Beantwortung zur Anfrage
354/2009

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 06/14/2010
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7600-01



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Wahl Dieter (CDU), Rudolf Joachim (CDU), Kotz Alexander (CDU), Bulle-Schmid Beate (CDU), Mayer Fabian (CDU), Currle Fritz (CDU)
Datum
    10/09/2009
Betreff
    Unternehmen in Stuttgart
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Der Wirtschaftsstandort Stuttgart im Kontext von Strukturwandel und Neu-orientierung. Einige Vorbemerkungen

Vor dem Hintergrund einer Analyse der IHK Region Stuttgart vom Mai 2009 zur Verlagerung von Unternehmenssitzen in der Region Stuttgart im Zeitraum 2005 bis 2008 wird der Standortfaktor „Gewerbeflächenverfügbarkeit“ immer wieder als herausragendes Argument bei der Diskussion um Standortattraktivität genannt. Doch auch andere Standortfaktoren sind bei Unternehmenswegzügen oder -zuzügen relevant, so u. a. der Preis und die Verfügbarkeit von Gewerbeimmobilien, die Anbindung an das überregionale Straßenverkehrsnetz, die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs, die Kundennähe, die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Fachkräften und nicht zuletzt weiche Standortfaktoren.

Seit den frühen 90er Jahren, als die Stadt Stuttgart – im Gegensatz zur Region - von massiven Arbeitsplatzverlusten betroffen war, hat sich ein nachhaltiger wirtschaftlicher Strukturwandel abgezeichnet. Dieser Strukturwandel wurde ab Mitte der neunziger Jahre von starkem Wirtschaftswachstum des produzierenden Gewerbes, aber auch der Dienstleistungsbranchen begleitet. Er beinhaltete tief greifende Flächenumwandlungen und Standortverlagerungen innerhalb von Stadt und Region sowie – dem bundesdeutschen Trend folgend - eine Suburbanisierung von Gewerbeflächen. Mit diesem Umfang an Veränderungen in den Gewerbegebieten Stuttgarts verbunden waren zusehends auch Qualifizierungsprozesse, die höhere bauliche Dichten, aber insbesondere auch höhere Arbeitsplatzdichten durch arbeitsplatzintensivere Unternehmen (z. B. Bürogewerbe, Dienstleistungen, Kreativwirtschaft) nach sich zogen, so dass eine Vielzahl von Gewerbestandorten heute intensiver als früher genutzt wird. Der Verlust an „Produktionsflächen“ wurde so durch einen Gewinn an und eine Nutzungsintensivierung von „Dienstleistungsflächen“ aller Art aufgefangen.

Im regionalen wie überregionalen Standortwettbewerb zeichnet sich Stuttgart heute nach wie vor als innovativer Standort mit starker Wirtschaftskraft, ausgeprägter Forschungslandschaft, Innovationspotenzial und einer Vielfalt an Serviceeinrichtungen für Existenzgründer aus. Die Region Stuttgart entspricht dabei dem Typus der „vernetzten Produktionsregion“: Ein starkes und komplettes Cluster im Bereich des Auto-mobilbaus wird ergänzt durch deutliche Clusterbildungen in den Bereichen Maschinenbau, Eletrotechnik und IuK-Technologie. Wirtschaftliche Stärken der Stadt liegen in beschäftigungsintensiven Bereichen wie den Finanzdienstleistungen und der Elek-trotechnik bzw. Informations- und Kommunikationstechnologie, zunehmend auch bei der Medien- und Kreativwirtschaft. Eine besondere Dynamik entfalten in den letzten Jahren die unternehmensorientierten Dienstleistungen, die sich stark auf die Schlüsselbranchen beziehen. Insgesamt ist eine deutliche Zunahme der wissens- und IuK-basierten Dienstleistungen festzustellen.

