Stellungnahme zum Antrag
390/2001

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/03/2002
Der Oberbürgermeister
GZ: 8013-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    09/13/2001
Betreff
    Bündelung der Kräfte und strategische Neuausrichtung: Gründung einer städtischen Gesellschaft für Veranstaltungen, Stadtmarketing, Tourismus und Kongresswesen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Mit dem Antrag Nr. 390/2001 wurde die Verwaltung beauftragt, die Auswirkungen einer möglichen Neuordnung des städtischen Veranstaltungsbereichs zu prüfen. Die Veranstaltungsaktivitäten, Stadtmarketing und Kongresswesen werden teilweise von unterschiedlichen Organisationen der Landeshauptstadt Stuttgart (SMK, SM, VMS, städtische Ämter) durchgeführt.

Bei einer möglichen Neuordnung des Veranstaltungsbereichs in Stuttgart sind insbesondere folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:


Aufgrund dieser komplexen Beziehungen und Ungewissheiten werden im Folgenden die Auswirkungen der Bündelung sämtlicher Aktivitäten in einer Gesellschaft für die einzelnen Tätigkeitsfelder in organisatorischer, steuerlicher oder finanzieller Hinsicht dargestellt.


Stuttgarter Messe- und Kongressgesellschaft (SMK)

Wesentliche Prämisse für eine organisatorische Neustrukturierung der SMK ist die Absicht des Landes Baden-Württemberg, in die Betriebsgesellschaft der neuen Landesmesse einzutreten. Bisher ist zwischen Land und Stadt ins Auge gefaßt, den Einstieg des Landes nach dem Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums über die Neue Messe auf den Fildern zu vollziehen. Bei der Messe-Betriebs-GmbH kann es sich auch um die bisherige SMK handeln, sofern sich deren Aktiva und Passiva auf den gesamten Geschäftsbereich “Messen und Ausstellungen” der SMK beschränken und die Landeshauptstadt das Land von allen Verpflichtungen der Gesellschaft aus oder im Zusammenhang mit anderen bisherigen Geschäftsbereichen der SMK freistellt. Damit müssen ab diesem noch nicht genau festgelegten Zeitpunkt die Geschäftsbereiche “Messe und Ausstellungen” und “Veranstaltungen” der SMK organisatorisch und betriebswirtschaftlich getrennt werden.

Ein weiterer Eckpfeiler für eine Neuordnung ist die beabsichtigte Vergabe von Bau und Betrieb der neuen Robert-Bosch-Halle, in die auch die Betriebsführung der HMSH eingebunden ist. Die Fremdvergabe hätte Auswirkungen auf die Betriebsabteilung der HMSH und den Easy-Ticket-Service. Vom ursprünglichen Veranstaltungsbereich der SMK blieben allein der Kongressbereich (KKL und Kongressbüro) sowie der Eigenveranstaltungsbereich der SMK, der die eigenen Veranstaltungen organisiert, übrig.


Die wesentlichen Konsequenzen der einzelnen Veranstaltungsbereiche:


Kongresswesen:

Zu den Aufgaben des Kongressbüros gehören Marketingaktivitäten und Kongressakquisition für die Kongressfacilitäten Stuttgarts sowie Akquisition und Durchführung von Kongressen im KKL und auf dem Killesberg. Das Kongressbüro ist örtlich und organisatorisch eng mit der Vermietung der Räumlichkeiten des KKL verzahnt. Eine Trennung erscheint nicht sinnvoll. Im KKL sind derzeit 28 Stellen, im Kongressbüro 5,5 Stellen vorhanden.

Mit der Inbetriebnahme der Neuen Messe auf den Fildern mit einem eigenem "KongressCenter” entsteht eine Konkurrenzinstitution zu den derzeitigen Einrichtungen, da das Kongressgeschäft mit einer entsprechenden Infrastruktur auch Bestandteil des Kerngeschäfts für eine moderne Messegesellschaft ist. Trotz der ähnlichen Kundenstruktur von Messe und Kongress sollte die Stadt nicht auf ein Kongressbüro zur Durchführung eigener Marketingaktivitäten für ihre Kongressfacilitäten verzichten. Weitere Einrichtungen (z.B. der Kursaal Bad Cannstatt) könnten einbezogen werden. Eine Konzeption für eine enge Abstimmung zwischen der Neuen Messe und den weiteren städtischen Einrichtungen ist dringend geboten.

