Beantwortung zur Anfrage
84/2007

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 05/29/2008
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 4005 - 01



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Metke Christina (CDU), Schmid Roland (CDU), Schorn Stefanie (CDU), Dr. Unold Ilse (CDU), Ripsam Iris (CDU), Hill Philipp (CDU), Haug Marion (CDU)
Datum
    02/15/2007
Betreff
    Rahmenverträge mit sozialen Dienstleistern bzw. ihren Dachverbänden
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Am 26. März 2007 hat die Verwaltung darüber informiert, dass die umfassenden und weitreichenden Vorschläge der Liga der freien Wohlfahrtspflege zur Neugestaltung der Förderung der sozialen Infrastruktur einer gründlichen Prüfung bedürfen. In mehreren Gesprächen mit der Sozial- und auch der Finanzverwaltung hat die Liga ihre Vorstellung dazu erläutert. Am 12. September 2007 haben die Leiter des Sozial-, Jugend- und Gesundheitsamtes mit den Vertretern der Liga vereinbart, zu Beginn des Jahres 2008 konkrete Verhandlungen zur Weiterentwicklung der Förderung aufzunehmen. In einem Gespräch zwischen der Liga und der Sozialverwaltung am 26. Februar 2008 wurde vereinbart, in einem ersten Schritt die zu verhandelnden Themen zu sammeln. Diese Auflistung wird derzeit vom Sozial-, Jugend- und Gesundheitsamt zusammengestellt.

Die ausgehandelten Ergebnisse zur Neugestaltung der Förderung im sozialen Bereich zwischen der Sozialverwaltung und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege werden nach Abschluss der Verhandlungen in einer Gemeinderatsdrucksache dargestellt.


Zu Frage 1: Wie beurteilt die Verwaltung das Instrument „längerfristige Rahmenverträge mit sozialen Dienstleistern“?

Ein Rahmenvertrag bildet in der Regel die Grundlage für den Abschluss von Einzel- oder Vergütungsvereinbarungen des Sozialhilfeträgers mit Diensten und Einrichtungen. Mit Hilfe eines Rahmenvertrages wird sichergestellt, dass einheitliche Qualitätsgrundsätze für ein bestimmtes Arbeitsfeld (z. B. der Pflege) in den Einzelvereinbarungen Anwendung finden. Derartige Rahmenverträge werden in der Regel zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege abgeschlossen. Geregelt werden die Art der zu erbringenden Leistungen, der zu versorgende Personenkreis, der Inhalt und Umfang der Leistungen, Unterkunft und Verpflegung, personelle Ausstattung, Kalkulationsgrundsätze für Entgelte, Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie Grundsätze zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Die daraus auf kommunaler Ebene resultierenden Entgelte beziehen sich immer auf erbrachten Leistungen im Einzelfall.

Der Abschluss eines Rahmenvertrages ist in Bereichen sinnvoll, in denen Entgelte gezahlt werden und viele gleichartige Einrichtungen vorhanden sind. Ein Beispiel ist der „Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg für stationäre und teilstationäre Einrichtungen“. Dieser Rahmenvertrag wird in der Eingliederungshilfe und der Wohnungsnotfallhilfe angewendet. Ein weiteres Beispiel ist der Rahmenvertrag nach § 78 f SGB VIII aus der Kinder- und Jugendhilfe.

Langfristige Rahmenverträge, wie der nach § 79 SGB XII, sind zur Qualitätssicherung sehr sinnvoll und notwendig.


Zu Frage 2: Welche Erfahrungen aus Düsseldorf liegen vor und inwieweit sind diese auf die Stuttgarter Fördersystemstruktur anwendbar und vergleichbar?

Der „Rahmenvertrag zur Sicherung von sozialen Diensten und Aufgaben“ zwischen der Landeshauptstadt Düsseldorf und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege regelt neben Grundsatzfragen vor allem die Finanzierung der vom Vertrag betroffenen Dienste und Leistungen. Stationäre Hilfen und Tageseinrichtungen für Kinder sind dabei ausgenommen.

Im Rahmenvertrag ist neben der Förderung einzelner Dienste und Einrichtungen vereinbart, dass die freie Wohlfahrtspflege einen Zuschuss zur sozialen Arbeit im Sinne einer Globalzuwendung von der Landeshauptstadt Düsseldorf erhält, die als monetäre Anerkennung für die geleistete Arbeit verstanden werden kann. Als Gegenleistung sind die Träger der freien Wohlfahrtspflege verpflichtet, u. a. bei der Sozial- und Jugendhilfeplanung mitzuwirken. Die Anpassung oder Fortschreibung der Zuwendung an die Kostenentwicklung ist Verhandlungssache zwischen den Vertragsparteien.

