Beantwortung zur Anfrage

183/2003

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 08/18/2003
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 0025-02



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Saal-Rannacher Ingrid (FDP/DVP)
Datum
    07/10/2003
Betreff
    Verwaltungsreform
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Anlagen:
Text der Anfrage


Nachdem sich die Regierungsfraktionen im Landtag Anfang Juli 2003 über die Eckpunkte der Verwaltungsreform verständigt haben, steht im Grundsatz fest, welche Aufgaben ab dem 01.01.2005 auf die Landeshauptstadt übertragen werden bzw. bei welchen Aufgaben sog. Vor-Ort-Regelungen gelten sollen:


I. Übertragung von Aufgaben auf die Stadt Stuttgart

Staatliches Schulamt Stuttgart (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart).
Das Staatliche Schulamt ist im wesentlichen zuständig für die Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschulen, insbesondere die Dienst- und Fachaufsicht über knapp 3.000 Lehrkräfte, die Lehrerzuweisung sowie die Aus- und Fortbildung. Das Staatliche Schulamt beschäftigt derzeit 18 Mitarbeiter/innen (hinzu kommen 4 Stellen des schulpsychologischen Beratungsdienstes, die bislang dem Oberschulamt zugeordnet waren, sowie die Stellenanteile von mehr als 20 pädagogischen Fachberater/innen (Lehrer/innen an Schulen)).

Das Staatliche Schulamt soll jedoch nicht eingegliedert, sondern nur angegliedert werden. Was dies im Detail bedeutet, wird derzeit zwischen dem Ministerium und dem Städtetag geklärt.

Straßenbauamt Kirchheim/Teck (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart und die Landkreise Esslingen, Göppingen und den Rems-Murr-Kreis).
Es ist vorgesehen, die Aufgaben der Straßenbauämter für Kreisstraßen sowie für den Betrieb und die Unterhaltung von Landes- und Bundesstraßen an die Stadt- und Landkreise zu übertragen. Die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen sowie die Planung, Bau und Erhalt der Landes- und Bundesstraßen gehen auf die Regierungspräsidien über. Im Gegenzug sollen zahlreiche Landesstraßen zu Kreisstraßen abgestuft werden. Das Straßenbauamt Kirchheim/Teck beschäftigt derzeit ca. 350 Mitarbeiter/innen.

Staatliches Forstamt Stuttgart (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart sowie die Gemeinden Ostfildern und Gerlingen).
Die hoheitlichen und betrieblichen Aufgaben des Forstamts sollen den Stadt- und Landkreisen übertragen werden. Die bisherigen Forstdirektionen, die in die Regierungspräsidien Tübingen und Freiburg eingegliedert werden, sollen sich auf die Steuerung, Koordination und die überregionale Vermarktung (u.a. Holzverkauf) konzentrieren. Hierzu soll ein über die Fachaufsicht hinausreichendes Durchgriffsrecht eingerichtet werden. Beim Staatlichen Forstamt Stuttgart (dem noch Sondereinrichtungen wie das Haus des Waldes, eine Ausbildungsstätte sowie eine Pflanzschule angegliedert sind) werden 39 Stellen vorgehalten. Hinzu kommen 18 städtische Waldarbeiterstellen, die in den Forstbetrieb integriert sind.

Gewerbeaufsichtsamt Stuttgart (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart und die Landkreise
Böblingen, Esslingen und Ludwigsburg).
Es ist geplant, die Aufgaben des Gewerbeaufsichtsamts (Arbeitsschutz und Umweltschutz) grundsätzlich den Stadt- und Landkreisen zu übertragen. Die fachtechnischen Aufgaben für die nach dem Umweltrecht bedeutsameren Anlagen sollen auf die Regierungspräsidien übergehen. Das Gewerbeaufsichtsamt Stuttgart beschäftigt derzeit rd. 150 Mitarbeiter/innen.

Gewässerdirektion Neckar, Teilbereich Besigheim (zuständig für die Stadtkreise Stuttgart und Heilbronn sowie für die Landkreise Heilbronn, Ludwigsburg und den Rems-Murr-Kreis).
Die Aufgaben der Gewässerdirektionen sollen weitgehend den Regierungspräsidien und nur hinsichtlich der Aufgabe als Träger öffentlicher Belange den Stadt- und Landkreisen zugeordnet werden. Beim Gebietsbereich Besigheim sind 36 Mitarbeiter/innen beschäftigt.

Landwirtschaftsamt Ludwigsburg (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart und den Landkreis Ludwigsburg).
Es ist vorgesehen, die Aufgaben des Landwirtschaftsamts im Wege der sog. Vor-Ort-Regelung dem Landkreis Ludwigsburg zu übertragen, das dann auch für den Stadtkreis Stuttgart zuständig wäre. Davon ausgenommen ist die Zuständigkeit für Stellungnahmen als Träger öffentlicher Belange (ggfs. auch die Zuständigkeit für Grundstücksgenehmigungen), die der Stadt Stuttgart zugeordnet werden. Das Landwirtschaftsamt Ludwigsburg beschäftigt derzeit ca. 60 Mitarbeiter/innen.

