Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
101/2006

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/12/2006
Der Oberbürgermeister
GZ: 7811-09



Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    03/24/2006
Betreff
    Warum Firmenwegzüge aus Stuttgart?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Vorbemerkung zur IHK-Studie

Der Ansatz der politisch Verantwortlichen der IHK eine Analyse und damit Anregungen für die zukunftsfähige Ausrichtung des Standortes an die Hand zu geben, wird ausdrücklich von der Stadtverwaltung begrüßt. Die verwendeten Vergleichsdaten sowie die angewandte Methodik sind eher kritisch zu betrachten. Manche Erhebungen beispielsweise sind nicht zu einem einheitlichen Stichtag vorgenommen worden. So werden die Bevölkerungszahlen von Januar 2005 mit der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten vom Juni 2004 in Relation gesetzt. Es haben nur knapp 4 % der Unternehmen, die im Erfassungszeitraum umgezogen sind, an der Umfrage teilgenommen. Firmen-Neugründungen werden in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt. Allein in Stuttgart wuchs die Zahl der IHK-Mitglieder innerhalb der letzten 8 Jahre von 9700 auf 11.600 Unternehmen.

Neben einer regionalen Studie ist es wichtig, die Standortsitutaion der Landeshauptstadt mit anderen Großstädten zu vergleichen. Nur so ist eine aussagekräftige Standortbewertung möglich. Es zeigt sich, dass der Standort Stuttgart im Vergleich mit anderen Großstädten eine Spitzenstellung einnimmt. Dies wird u.a. in einer aktullen Studie: „Deutsche Großstädte: Zufriedenzeit mit ihrem Standort“, der Firma Ernst Young bestätigt. Der Übersichtlichkeit halber, wurde die Reihenfolge der Beantwortung der Fragen so umgestellt, dass zunächst auf die regionalen Einflüsse eingegangen und abschließend die Situation mit anderen Ballungsräumen verglichen wird.

Zielgerichtete Wirtschaftsförderung

Die Wirtschaftsförderung arbeitet derzeit an diversen Projekten, die dazu beitragen, den Standort Stuttgart zu sichern und weiter zu entwickeln.

Folgende Projekte werden u.a. in diesem Zusammenhang bearbeitet und sollen bis zum Ende des Jahres 2006 abgeschlossen sein:

· Weiterentwicklung der Gründeroffensive – 15 Punkte Programm, die besten Gründer für Stuttgart
· Ansiedlungsstrategie für Unternehmen in Stuttgart
· Potentialanalyse Gewerbegebiet Neckarpark
· Potentialanalyse Gewerbegebiet Wangen, Hedelfingen
· Potentialanalyse Gewerbegebiet Weilimdorf
· Überprüfung Umsetzungsmöglichkeiten der Handlungsempfehlungen für Gewerbegebiet Vaihingen/Möhringen
· Potentialanalyse Medienstandort Stuttgart in Zusammenarbeit mit Referat KBS
· Weiterentwicklung des Standortmarketingkonzept: Stuttgart der Motor Deutschlands
· Untersuchung Möglichkeiten und Grenzen eines Stadtteilmarketingkonzepts
· Büromarktstudie
· Sprechtage in Bezirksrathäusern

Insbesondere mit Sprechtagen in den Bezirksrathäusern für kleinere und mittlere Unterenehmen reagiert die Wirtschaftsförderung auf die Ergebnisse der IHK-Befragung, um den Service für diesen Wirtschaftsbereich noch weiter auszubauen. Die Unternehmen haben somit einen unmittelbareren Zugang zur Stadtverwaltung. Gleichzeitig werden die Bezirksvorsteher intensiver in die Arbeit der Wirtschaftsförderung mit einbezogen. Das Leistungsangebot in den Bezirken umfasst insbesondere: Klärung von Planungsfragen, Hilfestellung bei Baugenehmigungen, Unterstützung bei Grundstücksfragen, bei Neuansiedlung, Beratung bei Unternehmensverlagerungen und –erweiterungen, Informationen über Zuschussmöglichkeiten und Finanzierungen, Vermittlung von Kontakten zwischen Unternehmen, zu Wissenschaft, IHK und Handwerkskammern sowie der Agentur für Arbeit.



