Stellungnahme zum Antrag
355/2006

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/04/2007
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6562-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Küstler Ulrike (DIE LINKE.PDS) , DIE LINKE.PDS im Stuttgarter Gemeinderat
Datum
    11/09/2006
Betreff
    Förderung neuer Wohnformen
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Dem Thema „Neue Wohnformen“ ist von der Stadt im Zusammenhang mit dem Bemühen, das Wohnen in der Stadt zu stärken, bereits einige Aufmerksamkeit geschenkt worden. Mit dem Leitprojekt „Urbanes Wohnen“ des Stadtentwicklungskonzeptes sowie dem Gutachten „Neues urbanes Wohnen in Baugemeinschaften“ sind Leitziele zu dem Thema formuliert worden. Das Entwicklungskonzept „urbanWohnen in Stuttgart“ ist in Bearbeitung, wobei u.a. dem Thema „Neue Wohnformen“ ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden soll.

Im Einzelnen kann zu den beantragten Punkten Folgendes gesagt werden:

Zu 1. Grundstücke mitten in den Stadtteilen

Grundstücke mitten in den Stadtteilen sind für die Realisierung neuer Wohnformen besonders attraktiv. Gemeinschaftswohnprojekte können hier auch einen wichtigen Beitrag für das soziale Miteinander von Generationen und Gruppierungen im Stadtteil leisten.

Die Stadt hat inzwischen ein städtisches Grundstück am Rande des Gebietes Maybachstraße speziell für Baugemeinschaften ausgeschrieben. Hier können ca. 10-14 Wohneinheiten realisiert werden.

Bei der Fortschreibung der Zeitstufenliste Wohnen (GRDrs. 1459/2005) sind die Wohngebiete, die „für besondere Wohnformen geeignet“ sind, bereits gekennzeichnet worden. Ein Textbaustein zur Verankerung neuer Wohnformen im Bebauungsplan erscheint nicht notwendig, da diese Wohnformen keine besonderen Festsetzungen im Bebauungsplan erfordern.

Im Übrigen sind bei allen Ausschreibungen von Baugrundstücken Baugemeinschaften als Bieter willkommen. Dies gilt auch für die zu entwickelnde Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs in Bad Cannstatt. Eine Festsetzung von verbindlichen Größen für Baugemeinschaften wird seitens der Verwaltung aber abgelehnt.


Zu 2. Für den städtebaulichen Beitrag der Wohngemeinschaften verzichtet die Stadt ggf. auf die Maximierung des Grundstückserlöses

Beim Verkauf städtischer Grundstücke an Baugemeinschaften wird, wie in allen anderen Ausschreibungen, der amtlich geschätzte Verkehrswert des Grundstücks zugrunde gelegt. Auswahlkriterium sollte jedoch neben dem Planungskonzept auch der gebotene Kaufpreis sein. Weitere Möglichkeiten, z. B. durch den Verzicht auf Abschöpfung von Planungsgewinnen oder durch die Erhöhung des Baurechts erscheinen nur im Einzelfall bei besonderen Wohnmodellen z. B. mit sozialem und experimentellem Charakter überhaupt denkbar.


Zu 3. Die Option auf Grundstücke für Wohnbaugemeinschaften verlängern

Bei der Vergabe von städtischen Grundstücken an Baugemeinschaften ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Danach wird in der erste Stufe nach einer Bewerbungszeit von ca. vier bis sechs Monaten ein Grobkonzept des Projektes eingereicht. Das ausgewählte Angebot erhält für die detaillierte Ausarbeitung des Bebauungskonzeptes dann eine ausreichende zeitliche Option von bis zu einem Jahr.

Allerdings hat die Praxis gezeigt, dass bei zu langen Planungsphasen die Gefahr besteht, dass die Baugemeinschaft auseinander bricht und es dadurch zu weiteren Verzögerungen bei der Schaffung zusätzlichen Wohnraums kommt.


Zu 4. Unterstützung von Wohngemeinschaften bei Bau- und Finanzierungsplanung

Für die Unterstützung von Baugemeinschaften hat die Stadtverwaltung eine Web-Seite als Informationsplattform und Kontaktbörse eingerichtet. Die Einrichtung einer Kontaktstelle wurde vom Gemeinderat abgelehnt. Es besteht die Absicht, hier in Anlehnung an das Esslinger Modell (Projektgruppe in der Verwaltung mit externem Experten) ein geeignetes Angebot zur Unterstützung von Baugemeinschaften zu machen, sobald ein größeres Modellprojekt mit mehreren Baugemeinschaftsprojekten realisiert werden soll.


Zu 5. Die Stadt Stuttgart fördert bei Wohnbaugemeinschaften auch die notwendigen Gemeinschaftsräume

Das Land fördert in seiner Eigentumsförderung kein Gemeinschaftseigentum, da der Fördergrundsatz die Selbstnutzung der Immobilie vorsieht. Nachdem sich die Stadt mit ihren Richtlinien an die Vorgaben des Landes anlehnt, gilt dies auch für von der Stadt gefördertes Immobilieneigentum.

