Stellungnahme zum Antrag
834/2007

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 12/18/2007
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7831-10.00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    12/14/2007
Betreff
    Beteiligung der Stadt an Stuttgart 21: Ja zu einem Bürgerentscheid – aber ohne Vorspiegelung falscher Tatsachen!
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Die Deutsche Bahn AG als Bauherr des Projekts Stuttgart 21 hat beschlossen, das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu bauen. Der Bund hat mit Zustimmung des Bundestags die notwendigen Finanzierungsentscheidungen getroffen. Die EU-Kommission ist bereit, das Projekt Stuttgart 21 mit einem hohen Fördersatz zu unterstützen.

Die Deutsche Bahn AG hat vertrauend auf die Verträge vom Jahr 1995 und 2001 rund 300 Millionen Euro in Planungsleistungen investiert. Die wesentlichen Planungsabschnitte für die Neuordnung des Bahnknoten Stuttgart sind rechtskräftig.

Planungsalternativen, die von der Bahn bekanntlich intensiv untersucht und öffentlich diskutiert wurden, wie die Variante „Kopfbahnhof 21“ hat die Bahn nach sorgsamer Abwägung nicht weiter verfolgt. Die Gegner haben gegen die Planfeststellungen der Bahn gerichtlich geklagt. Sie sind in allen Instanzen gescheitert. Vor allem der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass er erhebliche Zweifel hat, ob eine Variante „Kopfbahnhof 21“ den betrieblichen Anforderungen entsprechen könnte, die die Bahn abgeleitet aus dem Bundesverkehrswegeplan künftig zu erfüllen hat.

Die Bahn wird deshalb auf der Basis der Planung des Projekts „Stuttgart 21“ den Bahnknoten Stuttgart neu ordnen.

Ein rechtmäßiger Bürgerentscheid ist über das Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht möglich, da Bauherr die Deutsche Bahn AG ist. Ein Bürgerentscheid könnte sich nur auf die Beteiligung der Stadt am Projekt Stuttgart 21 beziehen. Aber auch über die bisherige Beteiligung der Landeshauptstadt kann nicht mehr durch Bürgerentscheid befunden werden, da sowohl das „Ob“ wie auch das „Wie“ der städtischen Beteiligung durch rechtsbeständige Verträge festgelegt sind. Dies wurde in dem Gutachten der Anwaltskanzlei Professor Dr. Dolde und Kollegen sowie Herrn Professor Knemeyer von der Universität Würzburg im Einzelnen dargelegt.

In der „Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit zur Realisierung der Projekte Stuttgart 21 und NBS Wendlingen – Ulm“ vom 24.07.2001 hatten sich die Parteien verpflichtet, auf Basis einer aktualisierten Wirtschaftlichkeitsrechnung, die für Ende 2004 erwartet wurde, ihre Finanzierungsbeiträge ggf. anzupassen, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts zu gewährleisten. Als Ergebnis der Verhandlungen sollte dann eine aktualisierte Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen werden. Nur wenn die Verhandlungen über diese Finanzierungsvereinbarung zu keinem einvernehmlichen Ergebnis geführt hätten, wären die Parteien berechtigt gewesen, die Beendigung des Projektes zu erklären.

Voraussetzung für einen solchen „Ausstieg“ war die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Fortführung des Projekts. Genau um diese Frage ging es im OB-Wahlkampf 2004. Ich stehe nach wie vor zu meiner damaligen Zusage. Denn damals stand im Raum, dass sich die Stadt mit ca. 1 Milliarde Euro an den Baukosten beteiligen müsse. Eine solche Summe würde dazu führen, dass sich die Stadt über Jahre praktisch keine anderen Investitionen mehr leisten könnte – oder erheblich Schulden machen müsste. Dies wäre so gravierend, dass eine solche finanzielle Beteiligung einen Bürgerentscheid legitimieren könnte. Die damals gültige Gemeindeordnung hätte durch eine Änderung der Hauptsatzung auch eine Fragestellung über diesen „Notausstieg“ eröffnen können.

Die Voraussetzungen zum „Ziehen der Notbremse“ und damit zu einem vertraglich möglichen Ausstieg sind nicht eingetreten. Die Mehrkosten für die Stadt betreffen mögliche eintretende Baukostenrisiken, die die städtischen Haushalte bis zum Jahr 2020 mit maximal 0,3 % belasten. Da wir während der Bauzeit, vor allem aber nach Fertigstellung des verkehrlichen wie städtebaulichen Projekts erhebliche Steuermehreinnahmen aus Grundsteuer, Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer haben werden, wird die Stadt langfristig auch finanziell gewinnen. Von einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit aufgrund „erheblicher Mehrbelastungen“ kann deshalb nicht gesprochen werden.

Nachdem vielmehr die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens durch eine aktuelle Wirtschaftlichkeitsrechnung belegt war, konnten die Beteiligten in dem „Memorandum of Understanding“ vom 19.07.2007 Finanzierungsbeiträge und Risikobeteiligungen des Landes Baden-Württemberg und seiner Partner festlegen und erklären, dass Einzelheiten in einem Finanzierungsvertrag geregelt werden sollten. Damit war ein „Ausstieg“ eines Beteiligten aus den Verträgen nicht mehr möglich. Vielmehr gilt, wie bereits im Vertrag von 1995 vereinbart, dass alle Beteiligten das Projekt fördern müssen.

Wenn die Stadt jetzt nicht zu ihrer vertraglichen Förderpflicht steht, begeht sie Vertragsbruch. Ein von der Stadt initiierter Bürgerentscheid würde also die Bürger auffordern, über einen Vertragsbruch der Stadt abzustimmen. Bereits aus diesem Grund kann die Stadt keinem Bürgerentscheid über ihre Beteiligung an Stuttgart 21 das Wort reden.

Aufgrund des Antrags der Grünen hat die Landeshauptstadt die Vertragspartner beim Projekt Stuttgart 21, also die Deutsche Bahn AG, das Land Baden-Württemberg und der Verband Region Stuttgart um Stellungnahme gebeten, ob sie zu Verhandlungen über die Aufhebung der mit der Landeshauptstadt geschlossenen Verträge bereit wären. Alle drei Vertragspartner haben erklärt, dass dies nicht in Frage komme und sie an den Verträgen festhalten.

Die Gutachter, die sich im Auftrag der Stadt zur Zulässigkeit des gegenwärtig laufenden Bürgerbegehrens geäußert haben, erklärten überdies in der Pressekonferenz am 13.12.2007 auf eine entsprechende Frage unmissverständlich, dass es unabhängig von dem laufenden Bürgerbegehren keine Fragestellung zur Beteiligung der Stadt am Projekt Stuttgart 21 gebe, die nach der Gemeindeordnung noch zulässig wäre.

Bei den Baumaßnahmen der Bahn für die Neuordnung des Bahnknotens wird es bis zum Jahr 2018/2019 eine Vielzahl von zu regelnden Sachverhalten betreffend z. B. die Baulogistik, die Verkehrsabläufe, den Lärmschutz, den Denkmalschutz und den Mineralwasserschutz geben. Die meisten dieser Detailfragen müssen von der Stadt als unterer Verwaltungsbehörde bearbeitet und entschieden werden. Insoweit ist die Stadt durch die entsprechenden Gesetze gehalten, sich um diese Fragen zu kümmern. Sie können damit nicht einem Bürgerentscheid unterworfen werden.

Ob sich künftig aus der städtebaulichen Entwicklung der frei werdenden Flächen Fragestellungen für einen zulässigen Bürgerentscheid ergeben können, ist zu gegebener Zeit zu prüfen.







Dr. Wolfgang Schuster