Beantwortung der Fragen gemäß Anfrage:

Zu 1. Entwicklung der Arbeitsplätze in Stuttgart und Region in den letzten Jahren:

Die Zahl der in der Region Stuttgart arbeitenden versicherungspflichtig Beschäftigten ist im Zuge der scharfen Rezession Mitte der 1990er Jahre flächendeckend zurückgegangen. Diesem Trend konnte sich sowohl die Stadt als auch die Region nicht entziehen. Die Tabelle 1 veranschaulicht, dass das Arbeitsplatzwachstum Stadt und Restregion auf ähnlichem Niveau ist. Eine sinkende Standortqualität der LHS gegenüber der Region ist nicht festzustellen.

Tabelle 1: Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort:

StuttgartRestregion
1995
356.076
700.382
1995
344.130
696.154
1996
341.436
686.802
1997
338.430
681.151
1998
338.284
681.765
1999
340.820
690.629
2000
349.864
706.492
2001
353.801
717.992
2002
355.536
719.832
2003
350.302
707.060
2004
344.311
695.602


Die Grafik Nr.1: Jährliche Veränderungsraten der Arbeitsplatzzahl und der
„Restregion“, Anlage A, veranschaulicht, dass das Arbeitsplatzwachstum der Stadt Stuttgart über Jahrzehnte hinweg unterhalb der Restregion lag. Seit 1998 allerdings befindet es sich auf dem gleichem Wachstumspfad.

Zu 2. Entwicklung der Arbeitsplatzzahl im Verhältnis zur Bevölkerungszahl

Stuttgart ist ein Arbeitsplatzzentrum und weist, wie alle anderen Großstädte, einseitige Pendelbeziehungen mit dem Umland auf. 60 % aller Stuttgarter Arbeitsplätze werden von „Nicht-Stuttgartern“ eingenommen. Der Indikator „Arbeitsplätze je Einwohner“ kann die relative wirtschaftliche Bedeutung eines Standorts im Zeitverlauf wieder geben, jedoch können daraus keine methodisch sauberen Schlussfolgerungen zur Entwicklung der Standortqualität gezogen werden.

Um das wirtschaftliche Gewicht der Stadt zu messen, sollte die Methodik den Indikator „ Anteil der Arbeitsplätze in der Stadt an denen in der Region insgesamt“ genommen werden. Wobei auch dieser Indikator keine direkten Rückschlüsse auf Veränderungen der relativen Standortqualität zulässt (s. Grafik 1, Anlage A).

Zu 3. Stellungnahme zum Standortattraktivitäts-Ranking der IHK-Studie

Die Standortqualität einer Region ist - anders als es die IHK-Studie implizit annimmt – nicht nur auf Grund der Bilanz der Zu- und Wegzüge von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu beurteilen. Wichtig für eine solche Betrachtung ist vielmehr auch eine andere Teilbilanz: die der Neugründungen und Schließungen von Unternehmen. Es verwundert deshalb, dass in dieser insgesamt interessanten Studie nur Unternehmen, die über eine Kreisgrenze umgezogen sind, zur Standortqualität Aussagen treffen dürfen. Dadurch gelangten von den etwa 40.000 in der Region ins Handelsregister eingetragenen IHK-Mitgliedsunternehmen zunächst nur 4500 überhaupt in die Befragung und in dieser als Vollerhebung konzipierten Befragung antworteten letztlich 500 Unternehmen, also nur etwa 11%. Die Repräsentativität der Ergebnisse einer solchen Befragung ist niedrig und für die Beurteilung der Standortqualität für alle Unternehmen aus statistischer Sicht kaum zu verwenden. Erstens kann von einer Zufallsauswahl nicht die Rede sein, zweitens ist der Zusammenhang zwischen Standortqualität und Umzugszielentscheidung laut der Studie im wesentlichen nicht gegeben oder auf Grund der niedrigen Zahl auswertbarer Antworten nicht berechenbar und drittens können die getroffenen Aussagen nicht mit fundamentalen Indikatoren zum wirtschaftlichen Erfolg der Stadt Stuttgart und der Region in Verbindung gebracht werden. Die Konstruktion der Befragung führt also tendenziell zu einem verzerrten Bild der tatsächlichen Standortqualität.