In der Mietwohnungsbauförderung wurden in der Vergangenheit von der Stadt bereits Projekte mit Gemeinschaftsräumen gefördert, z.B. Mutter-Kind-Projekte. Aufgrund vielfältiger rechtlicher und verfahrenstechnischer Schwierigkeiten der Förderung von Gemeinschaftsräumen hält die Verwaltung diese bei Wohnbaugemeinschaften nicht für praktikabel.


Zu 6. Die Stadt Stuttgart fördert beim Wohnungsbau das barrierefreie Wohnen

In der Eigentumsförderung des Landes gibt es die Möglichkeit eines zusätzlichen Förderdarlehens für Schwerbehinderte bei Neubau oder Erwerb von neuem oder gebrauchtem Wohnraum, sofern die Behinderung besondere Baumaßnahmen erforderlich macht. Die Höhe der Förderung liegt bei bis zu 75 % der nachweisbaren, durch die Behinderung ausgelösten Mehrkosten. Diese können durch ein Förderdarlehen finanziert werden, welches jedoch auf 30.000 EUR pro Wohnung bzw. 60.000 EUR pro Wohnung für Rollstuhlbenutzer beschränkt ist.

Eine Förderung von barrierefreiem Wohnen durch die Stadt – ohne dass eine konkrete Schwerbehinderung vorliegen muss – würde bedeuten, dass bei einem an die Landesförderung angeglichenen Förderhöchstsatz von 30.000 EUR pro Wohnung für jede so geförderte Wohnung ungefähr zwei Familien weniger gefördert werden (bei einem durchschnittlichen Fördersatz von 16.000 EUR pro Familie im Familienbauprogramm). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass anstatt der vom Gemeinderat vorgegebenen 150 geförderten Wohneinheiten nur noch ungefähr 50 Wohneinheiten und damit Familien fördern könnten.

Eine Prüfung der angemeldeten Mehrkosten für barrierefreies Wohnen ist unumgänglich, um Missbrauch zu verhindern. Dies bedeutet einen nicht unerheblichen Mehraufwand in der Wohnbauförderung.

Aus dem Grundsatz heraus, dass möglichst viele Familien in den Genuss der Wohnbauförderung durch die Stadt kommen sollen, kann die Verwaltung einer Förderung der nachweisbaren Mehrkosten für barrierefreies Wohnen bei gleich bleibender Finanzausstattung der Wohnbauförderung nicht zustimmen.


Zu 7. Die Stadt Stuttgart prüft bei Baugemeinschaften, ob in besonderen Fällen auf die üblichen Stell- und Tiefgaragenplätze verzichtet werden kann oder ob eine reduzierte Zahl ausreichend ist

Der Nachweis notwendiger Stellplätze für Wohnungen ist in § 37 LBO abschließend geregelt. Danach ist für jede Wohnung ein geeigneter Stellplatz herzustellen. Demnach müssen auch Baugemeinschaften einen Stellplatznachweis gemäß LBO vorgelegen. Von der Möglichkeit, nach § 74 Abs. 2 LBO die Stellplatzverpflichtung durch Gemeindesatzung generell einzuschränken, sind Wohnungen ausdrücklich ausgenommen.


Von dieser Verpflichtung kann nur abgewichen werden, wenn die Herstellung auf dem Baugrundstück auch unter Berücksichtigung Platz sparender Bauweisen unmöglich oder unzumutbar ist oder wenn auf dem Baugrundstück die Herstellung auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, also insbesondere von Festsetzungen eines Bebauungsplans, ausgeschlossen ist. Kann der Stellplatznachweis durch Errichtung einer Tiefgarage geführt werden, ist eine Abweichung nicht möglich.

Eine Reduzierung des Stellplatzkontingentes wäre im Einzelfall je nach Standort und je nach Qualität der Versorgung mit öffentlichem Nahverkehr möglich. Im Einzelfall kann dann auf den Bau der Stellplatzanlage verzichtet werden, wenn nachweisbar der Bedarf nicht vorhanden ist und eine Flächenoption für den späteren Bau einer Stellplatzanlage nachgewiesen wird (Beispiel: Freiburg Vauban-Gelände). Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass tatsächlich auch die Möglichkeit besteht, die Stellplätze nachträglich noch zu realisieren, und dass die für den Nachweis benötigten Flächen öffentlich-rechtlich gesichert werden.


Zu 8. Die Stadt Stuttgart unterstützt die Vernetzung, den Erfahrungsaustausch und die Weitergabe der Erfahrungen von Wohngemeinschaften

Die Stadt beabsichtigt, das Informationsangebot über Baugemeinschaften weiter zu verbessern. Im Frühjahr 2007 ist eine zweite öffentliche Informationsveranstaltung im Rathaus vorgesehen. Die vom Referat SJG initiierte Stuttgarter Plattform selbstbestimmtes gemeinschaftsorientiertes Wohnen (SGW) wird ein zweites Treffen im Mai 2007 im Rotebühlzentrum, Treffpunkt Senior veranstalten. Daneben wird die lnternetplattform www.stuttgartbaugemeinschaften.de regelmäßig aktualisiert und erweitert.






Dr. Wolfgang Schuster