Stellungnahme zum Antrag
127/2005

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/28/2005
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7121-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    FDP-Gemeinderatsfraktion
Datum
    04/14/2005
Betreff
    Mülltrennung durch Abschaffung des gelben Sackes vereinfachen!
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

44

Zum Antrag wird wie folgt Stellung genommen:



Vorbemerkung:

Auf dem Sektor der Verpackungsentsorgung vollzieht sich zur Zeit ein grundlegender Wandel, der eine Neubewertung des in Deutschland jahrelang praktizierten Systems der Verpackungsentsorgung erfordert. Ursachen hierfür sind der Verkauf der DSD AG an einen amerikanischen Finanzinvestor mit dem Ziel eines mittelfristigen Börsengangs, das Hinzutreten weiterer Systembetreiber sowie das drohende Chaos durch immer mehr nur für in Teilen zuständige Akteure. Nachdem zusätzlich in einigen Entsorgungsgebieten hohe Fehlwurfraten in den Erfassungssystemen festgestellt wurden begann eine Diskussion über die Möglichkeiten einer gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen (gelber Sack) und Restmüll bzw. von verschiedenen Wertstoffen in einer Tonne bei nachfolgender hochtechnisierter Sortierung.


1. Zu Punkt 1 (Möglichkeiten der Vereinfachung der Mülltrennung)

In jüngster Vergangenheit wurden verschiedene Versuche zur Weiterentwicklung der Verwertung von Leichtverpackungen durchgeführt.
In Nordrhein-Westfalen wurden z. B. folgende Erfassungssysteme mit dem Ziel un-


tersucht, Grundlagen für eine ökologische und ökonomische Bewertungen zu erhalten:
· 1. System: Status-quo-System · 2. System: Gelb in Grau · 3. System: Gelb in Grün
Ergebnisse:

· Abhängig von abfallwirtschaftlichen Randbedingungen haben sich keine eindeutigen ökologischen Vorteile für eines der drei Systeme ergeben.

· Die ökonomischen Ergebnisse haben bei MBA-Anlagen im Gegensatz zu Müllverbrennungsanlagen eher Kostenvorteile bei den Alternativsystemen erkennen lassen. Es laufen derzeit Versuche in Leipzig (System Gelb plus, Erfassung von weiteren verwertbaren Stofffraktionen mit der gelben Tonne wie z. B. Nichtverpackungskunststoffe, E-Schrott etc) und in Rheinland-Pfalz (Versuche in Westerwald und Trier im Zusammenhang mit MBA-Anlagen, weil die Ergebnisse der Untersuchungen nicht transferierbar sind.

Zum Punkt Entsorgungsverträge ist folgendes anzumerken:

· Die LHS hat für die Entsorgung des Restmülls mit der EnBW-Kraftwerke-AG einen Entsorgungsvertrag über 25 Jahre, mit einer Mengenfestlegung (zusammen mit den Kooperationspartnern 235.000 t/a) zu einem Festpreis. Derzeit stimmen Kapazität und Mengenabfall überein.

· Die Leichtverpackungen werden in der Verantwortung von der Dualen System Deutschland AG erfasst und verwertet (Auftragnehmer ist die Firma Schaal & Müller in Ditzingen). Die diesbezüglichen Vereinbarungen und Verträge (LHS/ DSD und Schaal & Müller/ DSD) enden zum 31.12.2006. Evtl. Systemveränderungen in Stuttgart (z. B. Gelb in Grau) müssten zuerst mit DSD abgestimmt werden. DSD kann dann ggf. eine veränderte Systembeschreibung als Grundlage für die nächste Ausschreibung nehmen (Zeithorizont ab 01.01.2007).

· Die Nutzung der Grünen Tonne für das System Gelb in Grün tangiert die LHS hinsichtlich der Erfassung von grafischen Papieren und LHS/ DSD bezüglich der Mitbenutzung bei der Erfassung von Verpackungen aus Pappe/ Papier/ Karton. Die Verträge mit dem Altpapierhandel und mit DSD haben eine Laufzeit bis 31.12.2006. Evtl. Systemveränderungen müssten in eine Ausschreibung für eine veränderte Grüne Tonne (Gelb in Grün) einfließen.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass die vertraglichen Randbedingungen für Veränderungen mit der DSD AG abgestimmt werden müssen! Hierfür ist Voraussetzung, dass für DSD und für die LHS sich deutliche Vorteile gegenüber dem derzeitigen Stand abzeichnen müssten. Für Stuttgart sind die Rahmenbedingungen für denkbare Veränderungen (insbesondere Vereinfachung bei der Getrennthaltung von Wertstoffen) auf Grund der jetzigen Erkenntnislage nicht eindeutig. Eine Vereinfachung der Getrennthaltung wäre aber aus Sicht der Bürger grundsätzlich erstrebenswert.