Solange das Ziel einer Wirtschaftspolitik lautet, insgesamt (d.h. für alle Unternehmen) eine möglichst hohe Standortqualität zu erhalten oder herzustellen und nicht etwa Standortverlagerungen gänzlich zu verhindern, scheint diese Art der Befragung nicht angemessen, um die tatsächliche Standortqualität beurteilen zu können.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich am Ende keine überzeugenden Korrelationen zwischen Standortwahl der umziehenden Unternehmen und der gemessenen Standortqualität ergibt. Diese Korrelation wäre aber die Grundvoraussetzung für die Belastbarkeit der Ergebnisse der Befragung. Da die Korrelationen zwischen den Indizes und der Standortwahl schwach ist oder nicht besteht, sind die Vielzahl der angebotenen Indizes schwierig zur Steuerung oder Messung des Erfolgs kommunalpolitischen oder wirtschaftsfördernden Handelns zu verwenden. Verändert sich die Ausprägung eines Indikators, ist jedenfalls nicht mit einem messbaren Ausmaß von Zu- oder Wegzügen von Unternehmen zu rechnen. Die Gründe für die schlechte Prognosekraft der Indizes liegen in der fraglichen Konzeption der Befragung, der niedrigen Fallzahl bei gleichzeitig hohem Anspruch an die Kleinräumigkeit der Aussagen und darin, dass die ausgewählten Teilindikatoren offensichtlich nicht in der Lage sind, das zu messen, was die Befragten selbst unter Standortqualität verstehen.

Zu 4. Dauer der Verfahren für unternehmensrelevanter Anträge innerhalb der Stadtverwaltung

Die Verfahrenszeiten für die Bearbeitung von unternehmensrelevanten Anträgen sind in Stuttgart grundsätzlich eher schneller als in anderen bundesdeutschen Großstädten. Deshalb wird die Landeshauptstadt von national und international tätigen Firmen für ihr rasches Handeln gelobt. Beschwerden oder Klagen, insbesondere hinsichtlich der Bearbeitung von Bauanträgen, müssen differenziert und im Einzelfall betrachtet und untersucht werden. Die Wirtschaftsförderung nimmt dabei die Aufgabe einer Clearingstelle für die Unternehmen ein. Insgesamt ist die Stadtverwaltung bestrebt, die Verfahren trotz der komplexen Rechtsvorschriften soweit wie möglich zu vereinfachen und abzukürzen.


Zu 6. Wegzüge von Unternehmen allein kein Indikator für branchenspezifische Schwierigkeiten oder gar verschlechterte Rahmenbedingungen

Die „wahre“ Bilanz der Unternehmenszahlentwicklung
Sieht man sich die Zahlen der Entwicklung der Zahl der Mitgliedsunternehmen in der IHK mit Handelsregistereintrag zwischen 1996 und 2004 an (s. Tabelle 3), so ist festzustellen, dass die Zahl der Unternehmen in der Region trotz eines Nettoverlusts in der Umzugsbilanz ständig zunimmt. Der negative „Wanderungssaldo“ ist deshalb um eine Betrachtung des „Neueintragungsüberschusses“ zu ergänzen. Erst mit dieser Zusatzinformation kann die Bedeutung des negativen Unternehmens-Wanderungssaldos der Stadt Stuttgart richtig eingeordnet werden.

Tabelle 3: Mitgliedsunternehmen der IHK Stuttgart mit Handelsregistereintrag

JahrStadt StuttgartRegion ohne StuttgartRegion insgesamt
19969.71523.17332.888
19979.73423.57833.312
199810.11624.26934.385
199910.49625.17235.668
200010.78025.35836.138
200110.96126.63737.598
200211.12726.89738.024
200311.39727.48838.885
200411.54828.04239.590
durchschnittliche jährliche Zunahme der Mitgliedsunternehmen (1996-04)2,2%2,4%2,3%
Quelle: IHK Stuttgart

Als einziger Kreis in der Region hat laut der Studie der Stadtkreis Stuttgart einen negative Wanderungssaldo zu verzeichnen, der dann die Wanderungsbilanz der ganzen Region ins Negative zieht. Die Zahl der IHK-Mitgliedsunternehmen mit Handelsregistereintrag hat sich aber in Stuttgart im Zeitraum von 1996 bis 2004 in Relation zur Restregion ähnlich schnell gesteigert. Das heißt, dass die Wanderungsverluste durch ein stärker ausgeprägtes Gründungsgeschehen in Stuttgart kompensiert werden konnten oder die „Überlebenschancen“ bestehender Unternehmen höher waren als im Umland. Gerade dies könnte ein entscheidender Standortvorteil Stuttgarts sein, der aber in der Umfrage konzeptionell von vorneherein ausgeklammert wurde.

