Stellungnahme zum Antrag
48/2007

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 04/27/2007
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 3412



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Sauer Jürgen (CDU), Ripsam Iris (CDU), Metke Christina (CDU), Vetter Helga (CDU), Pfau Ursula (CDU), Prof. Dr. Loos Dorit (CDU)
Datum
    02/01/2007
Betreff
    Zusätzliche Lehrkräfte an der Stuttgarter Musikschule
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


1. Das Kulturamt ermittelt zusammen mit der Stuttgarter Musikschule rasch den zusätzlichen Personalbedarf, mit dem es möglich wäre, alle diejenigen Kinder zu unterrichten, die ein Jahr oder länger auf der Warteliste stehen.

Obwohl vom Wintersemester zum Sommersemester 2007 wieder 250 neue Schülerinnen und Schüler eingeteilt werden konnten, stehen derzeit immer noch 1.350 Kinder und Jugendliche auf der Warteliste. Die Warteliste wird jedes Semester abgefragt und aktualisiert. Erfahrungsgemäß reduziert sich die Warteliste nach einer Abfrage um ca. 15 %.

Derzeit warten 354 Kinder und Jugendliche länger als ein Jahr auf den Instrumentalunterricht an der Stuttgarter Musikschule. Die hohe Warteliste führt zu Chancenungleichheiten unter den Stuttgarter Kindern. Um diese Warteliste komplett abzubauen, benötigt die Stuttgarter Musikschule insgesamt 5,9 Stellen. Damit wenigstens die Hälfte dieser Kinder mit Musikunterricht versorgt werden kann, benötigt die Stuttgarter Musikschule 3 Stellen. Die Kulturverwaltung hat zum Stellenplan 2008/2009 diese 3 Stellen beantragt. Durch Gebühreneinnahmen und einen Zuschuss des Landes werden 50 % des entstehenden Personalaufwandes gedeckt.

Die Kulturverwaltung hat – wie schon in den Vorjahren – zum Stellenplan 2008/2009 eine Stelle in TVöD 9 für die Wahrnehmung der ständig steigenden Aufgaben im Verwaltungsbereich beantragt. 25 % der zusätzlich erforderlichen Personalkapazität entfallen auf die gestiegenen Anforderungen bei der Schülerverwaltung. Die Schülerbelegungszahl ist innerhalb von 10 Jahren von 4.410 um 758 auf 5.168 im Jahr 2006 gestiegen, ohne dass sich der Personalbestand geändert hat. Bei Schaffung der drei Stellen für Musikschullehrer/innen würde sich die Schülerbelegungszahl um weitere rd. 180 Kinder erhöhen.


Eine weitere Erhöhung der Schülerzahlen sollte daher mit einer Aufstockung der Personalkapazität in der Schülerverwaltung um eine 25%-Stelle verbunden werden.

Darüber hinaus hat die Kulturverwaltung geprüft, ob die Kooperation mit Vereinen zum Abbau der Warteliste beitragen kann.

Die Stuttgarter Musikschule hat bereits Kooperationen mit Vereinen, um den Nachwuchs der Vereine auszubilden. Viele der in der Stuttgarter Musikschule ausgebildeten Kinder und Jugendlichen sind bereits aktiv in Vereinen tätig. Derzeit liegt eine weitere Anfrage zur Kooperation vor, in der die Musikschule gebeten wird, den Vereinsnachwuchs auszubilden.

Bei einer Kooperation zum Abbau der Warteliste käme hinzu, dass die Bezeichnung Musikschule in Baden-Württemberg nicht wie in Bayern einem Schutz und einem Qualitätsstandard unterliegt (Bayerisches Sing- und Musikschulgesetz von 1984). Die Einbeziehung und Gleichstellung von privaten Anbietern und dazu gehören auch die Vereine, wäre unter Qualitätssicherungsaspekten sehr schwierig. Weiterhin ist die Berufbezeichnung „Musiklehrer“ gesetzlich nicht geschützt. Im Prinzip können sich daher alle Anbieter von privaten Musikunterrichtseinheiten als „Musiklehrer“ bezeichnen. Lediglich der Schutz des Titels „Diplom-Musiklehrer“ ist im Gesetz verankert.

Aus diesem Grund muss das Qualitätsniveau der Stuttgarter Musikschule als Standard definiert werden, was wiederum dazu führen würde, dass mit enormem Aufwand Bewerbungsverfahren für die Kooperation mit Anbietern aus dem Vereinsbereich durchgeführt werden müssten.

Aufgrund der Vielzahl und der Verschiedenartigkeit der Vereine in Stuttgart ist daher eine Kooperation in Bezug auf den Abbau der Warteliste für den Unterricht an der Stuttgarter Musikschule nicht möglich.


2. Die Kulturverwaltung stellt dafür die Kosten zusammen. Neben der Festanstellung prüft sie auch die Möglichkeit, das zusätzlich benötigte Personal in einer Projektphase auf Zeit oder über Honorarverträge einzustellen und ermittelt dafür ebenfalls die Kosten.

Die Personalkosten (ohne Sachkosten, Verwaltungsgemeinkosten und Technikunterstützung) betragen pro Stelle in EG 9 TVöD 44.900 € / Jahr. Bei 3 Stellen entstehen 134.700 € reine Personalkosten. Bei 5,9 Stellen wären es 264.910 € reine Personalkosten. Dem gegenüber stünde eine Deckung von durchschnittlich 50% durch Unterrichtsgebühren und den Landeszuschuss.