Landespolizeidirektion II (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart).
Seitens des Landes ist geplant, die Teilaufgaben Lebensmittelüberwachung, Kriminalprävention und Geschwindigkeitskontrolle auf die Landeshauptstadt zu übertragen. Die Landespolizeidirektion II soll als künftiges Polizeipräsidium Stuttgart organisatorisch an das Innenministerium Baden-Württemberg angebunden werden. Die LPD II geht davon aus, dass sich weder an der guten Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt noch an dem Verhältnis der Stuttgarter Polizei zu den Bürgerinnen und Bürgern etwas ändern wird. Die Polizei wird weiterhin jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und für die Sicherheit und Belange der Einwohner wie bisher eintreten. Die LPD II weist noch darauf hin, dass die beabsichtigten Revierzusammenlegungen und Änderungen der Reviergrenzen zum 01.01.2004 bzw. im Laufe des Jahres 2004 nicht im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform stehen.

Darüber hinaus sollen die Aufgaben der Staatlichen Vermessungsämter auf die Stadt- und Landkreise übergehen. Für den Bereich der Stadt Stuttgart hat dies keine Auswirkungen, weil das Stadtmessungsamt schon bislang die staatlichen Vermessungsaufgaben wahrgenommen hat.

II. Übertragung von Aufgaben im Wege von Vor-Ort-Regelungen

Amt für Flurneuordnung und Landentwicklung Kirchheim/Teck (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart und die Landkreise Böblingen, Esslingen und Göppingen).
Nach der Zielvorstellung des Landes sollen die Aufgaben des Amts für Flurneuordnung und Landentwicklung den Landkreisen Böblingen, Esslingen und Göppingen übertragen werden. Für den Bereich des Stadtkreises Stuttgart wären entweder das Regierungspräsidium Stuttgart oder ein noch festzulegendes Vor-Ort-RP zuständig. Das Amt für Flurneuordnung und Landentwicklung Kirchheim/Teck beschäftigt rd. 40 Mitarbeiter/innen.

Versorgungsamt Stuttgart (zuständig für den Stadtkreis Stuttgart und die Landkreise Böblingen, Esslingen und den Rems-Murr-Kreis).
Nach dem Eckpunkte-Papier des Landes sollen die Aufgaben des Versorgungsämter nur auf die Landkreise übergehen, wobei Kooperationen zwischen den Landkreisen ausdrücklich ermöglicht werden. Die Stadtkreise sollen keine Zuständigkeit erhalten. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass die Versorgungsaufgaben Bundesaufgaben sind, die bundeseinheitlich als staatliche Aufgaben geregelt sind. Sie können daher nach dem geltenden Recht nicht auf die Kommunen übertragen werden.

Nach dem ersten Gesetzentwurf ist daher vorgesehen, dass der Landkreis Böblingen für den Stadtkreis Stuttgart zuständig wird. Das Versorgungsamt Stuttgart beschäftigt ca. 135 Mitarbeiter/innen.

Unser Ziel ist es, dass die Mitarbeiter/innen, die die Stuttgarter Bürger/innen betreuen, auch dies künftig in Stuttgart tun; ggf. in Form einer Außenstelle des Versorgungsamtes des Landratsamtes Böblingen.

Landwirtschaftsamt Ludwigsburg
Auf die o.g. Darstellung wird hingewiesen.


III. Finanzieller Ausgleich

Nach den Erklärungen des Landes sollen die Stadt- und Landkreise für die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben einen vollen Kostenausgleich erhalten, in den die folgenden Positionen einbezogen werden sollen:
- Personalkosten (einschl. Versorgungszuschlag und Personalnebenkosten) auf der Basis von Durchschnittsbeträgen je Laufbahngruppe,
- Unterbringungskosten (Miete und Bewirtschaftungskosten – bei landeseigenen Gebäuden mit fiktiven Mietwerten),
- Gemeinkosten (in Form eines pauschalen Zuschlags),
- sonstige sächlichen Verwaltungsausgaben und
- Gebühreneinnahmen (als Abzugsposition)
Die Höhe des Versorgungs- sowie des Gemeinkostenzuschlags steht derzeit noch nicht fest.

Nicht in die pauschale Abgeltung einbezogen werden die Programmausgaben des Landeshaushalts (z.B. Förderprogramme) und weitere Ausgaben oder Einnahmen, die zeitlich oder räumlich nicht gleichmäßig anfallen (z.B. Kosten für operative Ausgaben der Polizei, Zuschüsse und Förderprogramme im Bereich Flurbereinigung, Straßenbau und Landwirtschaft, Holzerlöse sowie Mittel für den Hochwasserschutz und Gewässerbau). Offen ist noch, ob Kosten wie beispielsweise die Bauunterhaltungsausgaben für Landesstraßen pauschaliert werden können.