Wie die Umzugssaldenraten (S. 20ff in der IHK-Studie) berechnet wurden, ist nicht nachvollziehbar, da die Bezugsgrößen der Raten nicht angegeben wurden. Im Folgenden beziehen sich deshalb alle Größen auf die mittlere Zahl der Mitgliedsunternehmen mit HR-Eintrag.

Der Unternehmenswanderungssaldo Stuttgarts betrug zwischen 2000 und 2004 (summiert sind also fünf Einjahreszeiträume) minus 473 HR-Unternehmen. Jährlich betrug der negative Saldo damit etwa 95 Unternehmen. Bei einem mittleren Bestand von etwa 11.200 HR-Unternehmen in Stuttgart belief sich der mittlere jährliche Wanderungssaldo auf -0,8% vom Unternehmensbestand. Da die Unternehmenszahl tatsächlich in diesen Jahren jährlich im Schnitt um 784 Unternehmen zunahm, überstieg die Zahl der Neueintragungen ins Handelsregister in Stuttgart die der Abmeldungen somit um jährlich 879 Unternehmen oder 2,7% des HR-Unternehmensbestandes. In der Restregion betrugen die entsprechenden Quoten bei der Wanderungsbilanz +0,2% (dies entspricht einem jährlichen Wanderungssaldo von 65 Unternehmen) und beim Neueintragungssaldo 1,9% (=509 Unternehmen jährlich).

Eine zweite Komponente der Standortqualität scheint viel bedeutsamer zu sein: nämlich die Rahmenbedingungen für die Steigerung der Überlebensfähigkeit von bestehenden und neu gegründeten Unternehmen. Eine hohe Standortqualität ist für ein gutes Abschneiden in beiden Teilbetrachtungen wichtig.

Die zentralen wirtschaftliche Kennziffern für Stuttgart, die Region und ausgewählte Großstädte zeigen keine Verschlechterung der Rahmenbedingungen

Tabelle 4: Zentrale wirtschaftliche Kennziffern für Stuttgart, die Region und ausgewählte Großstädte
StuttgartRestregionRegion StuttgartMünchenFrankfurtDüsseldorf
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des BIP 1996-2003
3,3%
3,0%
3,1%
2,2%
1,9%
2,6%
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Erwerbstätigenzahl am Arbeitsort 1996-2003
0,6%
0,9%
0,8%
0,7%
0,9%
0,9%
Durchschnittliche Zunahme des BIP je Erwerbstätigem 1996-2003
3,0%
2,3%
2,6%
1,8%
1,4%
1,8%
BIP je Erwerbstätigem 2003
73.230
61.035
64.961
71.290
78.769
80.425
Sektorale Entwicklung:
Wertschöpfungsanteil Dienstleistungen
66%
57%
60%
78%
84%
87%
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe zwischen 1996 und 2003
3,9%
2,4%
2,8%
-0,1%
-0,1%
-1,0%
durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich zwischen 1996 und 2003
2,8%
3,2%
3,1%
2,7%
2,2%
3,0%
durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstumsrate zwischen 1996-2003
0,1%
0,6%
0,4%
-0,1%
-0,1%
0,0%
verfügbares Einkommen je Einwohner 2003 (Euro)
20.250
19.820
19.910
21.850
17.420
20.180
Wachstumsrate des verfügbaren Einkommens je Einwohner 1996-2003
2,7%
2,8%
2,8%
2,5%
2,8%
1,8%
Arbeitslosenquote 2004
7,2%
5,2%
5,6%
6,6%
8,9%
9,9%
Quelle: Statistische Landesämter, „Statistik regional“

Betrachtet man die zentralen Indikatoren der Tabelle 4, die den wirtschaftlichen Erfolg Stuttgarts, der Restregion und anderer allgemein als erfolgreich angesehenen Städten in Deutschland widerspiegeln, so muss von einer insgesamt hohen Standortqualität sowohl der Stadt Stuttgart als auch der Restregion ausgegangen werden. Die Wirtschaft wächst (relativ) stark, die Produktivitätsfortschritte je Erwerbstätigem sind hoch. Das Bevölkerungswachstum geht einher mit Einkommenssteigerungen (pro Kopf). Auch kann ein wirtschaftliches Abfallen Stuttgarts hinter die Region nicht festgestellt werden. Trotz der hohen Produktivitätsfortschritte im Dienstleistungsbereich und in der Industrie finden im Vergleich keine überproportional starken Freisetzungen von Arbeitskräften statt, denn die Arbeitslosenquoten sind in der Region vergleichsweise niedrig. Insgesamt kann als Fazit gezogen werden, dass die beobachteten Wegzüge von Unternehmen kein überzeugender Indikator für ein Standortproblem der Stadt Stuttgart sind.