Neben der Sicherung der industriellen Kerne sind zunehmend Umstrukturierungsbereiche in den Arbeitsstättengebieten als zentrale Aufgabenfelder in den Blick getreten. Für diese Bereiche müssen künftig kreative Lösungen entwickelt werden. Neben einer standortgerechten und stadtentwicklungspolitisch adäquaten Flächenpolitik ist eine nachhaltige Strategie im Umgang mit dem wertvollen Bestand an Gewerbe- und Industrieflächen zu entwickeln. Gewerbestandorte sind dauerhaft für produzierendes und verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen, Handwerk und lokale Ökonomie zu erhalten, bereit zu halten und zu qualifizieren.

Die Wirtschaft zu fördern, ist somit mehr als Wirtschaftsförderung im klassischen Sinne. Den Strukturwandel auch stadträumlich erkennbar zu gestalten, kreative und hoch spezialisierte urbane Standorte und neue Arbeitsumfelder zu entwickeln und gezielt zu fördern, die Infrastrukturen bedarfsgerecht umzubauen und modernen Wirtschaftsweisen entsprechende Unternehmensstandorte und Arbeitswelten zu schaffen, sind auf Dauer gemeinsame Aufgabenfelder von Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung.


Fragen/Antworten

1. Wie hat sich die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen differenziert nach Preisbereichen in den letzten 15 Jahren verändert?

In der Kaufpreissammlung des Gutachterausschusses werden alle Verkäufe über Grundstücke und Immobilien in Stuttgart registriert, so dass eine Aussage über die Verkaufsaktivitäten der zurückliegenden Jahre gemacht werden kann, jedoch können aus diesen Zahlen keine direkten Rückschlüsse auf die Verfügbarkeit entsprechender Grundstücke gezogen werden. Über die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen wird keine gesonderte Statistik geführt.

Allerdings lassen sich einige qualitative, teils auch quantitative Aussagen aus dem Vergleich der Flächenentwicklung gewerblicher Bauflächen als Darstellungen der Flächennutzungspläne (FNP) 1990 und 2010 treffen. Laut Flächenbilanz des FNP 2010 hat sich gegenüber dem FNP 1990 der Anteil an gewerblichen Bauflächen nicht verändert (6 % der Gesamtfläche Stuttgarts). Die Bauflächenpotenziale für Gewerbe betrugen im FNP 2010 zum Zeitpunkt seiner Gesamtfortschreibung insgesamt ca. 3,7 Mio. m² Geschossfläche (GF). Die durch den wirtschaftlichen Strukturwandel ausgelösten Transformationsprozesse haben vielfach Nutzungsänderungen und Flächenqualifizierungen ausgelöst. Auch hat sich der Geschossflächenbedarf pro Beschäftigten seit 1970 (50 m²/ Beschäftigten) bis 2009 (mehr als 70 m²/ Beschäftigten) deutlich gesteigert. Dabei fand ein einschneidender Wandel vom produzierenden Gewerbe hin zu Dienstleistungsnutzungen statt. Städtebaulich bot dieser Strukturwandel die große Chance, Wohnen und Arbeiten wieder verstärkt in gemischten Strukturen zu organisieren. Um das Ziel der Stadt, die Zahl der Arbeitsplätze wieder zu erhöhen, zu erreichen, wurde für den Planungszeitraum des FNP 2010 ein zusätzlicher Flächenbedarf von ca. 3,0 Mio. m² GF zugrunde gelegt. Somit ist zumindest rechnerisch ein Überhang von ca. 0,7 Mio. m² GF an gewerblichen Flächenpotenzialen vorhanden, die sich aus der Verdichtung und Umnutzung der Bestandsgebiete wie auch aus den Restkapazitäten und Neubauflächen der geplanten Gebiete zusammensetzen.

