Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/08/2009
Der Oberbürgermeister
GZ: OB
Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
Dr. Löffler Reinhard (CDU), Hill Philipp (CDU), Benzinger Marc (CDU)
Datum
02/18/2009
Betreff
Handy als Parkuhr/elektronisches Zahlungskonzept
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Handy als Parkuhr
Die Verwaltung beobachtet die Entwicklungen beim Handy-Parken mit großer Aufmerksamkeit, steht einer Einführung aber derzeit kritisch gegenüber.
Die Nutzungsraten des Handy-Parkens in anderen Städten sind sehr gering. So wird in Köln nur 1 % des Parkgebührenumsatzes durch Handy-Parken eingenommen. In Berlin nutzen nur 1,5 % Autofahrer das Handy-Parken. Aufgrund der geringen Nutzungsraten nahm beispielsweise die Stadt München bei ihrem neuen Parkkonzept Abstand vom Handy-Parken.
Die Stadt Heidenheim wählte das Parkkonzept der sogenannten „Plattformlösung“. Diese basiert auf einem Mustervertrag, den die Stadt Köln mit zertifizierten Betreibern abschloss. Dieser Musterrahmenvertrag wird von TelematicsPRO anderen Städten zur Verfügung gestellt. Der Musterrahmenvertrag wird durch die Kommune angepasst und mit jedem in der Stadt aktiven Betreiber abgeschlossen. Der Kunde kann sich unter den Systemanbietern den für ihn passenden aussuchen und dort registrieren lassen (Handynummer, Bankverbindung, Kfz-Kennzeichnen). Da mehrere Anbieter in der Stadt das Handy-Parken anbieten, entsteht ein Wettbewerb.
Grundsätzlich bietet das Handy-Parken folgende Vorteile:
§ Bezahlsystem unabhängig von Parkscheinautomaten
(Bequem vom Auto aus „Parken“ starten).
§ Kein passendes Münzgeld erforderlich.
§ Echtzeitparken.
§ Einführung einer alternativen Bezahlform ohne Aufrüstung der Parkscheinautomaten.
Dem gegenüber stehen folgende Nachteile:
§ Zusätzliche Servicegebühr
(ca. 18 Cent/pro Parkvorgang, auch für „Brötchentaste“).
§ Registrierung erforderlich.
§ Unflexibel bei Fahrzeugwechsel
§ Hoher Verwaltungsaufwand im Betrieb, da System zusätzlich zu Parkscheinautomaten betrieben werden muss.
§ Berücksichtigung des Datenschutzes.
Die Kosten werden überwiegend durch die Gerätebeschaffung, den höheren Personalbedarf bei der Verkehrsüberwachung sowie die Informationskampagnen bestimmt. Hamburg nennt Kosten von rund 300.000 € für die Einführung des Handy-Parkens (bei 620 Parkscheinautomaten vergleichbar mit Stuttgart). Die Kosten von 300.000 € können für das Handy-Parken in Stuttgart somit als Untergrenze angesehen werden. Eine genaue Angabe der Kosten ist derzeit nicht möglich.
In der Abwägung der Vor- und Nachteile empfiehlt die Verwaltung, weiter die Entwicklung des Handy-Parkens und insbesondere die Nutzungsraten in anderen Städten zu beobachten. Außerdem soll im Rahmen der weiteren Diskussionen zum Verkehrsentwicklungskonzept in Stuttgart das Thema Handy-Parken genauer bewertet werden. Unabhängig davon beabsichtigt die Verwaltung, den bargeldlosen Zahlungsverkehr in Form der EC-Karte an Parkscheinautomaten im Rahmen des Parkraummanagements Stuttgart-West einzuführen.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten des Handys für Bezahlvorgänge
Zur Frage nach anderen Anwendungsmöglichkeiten, das Handy für Dienstleistungen in Form elektronischer Zahlvorgänge (z. B. elektronische Fahrkarte bei der SSB, Eintritt in Museen, Schwimmbäder etc.) zu nutzen, wurden von der SSB AG sowie den Referaten KBS, WFB und AK Stellungnahmen abgegeben.
Obwohl die Nachteile die Vorteile überwiegen, steht die Verwaltung dem Zahlungskonzept grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.
Dem - voraussichtlich nicht erheblichen - Rückgang des Bargeldes und der damit verbundenen Abwicklung steht ein zusätzliches Abrechnungsverfahren mit noch nicht feststellbarem Aufwand gegenüber.
Eine Nutzung der Bezahlfunktion über Handy im Rahmen von eGovernment Stuttgart ist derzeit nicht geplant. Auch wurde bisher kein entsprechender Bedarf formuliert.