Der negative Saldo Stuttgarts in der Wanderungsbilanz der Unternehmen deutet
eher darauf hin, dass die Stadt „Grenzanbieter“ verliert, die zu den Produktionsbedingungen in der Stadt auf Dauer nicht lebensfähig wären. Der Erfolg der Wirtschaft in Stuttgart ist durch den Wegzug dieser Unternehmen nicht beeinträchtigt. Die „Grenzanbieter“ vom Umzug durch politische Maßnahmen abzuhalten, wäre eine teure und auch nicht sehr effiziente Strategie. Denn die marktwirtschaftlich gewünschte regionale „Standorts-Arbitrage“ würde beeinträchtigt, die für den Marktausgleich im (fairen) Wettbewerb der Regionen nötig ist. Vielmehr flösse ein wettbewerbsfremdes Element einer „Strukturerhaltungspolitik“ in den regionalen Standortwettbewerb ein, die geeignet ist, den Wettbewerb nachteilig (oder ruinös) für alle zu gestalten und notwendige Strukturanpassungen zu verzögern.

Die Wirtschaftsstruktur Stuttgarts und der Restregion im Vergleich
Die Grafik 2: Die Wirtschaftsstruktur Stuttgarts und der Restregion im Vergleich – Anteile der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen, Anlage C, zeigt das Spezialisierungsmuster zwischen Stadt und Region deutlich auf. Die Stadt hat und hatte relative Standortvorteile in Branchen, die wenig flächenintensiv und wenig sachkapitalintensiv produzieren, weniger stark dem Lohn-Kostendruck des internationalen Wettbewerbs unterliegen. Die Schaubilder zeigen klar, dass der Strukturwandel in Stadt und Region im gleichen Tempo und in die gleiche Richtung vonstatten geht.

Beschäftigtenzahlentwicklung nach Branchen von 1999-2004
Im Jahr 1999 wurde die Wirtschaftszweiggliederung verändert, weshalb ein tiefer gehender Branchenvergleich in der langen Frist erschwert ist. Auch ist eine (sehr) detaillierte Differenzierung auf Grund der Geheimhaltungsproblematik nicht möglich. In Tabelle 5 ist die Beschäftigungsentwicklung von 1999 bis 2004 zu entnehmen. In diesem Zeitraum (der sich mit dem Zeitraum der IHK-Studie weit gehend deckt) hatte die Stadt Stuttgart eine günstigere Beschäftigtenzahlentwicklung als die Restregion. Der Stellenabbau schritt in den kriselnden Branchen mit größerer sektoraler Bedeutung (Verarbeitendes Gewerbe und Handel) weiter fort, konnte nun aber von der sehr dynamischen Entwicklung bei den Dienstleistungen für Unternehmen und im Kredit- und Versicherungsgewerbe aufgefangen werden.


Tabelle 5: Beschäftigtenzahlen nach Branchen von 1994-2004

Gewicht der Branche 2004 (Stuttgart)Entwicklung Beschäftigtenzahl (Stuttgart)Gewicht der Branche 2004 (Restregion)Entwicklung der Beschäftigtenzahl (Restregion)
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Fischzucht
0%
-7,0%
1%
-8,8%
Bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden
0%
-48,4%
0%
-35,6%
Energie- und Wasserversorgung
1%
-26,9%
0%
-27,0%
Verarbeitendes Gewerbe
25%
-9,6%
42%
-1,8%
Baugewerbe
4%
-20,1%
5%
-18,7%
Handel
11%
-9,5%
14%
-0,6%
Gastgewerbe
2%
-11,0%
2%
1,4%
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
4%
-5,6%
5%
9,6%
Kredit- und Versicherungsgewerbe
10%
5,6%
3%
-4,4%
Grundstückswesen, Vermietung, Dienstleistungen für Unternehmen
18%
28,5%
11%
15,2%
Öffentliche Verwaltung u.ä.
7%
5,3%
5%
7,1%
Öffentliche und private Dienstleistungen (ohne öffentl. Verwaltung)
19%
10,9%
12%
8,3%
insgesamt
100%
1,0%
100%
0,7%