Mit dem Instrument des „Nachhaltigen Bauflächenmanagements Stuttgart (NBS)“ wird seit 2001 ein umfangreicher Flächenpool aufgebaut und sukzessive fortgeschrieben. Mit dieser innovativen Informationsplattform ist eine differenzierte Gesamtschau der Flächenpotenziale in Stuttgart möglich. Hierbei wurden u. a. Strategien und Instrumente entwickelt, um die dort ermittelten Bauflächenpotenziale im Bestand zu aktivieren und marktfähig zu machen. Im NBS-Lagebericht 2008 (GRDrs 226/2008) wurden insgesamt 266 ha (ca. 2,8 Mio. m² GF) an gewerblichen Bauflächenpotenzialen unter Berücksichtigung von 80 %-Anteil der gemischten Bauflächen Verwaltung (MV) und 50 %-Anteil der gemischten Bauflächen (M) ermittelt. Die rein gewerblichen Flächenpotenziale (im FNP als Gewerbliche Baufläche dargestellt) umfassten damals etwa 163 ha.

Bei den NBS-Flächen handelt es sich um „Bauflächenpotenziale“, die nicht zu verwechseln sind mit „baureifen Bauflächen/Grundstücken“. Aktuell ergeben sich aus dem NBS kurzfristig verfügbare gewerbliche Bauflächenpotenziale im Umfang von etwa 120 ha, davon befinden sich allerdings nur ca. 4 ha derzeit marktreife Gewerbeflächen in städtischem Eigentum. Über die in Aufstellung befindliche Zeitstufenliste Gewerbe 2010 wird die stufenweise Verfügbarkeit von Flächen für die Gewerbeentwicklung transparent gemacht. Festzustellen ist aber, dass derzeit in allen Preisbereichen keine großflächigen, zusammenhängenden und verkehrsgünstig gelegenen Flächen auf der Gemarkung mehr zur Verfügung stehen.

Vor diesem Hintergrund wurde seitens der Landeshauptstadt Stuttgart und der Stadt Leinfelden-Echterdingen vor einiger Zeit die Initiative zur Schaffung eines „Interkommunalen Gewerbegebiets Echterdingen-Ost“ westlich des Flughafens Stuttgart mit ca. 35 ha Gesamtfläche gestartet. In einem ersten Bauabschnitt (nördlicher Teil) sollen etwa 18 ha Gewerbefläche mit bis zu 248.000 m² GF für Produktions-, Ausstellungs- und Büronutzungen entwickelt werden (siehe auch GRDrs 602/2008 und 447/2009). Es werden alle Anstrengungen unternommen, die jüngst entstandenen Missverständnisse auszuräumen, um das zukunftsfähige Projekt eines gemeinsamen Büro- und Gewerbeparks am Flughafen zu realisieren.


2. In welchem Umfang wurden Gewerbeflächen zu Gunsten anderer Nutzungen in den letzten 15 Jahren aufgegeben?

Für den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre ist eine quantitative Aussage für die Landeshauptstadt Stuttgart als Ganzes kaum zu treffen, hierfür liegen keine hinreichenden Datengrundlagen vor. Allerdings können strukturell bedingte Umwandlungsprozesse anhand konkreter Beispiele aus den Stadtbezirken qualitativ verdeutlicht werden. Insbesondere in den stark durch industriegewerbliche Nutzungen geprägten Stadtbezirken wie Bad Cannstatt, Feuerbach oder Zuffenhausen haben sich durch den Strukturwandel konkrete Nutzungsänderungen und Flächenqualifizierungen ergeben. Standorte wie das ehemalige Terrot-Areal, das ehemalige Knecht-Areal, die ehemalige Obere Ziegelei oder das Areal an der Heinrich-Ebner-Straße/ Veielbrunnenweg in Bad Cannstatt sind abgeschlossene Projekte und stehen beispielhaft für die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, durch räumliche Gegebenheiten beschränkte Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort oder die Schwierigkeit, bestehende gewerbliche Nutzungen am Standort, bedingt durch den Generationenwechsel, erfolgreich fortzuführen. Die zu beobachtende Flächenumwandlung kann aber auch als „Reparatur“ von stadtbauhistorischen und strukturellen Fehlentwicklungen betrachtet werden, die sich im Zuge einer organischen Stadt- und Wirtschaftsentwicklung eingestellt haben und die heute zu sog. „Schwitzkastenlagen“ ohne betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten führen. Die Anpassung von Standorten und Standortqualifizierungen, ausgelöst meist auf Wunsch der Wirtschaft bzw. der Eigentümer, bietet die Chance, an diesen Standorten intensivere Nutzungen zu ermöglichen und so auch eine höhere Arbeitsplatzdichte zu realisieren.

