Stellungnahme zum Antrag
113/2006

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/21/2006
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6200-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Blind Roswitha (SPD), Kanzleiter Manfred (SPD), Kußmaul Rainer (SPD), Sawade Annette (SPD), Wüst Monika (SPD) , SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    04/06/2006
Betreff
    Zukunftsfähige Mobilität - mit weniger Lärm, Feinstaub und Stickoxiden
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Zu 1.
Da die vorliegenden Daten zum Verkehrsaufkommen in Stuttgart aus dem Regionalverkehrsplan bzw. dem Nahverkehrsplan stammen und mehr als 10 Jahre alt sind, ist eine Aktualisierung notwendig. Zwar wurde erst im Jahr 2005 eine Aktualisierung der Verkehrsmengen im Kfz-Verkehr im Hinblick auf den Wirtschaftsverkehr vorgelegt, insgesamt ist die Datengrundlage dennoch inzwischen überholt. Dies wurde erkannt und daher gibt es Pläne unterschiedlicher Aufgabenträger, die Datengrundlagen aktualisieren zu lassen. Zu nennen sind

- der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart, dessen Fortschreibung des Nahverkehrsplans eine Aktualisierung der Daten zu den Personenfahrten in der Region erfordert,

- die Stuttgarter Straßenbahnen AG, die für die Planung und Weiterentwicklung ihres Verkehrssystems und ihres Verkehrsangebotes eine aktuelle Datengrundlage benötigt,

- der Verband Region Stuttgart, der den Regionalverkehrsplan fortschreiben will und

- die Landeshauptstadt Stuttgart, die zur Erstellung des Verkehrsentwicklungskonzepts ebenfalls eine aktuelle Datengrundlage benötigt.

Die Untersuchungen sind aufwändig und erfordern auch erhebliche finanzielle Mittel. Um hier insgesamt Zeit und Kosten zu sparen, steht die Verwaltung in engem Kontakt mit den verschiedenen Beteiligten, um die Arbeiten zeitlich und inhaltlich zu koordinieren. Die Verwaltung wird zu gegebener Zeit dem Gemeinderat eine Vorlage zur Vergabe von Untersuchungen zur Ermittlung aktueller Datengrundlagen vorlegen. Sobald aus den anstehenden Untersuchungen neue Ergebnisse vorliegen, wird dem Gemeinderat berichtet werden.

Zu 2.
Anlässlich der VVS-Tarifanpassung zum 1. Januar 2006 hat die SPD-Gemeinderats­fraktion bereits am 13. Juni 2005 den Antrag gestellt, die Einführung eines Mobilitätsbonusses zu verfolgen. In Abstimmung mit der SSB ist der VVS in dieser Sache federführend tätig geworden. Er hat Kontakte zum Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und zum Innenministerium Baden-Württemberg aufgenommen. Insbesondere mit dem Innenministerium wurden auch wiederholt Gespräche geführt. Mit Schreiben vom 7. April 2006 hat das Innenministerium dem VVS eine schriftliche Stellungnahme zum Mobilitätsbonus zugeleitet, aus dem folgende Auszüge wiedergegeben werden:

"In der Sache handelt es sich bei dem Mobilitätsbonus um eine Nahverkehrsabgabe. Ein sehr ähnliches Modell hat die Landesregierung im Jahre 1991 durch ein Rechtsgutachten auf seine Verfassungsmäßigkeit untersuchen lassen. Auch beim damals untersuchten Modell sollten Pkw-Halter mit der Abgabe belastet werden und als Gegenleistung eine Gutschrift zum Erwerb von Nahverkehrsfahrscheinen erhalten. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine freie Übertragbarkeit der Gutschrift nicht in Betracht kommt, weil dadurch die Gutschrift handelbar wird und somit der Lenkungseffekt der Abgabe aufgehoben würde. In der Tat kann man erwarten, dass mit der beliebigen Verfügbarkeit über die Gutschrift unter dem Strich kaum etwas für den ÖPNV herauskommen würde.

Die zentrale Botschaft des damaligen Gutachtens war, dass eine Nahverkehrsabgabe zum Zweck der Finanzierung des ÖPNV verfassungswidrig ist. Nur wenn keine Einnahmen erzielt werden, könnte sie als reine Lenkungsabgabe zulässig sein. Damit ist sie aber als Finanzierungsinstrument nicht mehr interessant. Das Gutachten hat überdies eine Reihe von Vorgaben aufgestellt, die bei der konkreten Ausgestaltung der Abgabe zu berücksichtigen wären. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Sonderabgaben ist davon auszugehen, dass heute die Schwelle für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Nahverkehrsabgabe tendenziell noch höher liegt als damals dargelegt. Die rechtlichen Risiken bei Einführung eines Mobilitätsbonusses wären daher aus heutiger Sicht als erheblich einzuschätzen.

Abgesehen von den verfassungsrechtlichen Fragen wäre mit der Erhebung der Abgabe in Verbindung mit der Kraftfahrzeugsteuer und der Ausstellung von Bescheinigungen über die Einlösung der Gutschrift ein bürokratischer Aufwand verbunden, der nicht im Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen steht. Schließlich würde ein Mobilitätsbonus zu Fehlwirkungen führen, da er Auspendler aus dem Verbundgebiet belastet, aber Einpendler nicht erfassen kann. Die Belastung von Schwerbehinderten, Handwerkern und Handelsvertretern erschiene ungerecht und es müssten gegebenenfalls zahlreiche Ausnahmetatbestände geschaffen werden.


Aus den oben genannten Gründen hat die Landesregierung in der Pressemitteilung vom 8. Dezember 2005 die Einführung einer Nahverkehrsabgabe abgelehnt.“

Aufgrund der klaren Stellungnahme des Innenministeriums Baden-Württemberg macht es keinen Sinn, das Thema Mobilitätsbonus weiter zu verfolgen.








Dr. Wolfgang Schuster