Nach den Vorstellungen des Landes soll der pauschale Ausgleich um eine Effizienzrendite vermindert werden, die sich stufenweise aufbaut, so dass die Rendite nach 5 bis 7 Jahren jährlich 20 % beträgt.

Im Grundsatz soll der finanzielle Ausgleich zwischen Land und Kommunen nach dem Vorbild des Sonderbehörden-Eingliederungsgesetz 1995 (SOBEG I) erfolgen; die genaue technische Ausgestaltung steht jedoch noch nicht fest. Bei der Behördereingliederung im Jahr 1995 hat das Land seine Kosten im zugrundegelegten Referenzjahr für die von der Reform betroffenen Verwaltungsbereiche (Gesundheits-, Veterinär- und Wasserwirtschaftsverwaltung) ermittelt und in einem Gesamtbetrag in den kommunalen Finanzausgleich dauerhaft überführt.

Aus kommunaler Sicht ist darüber hinaus noch offen,
- in welcher Weise die Anwartschaften bei der Zusatzversorgung der Angestellten und Arbeiter übertragen werden,
- ob analog für die Regelung der Landkreise auch für die Stadtkreise eine Regelung geschaffen wird, die § 52 Abs. 2 LkrO entspricht. Nach dieser Bestimmung trägt nicht der Landkreis, sondern das Land die Folgekosten (z.B. Schadensersatz), die bei der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch die unteren Verwaltungsbehörden entstehen,
- ab welchem Stichtag die Effizienzrendite zu rechnen beginnt (insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land schon vor dem Übertragungszeitpunkt 01.01.2005 Stellen abbauen möchte),
- wie der Bereich IuK (Übernahme von Personal, Ausgleich für neu entstehende Aufwendungen) im Kostenausgleich behandelt wird.

Seitens des Landes ist vorgesehen bis etwa Ende September 2003 Berechnungen und Übersichten zu einem kreisscharfen Kostenausgleich vorzulegen. Erst wenn diese vorliegen, kann beurteilt werden, inwieweit für die an die Landeshauptstadt zu übertragenden Aufgaben tatsächlich ein voller Kostenausgleich zu erwarten ist.


IV. Weiteres Vorgehen

Die Fachressorts des Landes sind derzeit damit beschäftigt, die Eckpunkte der Verwaltungsreform zu konkretisieren, d.h. die auf die Stadt- und Landkreise zu übertragenden Aufgaben zu bestimmen, die Modalitäten des Kostenausgleichs zu klären und die Kriterien für die Zuordnung des Personals auf die jeweils beteiligten Körperschaften festzulegen. Hierzu gehört auch zu klären, ob und in welcher Weise die von der Aufgabenübertragung betroffenen Mitarbeiter/innen (z.B. im Bereich der staatlichen Schulverwaltung) in den Dienst der Stadt- und Landkreise übertreten. Aus heutiger Sicht hätte die Landeshauptstadt im Zuge der Verwaltungsreform, je nach Umfang der Aufgaben- und Personalzuordnung, etwa rund 165 bis 190 Mitarbeiter/innen zu übernehmen.

Die innerhalb der Stadtverwaltung zuständigen Fachämter wurden Mitte Juli 2003 beauftragt, mit den jeweiligen Sonderbehörden Kontakt aufzunehmen und bis spätestens Anfang/Mitte September 2003 u.a. zu klären,
- ob die zur Übertragung anstehende Stellenzahl ausreichend ist,
- wie die Unterbringung der aufnehmenden Bereiche geregelt werden kann,
- welche Kosten (Personal- und Sachausgaben) für die Landeshauptstadt mit der Aufgabenübertragung konkret verbunden sind,
- ob Investitionen anstehen, ggfs. ein Investitionsrückstau vorhanden ist, und ob die Übertragung des beweglichen Vermögens (z.B. Maschinen, Fahrzeuge) ausreicht,
- welche Landesstraßen zu Kreisstraßen abgestuft werden sollen und welche finanzielle Folgen damit für die Stadt verbunden sind,
- ob und inwieweit die IuK-Ausstattung (u.a. EDV-Programme des Landes) verwendet werden kann bzw. mit welchen zusätzlichen Kosten zu rechnen ist,
- welche Vorstellungen für die organisatorische Ein- oder Angliederung der jeweiligen Behörden(teile) in die Stadtverwaltung bestehen und
- mit welchen Maßnahmen der Einsparvorgabe des Landes (20%) Rechnung getragen werden kann.
Unabhängig davon wird sich die Sozialverwaltung mit dem Versorgungsamt Stuttgart und den beteiligten Landkreisen in Verbindung setzen, um die weiteren Schritte bzgl. der Neustrukturierung der Versorgungsverwaltung zu begleiten.

Sobald ein genauer Überblick über die Einzelheiten der geplanten Aufgabenübertragungen (Aufgaben, Personal, Organisation und Finanzen) besteht, was frühestens Anfang Oktober 2003 der Fall sein dürfte, wird der Gemeinderat über das weitere Vorgehen informiert.





Dr. Wolfgang Schuster