Zu 7. Grundstückspreise Stadt und Region

Da nicht genügend geeignete Kauffälle für einen belastbaren Vergleich der Grundstückspreise in der Region Stuttgart vorliegen, werden Bodenrichtwerte dem Preisvergleich zu Grunde gelegt. Auf Grund der großen Anzahl örtlicher Bodenrichtwerte wurde eine Auswahl von 10 Gemeinden für den Vergleich herangezogen. Grundlage der Auswahl war die in dem Bericht der IHK aufgeführte Tabelle zum Attraktivitätsindex für Gemeinden mit über 22.000 Einwohnern. Die Bodenrichtwerte zum Stichtag 31.12.2004 wurden telefonisch bei den örtlichen Gutachterausschüssen abgefragt oder den im Internet veröffentlichten Bodenrichtwertkarten entnommen.

Vergleichbarkeit von Bodenrichtwerten nur äußerst bedingt darstellbar

Faktor Nutzung – Definition Gewerbe

Gewerbe ist ein vieldeutiger Begriff, der sowohl die verarbeitende Industrie und kleinere Handwerksbetriebe als auch Dienstleistungs- und Einzelhandelsbetriebe umfasst. Dabei ist eine Unterscheidung wichtig, denn die bauplanungsrechtliche mögliche Nutzungsart hat erheblichen Einfluss auf den Grundstückswert. So führt eine Unterscheidung zwischen Büro- und Industrienutzung häufig bereits zu Wertunterschieden von mehr als 100% (z. B. Bodenrichtwerte im Gewerbegebiet Weilimdorf: Büro: 400 €/m², verarbeitende Industrie: 200 €/m²). Für einen Vergleich ist es somit notwendig, entsprechende Teilmärkte nach den unterschiedlichen Arten der Nutzung zu bilden.

Stuttgart ermittelt daher Bodenrichtwerte für entsprechende spezifische Nutzungsarten wie z. B. Kleingewerbe, verarbeitende Industrie oder Büroflächen. Auf Grund der geringen Kauffälle in den untersuchten Gemeinden der Region, erfolgt hier eine allgemeinere Darstellung der Bodenrichtwerte als gewerbliche Baufläche, Gewerbegebiet oder Industriegebiet. Insbesondere in den kleineren Mittelstädten erfolgt für Bürogrundstücke keine Ermittlung von Bodenrichtwerten (Bsp. Ostfildern, Waiblingen).

Für den Vergleich wurden daher die Bodenrichtwertspannen aus Stuttgart für verarbeitende Industrie, Kleingewerbe und Büronutzung den Bodenrichtwertspannen für gewerbliche Bauflächen der Region gegenübergestellt.

Faktor Lage und Verwendungszweck

Wie die einzelnen Lagemerkmale zu werten sind, beurteilt sich nach dem jeweiligen Verwendungszweck. Stehen bei Büro- und Einzelhandelsimmobilien Zentralität, Attraktivität und gute Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr im Vordergrund, ist es bei einem Logistikzentrum die Nähe zu Verkehrsknotenpunkten (Straße, Bahn) oder zu internationalen Flughäfen.
Bodenrichtwerten werden weitgehend berücksichtigt. Allein die unterschiedliche Dichte des Verkehrswegenetzes, die unterschiedlichen Entfernungen zum Kernbereich Stuttgart und dem Flughafen sowie die Verteilung der Ober- und Mittelzentren führen in der Region Stuttgarts zu einer sehr großen Bandbreite der Bodenrichtwerte innerhalb eines Marktsegments (z. B. Bodenrichtwert Gewerbegebiet: Vaihingen a. E.: 70 €/m² bis 120 €/m², Sindelfingen: 180 €/m² bis 350 €/m²). Ein unmittelbarer Vergleich ohne Berücksichtigung der jeweiligen Vor- und Nachteile des Standorts ist daher nicht plausibel. Insbesondere die großräumige Lage findet wertmäßig bereits in den jeweiligen