Soweit abzusehen ist, wird diese Art der Bezahlfunktion in naher Zukunft von dem bei der Stadt im Einsatz befindlichen DirectPOS unterstützt werden, über das heute die elektronische Zahlung abgewickelt wird. Damit wäre eine Integration in die eGovernment-Umgebung gewährleistet.
Die Museen Stuttgarts, die Eintritt verlangen, sind in der Regel Landeseinrichtungen, auf deren Abrechnungsmodus die Stadtverwaltung keinen Einfluss nehmen kann.
Eine Anfrage beim Kunstmuseum ergab, dass der Einsatz von Handys als Zahlungsmittel vorstellbar sei, aber mehr Informationen vorliegen müssten, um eine verbindliche Aussage treffen zu können. Allerdings wurde diese Art der Bezahlung von den Besuchern bislang nicht nachgefragt.
Bei den Abteilungen des Kulturamts könnten sich die Stadtbücherei bei der Bezahlung der Mahn- und Benutzungsgebühren und die Musikschule beim Bezahlen der Eintritte für Veranstaltungen dieses Modell grundsätzlich vorstellen. Beide Einrichtungen befürchten aber eine aufwändige Umsetzung.
Für eine abschließende Beurteilung des Handys als Zahlungsmittel bei einigen wenigen kulturellen Einrichtungen müssten daher mehr Informationen vorliegen.
Im deutschen ÖPNV läuft seit Mai 2007 ein Pilotversuch zum HandyTicketing auf Basis der Anwendung „Kernapplikation des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)“. Der Pilotversuch hat zum Ziel, die Marktakzeptanz des HandyTicketing zu ermitteln und das zur Anwendung kommende technische Verfahren zu optimieren. An dem Versuch sind 12 Verkehrsverbünde beteiligt. Im süddeutschen Raum nehmen Freiburg und Ulm teil. Karlsruhe, Mannheim und der Rhein-Main-Verkehrsverbund arbeiten mit dem Industriepartner T-Systems an eigenen Lösungen. Die DB AG testet aktuell in Brandenburg und Berlin die Fahrterfassung mit NFC-Handys (Check-in / Check-out Lösung) im Rahmen des Projektes „Touch & Travel“. In Osnabrück und Gera kommt nach wie vor das SMS HandyTicketing zum Einsatz.
Die diversen unterschiedlichen Lösungen wurden im Verkehrsverbund Stuttgart analysiert und bewertet. Aufgrund fehlender marktgängiger Standards, nach wie vor bestehender technischer Probleme und vergleichsweise hohen Vertriebskosten haben sich die Verkehrsunternehmen im VVS entschieden, zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten.
Im Segment der Gelegenheitskunden soll kurzfristig vielmehr der innovative Ansatz des Ticket2Print weiterverfolgt werden. Derzeit werden die Rahmenbedingungen für die Einführung dieses neuen Vertriebskanals geprüft.
Wie die deutschlandweite Verteilung der Systemlandschaft deutlich macht, existiert für das HandyTicketing derzeit keine marktgängige Lösung im Sinne einheitlicher interoperabler Standards. Im VDV läuft der Probebetrieb noch bis Ende 2009. Der Start des Regelbetriebs ist für Frühjahr 2010 geplant.
Auch die Kundenzahlen belegen, dass das HandyTicket derzeit noch ein Nischenprodukt ist. Von Mai 2007 bis September 2008 konnten im VDV-Versuch deutschlandweit rd. 27.000 Neukunden gewonnen werden. Diesen Kunden steht in den anderthalb Jahren ein Gesamtumsatz von etwa 700.000 EUR entgegen. Im Vergleich dazu liegt allein der SSB-Umsatz im Segment der Gelegenheitsfahrer jährlich bei rd. 56 Mio. EUR.
Die Vertriebskosten für das HandyTicketing sind im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen im ÖPNV eher hoch. Während die SSB durchschnittliche Vertriebskosten von 7,8 EUR pro 100 EUR Umsatz aufweist (Stand 2008), liegen diese im HandyTicketing derzeit noch bei rd. 28 % (Beispiel VGN in Nürnberg 2008).
Während die Einführungskosten mit unter 50 TEUR vergleichsweise niedrig ausfallen, sind derzeit vor allem die operativen Betriebskosten nachteilig zu bewerten. Dabei schlagen insbesondere die Provisionen für die Finanzdienstleister (Abrechnung, Bonitätsprüfung etc.) negativ zu Buche. Aus Kundensicht sind zusätzlich die Handygebühren zu berücksichtigen. Bei geringpreisigen Tarifprodukten im Gelegenheitsverkehr machen die Kommunikationskosten rasch einen signifikanten Anteil an den Gesamtkosten aus.
Die SSB und der VVS werden die Entwicklungen im Bereich des HandyTicketing sehr genau beobachten und dieses Vertriebskonzept im Zuge der technischen Weiterentwicklung zu gegebener Zeit neu bewerten.