Darüber hinaus kann das Kongressbüro als Service-Center im Zuge einer Marketingkooperation die einzelnen Akquisitionsaktivitäten der Kongressfacilitäten Stuttgarts im Markt unterstützen, teilweise bündeln und durch das Dienstleistungsangebot eines PCO (Professional Congress Organizer) ergänzen. Eine überregionale Vermarktung der Kongressdestination Stuttgart und die Konzeption und Distribution des Kongress- und Tagungsführers für Stuttgart und die Region geschieht bereits durch die Stuttgart-Marketing GmbH.


Hanns-Martin-Schleyer-Halle und Eigenveranstaltungen:

Mit dem Bau der Robert-Bosch-Halle soll auch die HMSH vom privaten Betreiber der neuen Halle betrieben werden. In diesem Bereich sind derzeit 13,5 feste Stellen bei der SMK vorhanden. Der Zeitpunkt des Übergangs an den Investor ist damit offen. Wichtige Verträge im Veranstaltungsbereich der HMSH wurden auf die Realisierung der Robert-Bosch-Halle im Jahre 2004 ausgerichtet. Der Übergangstermin sollte so abgestimmt werden, dass sowohl für die Betriebsführung wie auch insbesondere für die Mitarbeiter keine doppelte Überleitung (zur Veranstaltungs-GmbH bzw. zum Investor) notwendig wird.

Die Organisation von sportlichen und musikalischen Eigenveranstaltungen in der HMSH (z.B. Hofbräu-6-Tage Rennen, German Masters, Porsche-Oldie Night) und auf dem Killesberg (Lichterfest, Freilichtbühne), die z.T. seit langen Jahren mit hohem Publikumszuspruch bestehen, wird derzeit von einer SMK-Abteilung Eigenveranstaltungen (7 Stellen) durchgeführt. Es ist offen ist, ob der Investor überhaupt beabsichtigt, in den Hallen eigene Veranstaltungen zu planen und durchzuführen.

Zu berücksichtigen ist dann auch, dass die Betreibergesellschaft der Neuen Messe beabsichtigt, messeatypische Publikumsveranstaltungen zur Arrondierung des Programms und zur Belegung von Hallenleerzeiten als Eigenveranstaltungen auf den Fildern durchzuführen. Mit dieser Veranstaltungsabteilung begibt sich die Landesmesse in Konkurrenz zu den anderen Hallenbetreibern und Veranstaltern in der Stadt und der Region.


Easy-Ticket-Service (ETS)

Bisher wurden einheitliche Kartenkontingente für die HMSH über Easy-Ticket-Service verkauft. Wenn mit einem neuen Betreiber der Hallen keine Vereinbarung bzgl. des Kartenverkaufs über ETS erzielt werden kann, lassen sich bei ETS keine Überschüsse mehr erzielen. In diesem Fall wäre ein Verkauf des ETS an eine überregionale Ticket-Vertriebsgesellschaft zu prüfen.

Eine Ausgliederung des ETS mit seinen 16 Stellen aus der SMK ist organisatorisch möglich. Es ist zu prüfen, ob sich bei einer möglichen Eingliederung in die SM durch die Verbindung des Call-Centers des ETS mit dem Kartenverkauf und Zimmerreservierung des i-Punkts zumindest personelle Synergien ergeben würden.


