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Stellungnahme zum Antrag | 390/2006 |
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
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Datum
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Betreff
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Anlagen
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Die Verwaltung nimmt zu den Beschlussanträgen der Stadträtin Küstler wie folgt Stellung:
1. Tariftreue
Gemäß § 97 Absatz 4, 2. Halbsatz des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) dürfen an die Eignung der Bieter über die Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit hinausgehende Anforderungen nur aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen gestellt werden. In Baden-Württemberg existiert jedoch anders als in Berlin kein Tariftreuegesetz, welches hierfür herangezogen werden könnte. In anderen Bundesländern wurde die Anwendung derartiger Gesetze als nicht erfolgreich beurteilt, so dass beispielsweise das Tariftreuegesetz in Nordrhein-Westfalen zum 21.11.2006 wieder aufgehoben wurde. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.07.2006 zum Verlangen einer “Tariftreueerklärung“ entschieden, dass dies bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Dabei hat das Verfassungsgericht auch auf die Bedeutung und das Gewicht des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG (Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen) hingewiesen. Allerdings hat aber das OLG Celle die Frage der Vereinbarkeit von Tariftreueerklärungen mit europäischem Gemeinschaftsrecht mit Beschluss vom 03.08.2006 dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Sofern die Tariftreue als Zuschlagskriterium formuliert werden soll, kann zum einen nur die Einhaltung der Tarifverträge gefordert werden, an die das betreffende Unternehmen tarifvertraglich oder aufgrund einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Bundeswirtschaftsministeriums gebunden ist. Zum anderen dürfen als Zuschlagskriterien nur solche Gesichtspunkte herangezogen werden, die in Bezug zum konkret zu vergebenden Auftrag stehen. Das Unternehmen muss also die zur Erfüllung des zu vergebenden Auftrags eingesetzten Arbeitnehmer tarifgerecht entlohnen. Nicht hingegen kann gefordert werden, dass das Unternehmen grundsätzlich Tarifverträge einhält. Dies wäre auftragsfremd und daher vergaberechtswidrig.
Ziffer 1 des Antrags kann daher in dieser Pauschalität nicht zugestimmt werden.
Sämtliche Bauunternehmen sind an das Arbeitnehmerentsendegesetz gebunden. Danach sind sie verpflichtet, die Tarifverträge des Baugewerbes, für die sie der Tarifbindung nach dem Tarifvertragsgesetz unterliegen bzw. die für allgemeinverbindlich erklärt wurden, einzuhalten. Unternehmen, die hiergegen verstoßen haben, können bei Vorliegen der in den Verdingungsordnungen festgelegten Voraussetzungen von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. § 8 Ziffer 5 Abs. 1 Buchstabe c) VOB/A lautet: „Von der Teilnahme am Wettbewerb dürfen Teilnehmer ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellt.“ Dieselbe Ausschlussmöglichkeit eröffnet § 7 Ziffer 5 Buchstabe c) VOL/A. Bei Vorliegen solcher Voraussetzungen wird die Verwaltung Bieter vom Vergabeverfahren in zulässigem Umfang ausschließen.
2. Bevorzugung regionaler und lokaler Unternehmen
Grundsätzlich darf Unternehmen allein wegen ihres lokalen oder regionalen Firmensitzes kein Vorteil bei der Auftragsvergabe eingeräumt werden.
Soziale Kriterien, wie beispielsweise die Sicherung von Arbeitsplätzen, können nur dann als Zuschlagskriterium herangezogen werde, wenn sie auftragsbezogen sind. Die Firmenpolitik oder Betriebsorganisation kann mangels eines Bezugs zum konkreten Auftrag hierbei nicht bewertet werden. Zur Ausbildungsquote als Vergabekriterium darf auf die Stellungnahme zum Antrag 214/2006 verwiesen werden.
Ebenso verhält es sich mit rein ökologischen Gesichtspunkten. Sofern Umweltgesichtspunkte in die Vergabeentscheidung einfließen sollen, müssen sie sich konkret auf den zu vergebenden Auftrag beziehen. Allgemeine betriebliche oder umweltpolitische Aspekte wie weniger Luftverschmutzung durch kürzere Anfahrtswege sind hingegen auftragsfremd und damit nicht vergaberechtskonform.
Die vorgeschlagene Berücksichtigung steuerlicher Vorteile in Form von Mehreinnahmen aus Gewerbe- oder Grundsteuer für die Landeshauptstadt als Auftraggeberin betrifft rein vergabefremde Gesichtspunkte. Eine Vergabeentscheidung danach wäre vergaberechtswidrig.
Ziffer 2 des Antrags kann daher nicht zugestimmt werden.
Es ist möglich, dass ortsansässige Unternehmen wirtschaftlichere Angebote abgeben können. So kann beispielsweise die Erreichbarkeit des Unternehmens und die Präsenz der Projektbetreuer vor Ort während der Ausführung bewertet werden.
Bei Beschränkten Ausschreibungen wird teilweise von der Verwaltung der Bieterkreis auf regionale und lokale Unternehmen beschränkt und ausschließlich diese zur Angebotsabgabe aufgefordert.
Bei der derzeit im Pilotversuch getesteten Internetplattform zur elektronischen Vergabe haben sich mehrheitlich regionale und lokale Unternehmen registriert, die auf dort veröffentlichte Ausschreibungen Angebote abgeben. Dieses Medium erscheint daher als geeignetes Mittel, gezielt diese Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern.
Sofern es bei dem zu vergebenden Auftrag möglich und angezeigt ist, bemüht sich die Verwaltung durch den Einsatz zulässiger Mittel, verstärkt wirtschaftliche Angebote lokaler und regionaler Unternehmen zu erhalten.
3. Gleiche Verfahrensweise bei städtischen Beteiligungsgesellschaften
Soweit Auftragsvergaben von städtischen Beteiligungsunternehmen nicht dem Vergaberecht unterliegen, können Tariftreue verlangt und lokale bzw. regionale Unternehmen bevorzugt werden. Ansonsten gelten die Ausführungen zu Ziffer 1 und 2.
4. Public Corporate Governance für die Landeshauptstadt Stuttgart
Eine Aufnahme einzelner Regelungen zur Auftragsvergabe in der Public Corporate Governance für die Landeshauptstadt Stuttgart ist nicht sinnvoll. Soweit rechtlich zulässig können durch die städtischen Unternehmen aber Mindeststandards in einem Geschäftspartnerkodex zur Voraussetzung für eine Auftragsvergabe gemacht werden, wobei aber Zweckmäßigkeit, Folgen und Durchsetzbarkeit einzelner Standards vor dem Hintergrund der jeweiligen Beteiligungsunternehmen individuell beurteilt werden müssen.
5. Bericht über die Vergabepraxis
Im Übrigen wird auf die Stellungnahme zum Antrag 119/2006 verwiesen, in welcher die kommunale Vergabepraxis auch in Bezug auf die hier aufgeworfenen Fragen ausführlich dargestellt wird.
Dr. Wolfgang Schuster
Oberbürgermeister
Leitvermerke zur Stellungnahme zum Antrag 390/2006
II. Über