Stellungnahme zum Antrag Nr.
432/2000

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 07/03/2000
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 1515-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    05/30/2000
Betreff
    Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote im Stadtgebiet Stuttgart
    auf Grund Überschreitung von Schadstoffkonzentrationswerten
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Ziel des § 40 (2) Bundesimmissionsschutzgesetz ist, eine Möglichkeit zu schaffen, die hohen verkehrsbedingten Schadstoffbelastungen (Stickstoffdioxid, Benzol, Ruß) in den Städten für eine Übergangszeit zu reduzieren bis die technischen Maßnahmen zur Abgasminderung greifen. An diesen Belastungen haben sowohl PKW als auch LKW Anteil, so dass beide Fahrzeugkategorien von möglichen Maßnahmen betroffen sind.

Die Wahl des Zeitfensters von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr für nicht schadstoffarme LKW beruht auf der Tatsache, dass zu dieser Tageszeit die günstigsten Windverhältnisse für die Ausbreitung und Verdünnung der Schadstoffe gegeben sind.

Die Regelungen des § 40 (2) BImSchG geben den unteren Straßenverkehrsbehörden Handlungsmöglichkeiten, um lokale begrenzte hohe Schadstoffkonzentrationen zu reduzieren. Eine Abstimmung des Vorgehens mit Städten der Region ist daher nicht notwendig.

Zu den Fragen im Antrag nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

Zu 1: Die für die Berechnungen für Maßnahmen nach § 40 (2) BImSchG vom Regierungs-präsidium Stuttgart beauftragten Gutachter verwenden das Modell PROKAS. Das Modell PROKAS ist ein anerkanntes, dem Stand der Technik entsprechendes Rechenmodell, das auch in der Richtlinienarbeit des VDI berücksichtigt wird. Die örtlichen Gegebenheiten in Stuttgart erfordern eine Betrachtung des gesamten dichten Hauptverkehrsstraßennetzes. Dafür eignet sich das Modell PROKAS, das sowohl die Einflüsse benachbarter und angrenzender Straßen (Straßenabschnitte) als auch die Randbebauung in typisierter Form berücksichtigen kann.

Zahlreiche andere Berechnungsverfahren beschränken sich auf nur einen Straßenabschnitt. Bei Vergleichen für solche einfachen Konstellationen weist das Modell PROKAS ähnliche Genauigkeiten wie die anderen Modelle auf. Die konkreten Berechnungen für die Maßnahmen in Stuttgart wurden nicht zusätzlich mit anderen Rechenverfahren berechnet. Dies ist unüblich und würde einen ungerechtfertigt hohen Aufwand bedeuten.

Die für die Maßnahmen nach § 40 (2) BImSchG mit PROKAS durchgeführten Berechnungen wurden mit Messungen verglichen, die vom Land Baden-Württemberg an denselben Straßen durchgeführt wurden. Aufgrund der guten Übereinstimmung von Berechnungen und Messungen wurde vom Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg bzw. vom Regierungspräsidium Stuttgart das Verfahren PROKAS als geeignete Basis für Maßnahmen nach § 40 (2) BImSchG angesehen.

Jedes Modell, wie auch jede Messung, ist mit Unsicherheiten, z. B. durch Annahmen in den Eingangsdaten, behaftet. Im Zusammenhang mit Maßnahmen nach § 40 (2) BImSchG sind vom Gesetzgeber jedoch ausdrücklich neben Messungen auch Modellberechnungen zugelassen.

Zu 2: Die Berechnungen wurden für alle Abschnitte des Hauptverkehrsstraßennetzes durchgeführt. In der tabellarischen Darstellung (bzw. im Diagramm) des Gutachtens wurden nur die Abschnitte aufgeführt, an denen im Referenzfall Überschreitungen eines Prüfwertes berechnet wurden. Die Verwaltung geht davon aus, dass Ungenauigkeiten des Modells die Bilanz der Prüfwertüberschreitung nicht beeinflussen. Anderenfalls hätte das Land die verwendeten Modellberechnungen nicht als geeignete Basis für Maßnahmen nach § 40 (2) BImSchG bestätigt. Zudem stimmt, wie unter Ziffer 1 dargelegt, Berechnung und Messung gut überein.

Zu 3: Die Berechnungen wurden entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers (Regierungspräsidium Stuttgart) durchgeführt, wobei von einer kurzfristigen Umsetzung der Maßnahmen auszugehen war. Berechnungen für zukünftige Jahre (2000, 2005) wurden für die Maßnahmen daher nicht durchgeführt.

Zu 4: Im Zusammenhang mit den Untersuchungen zu Stuttgart 21 hat das Büro Dr. Lohmeyer Schadstoffberechnungen mit PROKAS sowohl für das Jahr 1995 als auch für die Jahre 1998 und 2010 für das Stuttgarter Hauptstraßennetz durchgeführt. Die Ergebnisse sind dokumentiert in den Heften Untersuchungen zur Umwelt “Stuttgart 21” Heft 2 und Heft 9 (Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz).

Die NO2-Belastungen reduzieren sich bis 2010 im Mittel um ca. 20 % gegenüber dem Istzustand. Die intensivsten Reduktionen betragen auf einzelnen Straßenabschnitten über 50 %, während auf einigen Straßenabschnitten Zunahmen um ca. 10 % zu erwarten sind. Das betrifft sowohl die Jahresmittelwerte als auch 98-Perzentilwerte von NO2.

Die Benzolbelastungen werden im Mittel bei der Planvariante im Jahr 2010 um ca. 50 % gegenüber dem Istzustand verringert und an einzelnen Straßenabschnitten sogar über 75 %. Zunahmen sind nicht zu erwarten.

Die Rußbelastungen werden im Mittel bei der Planvariante im Jahr 2010 um ca. 20 % gegenüber dem Istzustand verringert und an einzelnen Abschnitten auch um mehr als 75 % reduziert. Dafür weisen einzelne Abschnitte auch Zunahmen um ca. 10 % auf.

An ca. 10 Straßenabschnitten ist auch im Jahre 2010 noch mit Prüfwertüberschreitungen nach der 23. Verordnung zum BImSchG zu rechnen.


Zu 5: Die PROKAS-Berechnungen wurden mit vor Ort Messungen verglichen (s. Ziffer 1). Andere Berechnungsverfahren als PROKAS wurden nicht verwendet (s. Ziffer 1). Bei Vergleichen mit Messungen und anderen Berechnungsverfahren liefert das Modell PROKAS gute Ergebnisse (s. Ziffer 1). Handlungsbedarf ist somit entsprechend dem Gutachten des Büros Dr. Lohmeyer gegeben.

Zu 6: Berechnungen über Veränderungen der LKW-Flotte durch die vorgeschlagenen Maßnahmen müssen berücksichtigen, dass das Zeitfenster nur für nicht schadstoffarme LKW gilt. Sowohl die vorhandenen schadstoffarme LKW wie auch der durch Maßnahmen beschleunigte Anstieg der Zahl schadstoffarmer LKW muß in solche Berechnungen Eingang finden, so dass eine massive Ausweitung der Fahrzeugflotte als Folge der Maßnahmen nicht unbedingt gegeben sein muß.







Dr. Wolfgang Schuster