Stellungnahme zum Antrag
66/2006

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 01/05/2007
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6212-11.1



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Dr. Löffler Reinhard (CDU), Heinz Elisabeth (CDU), Schmid Roland (CDU), Haug Marion (CDU), Prof. Dr. Loos Dorit (CDU), Pfau Ursula (CDU)
Datum
    02/23/2006
Betreff
    Alternative Finanzierung eines Tunnelsystems entlang der B 10 / B 27
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Allgemeines

Mit gebührenfinanzierten Infrastrukturprojekten im Straßenbau gibt es bisher nur in begrenztem Umfang Erfahrungen in Deutschland. Das bereits seit 1994 geltende Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) sieht die Möglichkeit vor, einem Privaten den Bau, die Erhaltung, den Betrieb und die Finanzierung eines bestimmten Fernstraßenstreckenabschnitts für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel 30 Jahre) zu übertragen. Die Refinanzierung des Privaten erfolgt dadurch, dass diesem das Recht eingeräumt wird, von den Nutzern des Streckenabschnitts eine öffentlich-rechtliche Mautgebühr oder ein privatrechtliches Entgelt (neu seit 2005 ) zu erheben. Der Anwendungsbereich ist auf sogenannte Erschwernisstrecken (Brücken, Tunnel und Gebirgspässe) im Zuge von Bundesautobahnen und Bundesstraßen beschränkt.

Überlegungen zu einer Untertunnelung der Bundesstraße 10/ 27 in Zuffenhausen wurden sowohl verwaltungsintern als auch im Rahmen der Machbarkeitsstudie für die B 10/ B 27 des Ingenieurbüros Barschel in den Jahren 2001 und 2003 untersucht. Die Maßnahme ist aus baulicher Sicht grundsätzlich machbar. Die Kosten für den langen Tunnel zwischen Friedrichswahl und der Zabergäubrücke werden auf 210 Mio. € geschätzt. Zu diesem Betrag sind noch die Kosten für die neu erwogene Teilmaßnahme Direktanschluss Heilbronner Straße/ B 10/ B 27 im Bereich Friedrichswahl in Höhe von 16 Mio. € hinzuzurechnen. Der weitere Ausbau der B 10 beziehungsweise die weitere Planung zwischen Friedrichswahl und der Talstraße in Stuttgart-Ost, mit dem Bau des Rosensteintunnels und der Erweitung des Leuzetunnels, ist derzeit im Gange (vgl. GRDrs 113/2006). Es wird mit Kosten für den Rosensteintunnel in Höhe von 150 Mio. € gerechnet. Die Kosten für die Erweiterung des Leuzetunnels sind noch nicht bekannt.

Durch die Untertunnelung könnte eine Verringerung des Gesamtlärmpegels in diesem Bereich von Zuffenhausen um mindestens 6 dB(A) erreicht werden. Die Lärmbelastung durch die Bahnstrecke und den innerörtlichen Verkehr wird sich allerdings nicht verringern.

In welchem Umfang die Errichtung eines Mautsystems zu unerwünschtem Ausweichverkehr auf das nachgeordnete Straßennetz führt, ist schwer abzuschätzen. In jedem Fall ist jedoch davon auszugehen.

Grundsätzlich würde die Verlegung der Bundesstraße in einen Tunnel die städtebauliche Situation in Zuffenhausen verbessern. Eine teilweise Bebauung Richtung Westen wäre dadurch möglich. Eingeschränkt wird dies aber durch den Umstand, dass die Erweiterung über dem Tunnelbau erfolgen würde, womit – im Unterschied zu anderen Projekten – eine Begrenzung der Vermarktungs- und Nutzungsmöglichkeiten verbunden wäre. Darüber hinaus würde die Trennwirkung zwischen dem westlichen und dem östlichen Bereich von Stuttgart-Zuffenhausen reduziert werden, jedoch bliebe die Bahnanlage als trennendes Element erhalten. Der heute vorhandene Rückstau an der Friedrichswahl aus Richtung Norden kann mit dem weiteren Ausbau der Heilbronner Straße in Richtung Pragsattel künftig deutlich reduziert werden.


Zu den Fragen wird wie folgt Stellung genommen:

Zu 1 und 4:

Die Realisierung eines Tunnelsystems im Wege eines Privat Public Partnership (PPP) ist grundsätzlich möglich. Offen ist allerdings, ob eine PPP-Lösung marktfähig ist, d.h. private Investoren und Betreiber bereit sind, Tunnelbauwerke zu planen, zu bauen, zu finanzieren, zu betreiben und die – bezogen auf eine Betriebszeit von etwa 30 Jahren – verbundenen Risiken zu übernehmen. Die Tragfähigkeit des Finanzierungskonzepts steht und fällt mit dem Verkehrsaufkommen und der Bereitschaft der Verkehrsteilnehmer, für die Tunnelbenutzung eine wirtschaftlich angemessene Maut zu bezahlen.