Die Umnutzung gewerblicher Flächen im Bestand war bereits Thema eines Antrags der CDU im Gemeinderat über „Umgewandelte Flächen von einer Gewerbe- in eine Wohnnutzung in Stuttgart in den letzten 10 Jahren“ (Antrag Nr. 158/2008, beantwortet im UTA am 08.07.2008): Hier wurden in 11 Fällen insgesamt 15,7 ha Flächenumwandlungen in Wohn- bzw. Mischnutzung - weitestgehend dem gültigen FNP 2010 entsprechend - aufgeführt und quantifiziert, so u. a. Groß und Fröhlich in Heslach (0,8 ha), Terrot-Areal (1,2 ha) und Bettfedernfabrik in Bad Cannstatt (1,0 ha), Mediaforum in Stuttgart-Nord (3,2 ha) oder auch Herma-Areal in Wangen (0,7 ha). Bei drei weiteren Fällen - Neoplan in Möhringen (4,4 ha), Sickeler-Areal in Vaihingen (1,1 ha) und Güterbahnhof Bad Cannstatt (21,8 ha) – wurden Nutzungsumwandlungen im FNP 2010 erforderlich.


3. Wie hat sich die Zahl der Arbeitsplätze differenziert nach Branchen verändert?

Die Branchenzuordnung von Beschäftigten ändert sich in mehrjährigem Abstand. Für vergleichbare Wirtschaftszweigsystematiken (WZ) sind Daten erst ab 1999 verfügbar. Änderungen in den Wirtschaftszweigsystematiken führen regelmäßig zu Neuzuordnungen von Beschäftigten zu Branchen, weshalb Veränderungen in der Beschäftigtenzahl in einem Wirtschaftszweig nicht unbedingt auf eine gute oder schlechte Branchenentwicklung schließen lassen. Die WZ 1993 und WZ 2003 sind aber hinreichend gut vergleichbar.


Tabelle 1: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsabschnitten:

Wirtschaftsabschnitt
Juni 1999
(WZ 1993)
Juni 2003
(WZ 2003)
Juni 2008
(WZ 2003)
Veränderung 1999-2008 in %
A Land- und Forstwirtschaft
1193
1081
1051
-12
B Fischerei und Fischzucht
C Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden
176
D Verarbeitendes Gewerbe
93571
85006
75605
-19
E Energie- und Wasserversorgung
4017
3547
3167
-21
F Baugewerbe
16482
14334
11390
-31
G Handel
40697
38523
38383
-6
H Gastgewerbe
8997
8343
9287
3
I Verkehr und Nachrichtenübermittlung
14692
14995
13943
-5
J Kredit- und Versicherungsgewerbe
32053
34345
28035
-13
K Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, (andere nicht genannt)
46930
61643
73744
57
L Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung
21129
22125
22709
7
M Erziehung und Unterricht
10625
12467
12246
15
N Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
27848
30074
30819
11
O Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen
21222
22576
24767
17
P Private Haushalte mit Hauspersonal
400
384
368
-8
Q Exterritoriale Organisationen und Körperschaften
Insgesamt
340.820
350.302
346.433
2
C-F: Produzierendes Gewerbe
114246
103010
90284
-21
G-Q: Dienstleistungen
224642
245523
254330
13
Quelle: LH Stuttgart, Statistisches Amt