Der Düsseldorfer Rahmenvertrag regelt weiterhin, dass

Ø mit den Trägern, Vereinen oder Mitgliedsorganisationen Einzelverträge zu den Aufgaben – unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Strukturen der Verbände – abgeschlossen werden. Die Laufzeit der Einzelverträge beträgt maximal 2 Jahre;
Ø für jedes Aufgabenfeld in einer Aufgabenbeschreibung Ziele und Standards definiert sind;
Ø je Aufgabenfeld eine Zuwendung gewährt wird, über deren Einsatz der Zuwendungsempfänger frei im Rahmen des Arbeitsfeldes entscheidet. Die Zuwendungen werden in der Regel als Festbetragszuschuss gewährt;
Ø ein Verband, der seine Kosten in einem Arbeitsfeld nicht decken kann, zum Ausgleich in Absprache mit der Landeshauptstadt Düsseldorf einen Aufgabenabbau im Arbeitsfeld vornehmen darf.

Jeder Zuwendungsnehmer hat die zweckentsprechende Verwendung des Zuschusses nachzuweisen. In einem Bericht ist darzulegen, ob die vereinbarte Aufgabenbeschreibung eingehalten wurde.

Der Düsseldorfer Rahmenvertrag kann aus wichtigem Grund gekündigt werden. Als solcher gilt insbesondere eine gravierende Änderung der Finanzlage der Vertragspartner, wie z. B. eine Haushaltssperre oder ein Haushaltssicherungskonzept. Ggf. werden Auslaufkosten der Verbände von der Landeshauptstadt Düsseldorf erstattet.

Der Düsseldorfer Rahmenvertrag ist im Vergleich zu dem zuvor bei Frage 1 beschriebenen Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII keine Entgeltvereinbarung, sondern ein Zuwendungsvertrag. Die geförderten Träger arbeiten nicht im Auftrag der Stadt, sondern eigenverantwortlich.

Auf Nachfrage hat das Düsseldorfer Amt für Soziale Sicherung und Integration bestätigt, dass sich der Rahmenvertrag als neue Form der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Wohlfahrtspflege bewährt hat. Der Rahmenvertrag ermöglicht eine flexible und anpassungsfähige Zuwendungspraxis und stärkt die Einflussnahme der Kommune durch einen partnerschaftlichen Aushandlungsprozess, da

Ø es verschiedene Formulierungen des Rahmenvertrages erlauben, auf sozial- und gesellschaftspolitische Veränderungen flexibel zu reagieren;
Ø der Rahmenvertrag auf neue Aufgabenbereiche ausgedehnt werden kann;
Ø die Produkt- und Leistungsbeschreibungen an sich verändernde Bedarfslagen jederzeit – in beiderseitigem Einverständnis – angepasst werden können;
Ø die Option besteht, einen Einzelvertrag zu kündigen und
Ø nach Ablauf jeder Vertragslaufzeit (2 Jahre) der Rahmenvertrag neu verhandelt wird.

Grundsätzlich ist es vorstellbar, auch in Stuttgart eine solche Rahmenvereinbarung abzuschließen. Allerdings ist nicht erkennbar, welcher entscheidende Vorteil dadurch für die Beteiligten – im Vergleich zum bestehenden Zustand – erzielt werden könnte. Auch ohne Rahmenvertrag ist es in Stuttgart möglich, auf sozial- und gesellschaftspolitische Veränderungen flexibel zu reagieren und die Förderung auf neue Aufgabenbereiche auszudehnen. In Stuttgart besteht ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Sozialverwaltung und freier Wohlfahrtspflege auf der Grundlage der geltenden Gesetzgebung (SGB I).

Auch Rahmen- bzw. Zuwendungsverträge nach dem Düsseldorfer Vorbild können nicht langfristig abgeschlossen werden, da diese immer an das Haushaltsrecht gebunden sind. Sie bieten daher keine besondere Planungssicherheit für die freien Träger und tragen auch nicht dazu bei, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Die im Düsseldorfer Rahmenvertrag getroffenen Regelungen lassen sich weitgehend aus dem SGB direkt ableiten und bedürfen keiner zusätzlichen Vereinbarung.


Zu Frage 3: Welchen rechtlichen, insbesondere vergabe-, wettbewerbs- und haushaltsrechtlichen Bedingungen müssten solche Verträge genügen?

Rahmenverträge, wie der Düsseldorfer Rahmenvertrag, entsprechen Zuwendungsverträgen, die auf der Grundlage des Haushaltsrechts geschlossen werden. Beim Abschluss von Zuwendungsverträgen ist unbedingt darauf zu achten, dass alle Marktteilnehmer in gleicher Weise berücksichtigt werden.

Das Vergabe- und Wettbewerbsrecht findet bei Rahmenverträgen wie dem „Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg…“ keine Anwendung, da keine Vergabe von Aufträgen durch die Kommune stattfindet. Gleiches gilt für den Rahmenvertrag nach § 78 f SGB VIII aus der Kinder- und Jugendhilfe.

Sobald Aufträge an Leistungserbringer erteilt werden, findet das Vergabe- und Wettbewerbsrecht Anwendung. Bei einer Vergabe wäre auch das Europäische Beihilferecht zu beachten.