Die Gestaltung der Benutzungsgebühr oder des Entgelts ist in § 3 FStrPrivFinG geregelt. Danach richtet sich die Maut nach den Kosten für den Bau (und ggfs. weiteren Ausbau), die Erhaltung und den Betrieb der jeweiligen Strecke. Innerhalb dieses Rahmens muss die Mauthöhe unter Berücksichtigung der Wegstrecke und der Fahrzeugart in einem angemessenen Verhältnis zu dem durchschnittlichen Vorteil der Benutzung stehen. Unverhältnismäßige Kostenunter- oder –überdeckungen sind in der nächsten Kalkulationsperiode (i.d.R. 5 Jahre) entsprechend auszugleichen.

Wie die Erfahrungen bei anderen großen Verkehrsbauwerken (wie z.B. des Warnow-Tunnels in Rostock) zeigen, kann bei der Benutzung eines mautpflichtigen Streckenabschnitts nicht unbedingt vom derzeitigen Verkehrsaufkommen ausgegangen werden. Nach Einschätzung der Verwaltung wird die Akzeptanz, für die Benutzung bestimmter Streckenabschnitte in Stuttgart eine Gebühr bzw. ein Entgelt zu bezahlen, nicht ausreichen, um die Finanzierung und den langfristigen Betrieb eines Verkehrsbauwerks in der o.g. Größenordnung auf einer wirtschaftlichen Grundlage sicherzustellen.

Unabhängig davon gibt es für innerstädtische Verkehrsbauwerke nach Kenntnis der Verwaltung noch kein ausgereiftes technisches System für eine reibungslose Erhebung der Mautgebühr. In Rostock wird das Mautentgelt vor der Tunneleinfahrt an Zahlstellen (von Barzahlern und Benutzern einer wiederaufladbaren Card) entrichtet; bei Vielbenutzern besteht die Möglichkeit einer automatischen Gebührenerfassung. Dies kann in Stuttgart bei den o.g. Streckenabschnitten aus verkehrlichen Gründen jedoch keine Lösung sein. Insofern ist, zumindest aus heutiger Sicht, der Bau und der Betrieb privater Tunnelanlagen für die Bereiche „Zabergäubrücke – Friedrichswahl“ und „Rosenstein“ keine Alternative zu einer öffentlichen Finanzierung.


Zu 2:

Die Stadt, die Region und das Land können sich unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen grundsätzlich an privat-rechtlichen Unternehmen bzw. Objekt- oder Betriebsgesellschaften beteiligen. Die Beteiligung einer öffentlichen Körperschaft an einem PPP-Modell wäre allerdings unüblich; sie würde auch dem Wesen des Privat Public Partnership widersprechen, das von einer Trennung zwischen (öffentlichem) Auftraggeber und (privatem) Auftragnehmer ausgeht. Gleichwohl wäre die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer PPP-Gesellschaft nicht ausgeschlossen. Allerdings bestehen auch bei dieser Finanzierungsform erhebliche Zweifel, ob die Mauterhebung (für die PPP-Gesellschaft) ausreicht, um das Projekt langfristig wirtschaftlich abzusichern.

Durch die Änderungen des Investmentgesetzes wird offenen Immobilien-Sonder­ver-mögen die Möglichkeit eröffnet, Beteiligungen an PPP-Objektgesellschaften zu halten. Dies wird allerdings beschränkt auf die Betreiberphase nach Abschluss der Erstellung des Objektes. Darüber hinaus ist die Beteiligungsmöglichkeit des Immobilienfonds aus Gründen der Risikostreuung gesetzlich auf 10 v.H. des Wertes des Sondervermögens begrenzt. Insofern ist die Form des offenen Immobilienfonds zur Finanzierung einer Verkehrsinvestition nicht geeignet.


Zu 3.

Die Finanzierung des Ausbaus der B 10 / 27 zwischen Friedrichswahl und der Talstraße erfolgt auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG). Als Voraussetzung müsste das Vorhaben entweder im Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt und vom Bund in eigener Zuständigkeit realisiert werden oder in die Liste für GVFG-Maßnahmen aufgenommen werden. GVFG-Maßnahmen werden derzeit in Höhe von 70 v.H. der zuwendungsfähigen Kosten bezuschusst. Unter Berücksichtigung der nicht zuwendungsfähigen Kosten belaufen sich die Zuwendungen i.d.R. auf 60 v.H. der Gesamtkosten.

Das Projekt Rosensteintunnel ist Bestandteil der mit dem Regierungspräsidium Stuttgart im Jahr 2000 getroffenen Vereinbarung. Wie in der GRDrs 1399/2005 dargestellt, können für dieses Vorhaben ab 2009 die notwendigen Zuwendungsmittel bereitgestellt werden. Im Unterschied zu diesem Vorhaben ist der Ausbau der B 10 / 27 zwischen Zabergäubrücke und Friedrichswahl weder in der sog. GVFG-Liste noch im Bundesverkehrswegeplan enthalten. Der Bundesverkehrswegeplan hat einen Planungshorizont bis 2015. Eine Einschätzung darüber, ob das Projekt im Zuge der Fortschreibung des Planes berücksichtigt werden kann, ist zum jetzigen Stand nicht möglich.







Dr. Wolfgang Schuster