Arbeitsplätze wurden u. a. im Bereich des produzierenden Gewerbes (Abschnitte
C - F) abgebaut. Besonders viele zusätzliche Arbeitsplätze entstanden im Bereich der „unternehmensnahen“ Dienstleistungen (Abschnitt K). Bei der Interpretation der Beschäftigtenstatistik ist zu beachten, dass sie nur den Teil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erfasst. Zu den Erwerbstätigen zählen jedoch auch die geringfügig entlohnten Beschäftigten, die Selbstständigen und die Beamten. So betrug die Erwerbstätigenzahl laut der Erwerbstätigenrechnung des Statistischen Landesamtes am Arbeitsort Stuttgart 449.200 im Jahr 1999, im Jahr 2007 waren es 467.200 (+ 4 %). Die Erwerbstätigenrechnung ist auch für eine längere Zeitreihe (1991 bis 2007) bezogen auf verschiedene Wirtschaftsbereiche verfügbar. Es fällt auf, dass sich die Zahl der Erwerbstätigen seit 1994 (451.900) um ca. 3,4 % auf 467.200 im Jahre 2007 erhöht hat. Im Bereich des produzierenden Gewerbes ergab sich eine Reduktion um 21,7 %. Dagegen sind im Dienstleistungsbereich 14,2 % mehr Erwerbstätige zu verzeichnen.


Tabelle 2: Erwerbstätige nach Wirtschaftsabschnitten:


Quelle: LH Stuttgart, Statistisches Amt


4. Wie wirken sich Preis und wie baurechtliche Vorgaben (bspw. ehem. Zuckerfabrik, Bad Cannstatt) auf die Vermarktung zur Verfügung stehender Flächen aus?

Für den Preis (Wert) eines Grundstücks sind neben den baurechtlichen Vorgaben (Planungsrecht) vor allem die Lage und die damit verbundene Infrastruktur der Grundstücke maßgeblich. Auf Grund dieser Eigenschaften sowie der registrierten Verkäufe leitet der Gutachterausschuss entsprechende Bodenrichtwerte ab.
Ein Gutachter aus der Immobilienbranche mit dem Schwerpunkt Gewerbeimmobilien hat bestätigt, dass Kaufinteressenten vor allem auf das Umfeld achten (Lage, Infrastruktur, Verkehrsanbindung, bereits vorhandene Gewerbebetriebe). Wenn das Umfeld für den Interessenten passt, ist dieser auch bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen. Baurechtliche Vorgaben können, müssen aber keine Auswirkungen auf die Vermarktbarkeit von Grundstücken haben. Hier kommt es insbesondere auf die tatsächlichen Einschränkungen an, die aus den Vorgaben entstehen. Z. B. ist die Vermarktung der Grundstücke im Gewerbegebiet Zuckerfabrik trotz eines relativ geringen Grundstückswerts erschwert, weil in Teilbereichen eine Mindestgebäudehöhe von 11 m durch das Planungsrecht gefordert ist, eine solche Gebäudehöhe jedoch für Handwerksbetriebe oder kleinere Firmen meist nicht notwendig ist. Die Zucker-fabrik weist zudem Nachteile im Umfeld aus (Lage, Verkehrsanbindung), die ebenfalls nicht durch den Grundstückswert wettgemacht werden.
Ein anderes Beispiel ist das Gewerbegebiet Gaisburg (ehemaliges Schlachthofareal). Im Vergleich zur Zuckerfabrik liegt dort der Grundstückswert 27 % höher, trotzdem konnte dieses Gewerbegebiet fast vollständig aufgesiedelt werden. Diese Nachfrage ist auf die gute Lage und Verkehrserschließung und -anbindung zurückzuführen.


