Stellungnahme zum Antrag
322/2002

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 11/08/2002
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 2018-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    09/12/2002
Betreff
    Rahmenplan zur Erleichterung der Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen in allgemeinen Schulen (GRDrs. 657/2002)
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Im Benehmen mit dem Oberschulamt Stuttgart und dem Finanz- und Beteiligungsreferat werden die Fragen wie folgt beantwortet:
  1. Dem Antrag entsprechend wurde die Vorlage am 18. September 2002 im Verwaltungsausschuss eingebracht und wird vor ihrer Beschlussfassung am 26. November im Schulbeirat, am 9. Dezember im Jugendhilfeausschuss und am 13. Dezember 2002 im für die Belange behinderter Menschen zuständigen Gesundheitsausschuss beraten.
  2. Zu den rechtlichen Auswirkungen auf Integrationsansätze im Bereich der Schulen wird wie folgt Stellung genommen:
    Grundlagen
    Von entscheidender Bedeutung für die Maßnahmen zur Gleichstellung und Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in Beruf und Leben sind im Wesentlichen die Fortschreibungen und Veränderungen in folgenden Gesetzen, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien:
    • Schulgesetz für Baden-Württemberg (§§ 15 und 82-84; K.u.U. S. 18/1999)
    • Verwaltungsvorschrift “Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und besonderem Förderbedarf” vom 08. März 1999 (K.u.U. S. 45/1999)
    • Sozialgesetzbuch IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, insbesondere §§ 8 und 9 (BSHG) vom 19. Juni 2001
    • Kinder- und Jugendhilfegesetz; 8. Sozialgesetzbuch, insbesondere: §§ 35 a bis 37, 39, 40); Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (KJHG); Änderungen im Rahmen des Sozialgesetzbuches IX am 19. Juni 2001
    • Richtlinen des Landeswohlfahrtsverbands Württemberg-Hohenzollern über die Gewährung von Eingliederungshilfe nach § 40 Abs. 1 BSHG in Kindergärten und allgemeinen Schulen (Integrations-RL) vom 16. Mai 2000
    • Kindergartengesetz des Landes Baden-Württemberg i.d. Fassung vom 15. März 1999; insbesondere: § 2, Abs. 2
    • Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Bundesgleichstellungsgesetz/BGG) vom 22. März 2002

    Alle genannten gesetzlichen Grundlagen geben den Handelnden in Kindergärten, Schulen, Schul-, Kommunal-, Sozial- und Jugendverwaltung das Ziel vor, möglichst wohnortnahe Lösungen zur Förderung behinderter Kinder- und Jugendlicher zu verwirklichen.
    • Im BSHG werden der “Vorrang von Leistungen zur Teilhabe” (§ 8) und der “Wunsch und das Wahlrecht der Leistungsberechtigten” (§ 9) betont.
    • Im Vorschulalter “sollen Kinder mit und ohne Behinderung in gemeinsamen Gruppen erzogen” werden (Kindergartengesetz § 2, Abs. 2).
    • Das Schulgesetz gibt den allgemeinen Schulen einen ausdrücklichen Auftrag zur Förderung behinderter Kinder. Allerdings ist dieser Auftrag daran gebunden, dass behinderte Schülerinnen und Schüler dem gemeinsamen Bildungsauftrag der jeweiligen Schule folgen können (§ 15, Abs. 4).

    Das Bundesverfassungsgericht hat 1997 zum Ausdruck gebracht, dass der Staat für die Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher einerseits sonderpädagogische Einrichtungen in ausreichendem Umfang zur Verfügung stellen und andererseits hinreichende Möglichkeiten zur integrativen Förderung eröffnen muss.
    Auf Dauer ist also von einem Mit- und Nebeneinander zwischen sonderpädagogisch ausgerichteten Einrichtungen und integrativen Lösungen in Regeleinrichtungen auszugehen.

    Das hat zur Folge, dass sich aus der Verlagerung von Lösungsansätzen von Fallgruppen mit eindeutigen institutionellen Zuordnungen hin zu einzelfallbezogenen Entscheidungsprozessen
    ein deutlich erhöhter Aufwand für die entsprechenden Verfahrensweisen ergibt.

    Die konkrete Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen ist in hohem Maße an das Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten gebunden. Dem Erziehungsrecht der Eltern wird bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen ein sehr hoher Stellenwert zugemessen. Abgesehen von ganz extrem gelagerten Sonderfällen werden z.B. schulische Maßnahmen zur Förderung behinderter Kinder ausschließlich im Einvernehmen mit den Eltern umgesetzt.

    Im Ergebnis ist erstaunlicherweise festzustellen, dass mit dem deutlich zunehmenden Grad an integrativer schulischer Förderung ein erhöhter Druck zur Aufnahme behinderter Schülerinnen und Schüler in Sonderschulen einhergeht.

    Das bedeutet, dass aus dem Mehr an integrativ ausgerichteten Lösungen nicht auf ein Weniger an Bedarf im Sinne der Förderung in sonderpädagogischen Einrichtungen geschlossen werden kann. Neben dem Ausbau von Angeboten zur integrativen Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher in allen Bereichen wird auch der qualitativen Weiterentwicklung der bestehenden sonderpädagogischen Angebote eine entscheidende Schlüsselstellung zukommen.


3. Wie aus der GDRrs 657/2002 zu entnehmen ist, werden derzeit in der Schülerbeförderung, ohne den Stuttgarter Schülerbonus, bereits 3,6 Mio. € aus städtischen Mitteln finanziert. Die Vorgaben zur Beförderung behinderter Schüler/innen an Regelschulen sind in der Satzung über die Gewährung eines Zuschusses zu den notwendigen Schülerbeförderungskosten vom 1.8.2000 geregelt. Diese Vorgaben zur Beförderung behinderter Schüler/innen in Regelschulen können nur geändert werden, wenn weitere Mittel aus dem städtischen Haushalt hierfür durch den Gemeinderat zur Verfügung gestellt werden. Bei dem derzeit bestehenden finanziellen Rahmen kann eine Ausweitung dieser Beförderung nicht erfolgen.

4. Mit der Vorlage beschlossen werden soll ein Rahmenplan, der - neben einer Darstellung der momentanen Situation - Zielsetzungen und Maßnahmenmöglichkeiten aufzeigt. Er enthält im wesentlichen noch keine Kostenangaben. Um trotzdem eine Einbringung des Rahmenplans und daraus resultierende Planungen zu ermöglichen, wurde - in Abstimmung mit dem Referat F - der Finanzierungsvorbehalt in die Vorlage aufgenommen. Die konkrete Umsetzung der Maßnahmen wäre in separaten Einzelvorlagen auf der Basis genauer Kostenermittlungen erneut vom Gemeinderat zu beschließen. In dieser zweiten - kostenwirksamen - Verfahrensstufe hätten Gemeinderat und Verwaltung die Finanzierungsmöglichkeiten der Stadt zu berücksichtigen.

Auf die drastisch verschlechterte Finanzsituation der Stadt wurde in der Vorlage (GRDrs 657/2002) bereits hingewiesen. Konkrete Integrationsleistungen, soweit sie nicht vom Landeswohlfahrtsverband übernommen werden, können somit prinzipiell nur bei Umschichtungen innerhalb der Ämterbudgets finanziert werden. Dies war bei den im laufenden Jahr 2002 aufgetretenen Fällen möglich. Aus finanziellen Gründen musste also kein Antrag auf Integration abgelehnt werden.





Dr. Wolfgang Schuster