Beantwortung zur Anfrage
535/2000

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 10/20/2000
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 50 12 - 07



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Dr. Unold Ilse (CDU), Vetter Helga (CDU)
Datum
    07/25/2000
Betreff
    Ecstasy-Prävention
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Vorbemerkung:
Die hier aufgeworfenen Fragen sind zum Stand 1998 am 27.10.98 im Rahmen der Antwort auf die GR-Anfrage 397/1998 bereits ähnlich beantwortet worden. Diese Antworten werden hier ergänzt.

Zu Frage 1: Wie entwickeln sich die Konsumentenzahlen in Stuttgart ?

Die Tatsache, dass der Konsum von Ecstasy objektiv Konsum einer illegalen Droge ist, bedeutet noch nicht, dass die Konsumenten sich als behandlungs- oder hilfebedürftig empfinden. Nach übereinstimmender Beobachtung von Drogenhilfe, Polizei und Jugend-einrichtungen in der Bundesrepublik und in Stuttgart und Wissenschaftlern gehört der Konsum von Ecstasy zum Lebensstil einer Gruppe junger Menschen, die sich keineswegs oder nur sehr selten als drogengefährdet oder abhängig fühlen. Der Ecstasy-Konsum wird von den Konsumenten überwiegend positiv bewertet und empfunden 1).
Folgerichtig definieren sie sich denn auch nicht zum traditionellen Klientel der Drogenberatungsstellen zugehörig ²).

Die Beantwortung der Frage nach den Konsumentenzahlen in Stuttgart kann daher nur durch Befragung diverser Institutionen und im Vergleich mit bundesweiten Beobachtungen eingeschätzt werden.

Hierbei stehen an erster Stelle die Daten der Polizei.

Nach Angaben der Landespolizeidirektion Stuttgart II wurden 1998 in Stuttgart 267 Tatverdächtige (Besitz und Handel) festgestellt und 282 im Jahr 1999.
Im ersten Halbjahr 2000 waren es 135 ³).

Einen weiteren wichtigen Hinweis auf die Verbreitung von Ecstasy geben die Zahlen der polizeilich sichergestellten Mengen :


1) Vgl. Thomasius, Rainer (Hrsg.): Ecstasy, Stuttgart, 1999, S 87.
2) Vgl. Thomasius, Rainer (Hrsg.): Ecstasy, Stuttgart, 1999, S 88.
3) Mitteilung der Landespolizeidirektion Stuttgart II vom 12.09.00.



Schaubild.doc

Quelle: Landespolizeidirektion Stuttgart II
In der Bundesrepublik ist Ecstasy seit ca. 1990 bekannt.
Es zeichnet sich auf Bundesebene ein Trend ab, der sich ähnlich auch in Stuttgart beobachten läßt. Die Anzahl der Konsumenten- und die Sicherstellungszahlen stiegen von 1990 bis 1996 stark an. Seit ca. 1996 Stagnation auf hohem Niveau und ca. seit 1998 ist ein Rückgang zu beobachten 4).

4) Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.) Jahrbuch Sucht, Geesthacht,
1999 S. 83)


Zu Frage 2: Wurden Komplikationen bekannt und welche ?

Da der Konsum von Ecstasy in der Regel zusammen mit anderen Suchtmitteln geschieht,
ist bereits eine Recherche hierüber schwierig. Es sind denn auch in Stuttgart definitiv keine Ecstasy-Notfälle bekannt. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Bürgerhospitals berichtet, dass es selten mit Ecstasy-Konsumenten Kontakt in Form von Notfall-Aufnahmen in Psychotischem Zustand hat. Da es sich aber auch hier um Konsumenten von Drogenmischun-gen handelt ist nicht eindeutig, welche Anteile auf den Ecstasy-Konsum zurückgehen.
Stuttgarter Diskotheken berichten über gelegentliche Kreislaufprobleme bei Besucher/-innnen. Inwiefern diese speziell auf Ecstasy zurückzuführen sind kann nicht festgestellt werden.


Zu Frage 3: Werden die Stuttgarter Drogenberatungsstellen von Ecstasy-Konsumenten in Anspruch genommen und in welchem Umfang ?

Die Drogenberatungsstellen in Stuttgart berichten, dass die bekannten Ecstasy-Konsumenten niemals nur diese Droge konsumieren, sondern in der Regel auch Ecstasy im Rahmen eines Mischkonsums nehmen und dabei Ecstasy subjektiv nicht als ihr Problem betrachten. Release, Lagaya und die städtische Drogenberatung Holzstr. nennen einen Anteil von 3-5 % der Klient/innen, die unter anderem Ecstasy konsumieren.
In der Jugend- u. Drogenberatung waren es 1999 42 Fälle, im Jahr 2000 bisher 18.
Bei Release waren es 1999 10 Fälle.


Zu Frage 4. Gibt es Kontrollen in Diskotheken und in welchem Umfang ?