5. Wie viele und welche Gewerbeflächen stünden kurzfristig und wie viele mittelfristig für ansiedlungswillige Unternehmen zur Verfügung?

Aus dem bestehenden Flächenpool des „Nachhaltigen Bauflächenmanagements Stuttgart (NBS)“ werden derzeit etwa 250 für gewerbliche Nutzungen geeignete Flächen untersucht, die in drei Zeitstufen in der „Zeitstufenliste Gewerbe“ aufgelistet sind. Die Zeitstufen definieren die kurz-, mittel- und langfristigen Zeithorizonte für die Entwicklung und Bereitstellung von Gewerbeflächen und umfassen unterschiedlichste Gewerbeareale – von marktreifen Flächen über Flächen in Umplanung bis zur Neuprofilierung und strategischen Neuausrichtung von Flächen. Die „Zeitstufenliste Gewerbe“ wird in 2010 erstmals vorgelegt und im zweijährigen Turnus fortgeschrieben. Die Zeitstufenliste Gewerbe und ein ergänzender Arbeitsstätten-Atlas sind „Bausteine“ eines in Vorbereitung befindlichen „Gewerbeflächenentwicklungskonzeptes Stuttgart“, das Entwicklungsperspektiven und -räume für gewerbliche Branchen und Cluster in Stuttgart aufzeigen soll.

Im Eigentum der Stadt stehen aktuell und für eine kurzfristige Bebauung insgesamt nur etwa 4 ha an marktreifen Gewerbeflächen für ansiedlungswillige Unternehmen zur Verfügung. Nicht enthalten sind hier allerdings städtische (Teil-)Flächen oder Gewerbegrundstücke, die für Betriebe reserviert sind oder bei denen die Wirtschaftsförderung aktuell in Verhandlungen mit kaufinteressierten Firmen steht. Unter den städtischen, für eine kurzfristige Bebauung zur Verfügung stehende Gewerbeflächen befinden sich u. a. Flächen der ehemaligen Zuckerfabrik in Bad Cannstatt (8.000 m²), das Epple-Areal/Quellenstraße in Bad Cannstatt (6.000 m²), das ehemalige Blau-Areal in Stuttgart-Ost (4.800 m²), das Areal Tränke-Süd in Degerloch (6.200 m²), das Areal Hasenheide-Ost/Foxboro-West: in Bad Cannstatt (3.000 m²) und Flächen in der Schwieberdinger-/Marconistraße in Zuffenhausen (6.300 m²).

Mittelfristig werden weitere größere gewerbliche Bauflächen u. a. mit dem Güterbahnhof Bad Cannstatt (NeckarPark) in Bad Cannstatt und dem Schoch-Areal in Feuerbach aktiviert.



6. Wie haben sich die für eine industrielle Nutzung zur Verfügung stehenden Flächen verändert?

Grundsätzlich wird das Ziel verfolgt, gewerbliche Bauflächen im Sinne einer effektiven Wirtschaftsförderung und einer ausgewogenen gesamtstädtischen Nutzungsentwicklung zu sichern. Das Stadtentwicklungskonzept Stuttgart (STEK) wurde auf der Grundlage erarbeitet, die industriellen Kerne nachhaltig zu sichern, aber auch Schwerpunkte für die Entwicklung des Gewerbes und der Industrie zu profilieren.
In Fällen bedeutender Unternehmen, wie der Fa. Porsche in Zuffenhausen oder der Fa. Daimler AG in Untertürkheim und Bad Cannstatt, wird deutlich, dass nicht nur die Sicherung der industriellen Kerne, sondern - auf Wunsch dieser Unternehmen - z. T. auch eine deutliche Ausweitung dieser Industrieflächen vorgenommen wurde. Die teils veränderten und in Umstrukturierung begriffenen Umfelder wurden baurechtlich gesichert und von konfligierenden Nutzungen freigehalten. Neben der expliziten Standortsicherung traditioneller Industrie- und Produktionsstandorte (u. a. in Feuerbach-Ost oder in Zuffenhausen-West) erfolgte an vielen Standorten eine Profilierung mit höherwertigem Gewerbe und teils auch publikumswirksamen Handelsstandorten.
Festzuhalten ist dennoch, dass derzeit keine größeren oder zusammenhängenden Flächen für lärmintensives Gewerbe oder mit 24-Stunden-Betrieb, die eine GI-Ausweisung benötigen, für Neuansiedlungen zur Verfügung stehen. Eine Statistik mit Flächenangaben wird hierzu nicht geführt. Insgesamt gilt es, auch weiterhin das Flächen- und Standortmanagement mit den Unternehmen zu verbessern, bei einzelnen Problemflächen Ersatzflächen zu identifizieren und ggf. auf Standortverlagerungen hinzuarbeiten.