Betrieb der Freilichtbühne und Kleinbahn im Höhenpark Killesberg

Die beiden Bereiche können aus der SMK ausgegliedert werden. Das Garten- und Friedhofsamt als Eigentümer hätte dann die Vermietung der Freilichtbühne zu übernehmen. Beim Betrieb der Kleinbahn ist allerdings zu beachten, dass wie auch bei der Durchführung des Lichterfestes vielfältige Leistungen der SMK-Mitarbeiter benötigt werden. Daher sollte, solange die Messe am Killesberg besteht, die SMK weiterhin mit der Geschäftsbesorgung zum Betrieb der Kleinbahn beauftragt werden.

Finanzielle Konsequenzen bzgl. SMK

Durch das Herauslösen der einzelnen Veranstaltungsbereiche aus der SMK zum Verkehrswert müssten ggfs. stille Reserven realisiert werden. Die den Buchwert übersteigenden Verkaufserlöse könnten dabei mit den vorhandenen Verlustvorträgen der SMK steuerneutral verrechnet werden. Das HMSH-Inventar der SMK sowie die Zusatzhallen und die Rollschuhhalle wären aufgrund des Neubaus der Robert-Bosch-Halle von der Stadt zu erwerben.

Nach derzeitiger Gesetzeslage bleibt der Eintritt des Landes in die SMK mittels Übertragung der hälftigen SMK-Geschäftsanteile auf das Land körperschaftssteuerfrei. Unabhängig davon fallen grundsätzlich 10% Kapitalertragssteuer auf diesen Anteilsverkauf an. Aufgrund des geplanten Anteilsverkaufs sind jedoch weitere steuerliche Sachverhalte zu berücksichtigen, die derzeit von der Verwaltung geprüft werden.

Bei einer Ausgliederung aus der SMK muss neben dem bisherigen Verlustausgleich für das KKL und dem 80%-Kostenersatz für Kongressbüro und Kleinbahn auch der 20%-Anteil der SMK am Kostenersatz für Kongressbüro und Kleinbahnbetrieb vom Stadthaushalt übernommen werden. Beim ETS in der bisherigen Form wird ebenso wie für die HMSH nach Verrechnung mit den anteiligen Verwaltungsblockkosten ein ausgeglichenes Ergebnis prognostiziert.



Stuttgart-Marketing GmbH (SM)

Die Tätigkeitsfelder der Stuttgart-Marketing zeigen wenig Überschneidungspunkte zu den übrigen stadteigenen veranstaltungsnahen Tätigkeiten und damit wenig erkennbare Synergien, zumal die SM i.d.R. keine eigenen Veranstaltungen durchführt. Die Aufgaben der Touristik- und Stadtwerbung unterscheiden sich durch ihre strategische Ausrichtung von einer Veranstaltungs-GmbH. SM übernimmt über den Geschäftsbesorgungsvertrag auch für andere Veranstalter in der Region Marketingaufgaben zur Tourismusförderung. Bei einer Einbindung der SM in eine Stuttgarter Veranstaltungs-GmbH würde möglicherweise eine Abgrenzungsdiskussion zur Regio Marketing entstehen. Eine Verzahnung des Marketingbereichs mit dem Veranstaltungsbereich könnte wie bisher durch die Geschäftsführer sichergestellt werden.

Verschiedene, auch steuerliche Gründe, sprechen dafür, es derzeit bei der jetzigen Organisation der SM zu belassen.


Eigenbetrieb Versorgungsmärkte und Marktveranstaltungen der Landeshauptstadt Stuttgart (VMS)


Beim Eigenbetrieb VMS werden die Veranstaltungen von einer kleinen Abteilung (ca. 6 Mitarbeiter) betrieben. Aufgrund der engen Verzahnung mit den übrigen Geschäftsfeldern sind jedoch eine Vielzahl weiterer Mitarbeiter bei der Durchführung der Großveranstaltungen am Cannstatter Wasen (Volksfest, Frühlingsfest) und in der Innenstadt (Sommerfest, Weihnachtsmarkt) beteiligt.

