Stellungnahme zum Antrag Nr.
411/2000

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 07/17/2000
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 3871-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    Reißig Andreas (SPD)
Datum
    05/18/2000
Betreff
    Scientology – Narrenfreiheit in Stuttgart?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

1. Mit Verfügung des Amts für öffentliche Ordnung vom 19.1.1995 wurde den Mitgliedern und Mitarbeitern der Dianetik Stuttgart Scientology Kirche e.V. untersagt, auf öffentlichen Verkehrsflächen in Stuttgart Passanten anzusprechen und zu einem Informationsgespräch einzuladen.

Mit ergänzenden Verfügungen vom 27.7.1995 und 30.10.1995 wurde das Verteilen von Druckerzeugnissen mit und ohne Ansprechen von Passanten auf öffentlichen Verkehrsflächen untersagt. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld von 3.000,00 DM angedroht. Der angeordnete Sofortvollzug dieser Verfügungen ist rechtswirksam, nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 12.7.1996 die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart zurückgewiesen hat, mit der der Antrag der Dianetik Stuttgart Scientology Kirche e.V. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt worden ist. Die gegen die 3 Verfügungen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 10.11.1998 abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg über die Berufung noch nicht entschieden hat.

2. In den nachfolgenden Ziffern 3 bis 7 wird dargestellt, mit welchen Mitteln und mit welcher Intensität Scientology bzw. deren Untergliederungen in den letzten Wochen und Monaten in Stuttgart für Scientology bzw. für mit Scientology zusammenhängende Veranstaltungen geworben hat.

3. Dianetik Stuttgart e.V. hielt am 15.3.2000 im Bereich des Schloßplatzes eine Mahnwache zum Thema "Religiöse Toleranz und Menschenrechte" ab. Es kam zu keinerlei besonderen Vorkommnissen. Die Mahnwache musste aufgrund der versammlungsrechtlichen Bestimmungen zugelassen werden.

Desweiteren waren zwei Frauen im Bereich des Schloßplatzes mit sog. Sandwich-Plakaten unterwegs. Die beiden Frauen gingen nur auf und ab. Passanten wurden nicht angesprochen. Auf den Plakaten wurde zu einer Ausstellung (Titel: "Was ist Scientology?") in der Friedrichstraße 39 eingeladen. Diese Aktion bedurfte keiner Sondernutzungserlaubnis, da der Gemeingebrauch an der Straße nicht überschritten wurde. Jedoch musste das Verteilen von Luftballons bzw. Tulpen mit angebrachten Kärtchen, auf denen eine Einladung zu der o.g. Ausstellung stand, vom Amt für öffentliche Ordnung untersagt werden.

4. Am 17.3.2000 wurde durch Beamte des Polizeireviers Innenstadt im Bereich des Schloßplatzes eine Frau angetroffen, die einen gelben Ballon (Durchmesser ca. 1 m) mit sich führte. Auf diesem Ballon befand sich folgende Aufschrift: "Besuchen Sie die Ausstellung - Was ist Scientology?". Außerdem verteilte die Frau Blumen mit Werbezetteln, die denselben Inhalt hatten. Weiterhin wurden mehrere Personen mit Umhängetafeln angetroffen, die ebenfalls Werbung für die Ausstellung machten.

5. Am 19.3.2000 wurden durch Beamte des Polizeireviers Innenstadt im Bereich des Schloßplatzes Mitglieder der "Dianetik Stuttgart e.V." bei einer Werbeaktion angetroffen. Diese verteilten an Passanten Tulpen und bunte Luftballons. An den Tulpen waren Kärtchen befestigt, auf welchen auf die in der Friedrichstraße stattfindende Ausstellung hingewiesen wurde. Die bunten Luftballons waren mit einem entsprechenden Aufdruck versehen.

Die Werbeaktionen am 17.3.2000 und 19.3.2000 wurden von Dianetik Stuttgart e.V. ohne Erlaubnis durchgeführt.

Bei der Aktion am 19.3.2000 wurde die verantwortliche Person vom Polizeirevier Innenstadt darauf hingewiesen, dass jegliche aktive Werbetätigkeit außerhalb der Ausstellungsräume aufgrund einer Anordnung des Amts für öffentliche Ordnung zu unterlassen sei. Das passive Werben mit Umhängetafeln sei davon nicht betroffen.

6. Eine Unterorganisation von Scientology ("new era Publikations Deutschland GmbH") hat am 10.4.2000 und 11.4.2000 eine Werbeaktion im Bereich Kronprinz-/Büchsenstraße durchgeführt. Vom Amt für öffentliche Ordnung wurde genehmigt, ein Quiz zu veranstalten und Einladungen für eine Ausstellung, Luftballons, Stifte und Blumen zu verteilen.

7. Weitere Aktivitäten von Scientology im öffentlichen Verkehrsraum (Verteilung von Flyern am 7.4.2000 und Umfrageaktion am 25.4.2000) wurden durch die Polizei eingestellt.

8. Zur Frage, welche ordnungsrechtlichen Möglichkeiten die Stadtverwaltung hat, die unterschiedlichen Werbemaßnahmen zu unterbinden, wird folgendes ausgeführt:

8.1 Bei Scientology handelt es sich nicht um eine verbotene Organisation. Das Amt für öffentliche Ordnung sieht Scientology als Wirtschaftsorganisation an. Wirtschaftsorganisationen dürfen im Bereich Kronprinz-/Büchsenstraße Werbeaktionen durchführen. Deshalb musste das Amt für öffentliche Ordnung dort am 10.4.2000 und 11.4.2000 die Werbeaktion einer Unterorganisation von Scientology ("new era Publications Deutschland GmbH”) zulassen.

8.2 Die Mahnwache am 15.3.2000 musste aufgrund der versammlungsrechtlichen Bestimmungen zugelassen werden.

8.3 Das Unterwegssein mit sog. Sandwich-Plakaten ist nicht erlaubnispflichtig. Es handelt sich um keine Sondernutzung. Der Gemeingebrauch an der Straße (hier: Fußgängerzone Königstraße) wird nicht überschritten.

8.4 Die vom Amt für öffentliche Ordnung am 19.1.1995, 27.7.1995 und 30.10.1995 gegen Scientology erlassenen straßenrechtlichen Untersagungsverfügungen (siehe hierzu Ziffer 1) werden im Berufungsverfahren vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg überprüft.

9. Dem Amt für öffentliche Ordnung ging keine Meldung zu, dass im Rahmen einer Scientology-Werbeaktion ein vorbeikommendes Mädchen, das einen Ballon beschädigt haben soll, von einem Mitglied von Scientology tätlich angegriffen wurde.

10. Vorstehende Ausführungen zeigen, dass die Polizei ständig kontrolliert, ob die Vorgaben des Amts für öffentliche Ordnung eingehalten werden. Weitergehende Maßnahmen wären derzeit nicht verhältnismäßig.









Dr. Wolfgang Schuster