7. Wie hat sich die Zahl der Unternehmen mit über 50 Arbeitnehmern in Stuttgart in den Bereichen Dienstleistungen und Produktion verändert?

In der Statistik werden Betriebe und Unternehmen unterschieden. Unternehmen können sich aus mehreren Betrieben zusammensetzen. Von der Bundesagentur für Arbeit ist nur die Zahl der Betriebsstätten zu beziehen. Die Entwicklung der Zahl der Betriebsstätten gibt aber insgesamt einen guten Hinweis auf die Entwicklung der Zahl der Unternehmen. Zu beachten ist, dass die Zahl von Betriebsstätten mit 50 oder mehr Arbeitnehmern in einem Wirtschaftszweig auch dann sinken kann, wenn die Betriebe schrumpfen und die Beschäftigtenschwelle von 50 im Schrumpfungsprozess unterschreiten (ein Wegzug oder eine Schließung kann, muss aber nicht ursächlich für die Abnahme sein). Umgekehrt kann die Zahl der Betriebsstätten mit 50 und mehr Beschäftigten zunehmen, indem Betriebsstätten über diese Schwelle wachsen (es muss sich nicht zwangsläufig um Zuzüge oder Neugründungen handeln).

Insgesamt hat die Zahl der größeren Betriebsstätten mit mehr als 50 Beschäftigten in Stuttgart seit 1999 um 42 zugenommen. Diese Zunahme ist fast ausschließlich auf die positive Entwicklung bei den unternehmensnahen Dienstleistungen zurückzuführen. In Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten arbeiten in Stuttgart über die Jahre hinweg konstant etwa 73 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Tabelle 3: Betriebsstätten mit 50 und mehr Beschäftigten in Stuttgart

Wirtschaftsabschnitt
Juni 1999
(WZ 1993)
Juni 2003
(WZ 2003)
Juni 2008
(WZ 2003)
Veränderung 1999-2008 absolut
A Land- und Forstwirtschaft
4
4
3
-1
B Fischerei und Fischzucht
-
-
-
C Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden
*
*
-
D Verarbeitendes Gewerbe
154
132
114
-40
E Energie- und Wasserversorgung
7
11
10
3
F Baugewerbe
53
46
31
-22
G Handel
143
143
142
-1
H Gastgewerbe
28
19
27
-1
I Verkehr und Nachrichtenübermittlung
50
60
52
2
J Kredit- und Versicherungsgewerbe
74
71
69
-5
K Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, (andere nicht genannt)
200
239
293
93
L Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung
53
61
51
-2
M Erziehung und Unterricht
25
27
31
6
N Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen
75
75
76
1
O Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen
68
67
79
11
P Private Haushalte mit Hauspersonal
-
-
-
Q Exterritoriale Organisationen und Körperschaften
*
*
*
Insgesamt
938
958
980
42
C-F: Produzierendes Gewerbe
214
189
155
-59
G-Q: Dienstleistungen
716
762
820
104
Quelle: LH Stuttgart, Statistisches Amt











Dr. Wolfgang Schuster