Auch ohne die Existenz eines Rahmenvertrages sind Einzelvereinbarungen rechtlich möglich und zulässig. Folglich besteht kein Zwang zum Abschluss eines Rahmenvertrages. Aufgrund dieser Tatsache ergibt sich, dass hinsichtlich des Inhalts nur eingeschränkt von einer rechtlichen Wirkung gesprochen werden kann.


Zu Frage 4: Könnten solche Rahmenverträge die Interessen der Stadt, insbesondere hinsichtlich Qualitätsstandards, Pluralität und Kostenentwicklung sozialer Dienstleistungen besser garantieren als die bisherige Förderpraxis?

Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei Verträgen nach dem Düsseldorfer Modell um Zuwendungsverträge. Der Gestaltungsspielraum hinsichtlich Qualität und Pluralität unterscheidet sich zwischen Zuwendungsverträgen und bisheriger Förderpraxis nicht. Auf die Kostenentwicklung lässt sich weder mit einem Zuwendungsvertrag noch mit der herkömmlichen Förderpraxis Einfluss nehmen. Es steht in jedem Fall im Ermessen des Gemeinderates, über die Höhe der Zuwendungen und der anzuerkennenden förderfähigen Kosten zu entscheiden. Träger, die öffentliche Fördermittel beantragen und erhalten, sind grundsätzlich verpflichtet, dieses Geld wirtschaftlich und sparsam zu verwenden.


Zu Frage 5: Welche sozialen Dienstleistungen bieten sich für die Vereinheitlichung im Wege solcher Rahmenverträge an bzw. schließen sich aus?

Angebote und Dienste, die sich zu Produktgruppen zusammenfassen lassen, da sie hinsichtlich ihrer Leistungsmerkmale vergleichbar sind, werden bereits im Wege von Zuwendungsverträgen gefördert. Dies sind u. a. Kindertagesstätten, Familienentlastende Dienste für Behinderte, Begegnungsstätten für Senioren, Sozialpsychiatrische Dienste, Gerontopsychiatrische Dienste und Beratungsstellen für Suchthilfe.

Keine Vergleichbarkeit besteht zwischen geförderten Angeboten wie Sterbebegleitung, Besuchsdiensten, Haus- und Familienpflege, Tagesstätten für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, Mittagstisch für Senioren, Treffpunkt Senior und anderen Diensten.

Resümee

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat sicherzustellen, dass die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Die Landeshauptstadt Stuttgart kann die Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohner jedoch nur mit Unterstützung der Träger der freien Wohlfahrtspflege und anderen nicht verbandlich organisierten Trägern (z. B. Selbsthilfegruppen u. ä.) gewährleisten.

Freie Träger verstehen sich als anwaltliche Vertreter der hilfebedürftigen Personen, sind aber auch gleichzeitig Anbieter sozialer Dienstleistungen. Als Anbieter von Hilfeangeboten tragen freie Träger das alleinige unternehmerische Risiko und bestimmen selbst Umfang und Qualität eines Angebotes. Dort, wo es Übereinstimmungen bei den Hilfeangeboten mit den Anforderungen der Kommune gibt, beteiligt sich diese an der Finanzierung in Form von Zuwendungen. Zuwendungen oder Zuwendungsverträgen darf kein Austausch von Leistungen gegen Entgelt zugrunde liegen, um steuerliche, beihilfe- und wettbewerbsrechtliche Folgen auszuschließen. Auf dieser Grundlage ist es deshalb nicht möglich, Aufträge zu erteilen oder direkt Einfluss auf die Qualität bzw. Kostenentwicklung zu nehmen.

Die Funktionen der Kommune und der freien Wohlfahrtspflege bleiben auch in Verbindung mit einem Rahmenvertrag unverändert bestehen. Infolge der zum Teil gesetzlich festgeschriebenen Zuständigkeiten und Aufgaben ergibt sich zwangsläufig ein kontinuierlicher Aushandlungsprozess über den Versorgungsbedarf Hilfebedürftiger und dessen Finanzierung zwischen Kommune und freier Wohlfahrtspflege, der unabhängig von Rahmenverträgen und Kooperationsvereinbarungen stattfindet. Eine Kommune muss in diesem Aushandlungsprozess immer abwägen, in welchem Umfang soziale Dienste und Einrichtungen für die Einwohnerinnen und Einwohner nötig und finanzierbar sind.

Aus einem Rahmenvertrag – wie dem Düsseldorfer Modell – ergeben sich für die Nutzerinnen und Nutzer sozialer Dienste und Einrichtungen keine Leistungsverbesserungen und es entsteht auch keine Vereinfachung im Verwaltungsprozess. Die Verwaltung sieht daher keine Notwendigkeit, einen Rahmenvertrag mit der Liga der freien Wohlfahrtspflege auf kommunaler Ebene abzuschließen. Verhandlungen, mit dem Ziel, das bestehende Fördersystem punktuell mit den Bedürfnissen der freien Träger abzustimmen, werden von der Verwaltung geführt. Der Gemeinderat wird nach Abschluss der Verhandlungen über die Ergebnisse informiert.






Dr. Wolfgang Schuster