Stellungnahme zum Antrag
419/2008

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 09/14/2009
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6111-07.00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    10/28/2008
Betreff
    Wohnen in der City - 30% bei Neubauvorhaben generell durchsetzen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Bericht

Angesichts jahrzehntelanger Verdrängung des Wohnens aus den Cityrandgebieten und einer heute deutlich verringerten Abwanderungsmotivation von insbesondere Gründerhaushalten mit Kindern aus der Innenstadt wird die konsequente Sicherung der wieder bevorzugten innenstadtnahen Wohngebiete und eine Stärkung der Wohnfunktion in den Kern- und Mischgebieten als Chance gesehen.

Um den urbanen Wohnungsbau und eine lebendige Mischung in innerstädtischen Lagen wieder zu etablieren, wurde bereits in den „Stadtkernzielen“, (Innenstadtkonzept) bezogen auf die City mit Schwerpunkt Verwaltung, Handel und Büro sowie die unmittelbar angrenzenden Innenstadtquartiere, ein Mindestwohnanteil von 20% der BGF festgelegt. Eine Grundlage hierzu bildet der Flächennutzungsplan 2010 (M-Flächen mit mind. 40% Wohnanteil, MV-Flächen mit untergeordnetem Wohnanteil) und der Gebietstypenplan 1979, der teilweise darüber hinaus gehend baublockscharfe Aussagen zu städtebaulich gewünschten Wohnanteilen beinhaltet und im Hinblick auf den neuen „Trend zurück in die Stadt“ fortgeschrieben werden soll.

Ein prioritäres Handlungsfeld sieht hier auch das Handlungskonzept „urbanWohnen“, das derzeit auf den Weg gebracht wird. Die Expertenbefragung 2007 und das in diesem Zusammenhang am 17.09.2007 im Rathaus durchgeführte Expertenhearing ergaben, dass die Innenstadtbezirke und der Cityrand als Wohnstandorte gefragter sind denn je. Eine entsprechende Resonanz zeigte sich auch auf der diesjährigen Messe Wohnen + Eigentum. Zentralität und kurze Wege, lebendige Wohnumfelder mit Kultur- und Bildungsangeboten sowie großstädtische Architektur und Ambiente sind nicht nur für die jüngere Generation (Familie und Beruf) sondern auch für die gehobenen Mittelschichtsgruppen (Eigentumsbildung in der Stadt) wichtige Kriterien bei der Entscheidung zugunsten der Innenstadt. Gleiche Tendenzen zeigen sich bei


einer ebenfalls von der Verwaltung durchgeführten Umzugsbefragung, die kurzfristig noch um weitere Befragungen zu urbanen Lebensstilen und Wohnwünschen ergänzt werden soll. Ziel der Befragungen ist es, ein differenziertes, attraktives Wohnungsangebot entsprechend dieser Nachfrage anbieten zu können.

Derzeit sind am Cityrand ca. 20 bis 25 Projekte realisiert, geplant oder projektiert, die in nennenswertem Maße Wohnungsbau beinhalten. Der Trend zugunsten der inneren Stadtbezirke soll verstetigt werden, die rechtlichen Möglichkeiten sind derzeit jedoch beschränkt, unmittelbar darauf reagieren zu können. Bislang ist bei konkreten Umstrukturierungsmaßnahmen und Investitionsprojekten der Wohnanteil vor allem mit politischer Unterstützung auf dem Verhandlungswege erreicht worden. Bei einzelnen Investitionsprojekten (z. B. Baufeld A1 im Europaviertel, Silberado in Stuttgart-West, ehem. Matthes-Verlag Olgastraße) haben die Investoren bereits die verbesserte Marktgängigkeit des Innenstadtwohnens erkannt und sie in ihre Nutzungskonzepte integriert. Bei anderen Projekten (wie beim WGV-Stammhaus am Rupert-Mayer-Platz/City-Süd) laufen die Verhandlungen noch.

Hier ist auch eine gezielte Beratung im Verlauf der Projektentwicklung und vor dem Hintergrund der o. g. Zielstellungen wichtig. Die Stadtverwaltung tritt auf dieser Grundlage bei der Beratung privater Investoren von Neubauprojekten in der Innenstadt für eine Umsetzung eines Mindestwohnanteils ein (aktuelle Beispiele: städtebaulicher Wettbewerb AOK-Gelände Breitscheidstraße; Quartier S).

In Bebauungsplänen festgesetzte Mindestwohnanteile sind grundsätzlich einzuhalten. Die Festlegung eines Wohnanteils im Rahmen der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Bauvorhaben nach § 34 BauGB oder i. V. m. einfachen Bebauungsplänen ist jedoch nicht zwingend. Eine Möglichkeit der Durchsetzung von Wohnanteilen besteht allenfalls dann, wenn die Zulässigkeit von Bauvorhaben von der Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 (2) BauGB abhängig gemacht werden kann. Hier sind aber bauordnungsrechtlich Grenzen gesetzt.

Aktuell werden von der Stadtverwaltung adäquate Strategien, Verfahrengrundsätze und Instrumente geprüft, zusätzliche Wohnbaukapazitäten in Innenstadtlagen zu mobilisieren. Dabei geht es einerseits um öffentliche Anreize zur Schaffung von (bezahlbarem) Wohnraum, andererseits um die Durchsetzbarkeit von Mindestwohnanteilen im konkreten Fall. Auch die Verbreiterung der Angebotspalette (Konzeptvielfalt) ist ein Anliegen. Grundlagen hierfür bieten oben angeführte Untersuchungen und Modelle und Erfahrungen anderer Städte wie z.B. München oder Hamburg (HafenCity). Insbesondere berücksichtigt werden auch entstehende ökonomische Effekte und Argumente zur Verbesserung der Qualität von Innenstadtquartieren. Es ist eine Gesamtstrategie erforderlich, bei der das urbane Wohnen einen zentralen wohnungspolitischen Ansatz darstellt.

Sobald entsprechend gereifte Überlegungen aufgrund einer systematischen Aufbereitung der Fragestellungen vorliegen, wird die Verwaltung berichten und dem Gemeinderat Vorschläge zum weiteren Vorgehen zur Beschlussfassung vorlegen.

Dr. Wolfgang Schuster