Stellungnahme zum Antrag
89/2008

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/23/2008
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7609 E



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Schmid Roland (CDU), Sauer Jürgen (CDU), Prof. Dr. Loos Dorit (CDU), Dr. Nopper Klaus (CDU), Fahrion Joachim (Freie Wähler), Dr. Werwigk Matthias (FDP), Currle Fritz (CDU)
Datum
    03/06/2008
Betreff
    Strukturwandel mittelständischer Gärtnereien
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

In den letzten Jahren sind dem Baurechtsamt der Landeshauptstadt Stuttgart mehrere Fälle bekannt geworden, in denen sich Gärtnereien neben dem eigentlichen Pflanzenzuchtbetrieb unter Nutzung der Betriebsgebäude weitere betriebliche Standbeine schaffen wollen bzw. geschaffen haben. Von derartigen Vorhaben erfährt die Baurechtsbehörde entweder durch einen Antrag oder eine formlose Anfrage des Bauherrn oder durch Beschwerden aus der Umgebung, wenn Nutzungen ohne Genehmigung aufgenommen wurden. In anderen Fällen wurden Gärtnereibetriebe aufgegeben und die Betriebsgebäude ohne die erforderliche Genehmigung zweckfremd genutzt.

Das Baurechtsamt kann nicht abschätzen, ob und wenn ja wie viele solche Nutzungserweiterungen über die folgende Auflistung hinaus vorgenommen wurden.

Bekannt sind

1. Gärtnerei Locher; Uhlandshöhe: Nutzung von Gewächshäusern als Veranstaltungsraum. Nutzung widerspricht dem geltenden Planungsrecht (Außenbereich und festgesetztes Bauverbot) und Ordnungsrecht (z.B. Brandschutz, Rettungswege, Überkopfverglasungen).
(Illegal durchgeführte) Veranstaltungen in den letzten Jahren führten wiederholt zu Beschwerden, bis hin zu Polizeieinsätzen wegen Lärmbelästigungen.

2. Gärtnerei Foltin, Stgt.-Hofen: Gärtnereibetrieb aufgegeben, Erwerber der Liegenschaften nutzen diese für andere, im Außenbereich nicht zulässige Zwecke (nicht privilegiertes Wohnen, gewerbliches Lager).

3. Gärtnerei Stier, Viereichenweg: Nutzung von Gewächshäusern als Veranstaltungsraum. Nutzung widerspricht dem geltenden Ordnungsrecht (z.B. Brandschutz, Rettungswege, Überkopfverglasungen).
Betreiber hat sich schriftlich zum Verzicht auf Veranstaltungen verpflichtet.

4. Gärtnerei Elsässer, Katzenbachstraße: Nutzung von Gewächshäusern als Veranstaltungsraum. Nutzung widerspricht dem geltenden Planungsrecht (Flächennutzungsplan: Fläche für landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich / Erwerbsgartenbau, Glashäuser; Bebauungsplan: landwirtschaftliche Fläche, Erwerbsgartenbau) und Ordnungsrecht (z.B. Brandschutz, Rettungswege, Überkopfverglasungen).
Bei Bekanntwerden der illegal erfolgten Nutzungen im Jahr 2007 wurden bereits gebuchte Veranstaltungstermine im Jahr 2007 durch das Baurechtsamt noch unter der Voraussetzung geduldet, dass DIN-gerechte Sicherheitsnetze gegen Glasbruch angebracht werden. Dieses erfolgte nicht. Nach unserer Kenntnis wurden im Dezember 2007 noch zwei Veranstaltungen durchgeführt. Angefragt wurde auch, ob Ende Januar 2008 noch eine Veranstaltung stattfinden könne. Ob dies erfolgte ist nicht bekannt.


Problematisch sind in diesen Fällen in der Regel sowohl das Bauplanungs- als auch das Bauordnungsrecht.

Planungsrechtlich sind die Gärtnereiflächen in der Regel im Flächennutzungsplan und, soweit vorhanden, im Bebauungsplan als Flächen für die Landwirtschaft Erwerbsgartenbau ausgewiesen. Die baurechtliche Genehmigung einer völlig anderen Nutzung wie z.B. als Versammlungsstätte oder sonstige Veranstaltungshalle unter Erteilung einer planungsrechtlichen Befreiung ist wegen Verletzung der planerischen Grundzüge mit dem Baugesetzbuch nicht vereinbar.
Im Falle der Gärtnerei Elsässer hat der Ausschuss für Umwelt und Technik in seiner Sitzung am 22.04.2008 daher beschlossen, eine entsprechende Änderung des geltenden Planungsrechts einzuleiten.

Daneben erfüllen die ja für eine völlig andere Nutzung erstellten, einfachen Gewächshäuser die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Versammlungsstätte nicht. Als besonders gravierende Punkte genannt seien nur die Anforderungen an die Rettungswege (Beschilderung, Sicherheitsbeleuchtung, Schwellenfreiheit und Öffenbarkeit von Türen), Entrauchung, Überkopfverglasungen (in der Regel Einfachverglasungen, die schon bei Anprall durch einen Sektkorken bersten und herabstürzen können) und Statik (Schneelasten, Winddruck).
Diese höheren baulichen Anforderungen aus der Nutzung als Veranstaltungsraum können regelmäßig baulich gelöst werden, haben aber einen entsprechenden Investitionsbedarf zur Folge.

Insbesondere durch diese bauordnungsrechtlichen Mängel und die daraus resultierenden Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen entstehen jedoch erhebliche, auch strafrechtliche Risiken. Diese treffen zwar primär den Betreiber, bei Zulassung oder (auch stillschweigender) Duldung jedoch auch die dafür verantwortlichen Entscheidungsträger bei der Landeshauptstadt Stuttgart.







Dr. Wolfgang Schuster