Die Kosten für die Schaffung einer Stelle für die Verwaltung in EG 9 TVöD belaufen sich inklusive Sachkosten auf 72.900 €. Davon entfallen mindestens 25 % auf die Schülerverwaltung (18.225 €).

Zur Frage der Honorarlehrer besteht folgende rechtliche Situation: Bis Ende 1989 gab es an der Stuttgarter Musikschule neben den damaligen BAT-Musikschullehrkräften auch Honorarlehrkräfte. Aufgrund eines Bundesarbeitsgerichtsurteils, wonach teilzeitbeschäftigte Lehrer nach den gleichen Grundsätzen anteilig zu vergüten sind wie vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte, und einer Empfehlung des Kommunalen Arbeitgeberverbandes hat der Gemeinderat am
8. März 1990 beschlossen, alle Honorarlehrkräfte in ein BAT-Arbeitsverhältnis zu übernehmen.

Auch heute dürfen Honorarverträge innerhalb des Geltungsbereichs des TVöD nur mit Beschäftigten abgeschlossen werden, für die der TVöD nicht anzuwenden ist. Der TVöD gilt unter anderem nicht für geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Damit sind die kurzfristig Beschäftigten oder Saisonbeschäftigten gemeint, die maximal 2 Monate oder 50 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres arbeiten dürfen. Es ist nicht möglich, mit dieser eingeschränkten Beschäftigungsform die Warteliste dauerhaft abzubauen, da der Unterrichtserfolg unter anderem auf einer kontinuierlichen Betreuung durch dieselbe Lehrkraft basiert.

Eine Beschäftigung von Honorarlehrkräften an der Stuttgarter Musikschule ist daher aus rechtlichen und praktischen Erwägungen nicht sinnvoll.

Zur Frage der Beschäftigung auf Zeit („Projektphase auf Zeit“) besteht folgende Rechtslage: Für eine befristete Beschäftigung muss aus arbeitsrechtlichen Gründen ein sachlicher Grund für die Befristung an sich als auch für die Befristungsdauer vorliegen. Da die Kinder auf der Warteliste dauerhaft unterrichtet werden sollen, müsste der Lehrkörper dauerhaft aufgestockt werden. Die Voraussetzungen für den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen liegen nicht vor.

Des Weiteren hat die Kulturverwaltung die Beschäftigung von Musikschullehrkräften auf 400 Euro-Basis geprüft.

Da die Verdienstgrenze von maximal 400 Euro zu beachten ist, könnte ein Musikschullehrer im Rahmen eines Mini-Jobs nur im Umfang von rund 15 % (= 5 Unterrichtseinheiten pro Woche) beschäftigt werden. Allein für den Abbau der Warteliste mit Kindern, die länger als ein Jahr auf den Unterricht warten müssen, würden 39 neue Musikschullehrer zur Neueinstellung benötigt werden, um die 5,9 Stellen zu besetzen. Bei 3 Stellen, durch die die Hälfte der Warteliste abgebaut werden könnte, wären es 20 Lehrkräfte. Des Weiteren würde das bestehende Personal der Musikschule keine Möglichkeit zur Vertragsaufstockung erhalten. Zurzeit arbeiten 165 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt auf 93 Planstellen an der Stuttgarter Musikschule. Die Einstellung von Musikschullehrkräften auf 400 Euro-Basis würde einen enormen Arbeitsaufwand bei der Verwaltung verursachen und wäre mit der derzeitigen Personalbesetzung nicht zu bewerkstelligen.


3. Im Zuge dieses Prüfauftrages untersucht die Kulturverwaltung eine weitere Alternative: die neuen Lehrkräfte mit einem reduzierten Aufgabenumfang zu beschäftigen, damit die Personalkosten geringer ausfallen.

§ 52 TVöD – Besonderer Teil Verwaltung – beinhaltet die Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte an Musikschulen. Nach Nr. 2 Abs. 1 dieser Vorschrift sind Musikschullehrerkräfte vollbeschäftigt, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 30 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten beträgt (Anmerkung: durch die Umsetzung des Ferienüberhangs unterrichten die vollbeschäftigten Lehrkräfte an der Stuttgarter Musikschule 33 Unterrichtseinheiten pro Woche).

Die Protokollerklärung zu Abs. 1 ergänzt, dass bei der Festlegung der Zahl der Unterrichtsstunden berücksichtigt wurde, dass Musikschullehrkräfte neben der Erteilung von Unterricht die so genannten Zusammenhangstätigkeiten zu erledigen haben. Zusammenhangstätigkeiten sind insbesondere Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Abhaltung von Sprechstunden, Teilnahme an Schulkonferenzen und Elternabenden, Teilnahme an Vorspielen, Mitwirkung an Veranstaltungen der Musikschule, Mitwirkung an Musikwettbewerben und die Teilnahme an Musikschulfreizeiten an Wochenenden und in den Ferien.

Die Beschäftigung einer Musikschullehrkraft ohne diese Zusammenhangstätigkeiten, also mit einem reduzierten Aufgabenumfang, ist nicht möglich.






Fazit:

Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des TVöD sind nur denkbar für kurze Zeitspannen, also allenfalls für projektbezogene Sonderaufgaben und nicht für die Kernaufgaben der Stuttgarter Musikschule. Für solche projektbezogenen Sonderaufgaben werden heute im Einzelfall Werkverträge vergeben; diese Praxis hat sich bewährt. Insgesamt erscheint es daher nicht sinnvoll und wirtschaftlich, für die Erteilung von Musikunterricht Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des TVöD einzugehen.






Dr. Wolfgang Schuster


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