Darüber hinaus müssen künftige Entwicklung der Rahmenbedingungen (Verpackungsverordnung) betrachtet werden:

· Neue Marktlage ab 01.01.2007, weil ein Großteil der DSD-Verträge neu ausgeschrieben wird
· Neue Systembetreiber drängen auf den Markt (Landbell etc.)
· DSD ist eine AG die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten agiert und ihre Monopolstellung verlieren wird
· Die energetische Verwertung wird auch bei Verpackungen möglich werden
· Engpässe bei den MVA Kapazitäten zeichnen sich ab
· Die Gewinnung von Sekundärbrennstoffen wird wirtschaftlich interessant werden


2. Zu Punkt 2 (Auswirkungen bei Abschaffung des gelben Sackes)

· Akzeptanz bei der Bevölkerung

Die Systeme Gelb in Grau und einem geringeren Umfang Gelb in Grün würden vermutlich auf Grund des reduzierten Aufwandes bei der Getrennthaltung von Wertstoffen gut bis sehr gut angenommen werden. Entscheidend wäre allerdings wohl die Frage, ob die Verbesserung des Systems ohne nennenswerte Mehrkosten realisiert werden könnte. Eine Kostensenkung auf Grund der bisherigen Untersuchungsergebnisse ist zur Zeit nicht zu erwarten. Hier müssten noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um Klarheit zu schaffen.

· Müllverwertungsquote

Es kann davon ausgegangen werden, dass beim System Gelb in Grau der Anteil der verwertbaren Materialien höher ist, weil durch die Sortierung der gesamten Restmüllmenge (110.000 t/a Hausmüll plus 10.000 t/a Leichtverpackungen) auch verwertbare Materialien aussortiert werden, die sonst im Restmüll verbleiben. Die 20 – 30 % Wertstoffe aus dem Restmüll kommen hinzu. Darüber hinaus könnte eine heizwertreiche Fraktion die gesamte Ökobilanzierung verbessern.

· Gebührensenkung

Weil beim System Gelb in Grau zusätzlich zur Sortierung von 10.000 t/a Leichtverpackungen nun das gesamte Gemisch von Hausmüll (110.000 t/a) plus Leichtverpackungen sortiert werden muss und diese Sortierung eine zusätzliche Maßnahme bei der Müllverbrennung ist, fallen erstmals Mehrkosten an. Diese Mehrkosten müssen durch Einsparungen bei der Logistik, durch Erhöhung der Verwertungserlöse und Vermarktung von evtl. freiwerdenden Verbrennungskapazitäten ausgeglichen werden. Ob dies gelingt, kann nur durch praxisnahe Versuche weitergeprüft werden.
Beim System Gelb in Grün verändern sich die Vermarktungsmöglichkeiten des Altpapiers, dass nicht mehr ohne Sortierung direkt von Kartonfabriken übernommen werden kann. Die Papierqualität wird sich verschlechtern. Weitergehende Aussagen sind ohne konkrete Versuchsergebnisse kaum möglich.


3. Zu Punkt 3 (Konzept zur Realisierung vorhandener Kostensenkungspotenziale)

Die oben gemachten Ausführungen zeigen, dass im Bereich der Wertstofferfassung sich vorerst keine Kostensenkungspotenziale abzeichnen, die ohne weitere Untersuchungen realisiert werden können.
Aus Sicht der Bürger wäre sicherlich aber eine Komfortverbesserung sehr erstrebenswert, wenn sie ohne oder nur mit geringen Mehrkosten zu realisieren wäre. Aus Sicht der Stadthygiene wäre eine Verbesserung der derzeitigen Situation auch wünschenswert.
Vor diesem Hintergrund wurden die Möglichkeiten für die Durchführung eines Versuchs in Stuttgart geprüft und mit möglichen Partnern für weitergehende Untersuchungen erörtert.
Als Ergebnis strebt der AWS an, im Rahmen einer Voruntersuchung Grundlagendaten zu gewinnen, die es ermöglichen sollen, eine quantitative und ökonomische Bilanzierung der Varianten Gelb in Grau und Gelb in Grün für Stuttgart durchzuführen. Die gewonnenen Daten sollen bei positivem Ergebnis als Grundlage für einen möglichen Großversuch dienen. Die Voruntersuchung soll in einer Arbeitsgemeinschaft zwischen
· Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS)
· S-plus Umweltservice GmbH, Stuttgart
· HTP Ingenieurgesellschaft, Aachen
· Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft, Stuttgart
Erfolgen.

Die Voruntersuchung soll von der Universität Stuttgart geleitet werden und in einem Zeitraum von ca. fünf bis sechs Monaten abgeschlossen sein. Der finanzielle Aufwand für den AWS wird auf ca. 20.000 bis 25.000 € geschätzt.

Über die Untersuchungen wird nach Vorlage der Ergebnisse in den zuständigen Ausschüssen berichtet.









Dr. Wolfgang Schuster