Was die spezifische “rave-Klientel” (die fast ausschließlich ritualgleich in raves/ Musikveranstaltungen konsumieren) betrifft, organisierte die Beauftragte für Suchtprophylaxe der Landeshauptstadt Stuttgart seit Frühjahr 1998 mit der Präventionsfachkraft von Release regelmäßige Treffen mit Diskothekenbetreibern zum Thema Ecstasy.
Zunächst ging es darum, einheitliche Kontrollen und Vorgehensweisen in Abstimmung mit der Polizei und dem Amt für öffentliche Ordnung zu erarbeiten. Ziel war und ist die Sensibilisierung der Diskothekenbetreiber auf die Problematik, die Schulung des Personals, die verbesserte Zusammenarbeit mit Polizei und dem Amt für öffentliche Ordnung, sowie die Klärung, welches Informationsmaterial (Flugblätter/Flyer, Plakate) für die Diskothekenbesucher entwickelt oder angeboten wird.
Es wurde ein gemeinsames Logo entwickelt, mit dem die am Projekt beteiligten Diskothekenbetreiber sämtlicher größerer Diskotheken in Stuttgart werben können. Außerdem wird eine Schulung für Diskothekenpersonal (Türsteher, Barpersonal) konzipiert, bei der Drogenkunde, rechtliche Fragen, Kommunikationstraining sowie Erste-Hilfe-Maßnahmen im Drogennotfall vermittelt werden. Es wurde also auf ein gemeinsames Konzept zur Verhinderung von Ecstasy-Konsum gesetzt. Das Personal der og. Diskotheken versucht im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Besucher/innen mit Drogenbesitz am Betreten der Diskotheken zu hindern. Die an der Initiative beteiligten Beamten des Rauschgiftdezernates, speziell ein “Diskothekenbeauftragter” führen kontinuierlich unregelmäßig polizeiliche Kontrollen in Diskotheken durch.


Zur Frage 5. Gibt es ein spezifisches Präventionskonzept für Ecstasy in Stuttgart?

Grundsätzlich gibt es keine suchmittelspezifische Prävention. Vorbeugende Maßnahmen informieren qualifiziert über alle Suchtmittel und stoffunabhängigen Süchte und die jeweils spezifischen Risiken. Dies gilt auch für Ecstasy. Wesentlicher erster Teil jeder Vorbeugung ist also wahre Information. Zweites Anliegen von Prävention ist die Förderung einer Auseinandersetzung des Individuums mit dem Themenbereich, um eine starke subjektive, möglichst Drogen ablehnende Haltung zu finden, die bei Gefährdung trägt und in Gefahr Hilfe sucht und annimmt. Dies ist ein Prozeß, der unabhängig vom Suchtmittel gefördert wird. Hier sind nicht nur suchtbezogene Institutionen gefragt und tätig, sondern dieser Ansatz gilt für die Polizei, Schule, Jugendarbeit etc. gleichermaßen und wird in Stuttgart auch im Rahmen der bestehenden Ressourcen durchgängig gefördert.

Die Einrichtungen der Sucht- und Drogenhilfe verfolgen die aktuelle Fachdiskussion über spezifische Präventions - und Behandlungsprojekte zu Ecstasy. In der Literatur ist in jüngster Zeit über drei neue Vorbeugungs- bzw. Behandlungskonzepte berichtet worden.

· Das Modellprojekt zur Ecstasy-Prävention, gefördert von der Europäischen Kommission 5)
· Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene 6)
· Bundesmodell “Designerdrogen-Sprechstunde 7)

Die Übertragbarkeit dieser Ansätze auf Stuttgart wird derzeit geprüft. Bei Bedarf kann darüber berichtet werden.


Zu Frage 6: Besteht im Hinblick auf Ecstasy-Zwischenfälle eine Zusammen-
arbeit zwischen der Sucht- und Drogenhilfe und der Ärzteschaft ?

Die Zusammenarbeit zwischen der Sucht- und Drogenhilfe und den niedergelassenen Ärzten in Stuttgart ist auf allen Ebenen gut. Eine spezifische Zusammenarbeit bezüglich Ecstasy ist bisher nicht notwendig. Die Ärzteschaft Stuttgart hat seit dem Erscheinen von Ecstasy mehrfach neueste Erkenntnisse zu diesem Themenbereich auf Fortbildungen für Ärzte und Fachpersonal aus der Drogenhilfe präsentiert. Die Beteiligten sind gut informiert.







Dr. Wolfgang Schuster



5) Rabes, Manfred: Das Modellprojekt zur Ecstasy-Prävention gefördert durch die Europäische Kommission, in: Ecstasy- Wirkungen, Risiken, Interventionen- Stuttgart,1999, S181)
6) BZGA (Hrsg.): Drogenkonsum Jugendlicher in der Techno-Party-Szene, Köln, 1997)
7) Vgl. www.bmgesundheit.de/themen/drogen/designer/aus.htm)