser wurde durch die Geschäftsführung des Verbands Stuttgarter Krankenanstalten e.V. mit einer Rücklaufquote von 80 % durchgeführt.

Es zeichnet sich ein durchgängiges Bild ab, nach dem für die fremdsprachigen Patientinnen und Patienten nichts unübersetzt bleibt und somit Diagnose, Therapie und Eingriff in der Muttersprache erläutert werden, wenn keine oder nicht ausreichende Deutschkenntnisse vorhanden sind. Für Übersetzungsgespräche werden überwiegend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses eingesetzt, welche die erforderliche Fremdsprache beherrschen bzw. weit verbreitete Sprachen wie Englisch oder Französisch anwenden. Die “gängigen” Fremdsprachen können somit abgedeckt werden. Ferner werden Angehörige und Freunde der Patientinnen und Patienten eingeschaltet. Sollte keine der beiden Gruppen übersetzen können, werden Dolmetscherdienste beauftragt. Dies geschieht ebenso in Fachbereichen, in denen Familienangehörige verstärkt in die Behandlung einzubeziehen sind (z.B. Psychiatrie). Teilweise gibt es Listen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die für Übersetzungen ehrenamtlich hinzugezogen werden sollen.

Zu den in Frage 2 angesprochenen Statistiken und Auswertungen können keine Angaben gemacht werden. Es wird angenommen, dass der Patientenanteil, der über keine Deutschkenntnisse verfügt, generell dem Prozentsatz bei der Bevölkerung aus den Einzugsgebieten entspricht. Abhängig vom Fachbereich und der Behandlungsart kann sowohl ein höherer Anteil (z.B. Geburtshilfe) als auch ein geringerer Anteil (z.B. Psychotherapie) nichtdeutscher Patientinnen und Patienten auftreten.

Ohne dass die in Frage 4 angesprochenen Regelungen existieren, sehen alle Krankenhäuser die Schaffung sprachlicher Voraussetzungen als Basis für individuelle, differenzierte diagnostische und therapeutische Maßnahmen an.

Es ist davon auszugehen, dass neue gesetzliche Regelungen, wie beispielsweise die EU-Freizügigkeit, Flucht, Asyl und Zuwanderung von Personen im Rahmen der Familienzusammenführung verstärkt interkulturelle Ansätze im Gesundheitswesen und insbesondere in den Krankenhäusern erfordern werden. Die Geschäftsführung des Verbands Stuttgarter Krankenanstalten e.V. hat signalisiert, die Diskussion über Maßnahmen hierzu mit seinen Mitgliedern aufzunehmen.







Dr. Wolfgang Schuster