Faktor bauliche Nutzung

Da sich der Wert eines Gewerbegrundstücks i. d. R. aus dem wirtschaftlichen Nutzen für den jeweiligen Eigentümer ergibt, ist das Maß der baulichen Nutzung als wertbestimmendes Merkmal zu beachten. Dieses bestimmt sich in der Bewertungspraxis überwiegend nach der Geschossflächenzahl (GFZ). Die GFZ gibt an, wie viel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig bzw. lagetypisch sind. Bei gewerblich genutzten Grundstücken werden Abweichungen in der GFZ zwischen einem Bodenrichtwertgrundstück und einem zu bewertenden Grundstück i. d. R. durch eine lineare Anpassung oder durch in den Wertermittlungsrichtlinien (WertR) veröffentlichte Umrechnungskoeffizienten berücksichtigt.

Damit die Bodenrichtwerte auf eine einheitliche GFZ normiert werden können und damit ein plausibler Vergleich der Marktverhältnisse erfolgen kann, müssen entsprechende Angaben zur GFZ veröffentlicht sein. Insbesondere bei Bodenrichtwerten für Gewerbe- und Industriegebiete liegen solche Angaben nicht für die gesamte Region Stuttgart vor.

Ein flächendeckender Vergleich der Bodenrichtwerte ist ohne die Kenntnis der zugehörigen lagetypischen GFZ in seiner Aussagekraft stark eingeschränkt.

Vergleich ausgewählter Bodenrichtwerte in der Region Stuttgart

Der Vergleich zeigt, dass sich insbesondere die Lage auf das BRW-Niveau auswirkt. Stuttgart als Zentrum der Region, die Nachbargemeinden sowie an Autobahnen angrenzende Kommunen weisen die höchsten Werte auf. Die Spitzenwerte für Büronutzung (2000 €/m²) liegen ausschließlich im Cityrandbereich Stuttgarts. Neben der für Büronutzung bevorzugten Lage, wirken sich die damit verbundenen erzielbaren Spitzenmieten in der Region auf die Bodenwerte aus. Bei Gemeinden mit großen Entfernungen zu Stuttgart und den bedeutenden Verkehrsachsen zeigt sich ein deutlicher Abfall des BRW-Niveaus

    Gemeinde
Art der Nutzung
Bodenrichtwert
GFZ
    Böblingen
GewerbegebietMinimum
150 €/m²0,6
Maximum
310 €/m²2,2
    Göppingen
GewerbegebietMinimum
95 €/m²1,6
Maximum
125 €/m²2,4
    Ludwigsburg
gewerbliche BauflächeMinimum
130 €/m²1,6
Maximum
190 €/m²1,4
    Ostfildern
gewerbliche BauflächeMinimum
250 €/m²-
Maximum
280 €/m²-
    Remseck
Gewerbeflächen
150 €/m²-
    Sindelfingen
gewerbliche BauflächeMinimum
180 €/m²1,6
Maximum
360 €/m²2,0 - 2,4
    Stuttgart
Kleingewerbe,
Handwerksbetriebe
Minimum
200 €/m²1,2
Maximum
360 €/m²1,0
verarbeitende Industrie,
Spedition, Hafennutzung
Minimum
200 €/m²-
Maximum
360 €/m²1,8
BüronutzungMinimum
280 €/m²1,0
Maximum
2.000 €/m²3,0
    Waiblingen
gewerbliche BauflächeMinimum
170 €/m²-
Maximum
220 €/m²-
    Vaihingen a. E.
GewerbegebieteMinimum
70 €/m²-
Maximum
120 €/m²-
    Winnenden
GewerbegebieteMinimum
90 €/m²-
Maximum
200 €/m²-

Zu 5. Situation in vergleichbaren Ballungsräumen Deutschlands

Ein überregionaler, aussagekräftiger Vergleich von Wirtschaftsstrukturen ist nicht leicht möglich. Letztlich ist die örtliche Wirtschaftsstruktur immer auch Folge eines spezifischen Entwicklungspfads auf Grund von Standortentscheidungen in der Vergangenheit, Clusterbildung und Lock-in-Effekten durch entsprechende Spezialisierung. So gibt es Bankenstädte, Medienstädte, Autostädte, Kohlestädte, usw. Im Ballungsraumvergleich sollte deshalb sinnvollerweise auf den Gesamterfolg des spezifischen Branchenmixes abgezielt werden und nicht sektorale Anteile und deren Entwicklungen miteinander verglichen werden. So hat etwa auch die Wirtschaftstheorie von einer „Normalstrukturthese“ zunehmend Abstand genommen, die wirtschaftlichen Erfolg durch die Sektoralstruktur der Wirtschaft erklären wollte. Der Versuch einen „optimalen“ Branchenmix herauszufinden, hat sich als nicht realisierbar herausgestellt. Letztlich ist entscheidend, ob sich eine regionale Spezialisierung bewährt oder eher nicht. Dies kann an globalen Indikatoren (s. Tabelle 2: Stuttgarts wirtschaftlicher Erfolg im Großstadtvergleich, Anlage B) abgelesen werden. Stuttgart führt das Feld bei zentralen Indikatoren in Deutschland an.