Die Durchführung von Markt- und Festveranstaltungen gehört sicher zu den originären Aufgaben des VMS. Allerdings erscheint eine Bündelung der städtischen Aktivitäten in diesem Bereich durchaus notwendig und sinnvoll. Dabei kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Betracht:

Zum einen die Zuständigkeiten für Organisation und Durchführung von Großveranstaltungen per Geschäftsbesorgungsvertrag auf eine für alle städtischen Veranstaltungen verantwortliche Gesellschaft zu übertragen, die Verpachtung und Instandhaltung des Wasengeländes allerdings beim VMS zu belassen und dessen Mitarbeiter weiter anlassbezogen einzusetzen.

Möglicherweise könnte eine weitergehende Lösung vorteilhafter sein, nämlich die Umwandlung des gesamten VMS in eine GmbH und sukzessive Übertragung der Veranstaltungsteile der SMK auf eine “Markt- und Veranstaltungs-GmbH”. Die Vorteile dieser Lösung werden vor allem darin gesehen, weiterhin Betrieb und bereitgestellte Infrastruktur in einer Organisation zu führen und durch die enge Verzahnung von Markt- und Veranstaltungsbereich bei den Mitarbeitern des VMS Synergien zu nutzen. Darüber hinaus lassen sich Einsparungen beim Körperschafts- und Gewerbesteueraufwand erwarten (s.u.).

Ein Nachteil dabei könnte sich allerdings durch die zu berücksichtigende Grunderwerbssteuer ergeben. Die Verwaltung prüft derzeit noch, ob sich diese Steuerzahlungen mit einer Lösung in Form einer Personengesellschaft optimieren lassen.

Eine völlige Aufteilung und Umordnung des VMS dagegen führt neben der schwierigen organisatorischen Trennung einer auf die verschiedenen Marktbereiche spezialisierten Einheit zu spürbaren finanziellen Nachteilen.

Bei einer Zuordnung des Wasen-, bzw. Festbereichs zur Veranstaltungs-GmbH, ebenso wie bei der angedachten Zuordnung von Markthalle, Wochen-, Floh- und Krämermärkte oder auch den Campingplatz zum Amt für Liegenschaften und Wohnen müssten die jährlichen Unterdeckungen all dieser defizitären Aufgabenfelder vollständig durch den Stadthaushalt ausgeglichen werden. Dagegen müssten dann die Gewinne aus dem Großmarkt ungeschmälert versteuert werden. Eine Eingliederung in die SVV und damit eine Aufrechnung mit den Verlusten der SSB wird voraussichtlich steuerlich nicht anerkannt werden.



Stuttgart 2012 GmbH

Obwohl die Stuttgart 2012 GmbH eigene Marketingaktivitäten und sportliche Veranstaltungen organisiert und durchführt, ist es zweckmäßig, die Gesellschaft erst nach einer positiven Entscheidung des NOK im April 2003 in diese Neuordnung der Veranstaltungsaktivitäten in Stuttgart einzubeziehen. Aufgrund ihrer Zielsetzung sollte die Gesellschaft selbständig bleiben, eine Kompetenzverzahnung mit weiteren städtischen Organisationen muss geschaffen werden.



Zusammenfassung

Eine Neuordnung des städtischen Veranstaltungsbereichs lässt durch klarere Zuständigkeiten und Bündelung der Mittel und Kompetenzen grundsätzlich Vorteile erwarten. Darüber hinaus ist eine städtische Anlaufstelle als Ansprechpartner und Koordinator für weitere Veranstalter wünschenswert.

Die endgültige Festlegung über eine neue Struktur aller veranstaltungsnahen Aktivitäten der Stadt Stuttgart sollte aber vom Ergebnis der Investorenausschreibung Robert-Bosch-Halle sowie von einer Vereinbarung über den Einstiegstermins des Landes in die Messe-Betriebsgesellschaft abhängig gemacht werden. Des weiteren sind für eine Neuorganisation die beschriebenen offenen Fragen mit der Steuerverwaltung abzuklären. Erst nach diesen Absprachen kann die Verwaltung konkrete Maßnahmen und Zeitpläne für die Umsetzung einer Veranstaltungs-GmbH vorschlagen.




Dr. Wolfgang Schuster