Die Tabelle 2 (s. Seite 13): Stuttgarts wirtschaftlicher Erfolg im Großstadtvergleich, enthält zentrale wirtschaftliche Indikatoren für die 25 größten westdeutschen Städte. Die Zahlen verdeutlichen den Gesamterfolg des hiesigen Branchenmixes. Dieser ist trotz einer allgemein schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und einer gewissen „Industrielastigkeit“ der Stadt als gesund und im Ergebnis als erfolgreich zu bezeichnen. Nirgendwo stieg das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1995 und 2003 so stark an wie in der Stadt Stuttgart. Auf eine sich verschlechternde Standortqualität Stuttgarts im Städtevergleich deutet nichts hin.





Anlage A
Grafik Nr.1:

Jährliche Veränderungsraten der Arbeitsplatzzahl in Stuttgart und der „Restregion“








Anlage B
Tabelle Nr. 2

Stuttgarts wirtschaftlicher Erfolg im Großstadtvergleich
(die 25 größten westdeutschen Städte ohne Hannover)

StadtEinwohnerzahl 2003Bevölkerungsentwicklung 1995-2003Anteil Bruttowertschöpfung des Dienstleistungs-SektorsArbeitslosenquote 2003Entwicklung Bruttoinlandsprodukt 1995-2003Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe 1995-2003Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung im Dienstleistungsbereich 1995-2003
Stuttgart
589.098
0,4%
66%
7,1%
29%
24%
35%
Berlin
3.391.515
-2,3%
82%
18,1%
-1%
5%
-25%
Hamburg
1732.649
1,5%
81%
9,9%
21%
22%
13%
München
1226.052
-1,2%
78%
6,8%
19%
23%
3%
Köln
967.177
0,3%
83%
11,9%
13%
15%
-2%
Frankfurt am Main
643.442
-1,2%
84%
8,5%
18%
21%
1%
Dortmund
590.251
-1,6%
80%
14,5%
19%
28%
-11%
Essen
585.882
-5,0%
78%
11,8%
12%
25%
-21%
Düsseldorf
572.230
0,1%
87%
9,6%
21%
25%
-9%
Bremen
543.890
-1,0%
71%
12,2%
20%
21%
14%
Duisburg
507.733
-5,2%
68%
13,9%
7%
23%
-18%
Nürnberg
493.742
-0,1%
74%
11,6%
17%
24%
-3%
Bochum
387.959
-3,2%
79%
12,2%
6%
22%
-31%
Wuppertal
362.957
-5,2%
69%
10,9%
9%
19%
-10%
Bielefeld
327.329
1,0%
76%
13,1%
15%
24%
-12%
Bonn
309.899
6,0%
89%
7,7%
2%
1%
-4%
Mannheim
308.454
-1,7%
61%
10,7%
24%
23%
22%
Karlsruhe
282.062
2,1%
79%
8,2%
11%
20%
-17%
Gelsenkirchen
273.781
-6,4%
66%
17,0%
14%
28%
-8%
Wiesbaden
272.010
2,1%
86%
9,1%
24%
31%
-8%
Münster
269.166
1,6%
83%
7,8%
21%
22%
9%
Mönchengladbach
262.730
-1,4%
71%
11,8%
14%
21%
-3%
Augsburg
259.315
-0,6%
67%
10,2%
9%
12%
2%
Aachen
253.319
2,3%
76%
11,2%
26%
27%
18%
Braunschweig
245.394
-3,1%
75%
11,8%
13%
12%
12%









Anlage C
Grafik Nr. 3

Die Wirtschafsstruktur Stuttgarts und der Restregion im Vergleich –
Anteile der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen


Stadt Stuttgart
19762004

„Restregion“
19762004